Ein Brief nach Rungholt

Lila („Letters from Rungholt“) war vor einigen Tagen mit einer Gruppe israelischer Studenten in Berlin und schreibt in ihrem Blog über ihre Erlebnisse unter anderem dies:

Es war wunderbar, und Berlin ist eine Stadt, die selbst auf den widerstrebendsten Besucher sehr stark wirkt. Ich habe vieles neu entdeckt, auch durch die Augen der Studenten, die sehr beeindruckt waren von der Vielfalt der Erinnerungskultur. Das war ja unser Thema.

Ich weiß, daß Broder meint, mit dem Mahnmal an der Ebertstraße kauft das offizielle Deutschland sich frei, und kann jetzt nach Löschung der Sündenkartei getrost weiter sündigen. Das klingt zwar schön zynisch und einleuchtend, erklärt aber nicht, warum weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen. Und es erklärt auch nicht, warum junge und ältere Besucher auf eigene Faust (also ohne Gruppe oder Klasse) ins Dokumentationszentrum kommen, sich dort ernsthaft in das Material versenken und sehr, sehr nachdenkliche Gesichter haben. Mein geschätzter Kollege, dessen Familie von der Shoah schwer gezeichnet ist, war jedenfalls von den Gesichtern der jungen Deutschen an diversen Gedenkstätten positiv berührt und meinte, das hätte er nicht erwartet.

Ich kann nicht anders: Auf mich wirkt inzwischen diese Art von Lob, gerade weil es so aufrichtig ist, deprimierender als die schärfste Kritik: nicht nur, weil wir heutzutage andere Probleme haben als die Frage, ob wir den Nationalsozialismus auch ja richtig „aufgearbeitet“ und „bewältigt“ haben, sondern weil gerade die inflationäre „Aufarbeitung“ und „Bewältigung“ ganz erheblich zu unseren Problemen beiträgt.

Von außen ist das wahrscheinlich nicht ohne Weiteres erkennbar, und Lilas Blick, obwohl sie Deutsche ist, ist nach über zwanzig Jahren in Israel eben doch einer von außen. Ich habe ihr deshalb mit einem langen Kommentar geantwortet, den ich seiner grundsätzlichen Bedeutung wegen auch hier in meinem eigenen Blog einstelle:

„Liebe Lila, ich hoffe, ich schockiere Dich nicht zu sehr, wenn ich sage, dass ich Deine Begeisterung über die „Vielfalt der Erinnerungskultur“, darüber, dass „weiterhin viele kleine, eindringliche und punktgenaue Gedenkstätten entstehen“ und über die „sehr, sehr nachdenkliche(n) Gesichter“ der Besucher des Holocaust-Dokumentationszentrums nicht nur nicht zu teilen vermag, sondern die beiden entsprechenden Absätze auch mit einiger Beklemmung gelesen habe.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich mit dieser „Erinnerungskultur“ täglich konfrontiert und von ihr entsprechend genervt bin. Du gehst zum KaDeWe und wirst mit den Namen von einem Dutzend Konzentrationslager erschlagen („Orte des Schreckens, die wir nie vergessen dürfen“); du gehst in Spandau am Lindenufer spazieren und erfährst, dass hier bis 1938 eine Synagoge stand; du gehst irgendwo und siehst Messingklötze ins Pflaster eingelassen, auf denen steht, dass hier der und der deportiert worden ist; Gedenktafeln, Mahnmale, Denkmäler an allen Ecken und Enden; du schaltest den Fernseher ein, und wenn du keine Daily Soap sehen willst, landest du auf Phoenix und damit nicht selten bei Guido Knopp und seiner Endlosschleife von Geschichtsklischees.

Wäre das alles nur nervig, man könnte es ertragen. Es ist aber weitaus mehr als das.

Es ist schon etwas dran an dem Spruch, wer sich der Geschichte nicht erinnern wolle, sei gezwungen, sie zu wiederholen. Nähme man ihn ernst, so würde man sich bemühen, blinde Flecken im eigenen Geschichtsbild nicht zuzulassen. Was bei uns aber als „Erinnerung“ zelebriert wird, ist im höchsten Maße selektiv:

Nicht nur, dass „Geschichte“ auf zwölf Jahre Nazizeit und alles andere zur bloßen Vorgeschichte schrumpft; selbst diese Geschichte und Vorgeschichte beschränkt sich auf den Krieg und den Holocaust, und für diese beiden werden rein ideologische Faktoren verantwortlich gemacht, speziell ein angeblich spezifisch deutscher Hang zu Militarismus, Nationalismus und Rassismus.

Würde man der breiten Öffentlichkeit ein etwas komplexeres Bild der Zusammenhänge vermitteln, dann würde eine Rolle spielen, dass die Demokratie von Weimar an der Unfähigkeit einer politischen Klasse scheiterte, Probleme zu sehen und in Angriff zu nehmen, die in der jeweiligen Parteiideologie nicht vorgesehen waren und deshalb nicht existieren durften. (Die Millionen, die NSDAP wählten, taten es nicht zuletzt deshalb, weil die Inkompetenz aller anderen Kräfte bereits offen zutage lag.) Man könnte sonst Parallelen zur heutigen politischen Klasse ziehen, wo der einzige Unterschied zu Weimar darin besteht, dass sie alle dieselbe realitätsblinde Ideologie vertreten.

Es würde eine Rolle spielen, dass mit den permanenten Umwälzungen und Katastrophen von 1914 an Millionen von Menschen der Boden, auf dem sie gestanden hatten, unter den Füßen weggezogen und eine politische, ökonomische, aber auch sittliche und kulturelle Orientierungslosigkeit erzeugt wurde, die eine Umwertung aller Werte, wie sie von den Nationalsozialisten propagiert wurde (und die im Kaiserreich undenkbar gewesen wäre) erst möglich machte. Würde man sich daran erinnern, so wäre man womöglich zurückhaltender mit Sozialexperimenten wie der Zersetzung der Familie, der Banalisierung des Christentums und der multikulturellen Entdeutschung des eigenen Landes.

Man würde sich daran erinnern, dass diese Katastrophen allesamt in dem seit der Jahrhundertwende betriebenen Politik der Westmächte wurzelten, Deutschland kleinzukriegen. (Selbst wenn man diese These, die ich selbst für richtig halte, nicht teilt – entscheidend ist, dass sie von den damaligen Deutschen aus guten Gründen geglaubt wurde.) Und eine Öffentlichkeit, die sich dessen bewusst wäre, würde wohl kaum hinnehmen, dass eine – pardon – völlig verblödete Kanzlertrutsche nach Paris fährt, um dort den Waffenstillstand von 1918 zu feiern.

Es würde eine Rolle spielen, dass die Unterstützung für Hitlers Aufrüstungsprogramm nicht etwa aus irgendeinem „Militarismus“ resultierte, sondern aus der Erfahrung, dass Wehrlosigkeit ausgenutzt wird, und womöglich würde sich an eine solche Erkenntnis die Frage knüpfen, ob es eine gute Idee ist, die eigenen Streitkräfte so umzubauen, dass sie noch als internationale Polizeitruppe, aber kaum mehr zur Verteidigung des eigenen Landes taugen. Man würde sich auch fragen, welcher Teufel eine politische Klasse reitet, die die Souveränität und Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes zur Disposition eines Westens stellt, dessen Deutschfeindlichkeit schon vor 1933 evident war.

