„Holocaustleugner“ – ein Unwort

Bei Metapedia, einer Netz-Enzyklopädie, die sich als rechte Alternative zu Wikipedia versteht, und deren Autoren mehrheitlich politisch in der Tat mindestens so weit rechts stehen wie die meisten politischen Wikipedia-Autoren links stehen, findet sich auch ein Eintrag über „Kleine-Hartlage, Manfred“.

Unter der Überschrift „Kritik“ schreibt der Autor:

In seiner 2011 erschienenen Schrift „Neue Weltordnung“ verwendet Kleine-Hartlage shoaistische Gemeinplätze und bezeichnet Revisionisten als „Holocaustleugner“ und bekennt sich damit als Holocaustgläubiger:

    „An der Überzeugungskraft der Argumente von Holocaustleugnern wird es ja nicht liegen …“ (S. 47)

„Der Holocaust … als das monströse Verbrechen gebrandmarkt, das er tatsächlich war …“ (S. 49)

Ich habe mich stets vehement gegen die politkorrekte linke Unsitte gewandt, sich mit Kritik nicht auseinanderzusetzen, sofern sie von sogenannten oder auch Rechtsextremisten geäußert wird – so, als ob die Kritik deswegen schon falsch sein müsste. Ein Argument ist aber entweder in sich richtig oder überhaupt nicht; es kann nicht darauf ankommen, wer es vorträgt. Zu der Kritik von Metapedia also einige Anmerkungen:

Soweit sie sich auf die unreflektierte Verwendung des Wortes „Holocaustleugner“ bezieht, ist die Kritik gerechtfertigt; dieser Ausdruck ist nämlich tatsächlich in dreifacher Hinsicht ein sprachlicher Lapsus:

Zum einen kann ich nach einem zugegebenermaßen groben, lückenhaften und kursorischen Überblick über die im Netz verfügbare einschlägige Samisdat-Literatur nicht bestätigen, dass es irgendjemanden gäbe, der behauptet, die Nationalsozialisten hätten nicht Massen von Juden umgebracht; selbst die niedrigsten Schätzungen gehen von rund dreihunderttausend jüdischen Todesopfern aus, und die meisten liegen deutlich darüber, eher bei fünfhunderttausend bis einer Million. Dies ist zweifellos weitaus weniger, als die etablierte Geschichtswissenschaft behauptet und der Gesetzgeber und zu glauben befiehlt – aber unter einer Leugnung stelle ich mir doch etwas anderes vor. Selbst das Wort „Verharmlosung“ kann in diesem Zusammenhang sinnvollerweise eigentlich nur dem über die Lippen kommen, der die Ermordung von mehreren Hunderttausend Menschen für etwas „Harmloses“ hält. (Selbst wenn es sich also so verhielte, wie die sogenannten „Holocaustleugner“ – die man in der Tat treffender „Revisionisten“ nennen sollte – behaupten, hätte ich keinen Grund, meine Aussage zurückzunehmen, dass es sich um ein „monströses Verbrechen“ handelte.)

Zum anderen bedeutet „Leugnung“, dass man etwas, was man subjektiv für wahr hält, gleichwohl für unwahr erklärt. Der Ausdruck „Holocaustleugner“ impliziert also die Behauptung, die so Titulierten glaubten in Wahrheit sehr wohl an die Richtigkeit des etablierten Geschichtsbildes und gäben es nur nicht zu. Dafür gibt es aber nicht den geringsten Anhaltspunkt: Allein die hohen Haftstrafen, die die sogenannten „Leugner“ für die Artikulation ihrer Ansichten in Kauf nehmen, sprechen für sich.

Und drittens suggeriert der Ausdruck „Holocaustleugner“ zumindest, die Betreffenden versuchten nicht einmal, ihre Thesen mit tatsachengestützten Argumenten zu untermauern; das versuchen sie aber durchaus. Dass die von ihnen angeführte Indizien- und Argumentationskette letztlich nach meinem Dafürhalten nicht ausreicht, das etablierte Narrativ im Kern zu erschüttern, heißt nicht, dass es sich nicht um Indizien und Argumente handeln würde, die eine wissenschaftlich fundierte Replik wert wären. Dass die etablierte Geschichtswissenschaft ihrerseits die Kritik an ihren Thesen nicht etwa mit Argumenten zurückweist, sondern zumindest durch Stillschweigen billigt, dass die Kritiker ins Gefängnis geworfen werden, zeugt auch nicht gerade von Souveränität. Eine Wissenschaft, die auch nur ein Minimum an Rückgrat und Selbstbewusstsein hätte, müsste es sich verbitten, Gesetzen unterworfen zu werden, die nicht nur ihren Kritikern einen Maulkorb verpassen, sondern auch ihr selbst: Nach geltender kafkaesker Rechtslage kann die etablierte Geschichtsforschung (oder wer auch immer) die Kritik der Holocaustrevisionisten gar nicht mit Gegenargumenten zurückweisen, weil sie sie zu diesem Zweck ja zitieren müsste – und bereits dies ist verboten!

Insofern gebe ich auch zu, dass ich mich hätte hüten sollen, Aussagen über die „Überzeugungskraft“ von Argumenten zu treffen, die der öffentlichen Erörterung und Kritik durch eine Entscheidung des Gesetzgebers – deutlich: durch staatlichen Machtmissbrauch! – systematisch entzogen sind.

Trotzdem finde ich die Kritik von Metapedia reichlich kleinkariert, zumal die beiden zitierten Aussagen ja in einem bestimmten Zusammenhang stehen (der aber bei Metapedia nicht referiert wird), bei dem die Richtigkeit des etablierten Narrativs zwar pragmatisch vorausgesetzt, in der Sache aber weder bekräftigt noch in Frage gestellt wird. Vielmehr geht es in dem fraglichen Abschnitt um die politisch-ideologische Instrumentalisierung des Holocausts, dem eine quasi-theologische, sakrale Überhöhung zuteil wird, und dies nicht aus Pietät, sondern zur Untermauerung einer bestimmten Ideologie und der auf ihr basierenden Politik. Es wird hier ganz einfach ein politisches Süppchen gekocht, und dies ist auch dann ein politischer Missbrauch, wenn sich alles so zugetragen haben sollte, wie das offiziöse Geschichtsbild behauptet.

Um diese Zusammenhänge klarer zu machen, zitiere ich zum Schluss die einschlägigen Passagen aus „Neue Weltordnung“:

Für den, der die Atomisierung der Gesellschaft, die Auflösung von Solidargemeinschaften und insbesondere die Beseitigung von Völkern für etwas Gutes, weil Fortschrittliches und Humanes hält, tut sich freilich ein großes Problem auf: nämlich daß diese Völker nun einmal existieren. Alle ideologischen Bemühungen, sie zu bloßen „Konstrukten“ zu erklären, die keinen empirischen Gehalt hätten und jederzeit durch andere Konstrukte, etwa das der „Menschheit“, ersetzt werden können, scheitern nicht nur an ihrer inneren Unaufrichtigkeit, mit der sie verschweigen, daß jeder Begriff, mit dem wir hantieren, ein Konstrukt ist, das als solches nicht „wahr“, sondern höchstens – aber immerhin! – brauchbar sein kann, sofern Menschen sich über seine Geltung einig sind. Sie scheitern vor allem daran, daß sie sich eben einig sind, daß Völker sehr wohl existieren und einen generationenübergreifenden sozialen Zusammenhang konstituieren.

Die Verwirklichung der NWO erfordert, den Menschen diesen Konsens, speziell den über die Existenz des jeweils eigenen Volkes, auszutreiben. Dies kann nicht gelingen, solange die Deutungshoheit über die eigene Geschichte bei den Völkern selbst liegt, für die das jeweils eigene Geschichtsbild identitätsstiftend ist. Geschichte ist für Völker ja ungefähr das, was das Gedächtnis für die Einzelperson ist: also die Voraussetzung dafür, daß diese Person sich als Individuum, als im Zeitverlauf mit sich selbst identisch, begreifen kann.

In einem ersten Schritt gilt es also, den Völkern diese Deutungshoheit zu entziehen. Das Geschichtsbild, das zugleich wesentlicher Teil des kollektiven Selbstbildes eines Volkes ist, soll nicht von unten wachsen, und es soll auch nicht den Unwägbarkeiten eines Wissenschaftsprozesses ausgesetzt sein, der, sofern er seinen eigenen, also den wissenschaftsinternen Regeln folgt, womöglich unpassende, weil politisch unerwünschte Wahrheiten ans Licht bringt. Ein autonomer gesellschaftlicher Diskurs birgt aus der Sicht der NWO nicht nur das Risiko, sondern im Lichte menschlicher Erfahrung geradezu die Gewißheit in sich, in abgrenzende Gruppenidentitäten zu münden bzw. sie zu verstärken und obendrein die Globalisierung als etwas politisch Gewolltes und keineswegs „Unvermeidliches“ zu entlarven.

Ein gemeinsamer Zug aller Einzelprojekte der Revolution von oben, mit denen die europäische Zivilisation umgestaltet wird, ist die Salamitaktik: Man beginnt mit etwas mehr oder weniger Vernünftigem und Wünschenswertem, das von den meisten Menschen bejaht werden kann, und baut es dann Schritt für Schritt aus, um zu Ergebnissen zu gelangen, die die Gesellschaft vehement abgelehnt haben würde, wenn man sie offengelegt hätte. Was Jean-Claude Juncker einmal über die Methoden sagte, mit denen die EU immer mehr Kompetenzen an sich reißt, läßt sich auch auf andere Projekte ausdehnen:

„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Man beginnt zum Beispiel mit der Gleichberechtigung von Frauen und endet beim Gender Mainstreaming. Man beginnt mit „Gastarbeitern“ und endet beim Recht auf ungehemmte globale Migration. Man beginnt mit Milosevic, Saddam Hussein und Gaddafi und hat am Ende die Souveränität jedes Staates und seiner Regierung zur Disposition gestellt. Und genauso verfährt man, wenn es darum geht, Geschichtsbilder von oben zu verordnen:
Als die Leugnung des Holocaust als Volksverhetzung in Deutschland strafbar wurde (§ 130 Abs. 3 StGB), fehlte es nicht an Kritikern, die zu Recht fanden, es sei mit dem Selbstverständnis eines freiheitlichen Rechtsstaates unvereinbar, ein bestimmtes Geschichtsbild unter Strafe zu stellen. Heute wird man besagten Kritikern bescheinigen müssen, die Gefahren, die von dieser Norm für eine freiheitliche Rechtskultur ausgehen, sogar noch unterschätzt zu haben.

Was in den neunziger Jahren vielleicht nicht für jedermann vorhersehbar war, heute aber vor aller Augen liegt, ist die wahrscheinlich irreparable Beschädigung des bürgerlichen Rechtsbewußtseins. Das Verbot der Holocaustleugnung wird nicht mehr als die krasse – und vor allem begründungsbedürftige! – Ausnahme von der Regel gesehen, daß eine Zensur nicht stattfindet. Vielmehr verbreitet sich ein Rechtsverständnis, wonach historische Wahrheit etwas ist, das von Staats wegen dekretiert werden kann, darf und muß, und das man (unabhängig von Tatsachen) nicht bezweifeln darf, weil die bloße Äußerung eines Zweifels bereits strafwürdiges „Unrecht“ darstellt.

