Thorsten Hinz: “Der Weizsäcker-Komplex”

Für die meisten Deutschen verkörpert Richard von Weizsäcker zweifellos das Ideal eines Bundespräsidenten, und in der Tat hat keiner seiner Vorgänger oder Nachfolger die Bundesrepublik auch nur annähernd mit dem Stilgefühl und der royalen Aura repräsentiert, die für Weizsäckers’ Habitus charakteristisch waren und sind. Weizsäcker hat die heimliche Sehnsucht nach einem Monarchen befriedigt, zu dem man aufschauen kann – und zwar so sehr, dass Kritik an ihm vielen Menschen buchstäblich als Majestätsbeleidigung erscheinen muss. Thorsten Hinz hat mit “Der Weizsäcker-Komplex. Eine politische Archäologie” (Edition JF, Berlin 2012, 353 S., € 24,80) eine der ersten kritischen Würdigungen des ehemaligen Bundespräsidenten vorgelegt und ihn dabei ein wenig entzaubert. […]

Weiterlesen bei PI: Thorsten Hinz: “Der Weizsäcker-Komplex” – Politically Incorrect.

„Holocaustleugner“ – ein Unwort

Bei Metapedia, einer Netz-Enzyklopädie, die sich als rechte Alternative zu Wikipedia versteht, und deren Autoren mehrheitlich politisch in der Tat mindestens so weit rechts stehen wie die meisten politischen Wikipedia-Autoren links stehen, findet sich auch ein Eintrag über „Kleine-Hartlage, Manfred“.

Unter der Überschrift „Kritik“ schreibt der Autor:

In seiner 2011 erschienenen Schrift „Neue Weltordnung“ verwendet Kleine-Hartlage shoaistische Gemeinplätze und bezeichnet Revisionisten als „Holocaustleugner“ und bekennt sich damit als Holocaustgläubiger:

    „An der Überzeugungskraft der Argumente von Holocaustleugnern wird es ja nicht liegen …“ (S. 47)

„Der Holocaust … als das monströse Verbrechen gebrandmarkt, das er tatsächlich war …“ (S. 49)

Ich habe mich stets vehement gegen die politkorrekte linke Unsitte gewandt, sich mit Kritik nicht auseinanderzusetzen, sofern sie von sogenannten oder auch Rechtsextremisten geäußert wird – so, als ob die Kritik deswegen schon falsch sein müsste. Ein Argument ist aber entweder in sich richtig oder überhaupt nicht; es kann nicht darauf ankommen, wer es vorträgt. Zu der Kritik von Metapedia also einige Anmerkungen:

Soweit sie sich auf die unreflektierte Verwendung des Wortes „Holocaustleugner“ bezieht, ist die Kritik gerechtfertigt; dieser Ausdruck ist nämlich tatsächlich in dreifacher Hinsicht ein sprachlicher Lapsus:

Zum einen kann ich nach einem zugegebenermaßen groben, lückenhaften und kursorischen Überblick über die im Netz verfügbare einschlägige Samisdat-Literatur nicht bestätigen, dass es irgendjemanden gäbe, der behauptet, die Nationalsozialisten hätten nicht Massen von Juden umgebracht; selbst die niedrigsten Schätzungen gehen von rund dreihunderttausend jüdischen Todesopfern aus, und die meisten liegen deutlich darüber, eher bei fünfhunderttausend bis einer Million. Dies ist zweifellos weitaus weniger, als die etablierte Geschichtswissenschaft behauptet und der Gesetzgeber und zu glauben befiehlt – aber unter einer Leugnung stelle ich mir doch etwas anderes vor. Selbst das Wort „Verharmlosung“ kann in diesem Zusammenhang sinnvollerweise eigentlich nur dem über die Lippen kommen, der die Ermordung von mehreren Hunderttausend Menschen für etwas „Harmloses“ hält. (Selbst wenn es sich also so verhielte, wie die sogenannten „Holocaustleugner“ – die man in der Tat treffender „Revisionisten“ nennen sollte – behaupten, hätte ich keinen Grund, meine Aussage zurückzunehmen, dass es sich um ein „monströses Verbrechen“ handelte.)

Zum anderen bedeutet „Leugnung“, dass man etwas, was man subjektiv für wahr hält, gleichwohl für unwahr erklärt. Der Ausdruck „Holocaustleugner“ impliziert also die Behauptung, die so Titulierten glaubten in Wahrheit sehr wohl an die Richtigkeit des etablierten Geschichtsbildes und gäben es nur nicht zu. Dafür gibt es aber nicht den geringsten Anhaltspunkt: Allein die hohen Haftstrafen, die die sogenannten „Leugner“ für die Artikulation ihrer Ansichten in Kauf nehmen, sprechen für sich.

Und drittens suggeriert der Ausdruck „Holocaustleugner“ zumindest, die Betreffenden versuchten nicht einmal, ihre Thesen mit tatsachengestützten Argumenten zu untermauern; das versuchen sie aber durchaus. Dass die von ihnen angeführte Indizien- und Argumentationskette letztlich nach meinem Dafürhalten nicht ausreicht, das etablierte Narrativ im Kern zu erschüttern, heißt nicht, dass es sich nicht um Indizien und Argumente handeln würde, die eine wissenschaftlich fundierte Replik wert wären. Dass die etablierte Geschichtswissenschaft ihrerseits die Kritik an ihren Thesen nicht etwa mit Argumenten zurückweist, sondern zumindest durch Stillschweigen billigt, dass die Kritiker ins Gefängnis geworfen werden, zeugt auch nicht gerade von Souveränität. Eine Wissenschaft, die auch nur ein Minimum an Rückgrat und Selbstbewusstsein hätte, müsste es sich verbitten, Gesetzen unterworfen zu werden, die nicht nur ihren Kritikern einen Maulkorb verpassen, sondern auch ihr selbst: Nach geltender kafkaesker Rechtslage kann die etablierte Geschichtsforschung (oder wer auch immer) die Kritik der Holocaustrevisionisten gar nicht mit Gegenargumenten zurückweisen, weil sie sie zu diesem Zweck ja zitieren müsste – und bereits dies ist verboten!

Insofern gebe ich auch zu, dass ich mich hätte hüten sollen, Aussagen über die „Überzeugungskraft“ von Argumenten zu treffen, die der öffentlichen Erörterung und Kritik durch eine Entscheidung des Gesetzgebers – deutlich: durch staatlichen Machtmissbrauch! – systematisch entzogen sind.

Trotzdem finde ich die Kritik von Metapedia reichlich kleinkariert, zumal die beiden zitierten Aussagen ja in einem bestimmten Zusammenhang stehen (der aber bei Metapedia nicht referiert wird), bei dem die Richtigkeit des etablierten Narrativs zwar pragmatisch vorausgesetzt, in der Sache aber weder bekräftigt noch in Frage gestellt wird. Vielmehr geht es in dem fraglichen Abschnitt um die politisch-ideologische Instrumentalisierung des Holocausts, dem eine quasi-theologische, sakrale Überhöhung zuteil wird, und dies nicht aus Pietät, sondern zur Untermauerung einer bestimmten Ideologie und der auf ihr basierenden Politik. Es wird hier ganz einfach ein politisches Süppchen gekocht, und dies ist auch dann ein politischer Missbrauch, wenn sich alles so zugetragen haben sollte, wie das offiziöse Geschichtsbild behauptet.

Um diese Zusammenhänge klarer zu machen, zitiere ich zum Schluss die einschlägigen Passagen aus „Neue Weltordnung“:

Für den, der die Atomisierung der Gesellschaft, die Auflösung von Solidargemeinschaften und insbesondere die Beseitigung von Völkern für etwas Gutes, weil Fortschrittliches und Humanes hält, tut sich freilich ein großes Problem auf: nämlich daß diese Völker nun einmal existieren. Alle ideologischen Bemühungen, sie zu bloßen „Konstrukten“ zu erklären, die keinen empirischen Gehalt hätten und jederzeit durch andere Konstrukte, etwa das der „Menschheit“, ersetzt werden können, scheitern nicht nur an ihrer inneren Unaufrichtigkeit, mit der sie verschweigen, daß jeder Begriff, mit dem wir hantieren, ein Konstrukt ist, das als solches nicht „wahr“, sondern höchstens – aber immerhin! – brauchbar sein kann, sofern Menschen sich über seine Geltung einig sind. Sie scheitern vor allem daran, daß sie sich eben einig sind, daß Völker sehr wohl existieren und einen generationenübergreifenden sozialen Zusammenhang konstituieren.

Die Verwirklichung der NWO erfordert, den Menschen diesen Konsens, speziell den über die Existenz des jeweils eigenen Volkes, auszutreiben. Dies kann nicht gelingen, solange die Deutungshoheit über die eigene Geschichte bei den Völkern selbst liegt, für die das jeweils eigene Geschichtsbild identitätsstiftend ist. Geschichte ist für Völker ja ungefähr das, was das Gedächtnis für die Einzelperson ist: also die Voraussetzung dafür, daß diese Person sich als Individuum, als im Zeitverlauf mit sich selbst identisch, begreifen kann.

In einem ersten Schritt gilt es also, den Völkern diese Deutungshoheit zu entziehen. Das Geschichtsbild, das zugleich wesentlicher Teil des kollektiven Selbstbildes eines Volkes ist, soll nicht von unten wachsen, und es soll auch nicht den Unwägbarkeiten eines Wissenschaftsprozesses ausgesetzt sein, der, sofern er seinen eigenen, also den wissenschaftsinternen Regeln folgt, womöglich unpassende, weil politisch unerwünschte Wahrheiten ans Licht bringt. Ein autonomer gesellschaftlicher Diskurs birgt aus der Sicht der NWO nicht nur das Risiko, sondern im Lichte menschlicher Erfahrung geradezu die Gewißheit in sich, in abgrenzende Gruppenidentitäten zu münden bzw. sie zu verstärken und obendrein die Globalisierung als etwas politisch Gewolltes und keineswegs „Unvermeidliches“ zu entlarven.

Ein gemeinsamer Zug aller Einzelprojekte der Revolution von oben, mit denen die europäische Zivilisation umgestaltet wird, ist die Salamitaktik: Man beginnt mit etwas mehr oder weniger Vernünftigem und Wünschenswertem, das von den meisten Menschen bejaht werden kann, und baut es dann Schritt für Schritt aus, um zu Ergebnissen zu gelangen, die die Gesellschaft vehement abgelehnt haben würde, wenn man sie offengelegt hätte. Was Jean-Claude Juncker einmal über die Methoden sagte, mit denen die EU immer mehr Kompetenzen an sich reißt, läßt sich auch auf andere Projekte ausdehnen:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Man beginnt zum Beispiel mit der Gleichberechtigung von Frauen und endet beim Gender Mainstreaming. Man beginnt mit „Gastarbeitern“ und endet beim Recht auf ungehemmte globale Migration. Man beginnt mit Milosevic, Saddam Hussein und Gaddafi und hat am Ende die Souveränität jedes Staates und seiner Regierung zur Disposition gestellt. Und genauso verfährt man, wenn es darum geht, Geschichtsbilder von oben zu verordnen:
Als die Leugnung des Holocaust als Volksverhetzung in Deutschland strafbar wurde (§ 130 Abs. 3 StGB), fehlte es nicht an Kritikern, die zu Recht fanden, es sei mit dem Selbstverständnis eines freiheitlichen Rechtsstaates unvereinbar, ein bestimmtes Geschichtsbild unter Strafe zu stellen. Heute wird man besagten Kritikern bescheinigen müssen, die Gefahren, die von dieser Norm für eine freiheitliche Rechtskultur ausgehen, sogar noch unterschätzt zu haben.

Was in den neunziger Jahren vielleicht nicht für jedermann vorhersehbar war, heute aber vor aller Augen liegt, ist die wahrscheinlich irreparable Beschädigung des bürgerlichen Rechtsbewußtseins. Das Verbot der Holocaustleugnung wird nicht mehr als die krasse – und vor allem begründungsbedürftige! – Ausnahme von der Regel gesehen, daß eine Zensur nicht stattfindet. Vielmehr verbreitet sich ein Rechtsverständnis, wonach historische Wahrheit etwas ist, das von Staats wegen dekretiert werden kann, darf und muß, und das man (unabhängig von Tatsachen) nicht bezweifeln darf, weil die bloße Äußerung eines Zweifels bereits strafwürdiges „Unrecht“ darstellt.