Und wenn man die Dinge in einem größeren europäischen Zusammenhang sieht, würde einem auffallen, dass die Demokratie zwar nicht in Deutschland, wohl aber in etlichen anderen europäischen Ländern an der Unmöglichkeit gescheitert ist, ethnisch heterogene „Bevölkerungen“ zu staatstragenden Nationen zu formen – was zu der Frage führen würde, ob Demokratie mit solcher Heterogenität überhaupt vereinbar ist.

Vor allem aber würde eine solche Sichtweise dazu führen, dass man begänne zu verstehen, worauf der Erfolg der Nationalsozialisten beruhte, und dass dies nicht einfach die Dummheit oder Bösartigkeit unserer Großeltern war, und speziell nicht einfach eine angeborene, mindestens aber kulturell verinnerlichte ideologische Verblendung. Dann wäre auch der neurotischen Selbstverdächtigung der Deutschen der Boden entzogen, auf dem jetzt der Kampf gegen Rechts geführt wird, dessen psychologische Grundlage eben diese Selbstverdächtigung ist. Wer sich nämlich selbst verdächtigt, qua Nationalität vom „Ungeist“ des Nationalismus und verwandter Ideologien infiziert zu sein, wird alles tun zu beweisen, dass er zu den nichtinfizierten „Guten“ gehört. Und genau dies ist auch der Sinn der Sache.

Es wird keine historische Aufklärung betrieben. Stattdessen konfrontiert man Kinder und Jugendliche mit Bildern von Auschwitz und Bergen-Belsen, die ob ihrer Schock- und Horrorwirkung auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften stünden, wenn sie in irgendeinem andern Zusammenhang entstanden wären. Man erklärt Auschwitz zum „Gründungsmythos der Bundesrepublik“ und kommt nicht auf die Idee, dass bereits an der Formulierung irgendetwas krank sein könnte. Das Monstrum von einem Mahnmal, das man nicht zufällig direkt ans Brandenburger Tor geklotzt hat, enthält just diese Ideologie, buchstäblich in Stein gehauen. Man baut eine ganze Staatsideologie auf einem „Nie wieder“ auf, so als ob es für ein Volk und ein Staatswesen andere Gefahren nicht geben könnte, und verdächtigt als rechtsextrem, wer auf solche Gefahren hinweist.

Wenn man sich die Politik der deutschen – aber weiß Gott nicht nur der deutschen – Eliten ansieht, dann ahnt man auch, warum das geschieht. Da werden die Schleusen für Einwanderer geöffnet, deren Kultur mit unserer unvereinbar ist und die selbst bei engstirnigster ökonomischer Betrachtung alles andere als eine Bereicherung darstellen. Angeblich brauchen wir sie aus demographischen Gründen, sprich weil wir nicht genügend Kinder bekommen. Letzteres trifft zu.

Wenn aber dieselben Eliten, die dies feststellen (und damit die „Notwendigkeit“ von Immigration begründen) eine Politik treiben und eine Ideologie verbreiten (um nur zwei Beispiele zu nennen), wonach Frauen unbedingt Karriere machen müssten, weil sie sonst „benachteiligt“ seien, und wonach Homosexualität eine in jeder Hinsicht gleichberechtigte Lebensform sein müsse (obwohl sie das für ein Volk, das auch in Zukunft existieren möchte, erst recht für eines, das sich in einer demographischen Krise befindet, schlicht und einfach nicht sein kann), dann wird deutlich, dass die demographische Krise nicht gelöst, sondern benutzt werden soll, um die einheimischen Völker Europas in ihren eigenen Ländern in die Minderheit zu drängen.

(Es geht an dieser Stelle nicht um die Selbstverständlichkeit, dass Frauen, die Karriere machen wollen und können, daran nicht durch ihr Geschlecht gehindert werden sollen, sondern dass man mit massivster Propaganda und Quotenregelungen einen Sog erzeugt, der Frauen vom Familienleben fernhält. Im Einzelfall mag Familie und Karriere vereinbar sein, in der Masse ist sie es garantiert nicht. Es geht auch nicht um die Selbstverständlichkeit, dass ein freiheitlicher Staat sich nicht in das Intimleben seiner Bürger einmischt, sondern darum, dass man Jugendliche systematisch zur Homosexualität ermutigt und sie als attraktive Lebensform propagiert.)

Dieselben Eliten arbeiten daran, die Souveränität des Nationalstaats auf supranationale Organisationen zu übertragen, deren Daseinszweck darin besteht, alle Staaten, die ihnen angehören, einem einheitlichen Regelwerk zu unterwerfen, das damit zwangsläufig der demokratischen Kontrolle entzogen ist. Der Anwendungsbereich solcher Regeln, die angeblich auf internationaler Ebene notwendig sind, wird dabei zielstrebig immer mehr erweitert.

Nimmt man das alles zusammen: die systematische Verschärfung der demographischen Krise, die „Lösung“ durch forcierte Masseneinwanderung und die Selbstentmündigung der demokratischen Nationalstaaten, so lautet die Quintessenz, dass Völker als soziale Gegebenheiten wie als politische Einheiten aufhören sollen zu existieren – und das ist keine durchgeknallte rechte Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik: Man muss nur die wohlklingenden Phrasen von der „europäischen Integration“, der „Weltinnenpolitk“, von der „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, von der „kulturellen Bereicherung“, den Segnungen der „Diversität“ und von der „Offenheit“ (eines Scheunentors) auf ihren rationalen Kern hin befragen und sich die Implikationen und Konsequenzen vor Augen halten, die es haben muss, wenn die westlichen Staaten einer solchen Ideologie folgen, dann liegt auf der Hand, dass hier die Utopie eines Weltsystems verfolgt wird, in dem Völker so wenig existieren werden wie Demokratie.

Nun steht einer solchen Politik die natürliche Neigung des Menschen entgegen, sich in Völkern zu organisieren (oder, abstrakter gesprochen: in Gruppen, die größer sind als die Familie, aber kleiner als die Menschheit), und deren Erhaltung und Entfaltung als hohen Wert zu empfinden. Da man dieses Empfinden nicht totkriegen kann, muss man es mit einem negativen Vorzeichen versehen. Da die Identifikation mit dem eigenen Volk eine anthropologische Konstante ist, sollen die Menschen wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei haben und ihre eigenen, als „böse“ markierten Gefühle umso eifriger auf Andersdenkende projizieren, die ihres Patriotismus wegen als angebliche „Rechtsextremisten“ zur inquisitorischen Hexenjagd freigegeben sind.

Damit sie dieses schlechte Gewissen haben, sollen sie die unauslöschliche Schlechtigkeit und unvergebbare Schuld des eigenen Volkes als Ideologie verinnerlichen. Hier in Deutschland geschieht dies mithilfe der „Erinnerungskultur“, die sich auf den Holocaust bezieht, die Völker der ehemaligen Kolonialmächte sollen glauben, dass es nie etwas Schlimmeres gegeben habe als den Kolonialismus, die Amerikaner sollen sich für Sklaverei und Indianerausrottung schuldig fühlen, die Australier für das Schicksal der Aborigines usw., und das ganze wird zum Gedankenkomplex der „white guilt“ zusammengerührt, nach der sich auch Deutsche für den Kolonialismus, Engländer für den Holocaust, Franzosen für die Sklaverei irgendwie mitverantwortlich fühlen sollen. Das alles soll sich nun ein- für allemal nicht wiederholen, und dieses „Nie wieder“ soll jeden anderen Gesichtspunkt verdrängen.