Daß hier eine Pandorabüchse geöffnet wurde, erkennt man daran, daß im Anschluß an das deutsche Verbot der Holocaustleugnung sowohl der sachliche als auch der räumliche Anwendungsbereich von „Leugnungs“-Verboten seit Jahren immer weiter ausgedehnt wird. So wurde in Frankreich die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe gestellt, obwohl das Thema nicht den geringsten innerfranzösischen Bezug aufweist. So konnte erst vor kurzem in Deutschland gefordert werden, die Leugnung von Stasi-Verbrechen zu verbieten; und dies nicht, weil es öffentlichen Bedarf an einer solchen Regelung gäbe. Nein, es hat sich offenkundig ein totalitäres Rechtsverständnis verbreitet, wonach es ein legitimes Staatsziel sei, „staatsbürgerliche“ Konformität mit einem bestimmten Geschichtsbild zu erzwingen: ein Rechtsverständnis, das nur deshalb mit Akzeptanz rechnen kann, weil der Präzedenzfall des § 130 Abs. 3 StGB eine gewissermaßen volkspädagogische Wirkung gezeitigt und die Bürger dazu konditioniert hat, ihre eigene politische Entmündigung zu tolerieren.

Mit dieser, aus ihrer Sicht positiven Erfahrung im Hinterkopf verfügten die EU-Justizminister, daß die Leugnung des Holocaust europaweit verboten werden soll (…).

Der Vorgang ist insofern bezeichnend, als er gleich eine doppelte Entmündigung enthält: Hier wird ja nicht nur der öffentliche Diskurs über Geschichte von der Gesellschaft auf den Staat, sondern auch vom Nationalstaat auf die Europäische Union übertragen, der somit die Zuständigkeit für ein „Geschichtsmanagement“ zuerkannt wird, das in keiner nationalen Verfassung vorgesehen ist. Jedenfalls in keiner demokratischen. Totalitäre Staaten freilich haben dieses Recht nach dem Orwellschen Motto „Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft“ stets für sich in Anspruch genommen.

Es handelt sich auch nicht etwa um einen isolierten Prozeß. Die Europäische Union verfolgt umfangreiche kulturpolitische Programme, in denen es darum geht, ganz bestimmte Geschichtsbilder in Schulen, Universitäten, Medien und damit allgemein in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern, und Politiker tun das Ihre, diese Vorgaben umzusetzen.

Wenn die Bundeskanzlerin etwa, wie am 11. November 2009 geschehen, in Paris unter dem Triumphbogen den Waffenstillstand von 1918, also die Niederlage des eigenen Landes im Ersten Weltkrieg feiert, dann wird damit eine bestimmte Ideologie verbreitet, wonach Deutschland bereits vor Hitler stets im Unrecht gewesen sei. Mit historischen Fakten hat dies nichts zu tun. Das „Unrecht“ besteht vielmehr darin, daß Deutschland sich den machtpolitischen Hegemonialansprüchen und der ideologischen Vorherrschaft des Westens widersetzt hat. Die Logik hinter der masochistischen Selbsterniedrigung der Kanzlerin lautet, daß Deutschland im Unrecht gewesen sein muß, weil der Westen im Recht war. Dieses „Recht“ hat mit der Frage der Kriegsschuld überhaupt nichts zu tun, es bestand vielmehr darin, daß der Sieg des Westens der Verbreitung bestimmter „Werte“ diente – die Rede von den „gemeinsamen Werten“ gehört zu den stereotypen Floskeln transatlantischer Lyrik. Sie impliziert, daß nicht Völker und Staaten als solche die Akteure der Geschichte sind, sondern als Träger bestimmter „Werte“; daß sie also im Recht sind, sofern diese Werte die „richtigen“ sind, und im Unrecht, sofern sie sich ihnen widersetzen. Es impliziert zugleich, daß es nicht den Völkern selbst überlassen sein sollte, welche Werte sie sich zu eigen machen wollen, sondern daß bestimmte Werte, etwa Freihandel und Marktwirtschaft, universelle Geltung beanspruchen und ihre Gegner niederzuwerfen sind. Der Logik nach endet dieser Prozeß erst, wenn diese Werte weltweit durchgesetzt sind.
(…)
In dem Krieg gegen Deutschland, der nach Winston Churchills zutreffenden Worten von 1914 bis 1945 dauerte, der also keineswegs wegen irgendwelcher Verbrechen der Nationalsozialisten geführt wurde, ging es nicht darum, Europa vor dem deutschen Joch zu schützen, sondern darum, dieses Europa in die liberale Weltordnung und damit zugleich in den angelsächsischen Machtbereich zu zwingen.

Die deutschfeindlichen Aspekte des etablierten Geschichtsbildes haben also die ideologische Funktion, Geschichte als eine des Fortschritts hin zu einer One World zu schreiben, und das Recht und die Legitimität partikularer politischer, sozialer und kultureller Strukturen grundsätzlich zu negieren bzw. unter den Vorbehalt ihrer Vereinbarkeit mit dem Globalismus zu stellen. Sie sollen zugleich die Fortführung dieses Prozesses ideologisch unterfüttern. (…)

Aber noch einmal zurück zum Verbot der Holocaustleugnung: Warum ist eigentlich gerade dieses Element des etablierten Geschichtsbildes so wichtig, daß es durch das Strafrecht geschützt werden muß? An der Überzeugungskraft der Argumente von Holocaustleugnern wird es ja nicht liegen, woran aber dann?

Woher kommt es insbesondere, daß die Massenmorde von Kommunisten, deren Opfer die des Holocausts an Zahl um ein Vielfaches übertreffen, so wenig historische Beachtung finden – ein Umstand, der normalerweise vom politisch korrekten Diskurs lautstark als „Verhöhnung der Opfer“ angeprangert werden müßte?

Die Antwort lautet, daß man unter Verweis auf „Auschwitz“ andere Ideologien diskreditieren kann als unter Verweis auf den „Gulag“:

Sie ziehen die Interessen Ihres Volkes denen von Fremden vor? Das ist Nationalismus und führt zu Auschwitz! Sie glauben, daß man nicht Millionen von Menschen aus aller Herren Länder einwandern lassen sollte? Das ist Rassismus und führt zu Auschwitz! Sie glauben nicht, daß der Islam eine Religion des Friedens ist? Das ist religiöse Intoleranz und führt (um drei Ecken) zu Auschwitz! Sie glauben, daß Freiheit nur möglich ist, wenn sie durch Sittlichkeit gehegt wird? Das ist illiberal und führt zu Auschwitz!

Würde man dagegen den Gulag in ähnlicher Weise thematisieren, so könnte irgendjemand auf den Gedanken kommen, dessen Wurzeln in einer revolutionären Weltanschauung zu suchen. Daß die Idee, eine Kultur oder gar die ganze Menschheit nach Maßgabe einer utopistischen Heilslehre umzukrempeln, per se totalitär ist, müßte den Sachwaltern der revolutionär zu verwirklichenden NWO schon deshalb peinlich sein, weil sie genau auf einer solchen Idee ihre Politik aufbauen.

So wie es beim antideutschen Narrativ nicht primär darum geht, Deutschland ins Unrecht zu setzen, sondern um den Umkehrschluß, daß die Vorkämpfer globalistischer Ideologie stets im Recht sind, so geht es beim Verbot der Holocaustleugnung nicht so sehr darum, die Leugnung des Holocausts zu verhindern, sondern um den Umkehrschluß, daß die herrschende Ideologie ein Heilsweg ist, und daß jede Abweichung von ihm geradewegs in die Hölle, also nach Auschwitz, führt: Das soll nicht geleugnet werden dürfen! Der Holocaust wird durch eigens auf ihn zugeschnittene Blasphemiegesetze nicht etwa als das monströse Verbrechen gebrandmarkt, das er tatsächlich war, sondern zum Inbegriff des absolut Bösen erklärt und damit aus dem Zuständigkeitsbereich der Geschichtsschreibung in den der Theologie überführt; womit jegliche Ideologie und jedes politische Projekt, das man als eine Art Anti-Auschwitz-Programm verkaufen kann – und wäre ein solcher Anspruch noch so fadenscheinig –, mit einem Heiligenschein ausgestattet wird.

[Zur geschichtspolitischen Funktion des Holocausts und seiner sakralen Überhöhung siehe auch meinen Kommentar („Nicht in unserem Namen!“) zu der Rede, die der damalige Bundespräsident Wulff vor zwei Jahren in Auschwitz hielt.]

Aus meinem politischen Wörterbuch: „Staatsraison“

Bundespräsident Joachim Gauck hat es auf seiner Israel-Reise explizit abgelehnt, sich die Formulierung von Angela Merkel zu eigen zu machen, die Sicherheit Israels sei Teil der „deutschen Staatsraison“. Wie nicht anders zu erwarten, hat er dafür heftige Kritik geerntet.

So sehr Gaucks Präsidentschaft eine Enttäuschung ist: Wo er recht hat, hat er recht. Die Formulierung „deutsche Staatsraison“ im Zusammenhang mit der Sicherheit Israels zu verwenden, gehört zum typischen Repertoire substanzloser Phrasen einer politischen Klasse, die nationale Interessen nicht einmal zu denken wagt, geschweige denn zu formulieren versteht, und deren Vertreter daher in einem Sumpf aus ideologischen Fiktionen und unverarbeiteten Gefühlen herumwaten.

Auf die „Staatsraison“ kann man sich nur dann und nur insofern berufen, als man Interessen verfolgt, deren Nichtbeachtung die Existenz und Souveränität des eigenen Staates gefährdet. Nun haben wir gewiss ein Interesse an der Sicherheit Israels und eine Reihe von guten Gründen, Israel zu unterstützen. Ich will sie hier nicht noch einmal aufzählen – im Grunde ist es doch eine Selbstverständlichkeit, sich mit einem von einem aggressiven Islam bedrohten Israel ebenso zu solidarisieren, wie man sich mit – sagen wir – Finnland solidarisieren würde, wenn Russland Anstalten machte, es sich wieder einzuverleiben.

Die Existenz und Souveränität der europäischen Staaten – und nur darum geht es, wo von Staatsraison die Rede ist – würde freilich von einem Ende Finnlands so wenig tangiert wie von einem Ende Israels. Ganz nüchtern gesprochen, könnte Europa mit einem islamischen Israel zur Not leben, nicht aber Israel mit einem islamischen Europa, dessen Existenz die arabische Einkreisungspolitik gegenüber dem jüdischen Staat vollenden würde. So gesehen gibt es daher durchaus eine israelische Staatsraison, die Islamisierung Europas zu bekämpfen, in umgekehrter Richtung jedoch nur – aber immerhin! – ein starkes Eigeninteresse, das aber nichts mit der Staatsraison zu tun hat.

Allenfalls könnte man argumentieren, dass eine Flüchtlingswelle aus Israel, die zwangsläufig die Folge eines staatlichen Zusammenbruchs wäre, das ohnehin schon gestörte ethnische Gefüge Europas vollends aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Ende der europäischen Nationalstaaten beschleunigen würde; wer dies befürchtet – ja, der kann sich auf die Staatsraison berufen. Zugespitzt formuliert: Die NPD kann die Sicherheit Israels zum Teil der deutschen Staatsraison erklären, ohne die Konsistenz ihrer Ideologie preiszugeben; die Kanzlerin kann es nicht. Aus deren Mund ist das Gerede von der Staatsraison bloß rhetorischer Overkill.