Daß hier eine Pandorabüchse geöffnet wurde, erkennt man daran, daß im Anschluß an das deutsche Verbot der Holocaustleugnung sowohl der sachliche als auch der räumliche Anwendungsbereich von „Leugnungs“-Verboten seit Jahren immer weiter ausgedehnt wird. So wurde in Frankreich die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe gestellt, obwohl das Thema nicht den geringsten innerfranzösischen Bezug aufweist. So konnte erst vor kurzem in Deutschland gefordert werden, die Leugnung von Stasi-Verbrechen zu verbieten; und dies nicht, weil es öffentlichen Bedarf an einer solchen Regelung gäbe. Nein, es hat sich offenkundig ein totalitäres Rechtsverständnis verbreitet, wonach es ein legitimes Staatsziel sei, „staatsbürgerliche“ Konformität mit einem bestimmten Geschichtsbild zu erzwingen: ein Rechtsverständnis, das nur deshalb mit Akzeptanz rechnen kann, weil der Präzedenzfall des § 130 Abs. 3 StGB eine gewissermaßen volkspädagogische Wirkung gezeitigt und die Bürger dazu konditioniert hat, ihre eigene politische Entmündigung zu tolerieren.

Mit dieser, aus ihrer Sicht positiven Erfahrung im Hinterkopf verfügten die EU-Justizminister, daß die Leugnung des Holocaust europaweit verboten werden soll (…).

Der Vorgang ist insofern bezeichnend, als er gleich eine doppelte Entmündigung enthält: Hier wird ja nicht nur der öffentliche Diskurs über Geschichte von der Gesellschaft auf den Staat, sondern auch vom Nationalstaat auf die Europäische Union übertragen, der somit die Zuständigkeit für ein „Geschichtsmanagement“ zuerkannt wird, das in keiner nationalen Verfassung vorgesehen ist. Jedenfalls in keiner demokratischen. Totalitäre Staaten freilich haben dieses Recht nach dem Orwellschen Motto „Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft“ stets für sich in Anspruch genommen.

Es handelt sich auch nicht etwa um einen isolierten Prozeß. Die Europäische Union verfolgt umfangreiche kulturpolitische Programme, in denen es darum geht, ganz bestimmte Geschichtsbilder in Schulen, Universitäten, Medien und damit allgemein in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern, und Politiker tun das Ihre, diese Vorgaben umzusetzen.

Wenn die Bundeskanzlerin etwa, wie am 11. November 2009 geschehen, in Paris unter dem Triumphbogen den Waffenstillstand von 1918, also die Niederlage des eigenen Landes im Ersten Weltkrieg feiert, dann wird damit eine bestimmte Ideologie verbreitet, wonach Deutschland bereits vor Hitler stets im Unrecht gewesen sei. Mit historischen Fakten hat dies nichts zu tun. Das „Unrecht“ besteht vielmehr darin, daß Deutschland sich den machtpolitischen Hegemonialansprüchen und der ideologischen Vorherrschaft des Westens widersetzt hat. Die Logik hinter der masochistischen Selbsterniedrigung der Kanzlerin lautet, daß Deutschland im Unrecht gewesen sein muß, weil der Westen im Recht war. Dieses „Recht“ hat mit der Frage der Kriegsschuld überhaupt nichts zu tun, es bestand vielmehr darin, daß der Sieg des Westens der Verbreitung bestimmter „Werte“ diente – die Rede von den „gemeinsamen Werten“ gehört zu den stereotypen Floskeln transatlantischer Lyrik. Sie impliziert, daß nicht Völker und Staaten als solche die Akteure der Geschichte sind, sondern als Träger bestimmter „Werte“; daß sie also im Recht sind, sofern diese Werte die „richtigen“ sind, und im Unrecht, sofern sie sich ihnen widersetzen. Es impliziert zugleich, daß es nicht den Völkern selbst überlassen sein sollte, welche Werte sie sich zu eigen machen wollen, sondern daß bestimmte Werte, etwa Freihandel und Marktwirtschaft, universelle Geltung beanspruchen und ihre Gegner niederzuwerfen sind. Der Logik nach endet dieser Prozeß erst, wenn diese Werte weltweit durchgesetzt sind.
(…)
In dem Krieg gegen Deutschland, der nach Winston Churchills zutreffenden Worten von 1914 bis 1945 dauerte, der also keineswegs wegen irgendwelcher Verbrechen der Nationalsozialisten geführt wurde, ging es nicht darum, Europa vor dem deutschen Joch zu schützen, sondern darum, dieses Europa in die liberale Weltordnung und damit zugleich in den angelsächsischen Machtbereich zu zwingen.

Die deutschfeindlichen Aspekte des etablierten Geschichtsbildes haben also die ideologische Funktion, Geschichte als eine des Fortschritts hin zu einer One World zu schreiben, und das Recht und die Legitimität partikularer politischer, sozialer und kultureller Strukturen grundsätzlich zu negieren bzw. unter den Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit dem Globalismus zu stellen. Sie sollen zugleich die Fortführung dieses Prozesses ideologisch unterfüttern. (…)

Aber noch einmal zurück zum Verbot der Holocaustleugnung: Warum ist eigentlich gerade dieses Element des etablierten Geschichtsbildes so wichtig, daß es durch das Strafrecht geschützt werden muß? An der Überzeugungskraft der Argumente von Holocaustleugnern wird es ja nicht liegen, woran aber dann?

Woher kommt es insbesondere, daß die Massenmorde von Kommunisten, deren Opfer die des Holocausts an Zahl um ein Vielfaches übertreffen, so wenig historische Beachtung finden – ein Umstand, der normalerweise vom politisch korrekten Diskurs lautstark als „Verhöhnung der Opfer“ angeprangert werden müßte?

Die Antwort lautet, daß man unter Verweis auf „Auschwitz“ andere Ideologien diskreditieren kann als unter Verweis auf den „Gulag“:

Sie ziehen die Interessen Ihres Volkes denen von Fremden vor? Das ist Nationalismus und führt zu Auschwitz! Sie glauben, daß man nicht Millionen von Menschen aus aller Herren Länder einwandern lassen sollte? Das ist Rassismus und führt zu Auschwitz! Sie glauben nicht, daß der Islam eine Religion des Friedens ist? Das ist religiöse Intoleranz und führt (um drei Ecken) zu Auschwitz! Sie glauben, daß Freiheit nur möglich ist, wenn sie durch Sittlichkeit gehegt wird? Das ist illiberal und führt zu Auschwitz!

Würde man dagegen den Gulag in ähnlicher Weise thematisieren, so könnte irgendjemand auf den Gedanken kommen, dessen Wurzeln in einer revolutionären Weltanschauung zu suchen. Daß die Idee, eine Kultur oder gar die ganze Menschheit nach Maßgabe einer utopistischen Heilslehre umzukrempeln, per se totalitär ist, müßte den Sachwaltern der revolutionär zu verwirklichenden NWO schon deshalb peinlich sein, weil sie genau auf einer solchen Idee ihre Politik aufbauen.

So wie es beim antideutschen Narrativ nicht primär darum geht, Deutschland ins Unrecht zu setzen, sondern um den Umkehrschluß, daß die Vorkämpfer globalistischer Ideologie stets im Recht sind, so geht es beim Verbot der Holocaustleugnung nicht so sehr darum, die Leugnung des Holocausts zu verhindern, sondern um den Umkehrschluß, daß die herrschende Ideologie ein Heilsweg ist, und daß jede Abweichung von ihm geradewegs in die Hölle, also nach Auschwitz, führt: Das soll nicht geleugnet werden dürfen! Der Holocaust wird durch eigens auf ihn zugeschnittene Blasphemiegesetze nicht etwa als das monströse Verbrechen gebrandmarkt, das er tatsächlich war, sondern zum Inbegriff des absolut Bösen erklärt und damit aus dem Zuständigkeitsbereich der Geschichtsschreibung in den der Theologie überführt; womit jegliche Ideologie und jedes politische Projekt, das man als eine Art Anti-Auschwitz-Programm verkaufen kann – und wäre ein solcher Anspruch noch so fadenscheinig –, mit einem Heiligenschein ausgestattet wird.

[Zur geschichtspolitischen Funktion des Holocausts und seiner sakralen Überhöhung siehe auch meinen Kommentar („Nicht in unserem Namen!“) zu der Rede, die der damalige Bundespräsident Wulff vor zwei Jahren in Auschwitz hielt.]

Ernst von Salomon: „Der Fragebogen“ – Rezension

Mancher kennt Ernst von Salomons Roman „Der Fragebogen“ wenigstens vage und dem Titel nach. Fragebogen? Ja, da war mal was. Stand irgendwann mal auf einer Liste deutscher Nachkriegsliteratur, die uns in der elften Klasse ausgeteilt wurde. Haben wir in der Schule sonst irgendetwas darüber gehört? Ich erinnere mich nicht. Vielleicht hat irgendwann eine Mitschülerin, die mit dem Thema nichts anfangen und deshalb das Buch nicht verstehen konnte, eines jener grausigen Schülerreferate gehalten, bei denen man nach 20 Sekunden abschaltet, aber genau weiß ich es nicht mehr. Die Böllschen Langweiler waren ja viel wichtiger.

Und so bin ich erst jetzt auf das Buch gestoßen, das in den fünfziger Jahren – völlig zu Recht – ein Bestseller war: Es ist exzellent geschrieben, es enthält kein überflüssiges Wort, dafür an vielen Stellen einen gewissen federnden Sarkasmus, mit dem der Autor nicht zuletzt sich selber auf die Schippe nimmt. Vor allem aber ist es einfach ein Leseabenteuer; es erzählt die Geschichte der Jahre ab ungefähr 1920 bis 1946 ohne den volkspädagogisch erhobenen Zeigefinger, mit dem andere Werke nichts erklären, nur sich selbst und ihren jeweiligen Autor unerträglich machen. (Wer war nochmal dieser Böll? Richtig, das ist der, dessen Bücher niemand mehr liest, seit er tot ist, und wenn nicht passenderweise die Grünen ihre Parteistiftung nach diesem Paradegutmenschen der siebziger und achtziger Jahre benannt hätten, hätte niemand Anlass, seinen Namen überhaupt noch in den Mund zu nehmen. Marcel Reich-Ranicki nannte ihn einmal „eine Notlösung“; weil erstklassige Schriftsteller sich nicht als Propagandaschreiber hergeben wollten, griff man auf zweitklassige zurück und überschüttete sie mit Lob bis hin zu Nobelpreisen für Literatur, auf dass nur ja niemand ihre Erstklassigkeit anzweifle.)

Von Salomon gehörte zu den erstklassigen. Der Fragebogen, von dem der Roman handelt, ist jener, mit dessen Hilfe die amerikanische Militärregierung nach dem Krieg Deutschland entnazifizieren wollte. 133 hochnotpeinliche Fragen, die den Betroffenen, egal wie er sie beantwortete, zum Kotau zwangen. Es gab dafür durchaus ein historisches Vorbild: Wie Sebastian Haffner in seiner „Geschichte eines Deutschen“ berichtet, musste sein Vater, ein in Ehren ergrauter preußischer Beamter, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten einen ähnlichen Fragebogen ausfüllen, und konnte die Erniedrigung für den kurzen Rest seines Lebens nicht verwinden.

Überhaupt schienen die alliierten Besatzungsmächte sich bei ihrer Revolution von oben – es ging ja um nicht weniger als die Umerziehung eines ganzen Volkes, möglichst unter Ausschaltung der Führungsschichten – die Politik der Nationalsozialisten ab 1933 zum Vorbild genommen zu haben. Die von Salomon geschilderten Zustände in den amerikanischen Konzentrationslagern, die man deshalb auch so nennen darf, unterschieden sich bis in die Einzelheiten hinein nicht wesentlich von denen, die aus Dachau und Buchenwald geschildert (und den dort hinbeorderten Schülergruppen stets als Beweis für den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus präsentiert) wurden und werden. (Sie entsprechen auch dem, was wir über das französische KZ Algenrodt erfahren haben, über das ich Anfang dieses Jahres schrieb.) Um es kurz zu machen, bestand der Lageralltag aus Hunger, Prügeln und Erniedrigung. Halt – einen Unterschied gab es schon: Die Nazis hatten wenigstens darauf geachtet, ihre wirklichen Gegner zu inhaftieren; wer aber in das Räderwerk der amerikanischen Menschenjagd geriet, ob Nazi oder nicht, der verblieb dort erst einmal. Von Salomon zum Beispiel wurde nach über einem Jahr (!) als „irrtümlich Verhafteter“ entlassen.