Wer eine solche Ideologie verinnerlicht, kann die Existenz des eigenen Volkes nicht als etwas ansehen, das zu verteidigen sich lohnte. Er wird, ganz im Gegenteil, mit unausgesprochener Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass das eigene Volk sein Existenzrecht verwirkt habe, dass es also, wie die Nazis das genannt hätten, lebensunwert sei. Der Schuldkult soll die Gegner des liberal-globalistischen Paradigmas nicht nur ideologisch mattsetzen, sondern den Völkern des Westens die für ihre Fortexistenz notwendigen psychologischen Voraussetzungen entziehen. Völker, die nicht existieren wollen, die können und werden auf die Dauer nicht überleben.

Der Schuldkult ist also Teil eines Völkermordes mit anderen Mitteln. Die Nazis mit ihren Einsatzgruppen und Gaskammern waren in jeder Hinsicht blutige Amateure des Genozids, verglichen mit Ideologen, die ganze Völker dazu bringen, den Autogenozid zu wollen.

Versteh mich bitte richtig: Ich werfe weder Dir noch den Angehörigen Deiner Reisegruppe vor, dass Ihr diese Gesichtspunkte nicht gesehen habt. Ich kann nachvollziehen, dass man sich aus einer jüdischen Perspektive, die als solche auch völlig legitim ist, dafür interessiert, wie die Deutschen mit der Holocaust-Vergangenheit umgehen, und sie daran misst, dass sie ihn wenigstens nicht rechtfertigen oder beschönigen. Ich verstehe auch, dass man von diesem Standpunkt nicht auf die Frage kommt, ob die Deutschen mit ihrem masochistischen Übereifer womöglich nicht alle Tassen im Schrank haben?

Ich weise aber doch darauf hin, dass dieser Schuldkult von einem israelischen Standpunkt im höchsten Maße bedenklich sein sollte: Ihr beschwert Euch zu Recht, dass die Deutschen, und erst recht andere europäische Völker, zu wenig Verständnis für Eure Situation aufbringen und Euch mit Ratschlägen traktieren, deren Verwirklichung für Israel auf den nationalen Selbstmrod hinausliefe. Nun frage ich Dich: Wie soll eigentlich ein Volk, das wie besessen an der Selbstauflösung und am eigenen Untergang arbeitet, Verständnis für ein anderes haben, das um seine Existenz kämpft? Wie soll ein Volk, das den deutschen Charakter Deutschlands nicht für erhaltenswert hält (und dies sogar als Ausdruck einer besonders hohen politischen Moral betrachtet), eine Politik unterstützen, die darauf abzielt, den jüdischen Charakter Israels zu bewahren? Und was sollen Völker, die ihre eigenen Länder der muslimischen Masseneinwanderung öffnen, davon halten, dass Ihr den Palästinensern das „Rückkehrrecht“ verweigert, statt sie ans Herz zu drücken, um mit ihnen Multikulti zu spielen?“

Flandern, mach’s endlich!

Bei den gestrigen Parlamentswahlen in Belgien haben die flämisch-nationalen Parteien zusammen rund 44 % der flämischen Wählerstimmen auf sich vereinigen können, und man kann davon ausgehen, dass auch unter den Wählern anderer Parteien die Forderung nach Abspaltung Flanderns populär ist. Schließlich liegt die Agonie des belgischen Staates, dieses unregierbaren Zerrbildes einer Demokratie, seit Jahren offen zutage.


Die fortschreitende Desintegration Belgiens hat damit einen vorläufigen Höhepunkt erreicht: Es ist nicht mehr möglich, eine Regierung zu bilden, ohne den Regionen, d.h. Flandern weitere bisher zentralstaatliche Kompetenzen zu überlassen, und der Wahlsieger Bart DeWever hat bereits angekündigt, dass dieser Machttransfer so lange fortgesetzt werden soll, bis der Staat Belgien schon aufgrund mangelnder politischer Relevanz den letzten Rest seiner Legitimität einbüßt und mit einem leisen Winseln eingeht.

Das Ende Belgiens, des Kernlandes der Europäischen Union, ist für Letztere in zweierlei Hinsicht entlarvend:

Zum einen ernten die EU und ihre Sozialtechnologen hier die Früchte ihrer Politik der Entnationalisierung. Es wird wenig beachtet, dass die EU die Souveränität ihrer Mitgliedsstaaten nicht nur von oben (also durch Usurpation ihrer Kompetenzen) aushöhlt, sondern auch von unten: Die Politik, die subnationalen Regionen aufzuwerten, indem man ihnen unter anderem eine direkte Vertretung in Brüssel zugesteht und grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Regionen fördert, zielt direkt auf die Entmachtung der Nationalstaaten und die Schwächung nationaler Solidaritäten ab. In einem solchen Europa wird Regionalegoismus auf Kosten der Nation immer mehr zur alltäglichen Erscheinung: Für Schotten, Katalanen, Basken, Korsen, Norditaliener und andere mehr wirken die Nationen immer mehr wie Gefängnisse, aus denen sie mit mehr oder weniger Erfolg auszubrechen versuchen – wobei in der Regel offiziell die Forderung nach mehr Autonomie im Vordergrund steht, während man von Zeit zu Zeit mit einem Zaunpfahl winkt, auf dem „Unabhängigkeit“ steht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Zerfallsprozess gerade in demjenigen Staat am weitesten fortgeschritten ist, der von allen europäischen Staaten am wenigsten Grund hat, sich „Nationalstaat“ zu nennen: in Belgien. Weder gibt es dort, wie etwa in Spanien, ein dominierendes Mehrheitsvolk, noch gibt es die engen kulturellen Bande, die selbst zwischen Schotten und Engländern bestehen. In Belgien wurde, aus nicht einmal aus ideologischen Gründen, sondern aus solchen britischer Machtpolitik zusammengeklebt, was nicht zusammengehört, und dies zu einem Zeitpunkt (1830), als dergleichen bereits anachronistisch war.

Der Zerfall Belgiens, und dies ist der zweite Grund, warum er der EU peinlich sein sollte, widerlegt zugleich schlagend die Prämisse „europäischer“ Politik, dass man nämlich die Angehörigen unterschiedlicher Völker quasi beliebig in Staaten zusammensperren könne, weil es auf die politische Solidarität, die die Völker zusammenkittet, ohnehin nicht ankomme. Auf der Basis einer solchen Ideologie kann man freilich weder in der schleichenden Durchsetzung eines europäischen Quasistaates (der sich ganz von alleine zur Diktatur entwickelt) ein Problem erkennen, noch in der forcierten Massenmigration zur Durchmischung der Völker.

Das belgische Problem ist aber gerade deswegen virulent geworden, weil die Flamen nicht bereit sind, das (sozialistische) Armenhaus Wallonien durchzufüttern. Flamen und Wallonen sind füreinander Fremdvölker, die einander deswegen auch keine Solidarität schulden. Der Unterschied zwischen einem ideologischen Kunstprodukt wie Belgien und einem wirklichen Volk, wie es etwa das deutsche immer noch ist (trotz der fortdauernden Versuche seiner herrschenden Klasse, es aufzulösen), wird augenfällig, wenn man sich vergegenwärtigt, mit welcher Selbstverständlichkeit öffentliche Gelder zwischen den deutschen Regionen unterschiedlicher Wirtschaftskraft hin- und herschoben werden: in den fünfziger Jahren von NRW in das damals rückständige Bayern, in jüngerer Zeit von den Südstaaten nach Norden, vor allem aber von West nach Ost. West- und Ostdeutsche haben nach vierzigjähriger Teilung zwar mächtig gefremdelt, aber allen dummen Nachwendewitzen zum Trotz (Sagt der Ossi zum Wessi: „Wir sind ein Volk!“, sagt der Wessi: „Wir auch!“) sind wir eben tatsächlich ein Volk, und die Billionenhilfe für den Aufbau Ost wurde mit ein wenig Gegrummel, aber letztlich doch klaglos aufgebracht. Vor allem wäre kein westdeutsches Bundesland auf die Idee gekommen, deshalb aus der Nation auszuscheiden.