Diese Feststellung hat nichts mit Sympathien oder Moral zu tun: Es ist einfach so. Fatal ist aber, wenn die Bejahung unsinniger Floskeln wie der von der „Staatsraison“ zu einer Frage der Moral erklärt wird. Es handelt sich um eine exemplarische Illustration des BRD-„Diskurses“, der „moralisches“ Engagement auf Kosten des besseren Arguments prämiert und dabei das Gegenteil von dem propagiert, was er angeblich propagieren will. Wer seine Sympathie für Israel ausgerechnet mit dem Holocaust, letztlich mit der Kollektivschuldthese begründet, erweckt den Eindruck, er würde ganz anders reden, wenn er kein Deutscher wäre, und untergräbt auf subtile und perfide Art Israels Position.

Wohlfeile Phrasendrescherei ist dort, wo das Schicksal ganzer Völker auf dem Spiel steht, nicht nur eine Fehlleistung, sondern beinahe schon ein Verbrechen. Insofern muss man dem Bundespräsidenten für seine nüchterne Klarheit in dieser Frage geradezu dankbar sein.

Nicht in unserem Namen!

Der Bundespräsident hat zum 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, eine Rede in Auschwitz gehalten, und wie üblich bei solchen Gelegenheiten, quoll die Rede von Masochistenpathos über:

Auschwitz liegt auf polnischem Boden. Eine ganz große Zahl von Opfern waren polnische Staatsangehörige. Polen und seine Bewohner haben unendlich unter der deutschen Besatzung und dem nationalsozialistischen Rassenwahn gelitten.

Der Name Auschwitz steht wie kein anderer für die Verbrechen Deutscher an Millionen von Menschen. Sie erfüllen uns Deutsche mit Abscheu und Scham.

Es ist keine billige Aufrechnung zu fragen, warum nach einem Jahrhundert der Massenschlächtereien, von denen der Holocaust nur eine war, ausschließlich deutsche Staatsoberhäupter solche Reden halten.

Wir tragen hieraus eine historische Verantwortung, die unabhängig ist von individueller Schuld.

Wer die Kollektivschuld-These vertreten will, möge das tun. Er möge dann aber auch dazu stehen und sich nicht hinter wolkigen Phrasen wie „Verantwortung“ verstecken.

Wir dürfen nie wieder zulassen, dass solche Verbrechen geschehen. Und wir müssen die Erinnerung wach halten. Denn das Wissen um das geschehene Grauen, die Erkenntnis dessen, was Menschen fähig waren, anderen Menschen anzutun …

… um Erinnerung geht es, nicht um historische Aufklärung, in der man versuchen würde, den Nationalsozialismus zu erklären, wie man auch andere historische Epochen erklärt. Eine solche Aufklärung, also eine Historisierung des Nationalsozialismus, würde, wie bei anderen historischen Themen auch, dazu führen, dass immer neu gefragt wird und die Antworten immer wieder am neuesten Stand der Erkenntnis gemessen werden. Das geschieht gerade nicht. Die „Erinnerung“ bleibt gleichsam eingefroren  im Aggregatzustand immergleicher stereotyper Phrasen. Wer debattieren wollte, müsste denken und würde dann zwangsläufig von der vorgestanzten Phraseologie abweichen. Der letzte deutsche Politiker, der das versucht hat, war Philipp Jenninger, der diesen Versuch mit dem Verlust seines Amtes bezahlte.

… sind Mahnung und Verpflichtung für die gegenwärtigen und kommenden Generationen, die Würde des Menschen unter allen Umständen zu wahren und niemals mehr andere zu verfolgen, zu erniedrigen oder gar zu töten, weil sie anders sind in Glaube, Volkszugehörigkeit, politischer Überzeugung oder sexueller Orientierung.

Indem man nicht nach Ursachen fragt, indem man nicht davon spricht, in welches Bedingungsgeflecht die Deutschen der dreißiger und vierziger Jahre verstrickt waren, indem man zugleich alle geschehenen Verbrechen pauschal „den Deutschen“ anlastet – als habe es nicht identifizierbare Entscheidungsträger gegeben – benennt man selbstredend trotzdem „Ursachen“:

Ursache war demnach der böse Wille „der Deutschen“, die kollektiv und aus purem Hass auf Menschen, die „anders sind in Glaube, Volkszugehörigkeit, politischer Überzeugung oder sexueller Orientierung“ diese verfolgt, erniedrigt und ermordet hätten. Dass die Deutschen ganz andere Gründe gehabt haben könnten, Hitler zu unterstützen, kommt gar nicht erst in den Blick. Und es soll offenbar auch nicht in den Blick kommen: Nicht im Manuskript, wohl aber in der gesprochenen Rede mahnt Wulff die Deutschen sogar, für die Verbrechen der Nationalsozialisten „ewig einzustehen“.

Zuerst immunisiert sich die Rede gegen Kritik durch ein moralisches Pathos, dessen erkennbare Funktion die ist, Kritik von vornherein mit dem Makel des „Unmoralischen“ zu belasten – in diesem Zusammenhang fällt dann auch noch das Wort „ewig“ , mit dem sich der Bundespräsident endgültig als Hohepriester einer Religion zu erkennen gibt, deren wesentlicher Inhalt die kollektive Selbstverfluchung ist. Die Worte, mit denen das Matthäusevangelium die Jerusalemer Juden zitiert – „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ – werden von Wulff (wie von unzähligen anderen deutschen Nachkriegspolitikern) sinngemäß auf das eigene Volk angewandt.

Ein Bundespräsident repräsentiert aber nicht das deutsche Volk, weil er von diesem nicht gewählt worden ist (und gerade dieser Präsident wäre auch nicht gewählt worden, wenn man das Volk gefragt hätte). Deshalb ist er nicht einmal befugt, für das jetzige deutsche Volk irgendwelche Verantwortung zu bekunden, geschweige denn dessen Nachkommen eine „ewige Verantwortung“ aufzubürden. Er repräsentiert einen Staat, und zwar einen, der nicht durch einen souveränen verfassunggebenden Akt des deutschen Volkes gegründet worden ist, sondern durch den Willen der Besatzungsmächte – weswegen seine Verfassung bis heute „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ heißt, und nicht etwa „Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland“, und weswegen er in Artikel 146 GG diesen Mangel auch offen zugibt. Ein Bundespräsident repräsentiert die politische Klasse – und niemanden sonst – einer Republik, die, gemessen an ihrem eigenen Maßstab, der Volkssouveränität, ein illegitimes Staatswesen ist.

Die freilich repräsentiert er so vollkommen wie nur irgend möglich. Die Verfluchung des deutschen Volkes, die hier in den Rang einer Religion erhoben wird, soll von den Deutschen verinnerlicht werden – dies geht aus Reden dieser Art deutlich genug hervor und ist Konsens der politischen Klasse. Sie sollen ihr eigenes Volk nicht für erhaltenswert halten, sie sollen sich nicht dazu bekennen, sie sollen sich nicht an ihren eigenen nationalen Interessen orientieren. Sondern an den Interessen „Europas“, d.h. seiner herrschenden Eliten, an den Interessen „der Menschheit“ – womit es wieder herrschenden Eliten überlassen bleibt zu definieren, was dieses Interesse gerade erheischt -, und nicht zuletzt an den Interessen derer, die „anders sind in Glaube, Volkszugehörigkeit … oder sexueller Orientierung“, und zu deren Interessen jedenfalls nicht gehört, dass das deutsche Volk das 22. Jahrhundert erreicht.

Die gestanzten Phrasen sind also nicht etwa Produkt geistiger Impotenz, sondern eines politischen Programms. Insofern erübrigt sich auch die ansonsten naheliegende Frage, ob Christian Wulff eigentlich über die geistigen Voraussetzungen verfügt, um Zitierenswertes über die deutsche Geschichte zu sagen. Er kann seine Funktion viel leichter erfüllen, wenn er über diese Voraussetzungen gerade nicht verfügt.

Das Gift, dass uns seit Jahrzehnten in Gestalt von Worten wie „Scham“, „Schuld“, „Verantwortung“, „Erinnerung“, „Nie wieder!“ eingeträufelt wird, zielt darauf ab, aus dem Volk eine bloße „Bevölkerung“ zu machen, eine Masse von Einzelnen, die sich nicht mehr wehrt, wenn selbsternannte Eliten über ihr Schicksal entscheiden.

Ein Brief nach Rungholt

Lila („Letters from Rungholt“) war vor einigen Tagen mit einer Gruppe israelischer Studenten in Berlin und schreibt in ihrem Blog über ihre Erlebnisse unter anderem dies:

Es war wunderbar, und Berlin ist eine Stadt, die selbst auf den widerstrebendsten Besucher sehr stark wirkt. Ich habe vieles neu entdeckt, auch durch die Augen der Studenten, die sehr beeindruckt waren von der Vielfalt der Erinnerungskultur. Das war ja unser Thema.

Ich weiß, daß Broder meint, mit dem Mahnmal an der Ebertstraße kauft das offizielle Deutschland sich frei, und kann jetzt nach Löschung der Sündenkartei getrost weiter sündigen. Das klingt zwar schön zynisch und einleuchtend, erklärt aber nicht, warum weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen. Und es erklärt auch nicht, warum junge und ältere Besucher auf eigene Faust (also ohne Gruppe oder Klasse) ins Dokumentationszentrum kommen, sich dort ernsthaft in das Material versenken und sehr, sehr nachdenkliche Gesichter haben. Mein geschätzter Kollege, dessen Familie von der Shoah schwer gezeichnet ist, war jedenfalls von den Gesichtern der jungen Deutschen an diversen Gedenkstätten positiv berührt und meinte, das hätte er nicht erwartet.

Ich kann nicht anders: Auf mich wirkt inzwischen diese Art von Lob, gerade weil es so aufrichtig ist, deprimierender als die schärfste Kritik: nicht nur, weil wir heutzutage andere Probleme haben als die Frage, ob wir den Nationalsozialismus auch ja richtig „aufgearbeitet“ und „bewältigt“ haben, sondern weil gerade die inflationäre „Aufarbeitung“ und „Bewältigung“ ganz erheblich zu unseren Problemen beiträgt.

Von außen ist das wahrscheinlich nicht ohne Weiteres erkennbar, und Lilas Blick, obwohl sie Deutsche ist, ist nach über zwanzig Jahren in Israel eben doch einer von außen. Ich habe ihr deshalb mit einem langen Kommentar geantwortet, den ich seiner grundsätzlichen Bedeutung wegen auch hier in meinem eigenen Blog einstelle:

„Liebe Lila, ich hoffe, ich schockiere Dich nicht zu sehr, wenn ich sage, dass ich Deine Begeisterung über die „Vielfalt der Erinnerungskultur“, darüber, dass „weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen“ und über die „sehr, sehr nachdenkliche(n) Gesichter“ der Besucher des Holocaust-Dokumentationszentrums nicht nur nicht zu teilen vermag, sondern die beiden entsprechenden Absätze auch mit einiger Beklemmung gelesen habe.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mit dieser „Erinnerungskultur“ täglich konfrontiert und von ihr entsprechend genervt bin. Du gehst zum KaDeWe und wirst mit den Namen von einem Dutzend Konzentrationslager erschlagen („Orte des Schreckens, die wir nie vergessen dürfen“); du gehst in Spandau am Lindenufer spazieren und erfährst, dass hier bis 1938 eine Synagoge stand; du gehst irgendwo und siehst Messingklötze ins Pflaster eingelassen, auf denen steht, dass hier der und der deportiert worden ist; Gedenktafeln, Mahnmale, Denkmäler an allen Ecken und Enden; du schaltest den Fernseher ein, und wenn du keine Daily Soap sehen willst, landest du auf Phoenix und damit nicht selten bei Guido Knopp und seiner Endlosschleife von Geschichtsklischees.