Ich war einfach in die Maschinerie hineingeraten, und nun war ich drin. Das ging mir nicht allein so. Eines Tages fuhren Lastwagen vor, und es wurden Internierte abgeladen, etwa zweihundert Mann. Wir fragten sie, sie waren alle aus Landshut und Umgebung. Sie sagten, sie wüßten den Grund ihrer Verhaftung nicht. Wir fragten sie, ob sie in der Partei waren, sie sagten nein, wir fragten, jeden einzeln, was sie von Beruf wären, ob sie in der Wehrmacht waren, – der eine war Arzt, der andere Apotheker, der dritte Zahlmeister, einer war nichts, gar nichts, beim Militär war er Stabsgefreiter. Kodak fand des Rätsels Lösung. (…) Just war von der Anklage in Nürnberg die Forderung erhoben worden, den deutschen Generalstab als Verbrecherorganisation zu erklären. Daraufhin hatte der Landshuter Resident-Officer sich die Fragebogen vorgenommen und alles, was die Bezeichnung „Stab“ vor seinem Range führte, verhaften lassen: Stabsärzte, Stabsapotheker, Stabszahlmeister, Stabsintendanten, Stabsgefreite! (…) Nach fünf Tagen stellte sich der kleine Irrtum heraus, aber sie saßen nun einmal, und sie blieben sitzen.

Warum schreibt Manfred das, wird jetzt vielleicht manch einer fragen. Will er krampfhaft einen Phantomschmerz herbeireden, indem er in dieser längst vergessenen Geschichte wühlt? Will er die unsägliche Phrase vom „Tätervolk“ mit einer ebenso haarsträubenden vom „Opfervolk“ kontern? Geht es ihm darum, die Amerikaner schlechtzumachen, die doch, nehmt alles nur in allem, mit dem geschlagenen Deutschland relativ glimpflich umgegangen sind?

Auch wenn man über die Frage, wie „glimpflich“ dieser Umgang wirklich war, trefflich debattieren könnte, und auch wenn die USA bis heute in Abu Ghreib, Guantanamo und anderswo genau die Politik praktizieren, die sie auch schon in Deutschland praktiziert haben, die Frage also durchaus aktuell ist – das ist nicht der Punkt, um den es mir geht.

Es geht darum, dass diese „längst vergessene Geschichte“ unsere Geschichte ist, und dass an die Stelle der vergessenen – oder vielmehr zu vergessenden und daher totgeschwiegenen – Geschichte eine andere getreten ist, die vielleicht nicht in jedem Punkt gelogen sein mag, aber aus einer Perspektive und von einem Interessenstandpunkt erzählt wird, der mit dem deutschen wenig zu tun hat. Übertragen auf eine Einzelperson ist es ungefähr so, als wäre der Inhalt ihres Gedächtnisses gelöscht und durch eine Fremderzählung ersetzt worden, die der arme solchermaßen manipulierte Mensch nunmehr für seine eigene zu halten gezwungen ist, um überhaupt noch so etwas wie ein „Gedächtnis“ zu haben.

Gerade deshalb ist Salomons Buch so wichtig. Es handelt nicht etwa nur von den amerikanischen Lagern, es ist ein Geschichtsbuch der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre, in dem allerhand zur Sprache kommt, was in der offiziösen Geschichtsschreibung weggelassen oder als Fußnote behandelt wird, zum Beispiel die Geschichte der Landvolkbewegung, jener Selbstverteidigungsbewegung schleswig-holsteinischer Bauern Anfang der dreißiger Jahre. Ein Geschichtsbuch freilich – und das macht es so angenehm zu lesen -, das uns keine Antworten liefert, schon gar nicht ideologisch vorgestanzte Antworten im Stil des etablierten Geschichtskatechismus; es liefert Material, das es überhaupt erst ermöglicht, sinnvolle Fragen zu formulieren, und das ist schon weitaus mehr, als der etablierte Diskurs zu liefern vermag. Wer kennt nicht jenes merkwürdige Gefühl von geistiger Leere, das sich einstellt, wenn man das Phänomen „Nationalsozialismus“ auf der Basis der etablierten Prämissen zu erklären versucht? Ich selbst habe es in Jahrzehnten nicht geschafft, und heute weiß ich auch, warum: weil man auf der Basis von Ideologien, die im Grunde gar nicht erst beanspruchen, die Welt zu erklären, sondern ihr vorschreiben wollen, wie sie zu sein hat, naturgemäß nichts erklären kann. Die Ideologien, auf denen die BRD basiert, und die sie deshalb für sakrosankt erklärt, gehören zu denen, an denen die Weimarer Republik gescheitert ist.

Von Salomon, der 1922 an der Ermordung Walter Rathenaus beteiligt gewesen war und deshalb mehrere Jahre im Zuchthaus verbracht hatte, gehörte damals zum Umfeld der konservativen Revolution; sozusagen der ideale Standort für einen, der über diese Zeit berichtet: kein Nazi, kein Kommunist, nicht in der Reichswehr, aber nahe genug an allen dran, um sinnvoll davon erzählen zu können.

Am faszinierendsten finde ich, wie er den Zeitgeist der späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre einfängt. Dass die Republik gescheitert war, gescheitert an der Unfähigkeit ihrer Eliten, lag damals schon vor aller Augen, und die intellektuelle Berliner Szene sprudelte nur so von Ideen, was ihr nachfolgen sollte. Die Nationalsozialisten waren in allen diesen Debatten die großen Abwesenden. Sie interessierten sich nicht dafür, sie versuchten niemanden zu überzeugen. Wovon auch? So etwas wie eine politische Philosophie, ein „System“, ein Ordnungsideal hatten sie nicht, auch wenn sie bisweilen so taten, als hätten sie eins. Als sie tatsächlich an die Macht kamen, war ihr System eines der permanenten Improvisation, bei dem oft mehrere nationalsozialistische Dienststellen in einer Art bürokratischem Darwinismus miteinander um Kompetenzen und die Gunst des Führers konkurrierten. Die Nazis nannten sich „Bewegung“, und eines ihrer Lieblingswörter war „Dynamik“; sofern der Nationalsozialismus überhaupt einen definierbaren Inhalt hatte, lag er in der Entfesselung aller Kräfte der Nation, und in der Beseitigung aller hemmenden Strukturen, notfalls auch derjenigen, die die Nazis selbst erst geschaffen hatten. Es ging ihnen darum, die Dinge in Fluss zu bringen, und wie das bei Flüssigkeiten so ist: Ihnen fehlt die Struktur.

Es ist dieser Aspekt, der für Konservative wie Salomon, aber auch Ernst Jünger und Andere, so abstoßend war und sie in eine Art politischer splendid isolation trieb. Von einem konservativen Standpunkt sind die Skrupellosigkeit und die Verbrechen der Nationalsozialisten leicht zu erklären, nämlich als logische Folge der „linken “ Züge des Nationalsozialismus: der Mobilisierung großer Volksmassen, der systematischen Zerstörung hergebrachter Strukturen, der Unterordnung staatlicher Autorität unter die Imperative einer Volksbewegung, der Auflösung von Staatlichkeit in einem Kompetenzenbrei. Die Auflösung der Strukturen, die immer auch ein Moment von Machtbegrenzung in sich getragen hatten, musste zwangsläufig totalitär wirken. Der totalitäre Staat ist, wie Salomon richtig feststellt, nicht die etwas radikalere Variante eines autoritären Staates, sondern dessen Gegenteil. Man glaubt dem Autor deshalb auch ohne Weiteres, dass er nie in Versuchung war, Nationalsozialist zu werden.

An diesem Punkt stellt sich aber auch eine der beunruhigenden Fragen, die das Buch aufwirft:

Warum hat Hitler sich durchgesetzt, und warum sind die Konservativen, die seiner Herr zu werden versuchten, allesamt gescheitert? Schleicher, der ihn verhindern, Papen, der ihn „einrahmen“, Schmitt, der ihn auf Ordnungsgefüge festlegen, Stauffenberg, der ihn umbringen wollte?

Die banalste Antwort (die aber deswegen nicht falsch ist), lautet, dass Hitler eine Massenbewegung hinter sich hatte, während Konservative bereits das Wort „Masse“ kaum anders als mit aristokratischem Naserümpfen auszusprechen vermögen. Die subtilere Antwort lautet, dass Konservatismus grundsätzlich und vom Ansatz her ungeeignet ist, so etwas wie eine Zukunftsvision (womöglich gar eine Utopie – igitt!!!) hervorzubringen. Genuiner Konservatismus verteidigt, was die Geschichte hervorgebracht hat; er greift dem Wirken Gottes nicht vor. Das gibt ihm seine Stärke und Würde, macht ihn aber etwas hilflos in einer Situation, in der die Szene von Revolutionären beherrscht wird, die Fakten schaffen, ohne zu diskutieren.

Die Frage ist keineswegs nur von historischem Interesse. Es geht um die höchst drängende und aktuelle Frage, wie man als Konservativer mit einer Republik ohne Republikaner umgeht. Die Weimarer Republik war eine solche, die heutige ist es auch. Die freiheitliche Demokratie ist ein sehr anspruchsvolles politisches Konzept: Sie lebt davon, dass die Auseinandersetzung zwischen Links und Rechts scharf genug ist, eine wirkliche Wahl zwischen Alternativen zu bieten; zugleich aber darf diese Auseinandersetzung nicht so scharf sein, dass der Konsens über die Spielregeln dabei verlorengeht.

Eben dies beobachten wir aber in dieser späten BRD. Es gibt zwischen den nennenswerten politischen Kräften zwar einen Konsens, aber gerade nicht einen Konsens, die Grundlagen des Gemeinwesens zu bewahren, sondern sie zu untergraben; es gibt einen Konsens über die Auflösung von Strukturen, einschließlich der Staatlichkeit, und es gibt einen Konsens, das auf diesem Wege selbstgeschaffene Chaos durch einen schleichenden Totalitarismus zu bändigen. Unter diesen Umständen sind die bestenfalls ein paar hundert konservativen Intellektuellen, die auf die Bewahrung machtbegrenzender Strukturen pochen, die letzten Republikaner, die es in dieser Republik noch gibt.

So beunruhigend die Diagnose sein mag, sie sei wenigstens zur Diskussion gestellt: Kann es sein, dass die liberale Demokratie spätestens in dem Moment, wo ihr inneres Gleichgewicht zerstört ist, ganz von selbst und mit schicksalhafter Zwangsläufigkeit zum Totalitarismus tendiert, und dass die möglichen Alternativen, die sie auf den Plan ruft, ihrerseits totalitär sein müssen? Dass Hitler sich deshalb durchsetzt, weil sein totalitäres, „linkes“ Politikkonzept das modernere war? Dass die Moderne selbst die Dinge über kurz oder lang zwangsläufig so in Bewegung bringt, dass ein im strengen Sinne konservatives Konzept gar keine realistische Option ist? Dass uns am Ende also nur die Wahl zwischen verschiedenen Totalitarismen bleibt, wenn überhaupt eine?

Deutschenfeindlichkeit – Teil 2: Deutscher Selbsthass und linke Ideologie

[In Teil 1 meines Vortrags zum Thema „Deutschenfeindlichkeit – eine Bestandsaufnahme“ ging es um die Ideologie, die das westliche antideutsche Narrativ hervorgebracht hat. Ich habe aufgezeigt, dass und warum diese Ideologie zu Deutschland nicht passen konnte und nicht passt. Im folgenden Abschnitt behandle ich die Konsequenzen, die es haben musste, dass dieses Narrativ von den Deutschen selbst übernommen wurde, und anschließend die Rolle spezifisch linker Ideologie im Gesamtkomplex der Deutschenfeindlichkeit.]