Diese Art Solidarität kann aber nicht politisch verordnet werden: Sie ist entweder vorhanden oder eben nicht.

Den Deutschen konnte die politische Klasse die unaufhörlichen Zahlungen an die Umverteilungsmaschine EU, sprich an die ärmeren europäischen Staaten, nur so lange schmackhaft machen, wie sie ihnen vorspiegeln konnte, es handele sich letztlich um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Spätestens mit den milliardenschweren Rettungsprogrammen der letzten Wochen ist dieser Betrug aufgeflogen. Was die Deutschen jetzt noch veranlassen kann, sich weiter schröpfen zu lassen, sind allenfalls noch Gewohnheit und Trägheit, nicht Überzeugung und schon gar nicht Solidarität.

Belgien ist eine EU im Kleinen. Es wäre hilfreich, wenn von dort das Signal ausginge, dass die wohlhabenden Völker sich nicht länger melken lassen. Unglücklicherweise scheint dieses Signal auch jetzt wieder nicht zu kommen.

In diesen Tagen, wo sportive Vergleiche jedermann sofort auf der Zunge liegen, sehen die flämischen Politiker aus wie eine Bande von ballverliebten Dribbelkünstlern, die im gegnerischen Strafraum zaubern und zaubern, aber den Weg zum Tor nicht finden. Was soll das, immer neue Forderungen zu stellen, die das Ende des politischen Tollhauses Belgien letztlich nur verzögern können, damit aber noch für Jahre seine kostspielige und zermürbende politische Ineffizienz am Leben erhalten? Wem soll das noch nützen? Etwa dem flämischen Volk?

Wenn Flandern sich morgen für unabhängig erklären würde – wer sollte das verhindern? (Theoretisch wäre es gewiss möglich, dass der belgische Staat seine Souveränität in Flandern mit Gewalt aufrechtzuerhalten versucht. Daran aber glaubt ernsthaft doch niemand.)

Wenn das Ziel doch ohnehin die Unabhängigkeit ist, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, sie zu verwirklichen und ein Ende mit Schrecken herbeizuführen.

Flandern, mach’s endlich!

Der Neue Adel

Zu den großen Errungenschaften des bürgerlichen Zeitalters gehörten die miteinander zusammenhängenden Ideen, dass Herrschaft sich als eine zu legitimieren hat, die dem Gemeinwohl dient, und dass dies nicht nur ein ideologischer Anspruch sein darf, sondern institutionell gewährleistet sein muss.

Dabei war von Anfang an klar, dass die Allgemeinheit, um deren Wohl es dabei geht, nicht etwa „die Menschheit“ ist, sondern jeweils ein konkretes Volk. Sofern das Gemeinwohl durch demokratische Verfahren gesichert wird, kann es bereits begriffslogisch, erst recht praktisch, nicht anders sein: Die Zumutung, die es für politische Minderheiten darstellen muss, sich den Entscheidungen der Mehrheit zu beugen, wäre gar nicht anders zu rechtfertigen als durch die Erwartung der Solidarität innerhalb eines Volkes; dass also zwischen Mehrheit und Minderheit Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, was jeweils konkret im Sinne des Gemeinwohls ist, dass aber kein Dissens darüber besteht, dass die Mehrheit mit dem Gemeinwohl zugleich das Wohl der unterlegenen Minderheit im Auge hat.

Demokratie setzt also voraus, dass es so etwas wie ein Volk gibt. Dies gilt nicht nur horizontal – dass also innerhalb eines demokratischen Gemeinswesens der Idee nach nicht mehrere Völker existieren können; es gilt auch und gerade vertikal und bedeutet, dass die herrschenden Eliten dem Gemeinwohl, also dem Wohl des Volkes, ihres Volkes, verpflichtet sind.

Die miteinander untrennbar verbundenen Gedanken von Demokratie und Nation konnten nur deshalb zur Kampfparole gegen die überkommene Adelsherrschaft werden, weil der Adel sich, zumindest aus der Sicht der bürgerlichen Revolutionäre, dem Dienst am Gemeinwohl in doppelter Weise verweigerte: zum einen, indem er keinen Gedanken daran verschwendete, ob seine Herrschaft im Interesse der unteren Stände lag; zum anderen, indem er unter seiner „Nation“ seinen Stand verstand. Einer Marie Antoinette kam es nicht in den Sinn, dass es in irgendeinem vernünftigen Sinne des Wortes „Verrat“ sein könnte, die Aufmarschpläne der eigenen französischen Truppen den zu ihren Gunsten intervenierenden Feinden preiszugeben; sie konnte nach ihrer Lesart das französische Volk nicht verraten: Dieses Volk war ihr Eigentum. Der Adel war eine internationale Kaste, Völker existierten für ihn nicht, sie waren bloße Masse: eine Masse von Untertanen.

Genau dies ist auch das Selbstverständnis der heute herrschenden Klasse, des Neuen Adels.

Will man dessen Ideologie in wenigen Sätzen zusammenfassen, so lautet sie, dass die Globalisierung „unvermeidlich“, und dass sie etwas Gutes ist: im globalen Maßstab also Kapitalverflechtung, freier Markt, freie Migration, Deregulierung von Märkten. Die politischen Konsequenzen liegen auf der Hand: Transferierung von Kompetenzen von den Nationalstaaten (der Idee nach also den Völkern) auf supranationale Organisationen (also auf unkontrollierbare Technokraten), Aushöhlung demokratischer Strukturen, Verschmelzung von Völkern und Kulturen.

Damit Märkte frei sind – frei von politischen Interventionen -, müssen die Nationalstaaten Entscheidungsbefugnisse abgeben. Das heißt selbstverständlich nicht, dass es keine Regeln gibt – irgendwelche Regeln muss es ja geben, sondern, dass sie von Institutionen wie der EU, dem IWF, der WTO gesetzt werden.

Warum aber sollten nationale Regierungen ihrer damit verbundenen Selbstentmachtung zustimmen? Nun, weil es sich eben nicht um eine Selbstentmachtung handelt, sondern ganz im Gegenteil um eine Selbstermächtigung: Die Regierungen herrschen ja weiter, aber eben nicht jede einzelne über ein Land, sondern alle zusammen über alle Länder. Es handelt sich um eine Kollektivherrschaft, um die Herrschaft einer Klasse. Eine Herrschaft, die aus der Sicht der Herrschenden den eminenten Vorteil hat, ohne so lästige Dinge wie parlamentarische Kontrolle oder öffentliche Kritik auszukommen. Kritik an einzelnen Regierungen wird zahnlos, wenn letztere darauf verweisen können, bloß Sachzwängen zu folgen. Dass diese Sachzwänge aus selbstgeschaffenen Strukturen resultieren, braucht man ja nicht zu erwähnen.