Wäre das alles nur nervig, man könnte es ertragen. Es ist aber weitaus mehr als das.

Es ist schon etwas dran an dem Spruch, wer sich der Geschichte nicht erinnern wolle, sei gezwungen, sie zu wiederholen. Nähme man ihn ernst, so würde man sich bemühen, blinde Flecken im eigenen Geschichtsbild nicht zuzulassen. Was bei uns aber als „Erinnerung“ zelebriert wird, ist im höchsten Maße selektiv:

Nicht nur, dass „Geschichte“ auf zwölf Jahre Nazizeit und alles andere zur bloßen Vorgeschichte schrumpft; selbst diese Geschichte und Vorgeschichte beschränkt sich auf den Krieg und den Holocaust, und für diese beiden werden rein ideologische Faktoren verantwortlich gemacht, speziell ein angeblich spezifisch deutscher Hang zu Militarismus, Nationalismus und Rassismus.

Würde man der breiten Öffentlichkeit ein etwas komplexeres Bild der Zusammenhänge vermitteln, dann würde eine Rolle spielen, dass die Demokratie von Weimar an der Unfähigkeit einer politischen Klasse scheiterte, Probleme zu sehen und in Angriff zu nehmen, die in der jeweiligen Parteiideologie nicht vorgesehen waren und deshalb nicht existieren durften. (Die Millionen, die NSDAP wählten, taten es nicht zuletzt deshalb, weil die Inkompetenz aller anderen Kräfte bereits offen zutage lag.) Man könnte sonst Parallelen zur heutigen politischen Klasse ziehen, wo der einzige Unterschied zu Weimar darin besteht, dass sie alle dieselbe realitätsblinde Ideologie vertreten.

Es würde eine Rolle spielen, dass mit den permanenten Umwälzungen und Katastrophen von 1914 an Millionen von Menschen der Boden, auf dem sie gestanden hatten, unter den Füßen weggezogen und eine politische, ökonomische, aber auch sittliche und kulturelle Orientierungslosigkeit erzeugt wurde, die eine Umwertung aller Werte, wie sie von den Nationalsozialisten propagiert wurde (und die im Kaiserreich undenkbar gewesen wäre) erst möglich machte. Würde man sich daran erinnern, so wäre man womöglich zurückhaltender mit Sozialexperimenten wie der Zersetzung der Familie, der Banalisierung des Christentums und der multikulturellen Entdeutschung des eigenen Landes.

Man würde sich daran erinnern, dass diese Katastrophen allesamt in dem seit der Jahrhundertwende betriebenen Politik der Westmächte wurzelten, Deutschland kleinzukriegen. (Selbst wenn man diese These, die ich selbst für richtig halte, nicht teilt – entscheidend ist, dass sie von den damaligen Deutschen aus guten Gründen geglaubt wurde.) Und eine Öffentlichkeit, die sich dessen bewusst wäre, würde wohl kaum hinnehmen, dass eine – pardon – völlig verblödete Kanzlertrutsche nach Paris fährt, um dort den Waffenstillstand von 1918 zu feiern.

Es würde eine Rolle spielen, dass die Unterstützung für Hitlers Aufrüstungsprogramm nicht etwa aus irgendeinem „Militarismus“ resultierte, sondern aus der Erfahrung, dass Wehrlosigkeit ausgenutzt wird, und womöglich würde sich an eine solche Erkenntnis die Frage knüpfen, ob es eine gute Idee ist, die eigenen Streitkräfte so umzubauen, dass sie noch als internationale Polizeitruppe, aber kaum mehr zur Verteidigung des eigenen Landes taugen. Man würde sich auch fragen, welcher Teufel eine politische Klasse reitet, die die Souveränität und Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes zur Disposition eines Westens stellt, dessen Deutschfeindlichkeit schon vor 1933 evident war.

Und wenn man die Dinge in einem größeren europäischen Zusammenhang sieht, würde einem auffallen, dass die Demokratie zwar nicht in Deutschland, wohl aber in etlichen anderen europäischen Ländern an der Unmöglichkeit gescheitert ist, ethnisch heterogene „Bevölkerungen“ zu staatstragenden Nationen zu formen – was zu der Frage führen würde, ob Demokratie mit solcher Heterogenität überhaupt vereinbar ist.

Vor allem aber würde eine solche Sichtweise dazu führen, dass man begänne zu verstehen, worauf der Erfolg der Nationalsozialisten beruhte, und dass dies nicht einfach die Dummheit oder Bösartigkeit unserer Großeltern war, und speziell nicht einfach eine angeborene, mindestens aber kulturell verinnerlichte ideologische Verblendung. Dann wäre auch der neurotischen Selbstverdächtigung der Deutschen der Boden entzogen, auf dem jetzt der Kampf gegen Rechts geführt wird, dessen psychologische Grundlage eben diese Selbstverdächtigung ist. Wer sich nämlich selbst verdächtigt, qua Nationalität vom „Ungeist“ des Nationalismus und verwandter Ideologien infiziert zu sein, wird alles tun zu beweisen, dass er zu den nichtinfizierten „Guten“ gehört. Und genau dies ist auch der Sinn der Sache.

Es wird keine historische Aufklärung betrieben. Stattdessen konfrontiert man Kinder und Jugendliche mit Bildern von Auschwitz und Bergen-Belsen, die ob ihrer Schock- und Horrorwirkung auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften stünden, wenn sie in irgendeinem andern Zusammenhang entstanden wären. Man erklärt Auschwitz zum „Gründungsmythos der Bundesrepublik“ und kommt nicht auf die Idee, dass bereits an der Formulierung irgendetwas krank sein könnte. Das Monstrum von einem Mahnmal, das man nicht zufällig direkt ans Brandenburger Tor geklotzt hat, enthält just diese Ideologie, buchstäblich in Stein gehauen. Man baut eine ganze Staatsideologie auf einem „Nie wieder“ auf, so als ob es für ein Volk und ein Staatswesen andere Gefahren nicht geben könnte, und verdächtigt als rechtsextrem, wer auf solche Gefahren hinweist.

Wenn man sich die Politik der deutschen – aber weiß Gott nicht nur der deutschen – Eliten ansieht, dann ahnt man auch, warum das geschieht. Da werden die Schleusen für Einwanderer geöffnet, deren Kultur mit unserer unvereinbar ist und die selbst bei engstirnigster ökonomischer Betrachtung alles andere als eine Bereicherung darstellen. Angeblich brauchen wir sie aus demographischen Gründen, sprich weil wir nicht genügend Kinder bekommen. Letzteres trifft zu.

Wenn aber dieselben Eliten, die dies feststellen (und damit die „Notwendigkeit“ von Immigration begründen) eine Politik treiben und eine Ideologie verbreiten (um nur zwei Beispiele zu nennen), wonach Frauen unbedingt Karriere machen müssten, weil sie sonst „benachteiligt“ seien, und wonach Homosexualität eine in jeder Hinsicht gleichberechtigte Lebensform sein müsse (obwohl sie das für ein Volk, das auch in Zukunft existieren möchte, erst recht für eines, das sich in einer demographischen Krise befindet, schlicht und einfach nicht sein kann), dann wird deutlich, dass die demographische Krise nicht gelöst, sondern benutzt werden soll, um die einheimischen Völker Europas in ihren eigenen Ländern in die Minderheit zu drängen.

(Es geht an dieser Stelle nicht um die Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die Karriere machen wollen und können, daran nicht durch ihr Geschlecht gehindert werden sollen, sondern dass man mit massivster Propaganda und Quotenregelungen einen Sog erzeugt, der Frauen vom Familienleben fernhält. Im Einzelfall mag Familie und Karriere vereinbar sein, in der Masse ist sie es garantiert nicht. Es geht auch nicht um die Selbstverständlichkeit, dass ein freiheitlicher Staat sich nicht in das Intimleben seiner Bürger einmischt, sondern darum, dass man Jugendliche systematisch zur Homosexualität ermutigt und sie als attraktive Lebensform propagiert.)

Dieselben Eliten arbeiten daran, die Souveränität des Nationalstaats auf supranationale Organisationen zu übertragen, deren Daseinszweck darin besteht, alle Staaten, die ihnen angehören, einem einheitlichen Regelwerk zu unterwerfen, das damit zwangsläufig der demokratischen Kontrolle entzogen ist. Der Anwendungsbereich solcher Regeln, die angeblich auf internationaler Ebene notwendig sind, wird dabei zielstrebig immer mehr erweitert.

Nimmt man das alles zusammen: die systematische Verschärfung der demographischen Krise, die „Lösung“ durch forcierte Masseneinwanderung und die Selbstentmündigung der demokratischen Nationalstaaten, so lautet die Quintessenz, dass Völker als soziale Gegebenheiten wie als politische Einheiten aufhören sollen zu existieren – und das ist keine durchgeknallte rechte Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik: Man muss nur die wohlklingenden Phrasen von der „europäischen Integration“, der „Weltinnenpolitk“, von der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, von der „kulturellen Bereicherung“, den Segnungen der „Diversität“ und von der „Offenheit“ (eines Scheunentors) auf ihren rationalen Kern hin befragen und sich die Implikationen und Konsequenzen vor Augen halten, die es haben muss, wenn die westlichen Staaten einer solchen Ideologie folgen, dann liegt auf der Hand, dass hier die Utopie eines Weltsystems verfolgt wird, in dem Völker so wenig existieren werden wie Demokratie.

Nun steht einer solchen Politik die natürliche Neigung des Menschen entgegen, sich in Völkern zu organisieren (oder, abstrakter gesprochen: in Gruppen, die größer sind als die Familie, aber kleiner als die Menschheit), und deren Erhaltung und Entfaltung als hohen Wert zu empfinden. Da man dieses Empfinden nicht totkriegen kann, muss man es mit einem negativen Vorzeichen versehen. Da die Identifikation mit dem eigenen Volk eine anthropologische Konstante ist, sollen die Menschen wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei haben und ihre eigenen, als „böse“ markierten Gefühle umso eifriger auf Andersdenkende projizieren, die ihres Patriotismus wegen als angebliche „Rechtsextremisten“ zur inquisitorischen Hexenjagd freigegeben sind.

Damit sie dieses schlechte Gewissen haben, sollen sie die unauslöschliche Schlechtigkeit und unvergebbare Schuld des eigenen Volkes als Ideologie verinnerlichen. Hier in Deutschland geschieht dies mithilfe der „Erinnerungskultur“, die sich auf den Holocaust bezieht, die Völker der ehemaligen Kolonialmächte sollen glauben, dass es nie etwas Schlimmeres gegeben habe als den Kolonialismus, die Amerikaner sollen sich für Sklaverei und Indianerausrottung schuldig fühlen, die Australier für das Schicksal der Aborigines usw., und das ganze wird zum Gedankenkomplex der „white guilt“ zusammengerührt, nach der sich auch Deutsche für den Kolonialismus, Engländer für den Holocaust, Franzosen für die Sklaverei irgendwie mitverantwortlich fühlen sollen. Das alles soll sich nun ein- für allemal nicht wiederholen, und dieses „Nie wieder“ soll jeden anderen Gesichtspunkt verdrängen.