Übernahme des westlichen Narrativs durch Deutsche

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es unter kräftiger Einwirkung verschiedenster amerikanischer Propagandakanäle zu einer grundlegenden Umwälzung des politischen Denkens in Deutschland, und zwar in Richtung auf die angelsächsische Ideologie des revolutionären Liberalismus, später auch des Marxismus, in jedem Fall aber zur Übernahme der Basisannahmen der revolutionären Metaideologie. Dies implizierte unter anderem, dass eine Wir-Sie-Unterscheidung auf ideologischer statt auf ethnischer oder staatlich-politischer Basis als selbstverständliche Norm akzeptiert wurde. „Wir“, das waren nicht mehr „die Deutschen“, und nicht einmal „die Europäer“, jedenfalls nicht im Sinne einer Völkergemeinschaft. „Wir“ – das war eine Partei im globalen ideologischen Bürgerkrieg; der „Westen“, die „westliche Wertegemeinschaft“, die „Freie Welt“. „Wir“ war, wer die utopisch-revolutionären Ideale teilte, und nach dem Untergang der Sowjetunion stießen auch große Teile der Linken zu diesem „Wir“, wie sich nicht zuletzt an den Karrieren ehemaliger Achtundsechziger unschwer ablesen lässt.

Eine solche Definition der Wir-Gruppe nach dem Kriterium ideologischer Zugehörigkeit bedeutete schon für die Völker der Siegermächte einen latenten Widerspruch zu ihrem Selbstverständnis als Völker. Nicht nur für die Russen, die mehr für Mütterchen Russland als für den Kommunismus gekämpft hatten (deren Sieg aber dem Kommunismus mehr nutzte als Russland), auch für Amerikaner und Briten war „Right or wrong – my country“ mit dem Projekt „to make the world safe for democracy“ nicht bruchlos unter einen Hut zu bringen. Nur blieb bei diesen Völker, wie gesagt, der Widerspruch latent, weil sie in beiden Weltkriegen gleichermaßen als Völker wie als Bannerträger bestimmter Ideen gekämpft hatten.

Bei den besiegten Deutschen hingegen musste der Widerspruch in dem Moment schreiend werden, wo sie das Narrativ der Sieger und deren utopische Ideologie(n) übernahmen, wie dies nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Ein Volk als Wir-Gruppe ist eine generationenübergreifende Gemeinschaft, zu der die verstorbenen Vorfahren ebenso gehören wie die noch ungeborenen Nachkommen. Die Logik dagegen, aufgrund deren deutsche Bundeskanzler in Paris, Moskau und der Normandie an Siegesfeiern der Alliierten teilnehmen, lautet dass die beiden Weltkriege Schlachten des europäischen und Weltbürgerkrieges waren, den die „westliche Wertegemeinschaft“ oder schlicht „die Demokratie“ (im Falle der Russen die utopische Ideologie schlechthin) gegen die Mächte der Finsternis gewonnen habe, und da „wir“ zur westlichen Wertegemeinschaft gehören, haben „wir“ den Zweiten Weltkrieg mitgewonnen, während „die Deutschen“ ihn als Verkörperung des „Bösen“ verloren haben.

Die Übernahme der westlichen Ideologie, und ganz allgemein der utopischen Metaideologie durch Deutsche impliziert daher die Nichtidentifikation mit dem eigenen Volk. Sie zwingt dazu, das deutsche, also das eigene Volk als Feind anzusehen, sich selbst als einen Spross des Bösen zu verabscheuen und die eigenen Vorfahren zu hassen. Deutschland dürfte das einzige Land der Welt sein, das Deserteuren Denkmäler setzt, und das einzige Land, in dem es als Tugend gilt, auf das Grab der eigenen Großeltern zu spucken. Dem Geschichtsnarrativ der Sieger, moralisch aufgeladene und überhöhte utopische Weltsicht, die universalistische, globalistische Politikauffassung, die für Deutsche, die das auch bleiben wollen, naturgemäß nicht die eigene sein kann, kann das deutsche Volk nur nur um den Preis der Selbstauslöschung folgen. Und dieser Widerspruch ist unüberbrückbar. Die verkrampften Versuche, in Formelkompromissen wie „Verfassungspatriotismus“ zusammenzuzwingen, was nicht zusammengehört, unterstreichen das Problem eher, als es zu lösen.

Dass diese Feindschaft gegen das eigene Volk wiederum etwas spezifisch Deutsches ist, lässt sich übrigens an keinem Beispiel besser illustrieren als daran, dass ausgerechnet die sogenannten (und sich selbst so nennenden) „Antideutschen“ die einzige halbwegs nennenswerte politische Kraft sind, die das Wort „deutsch“ im Namen bzw. der Selbstbeschreibung führt. Das tun sonst nicht einmal die Neonazis; die nennen sich „national“ und unterstreichen damit, dass sie Nationalismus schlechthin für etwas Gutes halten, nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle anderen Völker. Den (entgegengesetzten) Wunsch, gerade das deutsche Volk auszulöschen, äußern nur die Antideutschen, und interessanterweise tun sie das, sofern sie ihn ideologisch rationalisieren, genau mit der Begründung, die ich in Teil 1 als Grundlage der westlichen Feindschaft gegen Deutschland identifiziert habe, die aber normalerweise unausgesprochen bleibt, außer eben bei den Antideutschen: nämlich das Deutschland die anti-utopische, antiglobalistische, konterrevolutionäre Macht schlechthin war. In der Sache ist meine Analyse von der der Antideutschen gar nicht so weit entfernt; nur die wertenden Vorzeichen sind entgegengesetzt.

Linke Ideologie

Es hat seine innere Logik, dass Gesellschaften, die die Grundannahmen des liberalen Utopismus bejahen, es sehr schnell mit dessen feindlichem Zwilling, dem Sozialismus, dem Marxismus, oder sagen wir allgemeiner: der linken Ideologie, zu tun bekommen. Wer gesellschaftliche Machtungleichgewichte, sofern sie nicht rational begründet sind, als etwas Böses und Auszumerzendes verdammt, darf sich nicht wundern, wenn auch das Machtungleichgewicht zwischen Reichen und Armen ins Fadenkreuz der Kritik gerät, und wer Freiheit und Gleichheit als Prinzipien bejaht, und dies als letzte und universell gültige Werte, handelt sich naturgemäß die Sorte Opposition ein, die die Freiheit im Namen der Gleichheit bekämpft.

Der Marxist, der gegen die Macht des Kapitals zu Felde zieht, weil diese nicht rational legitimiert ist, sondern aus dem bloßen Selbstlauf der kapitalistischen Wirtschaft resultiert, und der die Dialektik aufzeigt, nach der der freie Austausch unter Gleichen nicht zufällig, sondern notwendig zur Herrschaft einer Klasse über die andere führt, und der diese Herrschaft als bekämpfenswert ansieht, beruft sich auf dieselbe Logik wie der Liberale, der gegen Kirche und König polemisiert. In gewisser Hinsicht sind die Marxisten die konsequenteren Liberalen, insofern sie buchstäblich alle gesellschaftlichen Machtungleichgewichte verdammen: zum Beispiel zwischen Reich und Arm, zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen, zwischen Staat und Bürger, zwischen Eltern und Kindern zwischen Mehrheit und (z.B. ethnischer oder religiöser) Minderheit.

Aus der Sicht der linken Ideologie ist die stärkere Partei bereits dadurch im Unrecht, dass sie eben die stärkere ist, und dies impliziert, dass sie nicht auf der Basis einer („bloß formalen“) Rechtsgleichheit mit den Schwächeren verkehren soll, sondern aktiv benachteiligt werden muss: Es ist demgemäß aus dieser Sicht kein Unrecht, etwa die Reichen zugunsten der Armen und die Arbeitenden zugunsten der Nichtarbeitenden auszuplündern. Staat und Recht stehen unter Repressionsverdacht, weil sie Ungleiches nach gleichem Maßstab messen statt es gleich zu machen. Und selbstredend gibt es keine Rechte, die die Mehrheit gegenüber der Minderheit geltend machen kann: Götz Kubitschek und Michael Paulwitz zitieren in „Deutsche Opfer, fremde Täter“ (S.28) eine typisch linke Stellungnahme, wonach es so etwas wie „Rassismus gegen Deutsche“ gar nicht geben könne, weil Rassismus naturgemäß ein Repressionsmittel sei, das von einer Minderheit aufgrund ihrer geringeren gesellschaftlichen Durchsetzungsmacht nicht gegen die Mehrheit eingesetzt werden könne.

Auf Deutsch heißt das: Der „Schwächere“, also zum Beispiel die ethnische Minderheit, darf alles, der „Stärkere“ ,also zum Beispiel in Deutschland die ethnischen Deutschen, darf nichts und muss sich alles gefallen lassen. Der „Stärkere“, und sei es nur der vermeintlich Stärkere, ist automatisch der Böse, weil er von angeblichen gesellschaftlichen Repressionverhältnissen profitiert, die er zugleich zementiert.

Mehr noch: Da bereits die bloße Existenz von Machtungleichgewichten das zu bekämpfende „Böse“ ist, genügt eine nachträglich „ausgleichende“ Ungerechtigkeit nicht. Wenn irgend möglich, muss die Basis des Machtungleichgewichts selbst beseitigt werden, also zum Beispiel der Reichtum schlechthin, oder, für unser Thema besonders wichtig, die ethnische Mehrheit. Mehrheitsvölker haben aus linker Sicht kein Lebensrecht.

Es geht den Linken nicht darum, die Interessen der Schwachen zu vertreten, sondern die der „Starken“ zu delegitimieren, hierzulande also die Interessen von Deutschen, Christen, Männern und nichtfeministischen bzw. nichtlesbischen Frauen, Weißen, Heterosexuellen und Erwerbstätigen, d.h. die Interessen der Mehrheit und diese Mehrheiten nach Möglichkeit in die Minderheit zu drängen oder gleich ganz zu vernichten. Dies ist die Logik hinter der Politik der Entchristlichung, Verschwulung, Feminisierung, Enteuropäisierung, Entdeutschung. (Nur die Erwerbstätigen kann man nicht abschaffen, aber es ist erlaubt, ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen, weil sie sich allein schon dadurch ins Unrecht setzen, dass sie von ihrer eigenen Arbeit leben (können)).

Dass eine solche Politik, die sich systematisch gegen Mehrheiten richtet, gar nicht demokratisch sein kann, liegt auf der Hand. Die linke Ideologie resultiert naturgemäß in der Propagierung von Demophobie, in Entdemokratisierung und kaltem Staatsstreich. Und naturgemäß findet sie in Minderheiten aller Art ihre Verbündeten.

Das hat übrigens auch etwas mit der Psychologie von Minderheiten schlechthin zu tun, die von einem tiefen Ressentiment geprägt ist: Die Lebenswelt der Mehrheit, an der man selbst nicht teilhaben kann und will, soll dieser Mehrheit wenigstens verleidet werden. Das treffende Bild für das Minderheitenressentiment ist der Penner, der nachts in den Vorraum einer Bank pinkelt. Rassismus gegen Deutsche ist nur eine Spielart dieser Sorte Resentiment, allerdings eine wichtige. Linke Ideologie zielt auf die Mobilisierung solcher Destruktivität.

Deutschenfeindlichkeit – Teil 1: Das westliche antideutsche Narrativ

[Am 16. Juli hielt ich im Rahmen des 18. Berliner Kollegs des Instituts für Staatspolitik in Berlin einen Vortrag zum Thema „Deutschenfeindlichkeit – eine Bestandsaufnahme“. Leider gibt es von der auch im Übrigen hochinteressanten Veranstaltung keine Bild- oder Tonaufzeichnungen. Aufgrund vielfacher Nachfrage habe ich mich entschlossen, meine Rede auf der Grundlage meiner Redenotizen zu rekonstruieren und hier zu dokumentieren. Da der Vortrag für einen einzelnen Blogartikel zu lang war, veröffentliche ich ihn als Serie. Ich beginne mit dem Abschnitt über das westliche antideutsche Narrativ]

Deutschenfeindlichkeit ist ein ausgesprochen vielschichtiges Phänomen. Es gibt das traditionelle Ressentiment vieler Völker – Polen, Franzosen, Briten, Juden – aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Kriege davor. Es gibt eine intellektuelle Form der Deutschfeindlichkeit, die weniger mit der Abneigung gegen die Deutschen als Menschen zu tun hat, als mit der Abneigung gegen und die Furcht vor dem deutschen Staat, dem man jederzeit zutraut, zu mächtig zu werden. Es gibt Misstrauen gegen den deutschen Volkscharakter. Es gibt die Deutschfeindlichkeit hier lebender Migranten. Es gibt die Deutschfeindlichkeit der Deutschen selbst. Und es gibt eine Ideologie, zu deren zentralen Bestandteilen Deutschfeindlichkeit gehört. [Das Thema des Vortrages war Deutschenfeindlichkeit. Wenn ich im Folgenden meist das Wort Deutschfeindlichkeit verwende, dann um deutlich zu machen, dass es nicht einfach um Ressentiment gegen Deutsche, sondern in einem umfassenderen Sinn um verschiedene Arten von Feindseligkeit gegen das Deutsche schlechthin geht: das Volk, den Staat, die Menschen usw.]