Der natürliche Widerstand der Völker gegen die Auflösung und Zerstörung ihrer Identität, ihrer Unabhängigkeit, ihrer Kultur, ihrer Sitten und Traditionen wird auf diese Weise nicht nur ausmanövriert, er erscheint sogar als etwas Rückständiges, Plebejisches, ja Böses.

Zum Gesamtbild gehört selbstredend auch, dass national geprägte Wirtschaftsstrukturen aufgelöst werden müssen. Freiheit von parlamentarischer Kontrolle genügt nicht; die Politik darf auch nicht auf dem Umweg über zum Beispiel eine „Deutschland AG“ gezwungen werden, sich an nationalen Interessen zu orientieren. Es ist wenig beachtet und bezeichnenderweise auch kaum zum Thema gemacht worden, dass eben diese Deutschland AG, das Netz wechselseitiger Verflechtungen innerhalb der deutschen Wirtschaft, in den neunziger Jahren zugunsten der Einbindung in etwas aufgelöst wurde, das man „Welt AG“ nennen könnte. Spätestens die von der rotgrünen Koalition beschlossene Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne stellte eine handgreifliche Aufforderung an die deutsche Wirtschaft dar, sich zu internationalisieren, und sie führte auch zum Ausverkauf der deutschen Wirtschaft. Zusammen mit der Einführung des Euro bedeutete dies den gelungenen Versuch, die drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt politisch zu neutralisieren. Die Internationalisierung der politisch herrschenden Klasse ging mit der der wirtschaftlich herrschenden Hand in Hand.

An einem solchen Prozess ist eine derartige Vielzahl von Akteuren beteiligt, dass es ohne einen Konsens über die Ziele dieser Politik nicht geht. Die Ideologie, die all dies legitimiert, muss nicht nur vorherrschend sein – was ja Raum für Dissidenz und für die Formulierung alternativer Konzepte ließe – sie muss zumindest innerhalb der herrschenden Klasse alternativlos und damit als Ideologie überhaupt nicht mehr erkennbar sein. Die gesellschaftliche Ideologieproduktion, namentlich die Wissenschaft und die Medien, müssen außerstand gesetzt werden, alternative Wirklichkeitsdeutungen vorzulegen.

Auf der Basis bloß eines platten neoliberalen Ökonomismus ist dergleichen nicht möglich: Zu weit verbreitet und zu tief verankert ist die sozialistische Kritik daran. Da trifft es sich, dass die marxistische Linke als Trägerin dieser Kritik mit dem Ende des auf dem Marxismus beruhenden sozialistischen Gesellschaftsmodells seit 1990 politisch bankrott ist und keine Alternative zum Kapitalismus mehr aufzuzeígen vermag. Das zerstörerische Potenzial des Marxismus ist aber nach wie vor vorhanden und wie geschaffen dafür, die Strukturen zu beseitigen, die der ungehemmten Entfaltung des Globalismus noch im Wege stehen. Der herrschaftskritische und egalitaristische Elan des Marxismus braucht lediglich von der Kapitalismuskritik ab- und auf Religions-, Nationalismus- und Traditionalismuskritik hingelenkt werden: Es entsteht eine Ideologie, die die bloße Wahrnehmung von Unterschieden, etwa zwischen Völkern, Religionen, Kulturen und Geschlechtern, erst recht aber ihre Affirmation als „rassistisch“, „ethnozentrisch“, „xenophob“, „sexistisch“, oder schlicht als „menschenfeindlich“ brandmarkt und damit die Auflösung überkommener Strukturen – Völkern, Familien, Religionen – vorantreibt. Sogar ein bisschen „Sozialismus“ dürfen die Linken noch spielen, weil der Sozialstaat als Immigrationsmagnet wirkt und damit die Existenz der Völker, also der potenziell mächtigsten Gegenspieler des Globalismus, untergräbt.

Wer darin einen Widerspruch zu den Idealen des Neoliberalismus sieht, verkennt, dass diese Art von Liberalismus kein zu befolgendes ordnungspolitsches Prinzip, sondern eine zu verwirklichende Utopie darstellt: Den Sozialstaat kann man unter solchen Vorgaben schon eine Weile in Kauf nehmen; es genügt, dass er eines Tages aufgrund seiner chronischen und stets zunehmenden Überforderung zusammenbrechen wird. Bis dahin wird er aber seinen Dienst getan haben, politische Solidargemeinschaften in bloße Massen von Einzelnen verwandelt zu haben. In der Zwischenzeit bindet seine Existenz die einheimische Unter- und untere Mittelschicht an die Linksparteien und hält sie davon ab, sich gegen die systematische Überfremdung und Zerstörung der eigenen Lebenswelt zur Wehr zu setzen. Indem sie an den Sozialstaat gefesselt werden, werden sie (und noch dazu umso mehr, je mehr sich ihre Lebensverhältnisse verschlechtern), an eine Struktur gefesselt, die die weitere Verschlechterung der Lebensverhältnisse bis zum Zusammenbruch garantiert.

Überhaupt ist ein gewisses Maß an finanzieller Selbstüberforderung der Nationalstaaten durchaus gewollt: Nur wer pleite ist – das lehrt auch die neueste Krise -, ist gezwungen, sich der Überwachung und Gängelung durch supranationale Organisationen zu unterwerfen und verliert seine Unabhängigkeit, ohne dass deswegen ein einziger Schuss abgefeuert werden müsste. Wer Neoliberalismus und Sozialismus immer noch als Gegensätze auffasst, hat – pardon – das Ende des Kalten Kriegs verschlafen.

Weil dies so ist, ist die Gleichheit in Gestalt einer Gleichmacherei, die nicht einmal zwischen Wir und Sie unterscheiden darf, verbunden mit dem Dogma von der angeblich unausweichlichen Globalisierung (auch sie ein vulgärmarxistisches Relikt), die ideologische Basis, auf der die Herrschaft der globalistischen Eliten aufbaut. Der Fortschritt kennt nur eine Richtung: Liberalisierung, Egalisierung, Entstrukturierung, Globalisierung. Dieser Glaube, der implizit jeden Widerspruch als reaktionär, fundamentalistisch oder rechtsradikal verketzert, darf nicht angefochten werden. Er kann auch gar nicht angefochten werden, jedenfalls nicht mit Aussicht auf gesellschaftliche Wirksamkeit, weil die Institutionen und Funktionssysteme, die die gesellschaftliche Wirklichkeitsbeschreibung hervorbringen, von den Globalisten monopolisiert werden.

Dabei kommt der Monopolisierung der „Wissenschaft“ die Schlüsselrolle zu, weil von hier aus die maßgebliche Ideologie aller anderen gesellschaftlichen Funktionssysteme gesteuert wird: Schule, Medien, Wirtschaft, Recht, Politik.Da die Universität die notwendige Durchgangsstation für Jeden ist, der den Eliten gehören will, ist deren ideologische Konformität sichergestellt. Über die Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse entscheidet die Bejahung einer Ideologie.

An dieser Stelle wird deutlich, dass der Begriff des „Neuen Adels“ in zweierlei Hinsicht der Konkretisierung bedarf:

Zum einen beruht der Neue Adel nicht auf Dynastien; natürlich wird es auch weiterhin karrierefördernd sein, wenn schon die Eltern der Elite angehörten, aber dynastisches Denken, überhaupt Familiensinn, widerspricht dem radikalen Individualismus der Ideologie. Die Bejahung dieser Ideologie, nicht die Abstammung, ist das Entree zum Neuen Adel; wer dagegen loyal zum eigenen Volk ist, die eigene Kultur bewahrt oder an die Wahrheit der eigenen Religion glaubt, hat sich bereits dadurch disqualifiziert.