Wer eine solche Ideologie verinnerlicht, kann die Existenz des eigenen Volkes nicht als etwas ansehen, das zu verteidigen sich lohnte. Er wird, ganz im Gegenteil, mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass das eigene Volk sein Existenzrecht verwirkt habe, dass es also, wie die Nazis das genannt hätten, lebensunwert sei. Der Schuldkult soll die Gegner des liberal-globalistischen Paradigmas nicht nur ideologisch mattsetzen, sondern den Völkern des Westens die für ihre Fortexistenz notwendigen psychologischen Voraussetzungen entziehen. Völker, die nicht existieren wollen, die können und werden auf die Dauer nicht überleben.

Der Schuldkult ist also Teil eines Völkermordes mit anderen Mitteln. Die Nazis mit ihren Einsatzgruppen und Gaskammern waren in jeder Hinsicht blutige Amateure des Genozids, verglichen mit Ideologen, die ganze Völker dazu bringen, den Autogenozid zu wollen.

Versteh mich bitte richtig: Ich werfe weder Dir noch den Angehörigen Deiner Reisegruppe vor, dass Ihr diese Gesichtspunkte nicht gesehen habt. Ich kann nachvollziehen, dass man sich aus einer jüdischen Perspektive, die als solche auch völlig legitim ist, dafür interessiert, wie die Deutschen mit der Holocaust-Vergangenheit umgehen, und sie daran misst, dass sie ihn wenigstens nicht rechtfertigen oder beschönigen. Ich verstehe auch, dass man von diesem Standpunkt nicht auf die Frage kommt, ob die Deutschen mit ihrem masochistischen Übereifer womöglich nicht alle Tassen im Schrank haben?

Ich weise aber doch darauf hin, dass dieser Schuldkult von einem israelischen Standpunkt im höchsten Maße bedenklich sein sollte: Ihr beschwert Euch zu Recht, dass die Deutschen, und erst recht andere europäische Völker, zu wenig Verständnis für Eure Situation aufbringen und Euch mit Ratschlägen traktieren, deren Verwirklichung für Israel auf den nationalen Selbstmrod hinausliefe. Nun frage ich Dich: Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?“

Antifaschisten und andere Nazis

„Indem er die Untat schlichtweg bestreitet, bewegt sich der Holocaust-Leugner immer noch im Kraftfeld der traditionellen Moral. Die trostlosen Figuren mit ihren „Bomber Harris, do it again!“-Plakaten haben sie hinter sich gelassen und unmittelbar zu den Nazis aufgeschlossen.“

Michael Klonovsky

Der Selbstmord der Völker Europas

Ich habe hier schon mehrfach den Selbsthass des Westens, speziell der europäischen Völker (und hier wiederum besonders meines eigenen) thematisiert. Er äußert sich explizit  in einer Political Correctness, die dem jeweils eigenen Volk, der eigenen Kultur, der eigenen Religion (so man noch eine hat), der eigenen Rasse die Schuld an praktisch allen Übeln dieser Welt zuschreibt, aber äußerst wohlwollend mit dem jeweils „Anderen“ umgeht. Er äußert sich aber auch implizit in der schleichenden Selbstauslöschung der Völker Europas.

Für beide Phänomene lassen sich eine Reihe von Ursachen bzw. Motiven identifizieren: ideologische, politische, soziologische, ökonomische, und einige von denen habe ich auch hier im Blog schon behandelt.

Mit der psychologischen Seite habe ich mich bisher nur en passant befasst, obwohl allein das Wort „Selbsthass“ auf die Bedeutung psychologischer Motive verweist.

Ruth hat mich vor einiger Zeit auf einen Aufsatz des Psychoanalytikers und Bloggerkollegen Shrinkwrapped hingewiesen, den BeforeDawn netterweise ins Deutsche übersetzt und im Counterdjihad-Blog eingestellt hat. Leider findet dieser Blog nicht die verdiente Aufmerksamkeit – bisher hat es gerade einmal 79 Zugriffe auf Shrinkwrappeds Essay gegeben (Ich muss mir für diesen Blog wohl etwas einfallen lassen.), und deshalb stelle ich ihn hier mit einigen Raffungen und Kürzungen und unterbrochen von meinen eigenen Kommentaren noch einmal ein. Natürlich bin ich kein Psychologe und weiß über Psychologie nur so viel, wie man als belesener Zeitgenosse eben weiß; aber auch auf dieser Basis lässt sich ja trefflich spekulieren:

„Scham, Aggression und demographischer Selbstmord

von Shrinkwrapped

Übersetzung: BeforeDawn

Teil I

(28. März 2006)

Am Anfang meiner beruflichen Tätigkeit kam eine Frau zu mir, die ich Gudrun nennen möchte, um sich therapieren zu lassen, und zwar gezwungenermaßen. Sie hatte eine ausgezeichnete berufliche Tätigkeit, die sehr zu ihr passte, aber ihr Chef hatte ihr gesagt, er würde sie entlassen, wenn sie sich nicht einer psychiatrischen Behandlung unterzöge. Es war ihr klar, dass sie nicht gut mit Menschen zurechtkam: in den meisten ihrer Beziehungen hatte sie am Ende das Gefühl, misshandelt zu werden, und so war es wohl auch wirklich. Es gab einiges Beeindruckende an dieser Frau, nicht zuletzt ihre Schönheit und ihre Intelligenz. Sie war Deutsche und war in die USA gekommen, um ihr Studium abzuschließen; sie hatte sich dann entschieden, in New York zu bleiben, weil sie sich eine Zukunft in Deutschland eigentlich nicht vorstellen konnte.

Mein anfänglicher Eindruck war, dass diese Frau sehr sympathisch war, nicht nur wegen ihres offensichtlichen Charmes und ihrer Intelligenz. Sie war warmherzig und einnehmend, sie ließ sich ohne erkennbare Schwierigkeiten auf eine relativ intensive Psychotherapie ein, was emotionale Intimität und Offenheit angeht, und ich wunderte mich darüber, warum es ihr nie möglich gewesen war, eine langfristige Beziehung einzugehen, und warum sie bei ihrem Chef und ihren Mitarbeitern einen so starken Zorn auf sich auslöste. Im Laufe der Zeit merkte ich, dass sie zentrale Teile ihrer Lebensgeschichte nicht thematisierte.

Sie war etwas mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren. Ihr Vater war in der Wehrmacht gewesen, und nach dem Krieg war er mehrere Jahre Gefangener in Stalins Gulag, bevor er entlassen wurde und nach Hause zurückkehren konnte. Ihre Mutter war während des Krieges noch ein Teenager gewesen und hatte in Berlin gelebt. Ihre Eltern hatten geheiratet, nachdem der Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Sie war ein Einzelkind. Sie, wie auch ich, brauchte mehrere Monate, um zu erkennen, was in ihrer Lebensgeschichte fehlte: sie hatte keine Vorstellung davon, was ihre Eltern während des Krieges erlebt hatten.

Dies hatte Ähnlichkeit mit den „Löchern“ in der Lebensgeschichte von Patienten, die Kinder von Überlebenden der Konzentrationslager waren. Die Eltern sprachen nicht nur nicht über ihre Erfahrungen, sondern sie vermittelten ihren Kindern die Botschaft, dass bestimmte Fragen nicht denkbar waren und schon gar nicht gefragt werden durften. Bei Kindern von KZ-Überlebenden konnte man ein solches Fehlen von Teilen der Lebensgeschichte erwarten und man konnte damit therapeutisch arbeiten; ich hatte jedoch bis dahin keine Erfahrung mit Überlebenden auf der Seite der Täter und erwartete nicht dieselbe Art von biographischen Lücken.

Eine Anzahl von disparaten Teilen im Puzzle meiner Patientin kam allmählich in den Blick. Sie verriet mir, dass sie ein Jahr in Israel gelebt hatte, als sie 18 war, und dass sie zu der Zeit erwogen hatte, zum jüdischen Glauben überzutreten. Das erschien rätselhaft, denn als sie zu mir kam, war sie eine kosmopolitische unreligiöse Europäerin mit beträchtlicher Lebenserfahrung. Ein weiterer verwirrender Aspekt ihres Falles war, dass ich von Zeit zu Zeit den Wunsch verspürte, ihr gegenüber verletzende Bemerkungen zu machen, die in ihrer Therapie unangebracht schienen. Ich mochte sie wirklich, und ich war mir keines negativen Gefühls ihr als Deutscher gegenüber bewusst (Wie hätte sie denn für den Holokaust auch nur im geringsten verantwortlich sein können?), noch konnte ich irgendein Stück Gegenübertragung bei mir identifizieren, das mich hätte dazu bringen können, sie zu verletzen.

Erst nachdem mir klar geworden war, dass ich mit meiner Patientin in Hinsicht auf einen Verzicht, die Verwicklung der Eltern in die historischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs zu erkunden, kollaborierte, gewann ihre Therapie einen klareren Fokus und war es uns möglich zu verstehen, was die Gründe für ihre Probleme waren.“

Als ich das las, war ich überzeugt, dieselbe Krankengeschichte vor Jahren schon einmal gelesen zu haben, und zwar in diesem Buch:

71DSGF7XD4L._SL500_AA240_Der darin enthaltene Aufsatz „Kind von Verfolgern“ von M. David Coleman – auch er der Bericht eines jüdischen amerikanischen Analytikers, der eine deutsche Patientin behandelt -, ähnelt Shrinkwrappeds Bericht nicht in jedem Detail, aber doch genug, dass ich zunächst glaubte, es mit ein- und demselben Text zu tun zu haben: Auch dort eine attraktive, scheinbar gut angepasste Person, die ständig die Aggressionen ihrer Mitmenschen herausforderte; die den Übertritt zum jüdischen Glauben in Erwägung gezogen hatte; deren Mutter über die Vergangenheit niemals sprach; beide aus Deutschland emigriert, Gudrun von sich aus als Erwachsene, Frieda (die Patientin von Herrn Coleman) als Kind. Beide schufen Distanz zu Deutschland, Gudrun durch die Emigration, Frieda, indem sie Kopfschmerzen bekam, wenn sie die deutsche Sprache hörte.

„Wir fanden heraus, dass ihr Vater zwar in die Wehrmacht eingetreten war, aber sich geweigert hatte, irgendetwas mit der SS oder der Gestapo zu tun zu haben; er hatte regelmäßig erkennen lassen, dass er gegen die Nazis war.  Nach dem Krieg hatten die Russen ihn mit vielen anderen deutschen Soldaten verladen und nach Sibirien in den Gulag geschickt, wo er fast zehn Jahre leiden musste, bis die Russen ihn schließlich repatriierten.

Interessant war, dass sie über die Geschichte ihrer Mutter lediglich wusste, dass die Familie am Ende des Krieges mit beträchtlichen Entbehrungen fertig werden musste, und dass sie sich daran erinnern konnte, Hunger gehabt zu haben. Besonders auffällig war, dass Kenntnisse über Erlebnisse ihrer Mutter aus der Zeit vor dem Krieg und während des Krieges völlig fehlten, obwohl sie ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter hatte und viel über ihre Nachkriegserlebnisse wusste. Wenn sie ihre Mutter gefragt hatte, wie ihr Leben vor dem Krieg gewesen war, hatte sie es immer abgelehnt zu antworten oder das Thema gewechselt.