Die verschiedenen Facetten und Ebenen des Gesamtkomplexes „Deutschfeindlichkeit“ stehen nicht unverbunden nebeneinander. Sie durchdringen und verstärken einander und wachsen sich zusammen zu einer Gefahr für das deutsche Volk aus. Die Deutschfeindlichkeit von Migranten, die Götz Kubitschek und Michael Paulwitz in ihrem Buch „Deutsche Opfer – fremde Täter“ thematisiert haben ist nur die eine Seite der Medaille, und darauf komme ich noch zu sprechen. Die andere Seite ist die Deutschfeindlichkeit im eigenen Lager, die es überhaupt erst möglich macht, dass wir durch Massenmigration Gefahr laufen, zu Minderheit im eigenen Land zu werden, und dass die Deutschfeindlichkeit von Migranten zu einem Problem der inneren Sicherheit werden konnte.

Zu diesem „eigenen Lager“, dessen Deutschfeindlichkeit zu Problem wird, gehören in diesem Zusammenhang die Deutschen selbst, speziell deren Funktionseliten; in einem größeren Zusammenhang aber auch der westliche Kulturkreis, in den Deutschland eingebunden ist, und dessen Eliten für ihre Deutschfeindlichkeit Gründe haben, die weniger mit eigentlichem Ressentiment als mit Ideologie zu tun haben.

Das westliche antideutsche Narrativ

Die allgemeinste und verbreitetste Grundlage von Deutschfeindlichkeit ist das, was ich das westliche antideutsche Narrativ nennen möchte. „Narrativ“ ist ein neudeutscher Ausdruck; man kann auch sehr gut von einer Geschichtsideologie sprechen. Einer Ideologie, die über Filme, Literatur, populäre Geschichtsdarstellungen verbreitet wird, und derzufolge Deutschland eine Gefahr für seine Nachbarn gewesen (und potenziell auch heute noch) sei und daher gefesselt, entmachtet und verdünnt werden müsse, weil der deutsche Volkscharakter antidemokratisch, obrigkeitshörig, kollektivistisch, gewalttätig, kriegslüstern, genozidal usw. sei. Zwar sind sich die heutigen Historiker meistens zu fein dazu, eine direkte Linie Luther-Friedrich-Bismarck-Hitler zu ziehen, aber die Nachwirkungen dieser Art von propagandistischer Geschichtsschreibung sind noch heute deutlich spürbar und äußern sich nicht zuletzt in der Neigung, die gesamte deutsche Geschichte als Vorgeschichte des Dritten Reiches zu behandeln.

Man begreift dieses Geschichtsbild nicht, wenn man den historischen Kontext außer Acht lässt, und dieser Kontext ist der europäische Bürgerkrieg, der seit 1789 tobt. [Noch immer lesenswert in diesem Zusammenhang ist Hanno Kestings 1959 erschienenes Werk „Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg. Deutungen der Geschichte von der Französischen Revolution bis zum Ost-West-Konflikt“. Zur Zeit ist es anscheinend nicht einmal antiquarisch verfügbar, aber gut sortierte Bibliotheken sollten es haben; die Berliner Staatsbibliothek jedenfalls hat es.] Dieser Bürgerkrieg wird von den Anhängern dreier Ideologien ausgefochten, die immer mal wieder ihre Namen, Parolen und Programme ändern, aber doch eine erkennbare Identität und Kontinuität aufweisen. Es handelt sich um zwei utopische und eine nichtutopische Weltanschauung, also um Liberalismus und Sozialismus auf der einen Seite; auf der anderen Seite um, wie auch immer man das nennen will, die konservative Weltanschauung, die Reaktion oder auch einfach die politische Rechte.

Die beiden utopischen, revolutionären Ideologien, worin auch immer sie sich sonst unterscheiden, haben benennbare Gemeinsamkeiten, durch die sie sich so fundamental von der Rechten unterscheiden, dass es zulässig ist, sie auf eine gemeinsame Metaideologie zurückzuführen. Dies betrifft vor allem den utopischen Ansatz als solchen. Der utopische Ansatz geht davon aus, dass die Möglichkeit des friedlichen und zivilisierten Zusammenlebens von Menschen nicht ein erklärungsbedürftiges Wunder, sondern eine Selbstverständlichkeit sei, weswegen man den Grundlagen der Existenz von Gesellschaft schlechthin auch keine Beachtung schenken müsse und sich gleich – durch schrittweise Reformen oder per revolutionärem Parforceritt – der Verwirklichung des Paradieses auf Erden widmen könne.

Die utopischen Ideologien implizieren eine Reihe von Annahmen:

Erstens, der Mensch sei von Natur aus gut, nur die gesellschaftlichen Verhältnisse, kurz gesagt Unfreiheit und Ungleichheit seien für das Böse verantwortlich, weswegen sie beseitigt werden müssten. Der rechte Ansatz geht dagegen davon aus, dass der Mensch unvollkommen und schwach und in die Erbsünde verstrickt und deshalb auf die Existenz einer ihn stützenden sozialen Ordnung angewiesen ist, wobei ein gewisses Maß an Unfreiheit und Ungleichheit notwendig in Kauf genommen werden muss, weil die Alternative nicht Freiheit und Gleichheit, sondern Chaos, Gewalt und Barbarei sind.

Zweitens, dass Gesellschaft rational geplant werden könne und ihre Gestaltung eine Frage der Vernunft sei. Die Rechte dagegen geht davon aus, dass die Gesellschaft auf die Geltung des Vorgefundenen und Nichthinterfragten angewiesen ist, das durch Kritik zwar zerstört, aber nicht auf rationalem Wege durch etwas Besseres ersetzt werden kann: etwa auf Familie, Glaube, Tradition, Vaterland.

Drittens, das „Gute“, also Freiheit und Gleichheit sei rational ableitbar, müsse mithin auch kulturunabhängig und universell gültig sein, weswegen man die gesamte Menschheit zum Heil führen könne, wenn man die aus den Prinzipien der Aufklärung folgenden Utopien global verwirkliche. Für Konservative dagegen ist jede Kultur eine einzigartige, nicht planbare und unwiederholbare Antwort auf die elementare Frage, wie Gesellschaft möglich ist. Sie betonen daher das Recht des Partikularen gegenüber den Geltungsansprüchen universalistischer Ideologie.

Viertens, dass man Gesellschaft von der Utopie her deuten und analysieren müsse, dass heißt von Normen statt von Fakten, vom Sollen statt vom Sein, von den Rechten statt von den Pflichten her.

Von diesem utopischen Gesellschaftsverständnis her, das sich selbst schon deshalb mit „der Vernunft“ verwechselt, weil es auf wirklichkeitslosen Kopfgeburten statt auf krummer Wirklichkeit aufbaut, und das sich selbst mit dem „Guten“ verwechselt, weil es von dem Axiom ausgeht, dass der Mensch schlechthin gut sei, weswegen das „Böse“ in den gesellschaftlichen Strukturen (einschließlich Traditionen, Glaubenswahrheiten etc.) stecken müsse, deren Verteidiger folgerichtig ebenfalls „böse“ sein müssen – von einem solchen Gesellschaftsverständnis her ist Toleranz nicht begründbar (und sie wird demgemäß auch umso weniger geübt, je weniger seine Anhänger es nötig haben). Aus dem utopischen Gesellschaftsverständnis resultiert folgerichtig ein apokalyptisches Politikverständnis, wonach Politik ein Kampf zwischen den Mächten des Lichts und denen der Finsternis sei. Krieg etwa ist kein tragisches, letztlich unentrinnbares Verhängnis. Er ist gerechtfertigt, wenn er für revolutionäre Ziele geführt wird (und dann ist auch jedes Verbechen erlaubt), und von vornherein verbrecherisch, wenn er für konterrevolutionäre Ziele geführt wird (und dann kommt es auf die Mittel, mit denen er geführt wird, nicht mehr an).

Was hat all dies mit Deutschfeindlichkeit zu tun?

Nun, wenn wir die Kriege des 20. Jahrhunderts als Teile des ideologischen Weltbürgerkrieges auffassen, dann verkörperte Deutschland offensichtlich die rechte Partei. Die Vorstellung, dass Kriege zur globalen Verwirklichung einer schlechthin guten Ordnung geführt werden müssten, wie sie dem utopischen Politikverständnis entsprach und als liberale Weltordnung von den westlichen Mächten, als kommunistische Weltordnung später von der Sowjetunion angestrebt wurde, musste Deutschland fremd sein. Der schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhobene Vorwurf, Deutschland strebe nach der Weltherrschaft, wäre auch dann absurd gewesen, wenn er nicht ausgerechnet von den angelsächsischen Mächte erhoben worden wäre, die zu jedem Zeitpunkt im 19., 20. und 21. Jahrhundert der Weltherrschaft näher waren und sind, als Deutschland es jemals gewesen ist.

Ein Denken, das auf die Verwirklichung einer Weltordnung – welcher auch immer – abzielte, lag Nationen nahe, die im Schutz ihrer Insellage kühnen Idealen nachhängen konnten und durch denselben Umstand in der Lage waren, globale Politik zu machen. Die liberale Neue Weltordnung, die sich als Idee schon vor dem Ersten Weltkrieg deutlich abzeichnete, war ebenso die passende Ideologie für einen globalen Imperialismus, wie imperialistische Machtpolitik so etwas wie der bewaffnete Arm der Utopie war. Es ist nicht etwa so, dass das eine nur eine Funktion des anderen gewesen wäre. Beide Aspekte angelsächsischer, besonders amerikanischer Politik waren Aspekte ein und desselben Politikverständnisses.

Deutschland dagegen war geradezu die institutionalisierte Konterrevolution. Ein Denken in globalen Utopien musste seinen Eliten bereits deshalb fremd sein, weil sie in dem Bewusstsein lebten, ein von innen und außen stets hochgradig gefährdetes Staatswesen zu regieren, und ihr politischer Horizont war strikt kontinental und auf die Konsolidierung des Bestehenden gerichtet. Das Kaiserreich übernahm durchaus liberale, demokratische und sogar sozialistische Ideen, man denke nur an die Bismarcksche Sozialgesetzgebung, aber nur unter der Voraussetzung, dass sie die bestehende Ordnung konsolidieren, auch fortentwickeln, aber keinesfalls sprengen sollten. Dieses Politikverständnis, also die Absage an revolutionäre, utopische Entwürfe, prägte in Deutschland nicht nur die Politik der Konservativen, sondern auch die der Liberalen und auf die Dauer auch die der Sozialdemokraten. Das ganze Denken in abstrakten Idealen war Deutschland einfach fremd.

Deutschland war also einerseits zu schwach und gefährdet, um selbst Weltordnungs- oder gar Weltherrschaftsgelüsten zu folgen oder auch nur in solchen Kategorien zu denken. Es war aber – zumindest potenziell – stark genug, Europa in seinen Machtbereich zu ziehen und damit die Verwirklichung einer Weltordnung zu verhindern, zu der ja, wenn sie ihren Namen verdienen sollte, Europa in jedem Fall gehören musste. In dem Krieg gegen Deutschland, der nach Winston Churchills zutreffenden Worten von 1914 bis 1945 dauerte, der also keineswegs wegen irgendwelcher Verbrechen der Nationalsozialisten geführt wurde, ging es nicht darum, Europa vor dem deutschen Joch zu schützen, sondern darum, dieses Europa in die liberale Weltordnung und damit zugleich in den angelsächsischen Machtbereich zu zwingen.

Deutschland verkörperte also kein universell zu verwirklichendes Prinzip, sondern eine konkret verortete Nation, die ihre Ordnung und ihre Ziele nicht aus utopischen Entwürfen, sondern aus praktischen Notwendigkeiten ableitete. Es kannte keine abstrakte Loyalität gegenüber liberalen und demokratischen Idealen; das trug den Deutschen den Vorwurf der „Obrigkeitshörigkeit“ ein. Es strebte nicht nach Menschheitsbeglückung und musste die Interessen eines nicht ideologisch, sondern ethnisch bzw. staatlich definierten „Wir“ gegen die Außenwelt verteidigen, was als „Nationalismus“ gedeutet wurde. Es musste auf der Geltung von Gemeinschaftswerten beharren statt auf individualistischen Rechtsansprüchen (nicht zufällig war die Gegenüberstellung von „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“ ein Thema gerade der deutschen Soziologie); dies machte den „Kollektivismus“ aus, der den Deutschen unterstellt wurde. Solche Gemeinschaftsideale funktionieren nur, wenn sie gefühlsmäßig verankert sind; daher das Klischee vom „Romantizismus“ und „Irrationalismus“ der Deutschen.