Zum anderen endete die Macht des alten Adels dort, wo die der Kirche begann und umgekehrt. Eine Klasse, in deren Hand sich nicht nur die wirtschaftliche und politische, sondern auch die ideologische und religiöse Macht vereint, die also zugleich definiert, was wahr und unwahr, was gut und böse ist, ist nicht einfach ein Adel, sondern ein Priesteradel, der korporativ totalitäre Macht ausübt.

Auf diese Weise ist es ihm auch möglich, Heerscharen von Mitläufern zu rekrutieren, ohne sie zu bezahlen. Der Wissenschaftsproletarier auf seiner befristeten Drittelstelle; der „freie“, weil zeilenweise bezahlte Journalist; der Lehrer, der sich bis zum körperlichen Zusammenbruch an einer Schule an „sozialen Brennpunkten“ aufreibt und sich selbst gratuliert, dass er trotzdem nicht zum „Ausländerfeind“ geworden ist; sie dürften sich bloß der Entlohnung nach kaum als Teil einer Elite fühlen, jedenfalls nicht nach bürgerlichen Maßstäben.

Nach den Maßstäben des Neuen Adels dürfen sie dies sehr wohl, weil sie durch die Bejahung seiner Ideologie zwar nicht an seiner Macht und seinem Reichtum teilhaben, wohl aber an seiner Selbstabgrenzung gegenüber der Plebs, dem Stammtisch, den bildungsfernen Schichten, oder wie auch immer die Menschen genannt werden, die die Ideologie der Eliten aufgrund ihrer täglichen Erfahrung als Lüge durchschauen. Aus der Sicht des Neuen Adels ist die Fadenscheinigkeit seiner ideologischen Konstrukte – etwa der „Diskriminierung“, des „Gender Mainstreaming“ oder der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ – durchaus funktional, gerade weil jeder Plattkopf sie durchschaut.

Wer sie dagegen bejaht, bekundet dadurch seine Bereitschaft zu glauben, was er glauben soll, also zur ideologischen Unterwerfung. Nicht trotz, sondern wegen ihrer haarsträubenden Dummheit und surrealistischen Wirklichkeitsferne eignen sie sich perfekt als das moderne Äquivalent zum Gesslerhut.

Mit dem Gemeinwohl hat der Neue Adel, den man deswegen auch so nennen darf, selbstredend nichts im Sinn, jedenfalls nicht, insofern das „Gemeinwohl“ von den Betroffenen zu definieren wäre, wie es dem demokratischen Gedanken entspräche. Die global herrschende Klasse hat ja kein globales Volk als Gegenpart, dessen Urteil sie sich in einer Art „Menschheitsdemokratie“ unterwerfen würde. Die wirkliche Menschheit wird immer den Erhalt der eigenen Gemeinschaften, Kulturen und Lebenswelten fordern; eine Menschheitsdemokratie ist daher ein Widerspruch in sich. Als Utopie, mit deren Hilfe die Zerstörung der Völker gerechtfertigt wird, taugt sie aber allemal – ganz ähnlich wie der Kommunismus, der ja auch nie hätte verwirklicht werden können, aber der totalitären Machtusurpation einer durch Ideologie zusammengehaltenen Klasse als moralisches Feigenblatt diente.

NWO – eine Verschwörungstheorie?

Jeder, der viel im Netz unterwegs ist, dürfte das Kürzel „NWO“ kennen – Neue Weltordnung. Es wird üblicherweise auf der politischen Rechten verwendet und bezeichnet – ja, was eigentlich?

Es gibt Leute wie den Bloggerkollegen Kewil, die schon Pickel bekommen, wenn sie „NWO“ nur hören, zumal wenn es in Verbindung mit Stichwörtern wie „Bilderberger“, „Trilaterale Kommission“, „Council on Foreign Relations“ etc. auftaucht. Da wittert eben Mancher Verschwörungstheorien, und dann fällt bei ihm die Jalousie herunter.

Osimandias, der bisher hauptsächlich auf PI kommentiert hat, hat jetzt in einem sehr lesenswerten Gastbeitrag für den „Counterjihad“ die meines Erachtens zutreffende Vermutung geäußert, dass die Ideologie, die der NWO zugrundeliegt, längst im Bewusstsein breiter Schichten verankert ist, auch in dem vieler liberaler Islamkritiker, und dass deswegen jeder, der die Neue Weltordnung als Realität behandelt, Gefahr läuft, als durchgeknallter Verschwörungstheoretiker abgestempelt zu werden.

Wenn große Teile dieser Ideologie nämlich als Selbstverständlichkeiten verinnerlicht sind, dann tut sich Jeder schwer, der von einem konservativen Standpunkt, und das heißt: auf der Basis völlig anderer Selbstverständlichkeiten argumentiert. Zumindest, wenn er nicht definiert, was er unter der „Neuen Weltordnung“ eigentlich versteht, und dass sie nicht nur eine auf die Zukunft gerichtete Utopie, sondern bereits mindestens zur Hälfte verwirklicht ist. Dass also die Transformation der Welt auf der Basis globalistischer Utopie längst im Gange, dass sie politisch gewollt (und nicht etwa „von selber“ stattfindet) und dass sie dabei ist, das Mark der Zivilisation zu anzufressen.

Beginnen wir also mit dem Ist-Zustand und beschreiben die bereits existierenden Bestandteile der Neuen Weltordnung und die erkennbare Entwicklung:

Seit über einhundert Jahren, genauer seit den Haager Konferenzen von 1899 und 1907 laufen die Bemühungen um eine weitgehende Verrechtlichung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Bei besagten Konferenzen ging es um Abrüstung, vor allem aber um die Einführung einer obligatorischen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Die damals entwickelten Ideen wurden während des Ersten Weltkriegs mit dem Kriegseintritt Amerikas zu Kriegszielen der Alliierten erhoben und nach dem Krieg im Völkerbund institutionalisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Staaten durch ein immer engmaschigeres Netz multilateraler Vertragssysteme und Organisationen aneinander gebunden und auf das je spezifische Regelwerk festgelegt.

Manche dieser Institutionen sind global, andere regional, aber alle zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Regelwerke die Autonomie der Nationalstaaten systematisch und zum Teil empfindlich beschneiden. Zu diesen Institutionen gehören – natürlich – die Vereinten Nationen als Nachfolger des Völkerbundes, die Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank, die WTO, die EU, die NATO, der Internationale Strafgerichtshof und Dutzende, zum Teil weniger bekannter weiterer Organisationen. Dabei ist die Verlagerung von Kompetenzen von den Nationalstaaten auf solche Organisationen ein Prozess, der noch lange nicht an seinem Ende angekommen ist: Das im Entstehen begriffene globale Klimaregime ist der aktuell bedeutendste Schritt dazu, und es zeigen sich Anzeichen, dass die Nationalstaaten einem ganz ähnlichen „Menschenrechts“-regime unterworfen werden sollen, wobei die „Menschenrechte“ im wesentlichen Teilhaberechte und Diskriminierungsverbote zugunsten von Migranten sind und immer dann ins Spiel gebracht werden, wenn es gilt, die Souveränität westlicher Staaten zu untergraben und ihre Völker an der Verfolgung ihrer eigenen Interessen zu hindern.