Zu der Zeit, als wir anfingen, den Hintergrund ihrer Mutter zu erkunden, offenbarte sie – und es fiel ihr bezeichnenderweise schwer -, dass sie seit langem relativ weitgehende sadomasochistische Sexualphantasien hatte. Sie hatte diese Phantasien nie ausagiert, aber sie fand sie sehr erregend und zugleich in hohem Maße beschämend, was sie in einen inneren Konflikt versetzte. Was ich bemerkenswert fand, war, dass ihre Phantasien – im Gegensatz zu denen anderer Patienten mit sadomasochistischen Neigungen – ganz offensichtlich außerordentlich fließend waren, in dem Sinne, dass es ihr oft unmöglich war, festzulegen, ob sie in ihrer Phantasie das masochistische Opfer oder der sadistische Täter war.

Im dritten Jahr ihrer Therapie machte Gudrun eine vierwöchige Reise nach Deutschland, um ihre Eltern zu besuchen. Ihr Vater war zu der Zeit schwer erkrankt, und es sollte ein Abschiedsbesuch sein.

Nach ihrer Rückkehr hatte sie mir viel zu erzählen. Sie hatte Gelegenheit gefunden, sich mit ihren Eltern zusammenzusetzen und lange Gespräche zu führen; sie hatte schließlich ihre Mutter mit den Lücken in ihrer Lebensgeschichte konfrontiert. Was sie dabei entdeckt hatte, ließ sie ihre eigenen Erfahrungen aus einer veränderten Perspektive sehen.

Ihre Mutter hatte, als sie in Berlin aufwuchs, als beste Freundin ein jüdisches Mädchen gehabt, das im Haus nebenan lebte. Ihre eigenen Eltern hatten ein sehr enges Verhältnis zu den Eltern ihrer Freundin. Die beiden Mädchen waren unzertrennlich. Als die Nazis an die Macht kamen, wurde diese beste Freundin ihrer Mutter, weil sie Jüdin war, in der Schule gemieden und gehänselt; ihre Mutter distanzierte sich von ihrer Freundin. Eines Tages war die Familie von nebenan verschwunden. Es war nicht nur, dass sie sie nie wieder sahen, es wurde auch nie wieder von ihnen gesprochen. Der Name des Mädchens war Giselle.

Meine Patientin brach in Tränen aus und zeigte ihr Entsetzen, als sie mir diese Dinge erzählte. Es war für sie unfassbar, dass ihre Mutter und ihre Großeltern so gefühllos gewesen waren. Wie konnte eine solche Schlechtigkeit in ihrer Familie sein? Andere Deutsche hatten ihr Leben riskiert, um jüdische Kinder und jüdische Familien zu retten; wie konnte ihre Familie sich angesichts solcher Grausamkeit sich so passiv verhalten?

Ihre Scham über ihre eigene Geschichte war tief.“

Dabei waren ihre Eltern nicht einmal Nazis gewesen, anders als die der Patientin Frieda, deren Stiefvater bei der SS gewesen war, deren Mutter noch in den sechziger Jahren pronazistisch eingestellt war, und die selber als Kind (sie war kurz vor dem Krieg geboren worden) eine Version des Cowboy-und-Indianer-Spiels gespielt hatte, bei dem die Juden die Indianer waren. Ihre Schuldgefühle basierten bei ihr auf dem Gefühl, dass sie ohne die Niederlage Deutschlands und ohne die Emigration ganz selbstverständlich ebenfalls ein Nazi geworden wäre.

„Jetzt erst konnte sie ihre unbewusste Identifikation mit den Juden besser verstehen. Sie selbst war nach einem verschwundenen jüdischen Mädchen benannt worden. Ihre sadomasochistischen Phantasien kamen jetzt klarer in den Blick. Sie begriff, dass sie unbewusst alle ihre Beziehungen durch eine Nazi-Juden-Linse gesehen hatte. Sie konnte es nicht ertragen, auf der Seite der Nazis zu sein, und war so gezwungen, ihre eigenen aggressiven Gefühle zu verstecken und zu leugnen, während sie andererseits das Opfer sein konnte, indem sie in ihren Phantasien sich Aggression von anderen vorstellte; dies war aber auch keine Position, die stabil und aushaltbar war. Die Unmöglichkeit, mit sich selbst einen Pfad durch diese beiden Extreme auszuhandeln, führte zu einer Art von fixierter psychischer Kreisbewegung, die sie dazu zwang, beständig ein Nazi-Juden-Szenario zu inszenieren, abwechselnd als unbewusster Täter und dann als bewusstes Opfer.

Zur selben Zeit, als wir die Dynamik dieses Aspekts ihres Charakters herausarbeiteten, konnte ich auch selbst meine Ambivalenz hinsichtlich ihres deutschen Hintergrunds besser erkennen und damit auch, dass die Fragen, die ich mir verboten hatte zu stellen (´Was haben Ihre Eltern und deren Eltern während des Krieges gemacht?´), mich dazu gebracht hatten, die Art und Weise, in der sie mich provozierte, zu übersehen. (Sie war sehr geschickt in der subtilen Kunst der unbewussten Provokation.) Als ich nun zu sehen begann, wie sie mich provozierte, konnte ich auch besser meine eigenen Impulse, ihr gegenüber grausam zu sein, als das begreifen, was sie waren, nämlich Teil der Inszenierung ihrer aus der Familiengeschichte hergeleiteten unbewussten Phantasien.

Gudrun war eine lebenserfahrene, schöne, intelligente Frau, sprach fünf Sprachen fließend, ein talentiertes und bezauberndes Beispiel einer aufgeklärten Nachkriegseuropäerin, sie spürte jedoch, dass sie einen ernsthaft kranken Kern hatte. Gudrun hatte versucht, Europa zu entkommen, indem sie nach Amerika ging, und war damit teilweise erfolgreich, nachdem sie die Krankheit in ihr identifizieren konnte.

Wie es ihr gelang, diese aus ihrer Familiengeschichte resultierenden lang andauernden Konflikte zu lösen, und was die möglichen Implikationen daraus für Europa sind, wird in einem kommenden Posting erkundet werden.

Teil II :

(29. März 2006)

Gestern habe ich angefangen, die Geschichte von Gudrun zu erzählen, die Mitte zwanzig war, als sie wegen ihrer chronischen Schwierigkeiten, mit ihren Mitmenschen auszukommen, zu mir zur Behandlung kam. Sie war eine begabte attraktive Deutsche, die oft einen jüdischen Stern am Hals trug, als sie achtzehn war, ein Jahr in Israel gelebt hatte, und einen nicht unbeträchtlichen Teil der Zeit damit verbrachte, den Übertritt zum Judentum in Betracht zu ziehen. Sie fand in ihrer Therapie heraus, dass sie nach der besten Freundin ihrer Mutter in deren Kindheit benannt worden war, einem jüdischen Mädchen namens Giselle, die in den Konzentrationslagern Nazideutschlands in den späten Dreißigern verschwunden war, um nie wieder gesehen oder erwähnt zu werden.
[In meinem vorigen Posting hatte ich vergessen, darauf hinzuweisen, dass Gudruns Namensgebung durch die Mutter entsprechend der Tradition der aschkenasischen (osteuropäischen) Juden erfolgt war, die Verbundenheit mit einem geliebten Verstorbenen durch den Gebrauch des gleichen Anfangsbuchstabens auszudrücken.]

Ungeachtet dessen, was Gudrun an Wissen über sich selbst gelernt hatte, was ihr eine große Hilfe war, die Art und Weise zu verstehen, in der sie unbewusst andere dazu provozierte, sie anzugreifen, war sie nicht in der Lage, eine passende Dauerbeziehung zu finden oder aufrechtzuerhalten. Dies war verwirrend, denn wir beide dachten, wir verstünden im wesentlichen, was ihre Beziehungen in der Vergangenheit gestört hatte, und häufig machten ihr Männer den Hof, die, soweit zu erkennen war, durchaus zu ihr zu passen schienen.

Schließlich aber fanden wir heraus, dass es einen unlösbaren Konflikt gab, der es Gudrun verwehrte, jemals die dauerhafte Beziehung zu finden, nach der sie sich sehnte.

Sogar nach mehreren Jahren therapeutischer Arbeit konnte Gudrun die Enormität dessen, was ihre Eltern durchgemacht hatten und wie sie mit ihrer eigenen Rolle in den mit dem Holokaust verbundenen Ereignissen umgegangen war, nicht gänzlich einschätzen. Obwohl sie nicht religiös war und nur ein Minimum an religiöser Unterweisung (in einem protestantischen Bekenntnis) erhalten hatte, hatte sie das Gefühl, dass der Makel des Holokaust, der auf ihrer Familie lastete, eine Ursünde sei, für die es ihr niemals möglich sein werde, völlige Wiedergutmachung zu leisten. Während Christen fühlen, dass sie von ihrer „Ursünde“ durch das Opfer Jesu Christi erlöst sind, gab es in der säkularen Welt der Europäer nach dem Krieg und dem Holokaust keine gleichartige Erlösung. Es dauerte eine sehr lange Zeit, bis es Gudrun möglich war, ihr tief empfundenes Gefühl in Worte zu fassen, dass der beschämende Makel in ihrem Kern niemals ausgelöscht werden könne.

Gudruns Empfindung war, dass sie wegen der Mittäterschaft ihrer Familie an den Schrecken des Holokaust es nicht verdient habe, von einem anständigen Menschen geliebt zu werden; sie wusste zwar, dass sie eine Person war, die von anderen gemocht wurde, und konnte sich sogar dazu überreden, dass sie liebenswert sei, aber in ihrem tiefsten Inneren fühlte sie, dass sie nicht liebenswert sei. Die Kluft zwischen dem, was ihr intellektueller Verstand ihr sagte (dass sie für das, was geschehen war, nicht verantwortlich sei) und dem, was ihr Gefühl ihr sagte (dass sie ein Abkömmling des Bösen sei), war unüberbrückbar. Wir haben dies eine sehr lange Zeit bearbeitet. In dieser Zeit gründete sie ihre eigene Firma, kaufte ein Haus und engagierte sich gesellschaftlich, aber sie konnte nie die Art von Zuneigung eines Mannes ertragen, nach der sie sich mehr als nach allem anderen sehnte. Darüber hinaus war die Vorstellung, ein Kind in die Welt zu setzen, in dem möglicherweise dasselbe Übel wie in ihr steckte und auf der Lauer lag, um eines Tages wiederum Gestalt anzunehmen, eine Quelle unvorstellbaren Schreckens für sie. Es war ihr nicht möglich, das Gefühl ins Wanken zu bringen, dass, was an Gutem sie auch immer in der Welt tat, sie doch von Menschen abstammte, die zu den schrecklichsten Dingen in der Lage gewesen waren, und so konnte sie es nicht riskieren, auch nur im geringsten Maße dafür verantwortlich zu sein, dass dieses Böse wiederum auf die Welt losgelassen würde. Es ist kaum möglich zu beschreiben, wie tief sie diesen Schrecken empfand und wie stark er war.