Kurz und gut, die Tatsache, dass die Deutschen anders waren und anders dachten als die Angelsachsen, dass sie insbesondere keinen Sinn für die Utopie hatten, dass sie aber zugleich eine Gefahr für die globale Verwirklichung dieser Utopien waren, machte sie zum Gegen- und Feindbild des westlichen revolutionär-utopischen Denkens. Die Klischees über den deutschen Nationalcharakter stellen die demagogisch verzerrte Beschreibung von Dispositionen dar, die in diesem Nationalcharakter tatsächlich vorhanden waren (und sind), und die auch vorhanden sein mussten (und müssen), weil ein Land wie Deustchland sich den liberalen Globalismus und Utopismus nicht leisten konnte, und wie wir heute sehen, nicht kann. (Ob die Angelsachsen, und damit meine ich die Völker, selber ihn sich leisten können, sei fürs erste dahingestellt.)

[In Teil II wird es um die Übernahmen des westlichen antideutschen Narrativs durch die Deutschen selbst und die Konsequenzen daraus gehen. Dieser zweite Teil erscheint Mittwoch oder Donnerstag.]

Vor siebzig Jahren: Unternehmen „Barbarossa“

Rezension zu: Stefan Scheil, „Präventivkrieg Barbarossa. Fragen, Fakten, Antworten „, Edition Antaios

Die gängige Sicht auf den Zweiten Weltkrieg wirft einige Fragen auf, die von der etablierten Geschichtswissenschaft bisher nicht wirklich überzeugend beantwortet werden. Insbesondere der Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, also vor ziemlich genau siebzig Jahren, der üblicherweise als mutwilliger und unprovozierter Überfall interpretiert wird, wird — ganz unabhängig von der moralischen Bewertung — nahezu einhellig als einer der schwersten strategischen Fehler Hitlers angesehen, der die Niederlage Deutschlands unausweichlich gemacht habe.

Damit stellt sich die Frage, warum Hitler, der bis dahin in taktischen und strategischen Fragen ja nicht durch Dummheit aufgefallen war, einen solch kapitalen Bock geschossen haben soll. Die Standarderklärung lautet, dass er nie die Einschätzung korrigiert habe, die er 1924 in „Mein Kampf“ niedergelegt habe, nämlich dass „das Riesenreich im Osten reif für den Zusammenbruch“ sei, und dass er insbesondere mit dogmatischem Starrsinn an der fixen Idee festgehalten habe, das deutsche Volk müsse sich gerade dort „Lebensraum“ verschaffen, um dadurch die Ausgangsbasis für den Kampf um die Weltherrschaft zu erlangen. Dieses Dogma, also seine ideologische Verblendung, habe ihn dazu verleitet, ohne Rücksicht auf den fortdauernden Kriegszustand mit Großbritannien den Krieg mutwillig zum Zweifrontenkrieg auszuweiten.

Merkwürdig an einer solchen Interpretation ist, dass gerade die Angst vor dem Zweifrontenkrieg die Urangst aller deutschen Strategen war, und dass Hitler es bis dahin sorgfältig vermieden hatte, in eine Situation zu geraten, die der des Jahres 1914 entsprochen hätte.

Die von der etablierten Geschichtswissenschaft angebotene Deutung, die letztlich darauf hinausläuft, Hitler sei ein von fixen Ideen besessener Irrer und daher durchaus in der Lage gewesen, Entscheidungen gegen seine eigenen Interessen und die Deutschlands zu treffen, passt wenig zum Hitler der dreißiger Jahre, dem man die Fähigkeit zum politischen Kalkül wahrlich nicht absprechen kann. Im Grunde ist diese Deutung eine Passepartout-Erklärung: Wo man Hitlers Handlungen als Ergebnis politisch-militärischen Kalküls erklären kann, liefert dieses Kalkül die Erklärung. Und wo man das nicht kann, war er eben verrückt. Auf diese Weise schließt man die Erklärungslücken des gängigen Geschichtsbildes. Man schließt sie mithilfe eines Zirkelschlusses: Man setzt Hitlers Verrücktheit (bzw. ideologische Verblendung, Mordlust etc.) voraus, um seine Fehler (wenn es denn welche waren) zu erklären, und „beweist“ mithilfe dieser Fehler, dass er verrückt war. So richtig wissenschaftlich erscheint ein solches Vorgehen nicht.

Der zweite irritierende Faktor ist, dass es innerhalb der deutschen Generalität kaum Widerstand gegen „Barbarossa“ gab; was üblicherweise damit begründet wird, das Offizierskorps habe sich das nationalsozialistische Gedankengut, insbesondere eine Vernichtungs- und Lebensraum-Ideologie bereits zu Eigen gemacht, habe die militärischen Fähigkeiten Russlands sträflich unterschätzt und sei zudem nach den politischen und militärischen Erfolgen Hitlers kleinlaut geworden; da diese Erfolge allesamt auf Unternehmungen beruht hatten, von denen die Generäle abgeraten hatten.

Auch diese Erklärung ist merkwürdig: Abgesehen vielleicht von der Luftwaffe war das Offizierskorps nie so stramm nationalsozialistisch, wie Hitler es gerne gehabt hätte; aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, kann doch niemand ernsthaft glauben, dass deutsche Generäle bereit gewesen wären, aus ideologischem Fanatismus ihren militärischen Sachverstand auszuschalten. Eine solche Hypothese widerspricht allem, was Freund und Feind je über die Wehrmacht geschrieben haben. Dass ideologische Vorurteile des Kalibers „Das Riesenreich ist reif für den Zusammenbruch“ sie zur Unterschätzung der feindlichen Möglichkeiten verleitet haben sollen — nein wirklich, das passt doch beim besten Willen nicht zu dem, was wir sonst über sie wissen. Und schließlich passt auch die Erklärung, Hitlers Erfolge hätten der Generalität das Maul gestopft, denkbar schlecht zu der Tatsache, dass diese Generalität vorher und nachher und bis 1945 Hitlers militärische Entscheidungen stets sehr freimütig zu kritisieren pflegte, wenn sie vom militärfachlichen Standpunkt Anlass dazu sah. Bei Barbarossa hat sie nicht widersprochen. Warum?

Sahen die deutschen Militärs (und Hitler) womöglich keine Alternative? Und weiter: Sahen sie diese Alternative womöglich deshalb nicht, weil es sie nicht gab?

Aus der Perspektive des etablierten Geschichtsbildes freilich ist eine solche Frage nicht nur Ketzerei, sie ist auch ganz einfach gegenstandslos. Aus dieser Sicht kann das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Alternativen schon deshalb keinen Erklärungswert besitzen, weil Hitler ja ohnehin den Lebensraum- und Vernichtungskrieg gegen Russland geplant habe und dafür allenfalls noch rationalisierende Argumente brauchte. Hitlers vorgefasster Entschluss, für Deutschland auf Kosten Russlands die Weltherrschaft zu erringen, verbunden mit seiner ideologisch motivierten Unterschätzung des Feindes, sei Erklärung genug für seine Handlungen und liefere das Interpretationsschema, in das die bekannten Fakten einzuordnen seien.

Dass ein solches Interpretationsschema, wenn es einmal als Vorgabe akzeptiert ist, zu hochgradig irreführenden Schlussfolgerungen verleiten kann, habe ich schon einmal in meiner Rezension von Schultze-Rhonhof gezeigt, und zwar im Hinblick auf das Hoßbach-Protokoll:

Das Bestechende an diesem [etablierten] Geschichtsbild ist – noch bevor es um Quellen und Fakten geht – seine narrative Struktur: Es gibt eine klare Verteilung von Gut und Böse, es gibt einen Spannungsbogen: Das Böse baut sich auf, bis es fast, aber eben nur fast, übermächtig wird, von einem einen kleinen gallischen Dorf – Großbritannien – in die Schranken gewiesen und schließlich von einem unerschrockenen weißen Ritter – Amerika – vernichtet wird. Und es gibt eine Moral von der Geschicht.

Diese Struktur ist doppelt vertraut: Sie entspricht zum einen der eines Märchens, zum anderen – mit dem Motiv des Endkampfs zwischen Gut und Böse – der der Apokalypse. Das heißt selbstverständlich nicht, dass es nicht stimmen kann. Man muss sich nur bewusst sein, in welchem Maße dieses etablierte Geschichtsbild den Erwartungen an schöne Literatur entspricht, und in welchem Maße es religiöse Bedürfnisse bedient.

Vor vielen Jahren wurden in „Versteckte Kamera“ die Versuchspersonen aufs Glatteis gelockt, indem ein Passant, scheinbar mit einem Stadtplan in der Hand, sie nach dem Weg zum Bahnhof fragte und sich diesen Weg auf dem „Stadtplan“ erklären ließ, der in Wirklichkeit ein Schnittmuster aus „Burda Moden“ war. Da entspannen sich dann Dialoge wie:

„Also, sie müssen jetzt hier geradeaus“
„Bei ‚Fadenlauf‘?“
„Ja genau, und dann hier rechts…“
„Richtung ‚Tasche‘?“
„Ja, ja. Und dann links“
„An ‚Knopfloch‘ vorbei?“
„Ganz recht.“

Die Bereitschaft, eine angebotene Situationsdefinition (hier also das Schnittmuster als „Stadtplan“) als „wahr“ zu übernehmen, kann so stark sein, dass auch offenkundige Widersprüche in oder zu dieser Definition nicht wahrgenommen werden. Und man glaube nicht, dass diese Bereitschaft sich auf die überraschten Versuchspersonen bei „Versteckte Kamera“ beschränkt.

Ich zum Beispiel war jahrelang der Überzeugung gewesen, das Hoßbach-Protokoll vom 5. November 1937 enthalte Hitlers Ankündigung, einen Weltkrieg führen zu wollen, mithin den Beweis für die Richtigkeit des oben zitierten Geschichtsbildes. Dabei hatte ich das Protokoll schon mehrfach gelesen: Es enthält Hitlers Ankündigung, die Tschechoslowakei und Österreich anzugreifen, dazu Überlegungen, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Schlag geführt werden könne, und wie sich die anderen Mächte dann verhalten würden. Schwerwiegend genug und für die Anklage im Nürnberger Prozess, in dem es ja um den Anklagepunkt „Angriffskrieg“ ging, zweifellos ein wichtiges Beweisstück, aber eben nicht ein Beweis für einen Masterplan zur Weltherrschaft. Obwohl ich es also besser hätte wissen müssen, bin ich erst durch Schultze-Rhonhofs Analyse darauf gestoßen worden, dass ich genauer hätte lesen müssen. Dies nur als Beispiel dafür, wie stark der Einfluss einer scheinbar selbstverständlichen Deutung und wie hilfreich es bisweilen sein kann, Dinge „neu zu betrachten“.

Es gibt eine weitere Quelle, die kaum weniger häufig als das Hoßbach-Protokoll zitiert wird, um Hitlers wahnwitzige Weltherrschaftspläne zu „beweisen“, nämlich seine Denkschrift zum Vierjahresplan von 1936. Diese Denkschrift ist besonders bedeutsam, weil sie streng geheim und nur für den engsten Führungszirkel vorgesehen war.

Hitler selbst hielt sie für so fundamental, dass er noch 1944 (!) Albert Speer eine Abschrift davon übergab, wie Stefan Scheil in „Präventivkrieg Barbarossa. Fragen, Fakten, Antworten“ darlegt, dem Buch, um das es im Folgenden gehen soll. (Man verzeihe mir den langen Anlauf, aber bei einem derart tabubewehrten Thema kann man seine Zweifel am etablierten Geschichtsbild gar nicht ausführlich genug begründen).

Üblicherweise, d.h. in allen mir bekannten Werken, die für ein breites Publikum bestimmt sind, werden aus dieser Denkschrift genau zwei Sätze zitiert, und zwar immer dieselben:

Die deutsche Armee muss in vier Jahren einsatzfähig sein.

Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.