Um die Bedeutung dieses Prozesses angemessen zu würdigen, müssen wir uns zweierlei klarmachen: erstens, dass internationale Verträge stets und ausnahmslos Vorrang vor innerstaatlichem Recht haben. Es kann sich also kein Staat etwa auf seine eigene Verfassung berufen, um seinen Pflichten aus internationalen Verträgen zu entgehen – an sich ein sinnvolles und für die Rechtssicherheit zwischen Staaten sogar zwingendes Rechtsprinzip, das erst in dem Moment problematisch wird, wo im großen Stil Kompetenzen „internationalisiert“ werden. Dann greift das zweite Charakteristikum multilateraler Vertragssysteme: dass ihr Zustandekommen nämlich völlig undurchschaubar ist. Wenn 27 Regierungen (in der EU) oder gar 153 (in der WTO) zu einstimmigen Ergebnissen kommen sollen, dann sind Kuhhändel hinter verschlossenen Türen nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall. Die Öffentlichkeit wird nur kryptisch informiert, das Verhalten der jeweils eigenen Regierung keiner kritischen Überprüfung unterzogen, der nationale Gesetzgeber vor vollendete Tatsachen gestellt. Kontrolle findet nicht statt, demokratische Willensbildung schon gar nicht.

Dabei unternimmt kaum eine Regierung auch nur den Versuch darzulegen, welcher konkrete Vorteil mit jeder neuen Auslagerung nationaler Kompetenzen verbunden sein soll. Oft genug müssen Phrasen herhalten, wo die Argumente fehlen. Es häufen sich aber die Fälle, wo die politische Klasse es nicht einmal für nötig hält, sich irgendeine konkrete Begründung aus den Fingern zu saugen, sondern ganz offen bekennt, dass die Auszehrung des Nationalstaates für sie per se etwas Gutes ist:

Aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:

Merkel setzt sich für neue globale Ordnung ein

Es geht darum, Kompetenzen abzugeben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum 20. Jahrestag des Mauerfalls vehement für eine neue globale Ordnung geworben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine neue globale Ordnung ausgesprochen, in der die Nationalstaaten Kompetenzen an multilaterale Organisationen abgeben. Ein friedliches Zusammenleben in der Welt werde nur in einer solchen globalen Ordnung möglich sein, sagte Merkel am Montag in Berlin auf der anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls stattfindenden Wissenschaftskonferenz „Falling Walls“.

Als Beispiel für solch eine multilaterale Organisation nannte Merkel die EU, die durch ihre Mitgliedsstaaten gestärkt worden sei, obwohl nicht alle Entscheidungen aus Brüssel geliebt würden. Im Vergleich zu den Europäern hätten die Amerikaner mehr Probleme, Kompetenzen abzugeben. Dies sei aber für eine friedliche Zukunft notwendig. „Eine der spannendsten Fragen, um Mauern zu überwinden, wird sein: Sind die Nationalstaaten bereit und fähig, Kompetenzen an multilaterale Organisationen abzugeben.“

Die „friedliche Zukunft“, das „friedliche Zusammenleben in der Welt“ – das sind offenbar die Gesichtspunkte, die jede andere Überlegung verdrängen, und die vor allem jedem Kritiker das Maul stopfen – wer will sich schon nachsagen lassen, er sei gegen den Frieden? Da fragt kaum noch einer nach dem Preis, der für diese Art „Frieden“ zu entrichten ist.

Damit hat die Bundeskanzlerin eines der beiden ideologischen Axiome benannt, die das Ausufern multilateraler Vertragssysteme legitimieren. Es lautet, der Frieden müsse um jeden Preis bewahrt werden. Die auf diesem Axiom basierende Politik, den Krieg buchstäblich unmöglich zu machen (ausgenommen selbstverständlich für den Garanten dieser Ordnung, also Amerika nebst seinen Wurmfortsätzen), wird tatsächlich seit 1899 betrieben. Das klingt human und fortschrittlich; es impliziert allerdings, dass lebenswichtige Interessen ganzer Völker, bis hin zu ihrer schieren Existenz, nicht mehr verfolgt werden dürfen, sofern sie nur mit gewaltsamen Mitteln verfolgt werden können.

(Dies war übrigens der Grund dafür, dass das Deutsche Reich auf den Haager Konferenzen jegliche Einbindung in ein solches System kategorisch abgelehnt hat; man sah darin in Berlin bereits damals den Anfang vom Ende staatlicher Souveränität. Es spricht einiges dafür, dass Deutschland sich genau deshalb und damit die Feindschaft der angelsächsischen Mächte zugezogen hat, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg deutlich erkennbar war.)

Inzwischen greift das Völkerrecht bereits in die inneren Verhältnisse der Staaten ein: Der Internationale Strafgerichtshof und allgemein die Globalisierung der Strafverfolgung folgen konsequent der Linie, staatliche Gewaltanwendung einzudämmen: Was als Versuch begonnen hat, zwischenstaatliche Gewalt zu bändigen, legitimiert längst auch den Durchgriff des internationalen Rechtssystems in die Innenpolitik: Die wiederholten Versuche, israelische Politiker vor europäische Gerichte zu zerren, weil sie die Sicherheit ihres Volkes geschützt haben, lassen die Exzesse jener Verrechtlichungs-Orgie ahnen, die uns bevorsteht, und die die Souveränität der Nationalstaaten zur bloßen Fiktion werden lässt.

Ein solches „Recht“ erreicht nicht einmal das, was Recht normalerweise bewirken soll, also die Eindämmung des Faustrechts und die Bindung auch des Stärkeren an Spielregeln. Es erreicht das Gegenteil: Da staatliche Ordnung primär von der Durchsetzung des Gewaltmonopols abhängt (und höchstens sekundär von der Rechtsform, in der dies geschieht), liegt es in der Natur der Sache, dass Menschenrechte und Ordnung kollidieren – selbstverständlich nicht immer und überall, aber doch immer wieder.

Indem man nun – und darauf läuft die immer weitergetriebene Strafandrohung gegen staatliche Funktionsträger hinaus – den Nationalstaaten zur Aufrechterhaltung ihrer Ordnung und ihrer inneren und äußeren Sicherheit nur noch die Mittel zugesteht, die auf keinen Fall mit den Menschenrechten nach innen und mit dem internationalen Gewaltverbot nach außen kollidieren, schafft man im großen Stil Interventionsgründe auf Vorrat – denn letztlich kann man jeden Staat so weit in die Enge treiben, dass er sich nach den Maßstäben des Frieden-um-jeden-Preis-Rechts ins Unrecht setzt. Und dann interveniert man à la carte: gegen die Weimarer Republik, aber nicht gegen Mussolinis Italien. Gegen Ho-Tschi-Minh, aber nicht gegen Pol Pot. In Jugoslawien, aber nicht in Ruanda. Im Irak, aber nicht im Sudan.

Es stimmt schon: Man kann nicht überall intervenieren, wo Menschenrechte oder Völkerrecht verletzt werden. Nur darf man, wenn man das nicht kann, das „Recht“ auch nicht so exzessiv definieren, dass es nicht durchsetzbar ist. Es sei denn, man will Interventionsgründe schaffen:

Ich halte es nach meinem heutigen Wissensstand für wahrscheinlich, dass die kosovarische UCK, eine Mörder- und Terroristenbande, vom Westen schon vor dem Kosovo-Krieg vor allem aus einem Grunde unterstützt wurde: um die serbische Regierung in Aktionen zu treiben, die man ihr als versuchten Völkermord auslegen konnte! Wenn es um die globale Durchsetzung einer bestimmten Ideologie und Lebensweise geht, und ich werde zeigen, dass genau dies das Thema ist, dann setzt eine solche, ja, Weltordnung die globale Herrschaft einer Macht voraus, die genau dieser Ordnung verpflichtet ist. Widerstandsnester wie das Deutsche Reich oder Serbien werden nach und nach beseitigt, und zu diesem Zweck werden selbstredend sehr wohl Kriege geführt. Was den eklatanten Mangel an Unrechtsbewusstsein erklärt, mit dem amerikanische Entscheidungsträger mehr als einmal mutwillig Krieg geführt haben.