Ich kann nicht genug betonen, dass diese Frau die empfindsamste aller Seelen war; schon der Gedanke, dass sie eine andere Person verletzen könnte, machte sie physisch krank. Dennoch konnte sie nie das Gefühl ins Wanken bringen, dass in ihrem Kern sich etwas Schreckliches befinde. Letztendlich traf sie die bewusste Entscheidung, ihre Gene nicht weiterzugeben. Sie entsagte ihrer eigenen Zukunft und der Möglichkeit, geliebt zu werden. Nichtsdestoweniger hatte sie das Gefühl, dass die Therapie äußerst hilfreich war und dass sie die disparaten Gefühle, von denen sie den größten Teil ihres Lebens geplagt worden war, geklärt hatte. Sie hatte es nicht länger nötig, andere so wie in der Vergangenheit zu provozieren und konnte jetzt gut mit anderen zusammenarbeiten. Die Menschen wurden nicht mehr von ihr vor den Kopf gestoßen und waren nicht mehr wütend auf sie, sondern sie wurde von ihnen aufrichtig gemocht. Sie konnte ihren Freunden und Kollegen zwar nicht erklären, warum sie die ganze Zeit allein blieb, aber sie wusste, warum sie sich für ihren Lebensweg entschieden hatte.“

Da sie ihren Selbsthass ihrer Zugehörigkeit zu einem Kollektiv verdankt – nämlich zum deutschen Volk, sind ihre Emigration, überhaupt ihr betonter Kosmopolitismus Mittel, dieser Zugehörigkeit zu entkommen. Für die, die im Lande bleiben, ist diese Nichtidentifikation schwerer zu demonstrieren; aber auch für sie gibt es Wege, den Hass auf das eigene Volk auszuleben. Mit der Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, bestrafen sie sich nicht nur selbst, für ihre empfundene „Schuld“, sondern auch das Volk, dem sie diese „Schuld“ verdanken. Der Wunsch, dass das eigene Volk nicht existieren möge, schlägt sich sowohl im Reproduktionsverhalten nieder als auch in Ideologien, die diese Existenz in Abrede stellen („dekonstruieren“), als auch in sozialen und politischen Leitbildern, die ihm auf dem schnellsten Wege zum Exitus verhelfen.

(Eines sollte ich klarstellen: Wenn ich politische Ideen unter psychologischen Gesichtspunkten betrachte, dann treffe ich keine Aussage darüber, ob man nicht auch auf rationalem Wege zu diesen Ideologien gelangen kann. Anders gesagt: ich erkläre ihre Anhänger nicht für verrückt – obwohl ich bisweilen durchaus glaube, dass sie das sind; nur ist das eben keine Diskussionbasis. Politische Ideologien – welche auch immer – psychologisch zu interpretieren heißt vielmehr die Frage beantworten: Angenommen, diese Ideologien wären aus unbewussten Motiven entstanden, welche Motive müssten das dann sein? Während eine ideologiekritische Argumentation auf die entgegengesetzte Frage antworten würde: Angenommen, diese Ideologien hätten keinen psychologischen Hintergrund, sondern wären rational entwickelt worden, welche Logik stünde dahinter? Man muss die psychologische von der ideologiekritischen Ebene trennen, um auf jeder Ebene sauber zu argumentieren; Aussagen über die Vernunft oder Unvernunft von Ideologien lassen sich auf der Basis solcher Annahmen selbstverständlich nicht begründen.)

„Obwohl immer Vorsicht angebracht ist, wenn man vom Einzelfall auf das Generelle schließt,  frage ich mich doch, ob das, was ich in Gudrun gesehen habe, nicht eine unbewusste Dynamik repräsentiert, die insgesamt im heutigen Europa am Werk ist. Das schmutzige Geheimnis, zu dem sich Europa nie bekannt hat, ist das große Ausmaß an Mittäterschaft am Holokaust, nicht nur der Mehrheit der Deutschen, sondern auch der Franzosen, der Polen, der Bulgaren, Ungarn und anderer. Die osteuropäischen Länder haben in einer gewissen Weise dafür Buße getan, dadurch dass ihre Nachkriegsgenerationen von den totalitären Kommunisten gefangen gehalten wurden: die Kommunisten versuchten bewusst, alle Zeichen der Mittäterschaft ihrer Völker am faschistischen Holokaust, der vor allem gegen die Juden gerichtet war, zu beseitigen. Sogar in Westeuropa ist die Mittäterschaft versteckt worden, wenn auch nicht völlig beseitigt. Weil man dies nicht direkt angepackt hat, hat das schändliche Geheimnis im Inneren Europas wie ein Geschwür weiter geeitert, wie alle schändlichen Geheimnisse.“

Ich hatte mich schon immer gewundert, warum die Erscheinungen des kollektiven Selbsthasses, die wir in Deutschland mit den Nachwirkungen des Dritten Reiches erklären, in vielen anderen westlichen Ländern ebenfalls zu beobachten sind.

Wenn ich allerdings bedenke, dass zumindest der ideologische Selbsthass auch und sogar besonders ausgeprägt in den angelsächsischen Ländern zu beobachten ist, die gegen Deutschland gekämpft haben, dann frage ich mich, ob Shrinkwrappeds Erklärung ausreicht. Gewiss haben auch England und Amerika sich mitschuldig gemacht, z.B. durch ihr Verhalten bei der Konferenz von Evian 1938, als sie die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge explizit ablehnten bzw. nur unter großen Einschränkungen akzeptierten; durch ihre Neutralitäts- bzw. Appeasementpolitik; nicht zuletzt durch ihre Weigerung, ihre Militärmacht direkt zur Behinderung des Holocausts einzusetzen (z.B. durch Bombardierung der Bahnstrecken zu den Vernichtungslagern). Trotzdem sind solche Unterlassungssünden doch weit entfernt von dem Ausmaß an Verstrickung der Völker im besetzten Europa, geschweige denn des deutschen.

Allem Anschein aber nach identifizieren sich praktisch alle westlichen Völker mit dem deutschen, und zwar gerade im Hinblick auf den Holocaust! Sie sehen sich als potenzielle Täter (nicht anders als die beiden Patientinnen), nicht als potenzielle Opfer. Dazu passt auch die latente – oder gar nicht so latente – Deutschfeindlichkeit in vielen westlichen Ländern, die mir weit über das hinauszugehen scheint, was man zwischen ehemaligen Kriegsgegnern normal finden wird. Womöglich ist diese Deutschfeindlichkeit deshalb so intensiv, weil die mit ihrer Hilfe verdrängte Täteridentifizierung so stark ist.

Warum aber identifiziern sie sich mit den Deutschen, nicht etwa mit den Juden? Weil sie keine Juden sind, wohl aber mit den Deutschen einen Antisemitismus teilen, der in wesentlichen Zügen zu den Grundannahmen des kollektiven Weltbildes in christlich geprägten Gesellschaften gehört. In muslimisch geprägten natürlich auch, aber heute schreibe ich (ausnahmsweise mal 😀 ) nicht über den Islam.

Bleiben wir bei der Psychologie: Das Verhältnis des Christentums zum Judentum ist nicht unähnlich dem von nominell erwachsenen Kindern, bei denen die Ablösung vom Elternhaus nicht geklappt hat, zu ihren Eltern. Das Volk Israel ist zugleich die „Wir“-Gruppe des Alten Testaments und die Feindgruppe des Neuen.  Der christliche Antisemitismus entspricht dem Hass auf Eltern, von denen man nicht loskommt, weil man es nicht geschafft hat, ein von ihnen unabhängiges Selbst aufzubauen. Und die Völker, die diesen Hass teilen, fühlen sich mitschuldig am Holocaust – ganz unabhängig vom Maß der tatsächlichen eigenen Beteiligung. Das scheint mir einleuchtend. Es würde auch erklären, warum der Massenmord an den Zigeunern nicht dieselben Schuldgefühle auslöst: Die Zigeuner sind im Gegensatz zu den Juden die völlig Anderen, sie spielen keine Rolle für die kollektive Selbstdefinition.

„Scham ist das unerträglichste aller Gefühle, weil es das Selbst betrifft. Dr. Sanity hat sehr Erhellendes über Scham und ihre Wirkungen im öffentlichen Raum geschrieben:

Übermäßige oder unangemessene Scham ist etwas völlig anderes, sie sagt dem Individuum mit großer Eindringlichkeit, dass er oder sie wertlos ist. Scham kann eine außerordentlich zerstörerische und schmerzhafte Erfahrung sein. Kinder, die beständiger Feindseligkeit und Kritik ausgesetzt sind, lernen, sich gegen die schlechten Gefühle und die Scham in ihrem Inneren zu wehren und nach außen hin anderen den Grund dafür vorzuwerfen. Projektion und Paranoia, die beide Schuldzuschreibungen nach außen sind, sind psychische Verteidigungsmechanismen gegen die Scham. Oft wird versucht der Betreffende, mit dieser übermäßigen Scham umzugehen, indem er jemanden, den er als schwächer oder noch wertloser wahrnimmt, demütigt (z. B. ein Haustier, eine Frau, Schwule oder Außenseiter erfüllen diese Funktion sowohl für einzelne als auch für kulturelle Gruppen).

Ein Schuldgefühl entsteht nach einem Verstoß gegen die persönlichen Werte oder die der eigenen kulturellen Gruppe. Das Gefühl der Schuld bezieht sich auf Handlungen, auf das Verhalten, während das Gefühl der Scham sich auf das Ich bezieht. Wenn jemandem gesagt wird, sein Verhalten sei schlecht, ist das in seiner psychologischen Wirkung etwas deutlich anderes als wenn man jemandem sagt, er sei schlecht. Jenes führt zu einem Gefühl der Schuld, dieses zu einem Gefühl der Scham.

Zu Scham und Erniedrigung gehört aber auch, dass sie oft zu Wut führen. Wenn die Wut nicht nach außen abreagiert wird, wird sie oft gegen das Ich gerichtet und kann Verzweiflung bis hin zum Suizid bewirken (von dieser Verzweiflung ist Gudruns Lebensentwurf eine weniger schlimme Variante); wenn die Wut nach außen gerichtet ist, kann sie für eine andere Person tödlich sein. Oft stehen beide Formen auch im Zusammenhang. Der Selbstmordbomber vernichtet sich selbst und den verhassten (meistens auch beneideten) anderen, der als die Ursache der Scham gesehen wird.

In der Kultur der europäischen Eliten zeigt sich ein beträchtliches Maß an Pathologie. Sie versuchen, ihr Gefühl der Scham dadurch zu verarbeiten, dass sie das attackieren, was sie als ihren Ausgangspunkt ansehen. Wenn die Juden nur verschwinden würden, könnte die Erinnerung an den Holokaust der Vergangenheit anheim gegeben und für immer vergessen werden. Dies hat nicht für Gudrun funktioniert und es kann auch nicht für Europa als Ganzes funktionieren. Mit ihrem Bemühen, ihre Mittäterschaft vergessen zu machen, drohen sie die Verbrechen der Vergangenheit zu wiederholen. Die schändlichen Angriffe auf die Legitimität Israels sind nichts weiter als kaum verhüllter Antisemitismus, das zentrale Übel, das Gudrun niemals völlig verarbeiten konnte.

(…)“

Das eigene Volk ist nur  eines von zwei Völkern, denen man seinen Selbsthass zu verdanken glaubt, und die man deshalb aus der Welt schaffen will. Das andere sind die Juden. Das makabre Bonmot, dass die Deutschen den Juden Auschwitz nicht verzeihen werden, ist nicht nur zutreffend; es gilt sogar, wenn auch abgestuft, für alle westlichen Völker.