Na bitte, da haben wir ihn doch, den unwiderlegbaren Beweis, dass Hitler um jeden Preis den Krieg wollte! Oder?

Dies ist in der Tat die Interpretation, die die offizielle Geschichtsschreibung uns anbietet. Dabei fällt freilich der Zusammenhang unter den Tisch:

Der Marxismus (hat) durch seinen Sieg … eines der größten Reiche der Welt als Ausgangsbasis für seine weiteren Operationen geschaffen … Einer in sich selbst weltanschaulich zerrissenen demokratischen Welt tritt ein geschlossener autoritärer weltanschaulich fundierter Angriffswille gegenüber.

Die militärischen Machtmittel dieses Angriffswillens steigern sich dabei in rapider Schnelligkeit von Jahr zu Jahr. Man vergleiche mit der heute tatsächlich geschaffenen Roten Armee die Annahmen des Militärs vor 10 oder 15 Jahren, um die gefährlichen Ausmaße dieser Entwicklung ermessen zu können. Man überlege sich aber die Ergebnisse einer weiteren Entwicklung in 10, 15 oder 20 Jahren, um sich ein Bild der dann eintretenden Verhältnisse zu machen …

Gegenüber der Notwendigkeit der Abwehr dieser Gefahr haben alle anderen Erwägungen als gänzlich belanglos in den Hintergrund zu treten!

[Quelle: Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936, zitiert nach Scheil, S. 46]

Nichts da von „reif zum Zusammenbruch“. Die Überlegungen, die er 1924 in „Mein Kampf“ dargelegt hatte, als Russland vom Bürgerkrieg völlig zerrüttet war, gelten 1936 offensichtlich nicht mehr. Im Grunde schätzt Hitler die Sowjetunion nicht anders ein, als es nach dem Krieg die Strategen der NATO taten: als eine hochgerüstete Macht von ideologisch motiviertem Expansionsdrang. Und er hatte Grund zu dieser Einschätzung: Russland hatte mit dem ersten Fünfjahresplan 1928 zugleich ein massives Aufrüstungsprogramm in die Wege geleitet, war 1936 quantitativ und qualitativ die stärkste Militärmacht der Welt und baute die Rote Armee fortlaufend aus. Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, dass der von Stalin propagierte „Aufbau des Sozialismus in einem Land“ nur eine Atempause darstellen sollte, in der Sowjetunion Kräfte für den finalen Schlag gegen den Kapitalismus sammeln würde.

Allerdings neigt die Geschichtsschreibung dazu, für die Zwischenkriegszeit nicht nur die objektive Bedrohung herunterzuspielen, die von Russland ausging, sondern auch das Bedrohungsgefühl zu unterschätzen, das viele Europäer, und ganz besonders die politische Rechte, gegenüber dem Bolschewismus hegte. Man musste schon ein wirklicher Ignorant oder Idiot sein, um in den zwanziger und dreißiger Jahren angesichts der Greuel der Bolschewisten, der langfristig überwältigenden Stärke ihres Staates und der Existenz starker kommunistischer Parteien (die von eben diesem Staat gesteuert wurden) die Gefahr der Bolschewisierung Europas abzustreiten. Ohne diese Bedrohung hätte es so etwas wie die NSDAP vermutlich nie gegeben, und wenn, wäre sie kaum zur Macht gelangt und wäre insbesondere ihre Methode des Bürgerkrieges von oben schwerlich von so vielen Menschen akzeptiert worden.

Hitlers Denkschrift lässt seine Außenpolitik der dreißiger Jahre in einem anderen als dem üblichen Licht erscheinen, und auch seine Äußerung von 1939, alles, was er tue sei gegen Russland gerichtet, klingt in einem solchen Kontext weniger nach maßlosem Eroberungswillen, eher nach dem Bewusstsein, dass der Kampf gegen diesen Feind nicht zu vermeiden sein werde, weil der Feind dies nicht zulasse.

Dies alles macht den Angriff vom Juni 1941 freilich per se noch nicht zu einem Präventivkrieg, jedenfalls nicht im Sinne des auch damals geltenden Völkerrechts. Stefan Scheil weist allerdings nicht ohne Süffisanz darauf hin, dass es eine Definition von „Präventivkrieg“ gab, unter die jeder Krieg Deutschlands gegen Russland damals gefallen wäre, nämlich — die angelsächsische.

Großbritannien hatte mit seiner Politik der „Balance of Power“ stets die Doktrin verbunden, dass Machtverschiebungen zugunsten einer Macht auch dann mit Gewalt zu bekämpfen seien, wenn sie auf friedlichem Wege, etwa durch wirtschaftliche und demographische Expansion zustandegekommen seien. Auf eine eventuelle Angriffsabsicht der betreffenden Macht kommt es nach dieser Doktrin nicht an, sondern lediglich auf die potenzielle Fähigkeit zum Angriff. Nach britischer Doktrin reicht dies für einen „Präventivkrieg“ vollkommen aus, und eben diese Doktrin stand hinter der britischen Wendung gegen Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die USA wiederum, als Erben der britischen Weltmacht, hielten und halten es für ausgemachte Sache, das die Bewahrung ihrer eigenen Unangreifbarkeit (und das heißt der Angreifbarkeit aller anderen Staaten durch die USA) jederzeit einen „Präventivkrieg“ rechtfertigt. Scheil stellt zutreffend fest:

Die Frage, ob das Unternehmen Barbarossa nach diesem Präventivkriegsbegriff … ein Präventivkrieg war, ist angesichts der eben skizzierten beliebigen Dehnungsfähigkeit dieses Begriffs so offensichtlich zu bejahen, daß es beinahe nicht interessant ist. [S.21]

Scheil selbst freilich hält sich an den strengen Präventivkriegsbegriff, also an den, der sich auf das geltende Völkerrecht stützt, nicht auf die Schlachtflotten und Marschflugkörper angelsächsischer Weltmächte. Damit man einen Angriff als einen präventiven bezeichnen kann, sind demnach vier Voraussetzungen erforderlich:

1. Langfristige Angriffsdrohungen durch den später Angegriffenen

2. Kenntnis solcher langfristigen Angriffsdrohungen durch den späteren Angreifer

3. Militärisch-politische Vorbereitungen des Angegriffenen

4. Kenntnis dieser Vorbereitungen durch den Angreifer, in diesem Fall das Deutsche Reich

Scheil führt überzeugend den Nachweis, dass alle vier Voraussetzungen tatsächlich gegeben waren, ohne dass ich hier in die Einzelheiten gehen möchte. Ganz nebenbei beantwortet er damit die von mir (nicht von ihm) oben aufgeworfenen Fragen. Das Bestechende an seiner Analyse ist, dass man weder an die Verrücktheit Hitlers noch an die Verblendung oder Zivilfeigheit deutscher Generäle glauben muss, um zu sehen, warum das Unternehmen Barbarossa gestartet wurde, und dass dem Entschluss hierzu sehr wohl ein rationales, ja zwingendes und sogar legitimes Kalkül zugrunde lag.

Dabei stellt Scheil klar, dass die unbestreitbaren Planungen zur Ausschaltung Russlands als Machtfaktor keineswegs die These vom Präventivkrieg in Frage stellen. Im Gegenteil wäre ein Präventivkrieg ganz sinnlos, wenn danach der Status quo ante wiederhergestellt würde. Und er macht deutlich, dass die Frage nach dem präventiven Charakter eines Krieges nicht das geringste mit der  rechtlichen und moralischen Beurteilung von Kriegsverbrechen zu tun hat. Das jus ad bello, also das Recht zum Kriege, hat nichts mit dem jus in bello, dem Recht im Kriege zu tun. An letzteres sind beide Kriegsparteien gebunden, unabhängig davon, wie gerecht oder ungerecht ihre Sache ist, unabhängig, davon, wer Angreifer und wer Verteidiger ist, und unabhängig davon, ob ein Angriff präventiv stattfand oder nicht.

Scheil argumentiert klar, logisch, präzise und faktengesättigt. Wer immer über den Zweiten Weltkrieg spricht (und vor allem schreibt), sollte sich mit seinen Argumenten auseinandersetzen.

Klammheimlich: Hannah-Arendt-Institut verlagert Schwerpunkt von SED- auf NS-Diktatur

Thorsten Hinz weist in der JF unter dem Titel „Ein Institut wird umgekrempelt“ auf den Schwenk des Hannah-Arendt-Instituts hin:

Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden wurde 1993 gegründet. Die Erinnerung an die DDR war damals noch frisch und das Pathos der Umbruchzeit lebendig. Das erlaubte es, die Doppelerfahrung von Nationalsozialismus und Kommunismus, dieses bittere Privileg der DDR-Bürger, zum Ausgangspunkt der historischen Forschung zu machen. Zur Geschichts- und Wissenschaftspolitik der Bundesrepublik, die neben Hitler keine anderen Götter duldet, stand das Institut von Anfang an schräg, wenn nicht quer.

Da es in der gleichgeschalteten deutschen Bewältigungslandschaft nichts geben darf, was schräg oder gar quer steht, wird jetzt nach Loriots Motto „Das Bild hängt schief“ die Geschichte geradegerückt:

Dresden. Das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) verordnet sich einen neuen wissenschaftlichen Schwerpunkt. „Ich habe einen Richtungswechsel veranlasst – hin zur NS-Geschichte“, sagte Direktor Günther Heydemann der Wochenzeitung „Die Zeit“. Bislang erforschte das 1993 gegründete Institut vor allem die SED-Herrschaft in der DDR. Auf dem Gebiet habe sich aber eine gewisse Sättigung eingestellt. „Die Strukturen der SED-Herrschaft liegen weitgehend offen, und auch in der Alltags- und Sozialgeschichte sehe ich kaum noch Lücken“, sagte Heydemann. Der Schwerpunkt liege deswegen künftig auf dem „Nationalsozialismus in Sachsen“, mithin auf regionaler NS-Geschichte.

Sächsische Zeitung [online] – Sachsen: Hannah-Arendt-Institut verlagert Schwerpunkt von SED- auf NS-Diktatur.

Ist man beim Hannah-Arendt-Institut allen Ernstes der Meinung, beim Thema „NS-Geschichte“ habe sich nicht „eine gewisse Sättigung eingestellt“? Glaubt man dort wirklich, das Thema „DDR“ sei schon erschöpfend bearbeitet?

„Eine gewisse Sättigung“ – was wäre dies für ein schöner Euphemismus für den Brechreiz, der sich angesichts der allgegenwärtigen klischeegesättigten Geschichtspropaganda einstellt.

Was wäre denn die Folge, wenn die DDR-Vergangenheit, wenn das SED-Regime in ähnlicher Weise vergegenwärtigt würde wie das NS-Regime?

Die Folge wäre, dass die Sensibilität für totalitäre Ideologien und Strukturen geschärft würde. Die Folge wäre, dass man hellhörig würde, wenn Journalisten einen „Erziehungsauftrag der Partei(en)“ postulieren; dass man sich fragen würde, wie es um die Liberalität eines Staates bestellt ist, der seine Bürger mit erzieherischer Propaganda überschwemmt; dass man stutzig würde, wenn Nonkonformisten als Phobiker, sprich als Geisteskranke und ihre Meinungen als Gedankenverbrechen abgestempelt werden; dass die Menschen sich womöglich über einen Staat wundern würden, dessen Armee im Dienste der Ewigen Waffenbrüderschaft mit einer Supermacht steht statt im Dienste der nationalen Sicherheit; dass man sich verbitten würde, die eigene Souveränität nebst vielen Milliarden Euro einer „Union“ aus Bruderstaaten zu schenken; dass man darüber nachdenken würde, warum angeblich demokratische Organisationen mit Anhängern just der Ideologie zusammenarbeiten, auf der die DDR gegründet war, und sogar mit der SED selbst; dass man auf die Idee kommen könnte, Sozialismus habe etwas mit Totalitarismus zu tun; dass Dutzende von Phrasen und Schlagwörtern – von der „Diversity“ bis zu „Wertegemeinschaft“ – womöglich kritisch hinterfragt würden. Dass auf dem Weg in die Selbstzerstörung plötzlich Hindernisse auftauchen würden.

Damit dies nicht geschieht, wird ein Hannah-Arendt-Institut bei Nacht und Nebel umgedreht.

Beschäftigen wir uns also mit den Problemen der dreißiger Jahre, damit wir die heutigen erst wahrnehmen, wenn es zu spät ist. „Erforschen“ wir die bis zum Erbrechen durchgekaute Geschichte des Nationalsozialismus noch ein bisschen genauer (Thorsten Hinz: „Was ist zum Beispiel dran an dem Gerücht, daß die Frisuren für den Hund der Hitler-Geliebten Eva Braun in einem Dresdner Haarstudio kreiert wurden? Das Hannah-Arendt-Institut wird uns bald darüber aufklären.“), damit wir auch weiterhin das am wenigsten rassistische Land der Welt mit Propagandaplakaten „gegen Rassismus“ zukleben können; damit in einem Land, dessen Armee sich vor einem Parlament von hysterischen Kindergärtnerinnen für jeden abgefeuerten Schuss entschuldigen muss, der „Militarismus“ bekämpft wird; damit den verachteten und getretenen „deutschen Kartoffeln“ ihre „Fremdenfeindlichkeit“ ausgetrieben wird.

Sachsen-Anhalt bereitet neuen NPD-Verbotsantrag vor

JF-online berichtet:

MAGDEBURG. Sachsen-Anhalts neuer Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat angekündigt, ein neues Verfahren zum Verbot der NPD zu starten. „Wir werden andere Länder einladen, dabei mitzumachen“, sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. Das Problem des Rechtsradikalismus werde damit jedoch nicht verschwinden, warnte er.

Wie sollte es auch? Der Staat tut doch sein Möglichstes, eben jenen Rechtsradikalismus zu züchten, den er dann nicht laut genug beklagen kann. Und da es trotzdem immer noch nicht genug Rechtsradikale gibt, um die Hysterie zu begründen, mit der man sie bekämpft, wird der Kreis der „Rechtsradikalen“ durch Änderung der Definition immer weiter gezogen – so weit, dass die Ideologen des Kampfes gegen Rechts nun schon den „Extremismus der Mitte“ erfunden haben, ohne zu merken, was sie damit über ihre eigene Volksferne und -feindlichkeit aussagen.

Es gäbe zwar auch Linksextremisten, die einen anderen Staat wollen, dennoch müsse der Rechtsextremismus stärker beobachtet und bekämpft werden: „In der rechten Szene gibt es eine hohe Gewaltbereitschaft, die Akteure sind stark vernetzt, das läßt sich nicht wegdiskutieren.“

Sagt ein deutscher Innenminister vier Tage vor dem 1.Mai, an dem die Linken wieder bürgerkriegsähnliche Zustände entfesseln werden (Man muss fürwahr kein Prophet sein, um dies vorherzusehen.), während die extreme Rechte schon froh sein kann, wenn es ihr möglich ist, ganz normal zu demonstrieren.

Stahlknecht sprach sich deshalb dafür aus, die Präventionsarbeit an Schulen deutlich zu verbessern. Allen Schülern sollte klar gemacht werden, welche „geschichtliche Verantwortung Deutschland“ trage. „Da muß man auch Bilder aus Konzentrationslagern zeigen und deutlich machen, daß zwischen 1933 und 1945 Menschen planmäßig ermordet worden sind“, forderte der frisch gewählte Innenminister.

Allen Schülern muss klargemacht werden, dass sie kraft ihrer Nationalität auf Ewigkeit verdammt sind. Und dann wundert man sich über Rechtsradikalismus!

Und was die Bilder aus den Konzentrationslagern angeht, so hätte man in denselben Konzentrationslagern auch nach 1945 schockierende Bilder machen können, wenn die sowjetischen Aufseher das erlaubt hätten. Und nicht nur dort: Auch im Gulag, in den chinesischen Umerziehungslagern, bei den türkischen Armeniermassakern usw. Trotzdem kommt in Russland, China und der Türkei verständlicherweise niemand auf die Idee, „allen Schülern klarzumachen, welche geschichtliche Verantwortung Russland (China, die Türkei) trägt“.

Na klar, die haben alle nicht das richtige Bewusstsein, und lassen historische Sensibilität vermissen. Nur dass es diese Völker in hundert Jahren noch geben wird, während wir mitsamt unserer Sensibilität im Orkus der Geschichte verschwunden sein werden.

Bereits am vergangenen Freitag hatte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, ein NPD-Verbot gefordert. Die Politik müsse ihre Pflichten ernster nehmen und sich vor allem um ein NPD-Verbot bemühen, „statt sich übervorsichtig hinter juristischen Spitzfindigkeiten zu verbarrikadieren und die Auseinandersetzung zu scheuen“, sagte er nach einem Bericht des Focus.

Was waren das noch einmal für „juristische Spitzfindigkeiten“?

Ein erstes Verfahren zum Verbot der NPD war 2003 vom Bundesverfassungsgericht aus Verfahrensgründen eingestellt worden. Die Richter hatten damals bemängelt, daß viele Zitate, die eine Verfassungsfeindlichkeit der NPD nachweisen sollten, von in die Partei eingeschleusten Mitarbeitern des Verfassungsschutzes getätigt worden sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat damals nicht mehr als die Selbstverständlichkeit gefordert, dass ein Rechtsstaat nicht selbst die Verbotsgründe schaffen darf. Aber wenn es gegen „Rechts“ geht, dann muss man es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht so genau nehmen, nicht wahr, Herr Graumann?

Wann kapiert man es endlich? In einem Staat, in dem die Regierung darüber entscheidet, für wen die Bürgerrechte gelten und für wen nicht, gelten sie für niemanden!

Quelle der Zitate: JUNGE FREIHEIT – Wochenzeitung aus Berlin: Sachsen-Anhalt bereitet neuen NPD-Verbotsantrag vor.

 

Frank Lisson: „Widerstand. Lage – Traum – Tat“

Es wäre falsch, diesen Artikel eine Rezension zu nennen, weil Lissons Buch zu denen gehört, aus denen man nur zu zitieren braucht. Eine Rezension erübrigt sich dann.

Wenn man allerdings Zitate aus einem Buch auswählt, in dem kein einziges überflüssiges Wort steht, steht man vor der Frage, ob man sich lieber die linke Hand oder den rechten Fuß abhackt. Es gibt keine wichtigeren oder weniger wichtigen, keine besseren oder schlechteren Passagen. Ich zitiere einfach ein paar Kostproben:

Totalitäre Strukturen: Sie wirken bis heute fort. Die sogenannten 68er, die wie alle „Revolutionäre“ als „Befreier“ kamen und als Unterdrücker endeten, sind die geistig-ideologischen Ausläufer des 20. Jahrhunderts. Sie bilden heute den Link zwischen der alten, offenen, plump naiven Totalität und der neuen, verdeckten, geschmeidigen und raffinierten des 21. Jahrhunderts. Doch ist die innere Verwandtschaft beider Formen evident. Wer das verkennt, ignoriert die politische Realität, die zwar jeden umfängt, aber mit ihrer ganzen Gewalt eben nur zu spüren bekommt, wer sie herausfordert.

Das Neue, sagen sie, wächst an den Rändern, wie die Bedrohung. Also müssen sie die Ränder überwachen und damit auch das Neue. Denn die Fähigkeit zum eigenen Urteil wollen sie einfach nicht dulden, obwohl sie gerade diese Forderung ständig im Mund führen. Das ist der große Widerspruch, ist die Bigotterie, die uns zu ihren Gegnern macht. Wo sie sind, ist die Freiheit gemordet und hängt nun als aufgeputzter Kadaver in den Bäumen ihrer Gärten. Die Lüge kommt täglich, bürstet die Leiche und spricht: „Ach Freiheit, wie schön du bist.“

Euer zur Schau gestelltes, aufdringliches Gutmenschentum war von Beginn an komplett erlogen – und ist es bis heute. Früher habt ihr verbrecherische Systeme und Massenmörder unterstützt, ohne daß ihr – im Gegensatz zu euren Eltern – in irgendeiner Weise dazu genötigt wurdet.

Fragt ihr uns nach den Gründen unseres Zorns – hier die Antwort: weil wir es satt haben, uns ausgerechnet ausgerechnet von euch permanent moralisch bevormunden zu lassen! weil euer Lügen bis heute dieses Land beherrschen und es weiterhin innerlich zerstören! weil ihr nicht besser seid als die Nazis, deren Methoden ihr nur perfektioniert habt. Denn eure Gleichschaltung kommt ohne offiziellen Presseanweisungen aus, da sie sich nicht nur gegen die politische Auffassung der Menschen richtet, sondern gleich auf die Psyche zielt. Ihr wollt den Hitler im Deutschen ausmerzen, wie die Nazis einst den Juden im Deutschen, nur verläuft euer Unternehmen deutlich erfolgreicher, de ihr noch raffinierter vorgeht als die Nazis: ihr betreibt eine Schuldindoktrination und bedient euch damit des vielleicht sichersten Mittels, Menschen moralisch zu brechen. Schon die Jüngsten werden traumatisiert, noch bevor sie sich überhaupt ein Bild von den Zusammenhängen machen können. Der Schaden, den ihr damit anrichtet, ist gewollt. Und genau das macht euch zu Verbrechern. „Und du wirst nicht mehr frei dein Leben lang.“ Wie die Nazis und die Kommunisten wollt auch ihr die totale Kontrolle über die Köpfe. Das Ergebnis können wir jeden Tag den Medien entnehmen.

Ihr sagt, ihr glaubt uns nicht, wir übertrieben – und wiegelt ab. Machen wir also die Probe mit vertauschten Größen und fragen euch: Wie würdet ihr einen Staat nennen, in dem links-alternativen Zeitungen die Druckereien angezündet und Kioske, die solche Zeitungen verkaufen wollen, mit Boykott bedroht werden? Wie einen Staat, in dem jeder, der solche Zeitungen liest und womöglich sogar darin schreibt, existenzbedrohende Repressalien fürchten muß? Wie würdet ihr einen Staat nennen, in dem Läden, die T-Shirts mit Cannabis-Motiv anbieten, die Fensterscheiben eingeschmissen werden? Und alle sagen: „Richtig so! Linke haben in unserer Stadt nichts zu suchen, denn es darf nur einen rechten Lebensstil geben, alle anderen gehören verboten!“ Wie einen Staat, in dem eigentlich nur mehr oder weniger konservative Parteien zugelassen sind, die außerdem darüber entscheiden, wo die „Mitte“ verläuft, und die alle anderen Meinungen und Milieus, die sich nicht eindeutig zum christlich-konservativen Weltbild bekennen, als „linksextremistisch“ kriminalisieren? Wie also würdet ihr einen Staat nennen, in dem es ausreicht, jemandem eine „linke“ Gesinnung nachzuweisen, um ihn von allen Ämtern und akademischen Karrieren auszuschließen? Wie einen Staat, in dem der Steuerzahler allerorts für „Initiativen gegen Links“ aufkommen muß? Es jedes Jahr offizielle Rockkonzerte gegen „Links“ gibt, in denen wie selbstverständlich zu Gewalt aufgerufen wird, und wer da nicht mitmacht, selbst unter „Verdacht“ gerät?

Da rüstet die politische Klasse zur gutgemeinten Generalkontrolle, und konsequenterweise koalieren Sozialdemokraten vorsorglich mit Kommunisten, Christdemokraten mit Grünen. Vereint und Hand in Hand scheuen sie sich derzeit noch, das, was sie bilden, „Volkskammer“ zu nennen. – Blicken wir denn so viel weiter als andere, die wir wenigstens erwägen, über Maßnahmen und Formen des zivilen Widerstandes nachzudenken? Damit die nächsten Generationen uns nicht mit den alten Vorwürfen konfrontieren: „Warum habt ihr damals Politiker gewählt, die euch schamlos belogen aus reiner Machtgier, und sogar solche, die offen vor der Kamera erklärten, die Stasi wiedereinführen zu wollen?“ Was werdet ihr dann sagen: „Ja, wir konnten doch nicht wissen, daß…“ – Doch, ihr konntet!

Die Deutschen und ihr Lieblingsteddy

„Nirgendwo wird die Diskussion um das „richtige“ Geschichtsbild heftiger und affektgeladener geführt als in Deutschland, ohne daß wir uns fragen, woher diese heftigen Emotionen eigentlich kommen, wie auch unser wirkliches oder vermeintliches Wissen, das wir so verbissen verteidigen. Insbesondere denke ich dabei natürlich an den „Alleinschuld“-Teddybär, an den sich die Deutschen mit so panischer Besessenheit klammern, als hätten sie einen unerträglichen horror vacui vor dem identitären Nichts, in das sie ohne ihn zu stürzen fürchten.“

Martin Lichtmesz