Nehmen wir an, das Verhältnis zum eigenen Volk und das zu den Juden respektive Israel sei die Grundlage politischer Weltbilder in westlichen Ländern, dann gibt es vier mögliche Grundeinstellungen:

(Ich beziehe mich konkret auf Deutschland.)

  • projüdisch-prodeutsch: Teile des konservativen Spektrums (mainstream- und rechtskonservativ)
  • projüdisch-antideutsch: die antideutschen Linken
  • antijüdisch-prodeutsch: traditionell Deutschnational-Rechtskonservative, außerdem Rechtsextremisten
  • antideutsch-antijüdisch: die Mehrheit, und zwar im Zentrum wie auf der Linken

Der Hass auf das eigene wie auf das jüdische Volk, der aufgrund von Shrinkwrappeds Argumentation als Mehrheitseinstellung zu erwarten ist, ist tatsächlich die Einstellung der Mehrheit. Die drei Alternativen werden von Leuten gewählt, die sich mit dem eigenen Volk identifizieren – das gilt auf vertrackte Weise auch für die Antideutschen, für deren Deutschfeindlichkeit das gelten dürfte, was ich oben über die der westlichen Völker gesagt habe: dass sie nämlich Ausdruck einer mit großem psychischem Aufwand verdrängten Identifikation ist.

„Antisemitismus ist eine Krankheit, die einen Menschen und eine Kultur von innen zerstören kann (siehe auch Pity the Poor Anti-Semite); sie kann natürlich ihren ausersehenen Opfern, den gefürchteten, beneideten und idealisierten Juden, schrecklichen Schaden zufügen, aber sie höhlt eben auch den Kern desjenigen aus, der an dieser Krankheit leidet. Vielleicht hat Gudrun ein Beispiel für die Wege aufgezeigt, auf denen diese Krankheit ihre Wirkungen durch die Generationen hindurch zeitigt.

Teil III:

(30. März 2006)

(…)

Meine Patientin wuchs im Nachkriegsdeutschland auf, in einer Umgebung, in der die gesamte Bevölkerung sich verabredet hatte, alle Erinnerungen an ihre Mittäterschaft am Holokaust (bei vielen eine aktive, aber bei den meisten eine passive) zu begraben. Die beste Kindheitsfreundin ihrer Mutter war ein jüdisches Mädchen von nebenan; eines Tages war sie mitsamt ihrer Familie verschwunden und wurde nie wieder gesehen oder auch nur erwähnt. Gudruns Mutter behielt fast 40 Jahre lang dieses Geheimnis bei sich selbst, d. h. der Mutter war es nicht wirklich bewusst gewesen, dass es ein Geheimnis war, sie hatte einfach nie daran gedacht, es ihrer Tochter gegenüber zu erwähnen, bis Gudrun sie direkt damit konfrontierte, als sie – nun schon fast dreißig – bei ihr zu Besuch war.

Die Analogie zwischen Europas allgemeiner Leugnung und der der Einzelperson liegt in der Verdrängung.

Eine von Freuds großen Einsichten war, dass, wenn traumatische Erinnerungen „vergessen“ oder „verdrängt“ und so dem Gedächtnis entzogen werden, sie dennoch beständig danach drängen, an die Bewusstseinsoberfläche zurückzukehren. Die Kräfte, die das „Vergessen“ bedingen, kämpfen darum, das Trauma nicht bewusst werden zu lassen, und aus diesem Kampf resultieren Krankheitssymptome und Charakterdeformationen. Das klassische Beispiel hierfür, das wir in der jetzigen komplexeren Gesellschaft nicht mehr sehen, wäre die hysterische Konversionssymptomatik. Bei einem Patienten, der sich in einer Konfliktsituation wegen seiner Aggression (er hat Angst, sich oder andere zu verletzen) befindet, könnte sich z. B. eine hysterische Lähmung seines Armes entwickeln. Mit seinem gelähmten Arm wäre er nicht mehr in der Gefahr, irgendjemanden zu verletzen, allerdings sind die resultierenden Symptome der hysterischen Konversion oft schlimmer als die Impulse, die sie auslösen. Freud nannte eine solche Symptombildung eine „Rückkehr des Verdrängten“.

[Unser heutiges Verständnis einer solchen Symptombildung ist ein gutes Stück differenzierter und komplexer, aber der grundlegende Rahmen für das Verständnis hat den Test der Zeit bestanden.]

In der gleichen Weise nun haben die europäischen Eliten sich vorgestellt, sie könnten die Verwicklung Europas in die Grausamkeiten des Holokausts vergessen, ohne einen Preis dafür zu zahlen. Jedoch zahlt Europa einen sehr hohen Preis dafür, und es könnte sein, dass es im Begriff ist, die Bühne für eine „Rückkehr des Verdrängten“ zu bereiten.

Der Mann mit dem gelähmten Arm, den ich mir gerade vorgestellt habe, ist Europa. Seit dem Zweiten Weltkrieg, als das ganze Ausmaß des Schreckens des Holokaust zutage trat, haben die Europäer versucht, ihre aggressiven Impulse zu leugnen. Sie sind friedliebender geworden als die blutdürstigen Amerikaner und haben sich deswegen selbst entwaffnet, sie sind moralischer als der Cowboy aus Crawford, viel gescheiter und differenzierter im Denken als die Tölpel von der anderen Seite des großen Teichs. Aber während dieser ganzen Zeit, in der sie den Anschein verfeinerter Urbanität aufrechterhielten, gab es in ihrem Kern eine Krankheit.

Meine Patientin löste ihre auf Aggression, Scham und Schuld basierenden Konflikte durch Selbstbestrafung, Zerstörung ihrer Zukunft und durch die Selbstverpflichtung, niemals Mittäterin bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sein. Man ist versucht, im demographischen Versagen der hochzivilisierten Europäer eine ähnliche Selbstverpflichtung zu sehen. Ich möchte jedoch behaupten, dass es in diesem Fall nicht so leicht ist, das Verdrängte im Unbewussten unter sicherem Verschluss zu halten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Europäer, außer Lippenbekenntnissen, nichts getan, um neue Völkermorde zu verhindern oder zu stoppen, jetzt in Darfur, vorher in Bosnien, in Kurdistan (durch Saddam Hussein) und unter den Schiiten im Irak. Durch ihre Angst vor Aggression und ihre Unfähigkeit zu moralischen Differenzierungen haben sie sich im Angesicht wirklicher Brutalität selbst entwaffnet. Sie haben sich sogar vehement bemüht, jene zu entwaffnen, die sie als ihr böses Spiegelbild sehen, die Israelis. (Dies wäre ein Beispiel für den „Narzissmus der kleinen Unterschiede“, der eigentlich einen gesonderten Beitrag verdient; man beachte, dass die deutschen Juden vor dem Aufkommen des Nationalsozialismus die erfolgreichsten und am stärksten assimilierten Juden in ganz Europa waren. Dazu hat jemand gesagt, dass die Deutschen den Juden den Holokaust niemals verzeihen werden. Und auch nicht die Franzosen.)

Die ganze Kultur der Political Correctness und des Multikulturalismus beruht auf der Marxschen Dialektik der Unterdrücker und der Unterdrückten… In der politisch-korrekten Welt können nur Weiße und ihre Handlanger die bösen Unterdrücker sein. Saddam Hussein kann Millionen von muslimischen Glaubensgenossen töten, und dies regt niemanden auf; Hafis el-Assad kann Hama zerstören und 20.000 Menschen töten [Bombardement der Stadt Hama, um eine Zentrale der Muslimbrüder auszuschalten, Febr. 1982; Anm. des Ü.], und das ohne ein Wort der Missbilligung vonseiten der Europäer; die saudische Königsfamilie kann Sklaverei praktizieren und mittelalterliche Strafen für Apostasie verhängen, ohne ein Wort der Missbilligung (bedauerlicherweise auch nicht von unserer Regierung); der Iran ermordet Vergewaltigungsopfer und arbeitet fieberhaft daran, Nuklearwaffen herzustellen, um sie gegen ihre Feinde, einschließlich der Juden, einzusetzen, und die Europäer jammern und ringen die Hände, weil sie sich vor ihrer eigenen Aggression derartig fürchten, dass die Anwendung von Gewalt zur Entwaffnung des Irans für sie unvorstellbar ist. Dies ermöglicht es den Europäern, die Welt einzuteilen in jene, die die Freiheit zur Aggression haben, und in jene, denen Aggression verwehrt werden muss. Dies ist die Erklärung dafür, dass die Amerikaner und die Israelis immer im Unrecht sind, und die Moslems nie. Zugleich fühlen sie sich immer sicher, die Amerikaner und die Israelis verbal zu attackieren, aber nicht ganz so sicher, wenn es darum geht, Moslems verbal anzugreifen.“

Es ist zugleich die Erklärung dafür, dass man glaubt, den Menschen vorschreiben zu dürfen und zu müssen, was sie zu denken und sogar zu empfinden haben. Das gefährliche Monstrum „Volk“, das sich in Deutschland an so schrecklichen Orten zeigt wie „dem Stammtisch“ (oder dem Kommentarbereich von PI), dessen barbarische Mordlust nur durch die strenge Zucht von Verhaltens-, Sprach- und Denkregeln gezügelt werden kann, dieses groteske Zerrbild des wirklichen Volkes ist das getreue Spiegelbild dessen, was die Sprachregler in ihrem eigenen Inneren vermuten. Es ist eine weitere Form, den Selbsthass zur politischen Ideologie zu erheben und gesellschaftlich verbindlich zu machen.

„Diesen Konflikt haben sie nun zunehmend in ihren eigenen Hinterhof importiert, und es ist kein Zufall, dass die Europäer angesichts der Aggressivität vonseiten der unter ihnen lebenden Muslime sich gelähmt wiederfinden. Ihre anfängliche Reaktion darauf, abgesichert durch ihre reflexhafte Politische Korrektheit, war, diese Aggression in ihren eigenen Ländern zu leugnen; dies jedoch funktioniert nicht sonderlich gut.

Gateway Pundit hat Fotos von den französischen Unruhen in dieser Woche; dies sind keine Unruhen wegen Karikaturen, sondern Proteste von französischen Studenten und Gewerkschaften gegen Pläne der Regierung, die marode Wirtschaft durch die Schaffung von nicht ganz so abgesicherten Jobs in Schwung zu bringen. Diese Proteste waren wieder einmal der Grund für die muslimischen Jugendlichen, deren ethnische und religiöse Zugehörigkeit in der französischen Presse niemals erwähnt wird, gegen die privilegierten Franzosen zu randalieren, die sie als Dhimmis ansehen. Aber die Moslems, in der törichten Überschätzung ihrer eigenen Macht, laufen wiederum Gefahr, sich zu übernehmen. Wenn sie zu früh auf die Barrikaden gehen, könnten die Moslems im Herzen Europas jenen von so vielen gefürchteten und von so vielen herbeigewünschten Zusammenstoß der Zivilisationen auslösen, bevor die Europäer ihren demographischen Selbstmord vollendet haben.“

So weit die Diagnose. Ich finde sie hochgradig bestürzend und beunruhigend, weil mir keine rechte Therapie dazu einfällt. Wie erhält man Völker am Leben, die nicht mehr existieren wollen?