Dies ist übrigens einer von zwei Gründen, warum die Europäische Union niemals ein Bundesstaat sein wird: Sie wäre dann eine Supermacht auf Augenhöhe mir den USA, mit ihrem deutsch-französischen Schwerpunkt nicht unbedingt auf ein angelsächsisch-kapitalistisches Gesellschaftsmodell festgelegt. Amerika hat – und zwar nach herkömmlichen Maßstäben ohne Not – zwei Weltkriege geführt (drei, wenn man den Kalten Krieg mitrechnet), um genau diese Konstellation zu verhindern, dass Europa unter die Kontrolle einer Großmacht gerät, die dieses Gesellschaftsmodell ablehnt.

Womit wir – ich habe schon ein wenig vorgegriffen – bei dem zweiten Axiom wären, aufgrund dessen die Internationalisierung immer weiter wuchert: Bereits die oben genannte Liste der Organisationen (IWF, Weltbank, WTO, EU) und die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien zeigen an, dass es darum geht, eine von Restriktionen und staatlichen Eingriffen, überhaupt von jeder sozialen Verpflichtung befreite Marktwirtschaft zu institutionalisieren, und dies eben nicht durch innerstaatliches Recht – wodurch sie ja zur demokratischen Disposition stünde – sondern durch Festschreibung in übernationalen, demokratischer Kontrolle entzogenen Vertragssystemen (was der zweite Grund ist, warum die EU kein Bundesstaat wird: Sie soll kein Staat werden, weil sie dadurch aufhören würde, eine institutionalisierte Ideologie zu sein. Es geht den Globalisten ja nicht darum, Kompetenzen, die bisher die Nationalstaaten innehatten, der EU zu übertragen, sondern darum, bestimmte politische Interventionsmöglichkeiten überhaupt zu vernichten.). Wer ein solches Ziel bejaht, und das tut mehr oder weniger jeder Liberale, kann kaum umhin, die internationalen Regeln gutzuheißen, die dieser globalen Marktwirtschaft den Rahmen setzen; will er nicht inkonsequent sein, muss er die Entmachtung der Nationalstaaten billigen.

Was im 19.Jahrhundert als Freihandelsideologie die Politik der britischen Liberalen bestimmt hat, ist längst zu einem Projekt geworden, das darauf abzielt, die platonischen Gedankenmodelle neoliberaler Ökonomen in soziale Wirklichkeit zu übertragen: Diese Gedankenmodelle beruhen auf der kaum noch hinterfragten Idee, dass jegliches Gut, einschließlich Bildung, Gesundheit, Sicherheit am effizientesten durch private Anbieter hergestellt und über den Markt vertrieben wird, vor allem aber auf der Prämisse vollständiger Mobilität aller Produktionsfaktoren einschließlich des Faktors „Arbeitskraft“. Weil das so ist, gehört der Abbau sogenannter „Handelshemmnisse“ zu den Grundlagen aller genannten Institutionen, und dort, wo es geht, wie bei der EU, gehört die Niederlassungsfreiheit auch außerhalb des eigenen Staates zu den „Grundfreiheiten“.

Hier treffen sich die beiden Axiome „Frieden um jeden Preis“ und „Marktwirtschaft um jeden Preis“: Die Bevorzugung inländischer Unternehmer ist ein Handelshemmnis; der aus Heimatliebe nichtmobile Arbeitnehmer ist ein Bremsklotz; desgleichen der Unternehmer, der sich dem Wohl des Gemeinwesens verpflichtet fühlt; der Politiker, der nationale Interessen verfolgt, statt die Globalisierung voranzutreiben; der Soldat, der am Hindukusch Deutschlands Sicherheit verteidigen will statt der Interessen des Westens; der „Fundamentalist“, der gegen die Abtreibung, gegen die Stammzellenforschung und für die Sonntagsruhe ist; die Frau, die sich lieber um ihre Familie kümmert als um ihre Karriere.

Kurz und gut: Soziale Strukturen, die etwas mit Solidarität zu tun haben: intakte Familien, intakte Völker, auch intakte Religionsgemeinschaften, sind die natürlichen Angriffsziele der neoliberalen Ideologie, die Völker und Religionsgemeinschaften außerdem noch im Fadenkreuz ihres Zwillings, der Friedensideologie: Erinnern wir uns daran, dass es darum ging, den Krieg unmöglich zu machen, und dass die Entkernung des Nationalstaates ausdrücklich mit dem Ziel des „Friedens“ begründet wird. Zwischen Entnationalisierung einerseits, Frieden andererseits kann man einen gedanklichen Zusammenhang aber nur auf der Basis einer ganz bestimmten Annahme herstellen, die demgemäß auch dem vorherrschenden Paradigma zugrundeliegt: Diese Annahme lautet, dass die Existenz von Völkern nicht nur schlecht fürs Geschäft, sondern auch schlecht für den Frieden ist. Völker können miteinander in Konflikt geraten, deshalb müssen sie weg!

Die Masseneinwanderung, ein Phänomen, von dem uns apodiktisch versichert wird, es sei ebenso unvermeidlich wie die Globalisierung insgesamt – überhaupt ist es interessant zu sehen, was alles als „unvermeidlich“ verkauft wird und zu welchem Maß an Geschichtsdeterminismus sogenannte „Liberale“ fähig sind – diese Masseneinwanderung also findet seit Jahrzehnten statt und führt dazu, dass die wechselseitigen Solidaritätserwartungen, auf denen Völker basieren, langsam aber sicher zerstört werden. Und diese Masseneinwanderung wird auch in Zukunft stattfinden, weil sie politisch gewollt ist. Das ist keine Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik, mal mehr, mal weniger verklausuliert eingeräumt (Ich empfehle in diesem Zusammenhang meine Artikel „Verrat mit Ansage“ und „Doktor Schäubles Staatsneurosen“).

Dass sogar solchen Menschen, die es bewusst und ausdrücklich ablehnen, sich als Deutsche zu definieren, unverdrossen ein deutscher Pass in die Tasche gesteckt wird, ist kein Versehen. Es ist der Sinn der Sache. Wenn Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit die größten denkbaren Übel sind, wenn Politiker offiziell verkünden, der Nationalstaat sei anachronistisch (und verschweigen, dass damit auch die Demokratie anachronistisch ist), wenn sogar den bloßen Begriffen „Volk“ und „Nation“ der Kampf angesagt wird („NoNation“), und dies alles vor dem Hintergrund auch institutioneller und struktureller Entnationalisierungsprojekte geschieht, dann kann niemand ein solches Zusammentreffen ideologischer Dispositionen und politischer Strategien für Zufall halten.

(Und es ist nur noch das Sahnehäubchen, dass gleichzeitig mit den Völkern auch die Religionen entkernt werden. Ein „Projekt Weltethos“, wie Hans Küng es propagiert, basiert auf der Idee, es gebe keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden. Eine solche Vorstellung ist vom politikwissenschaftlichen Standpunkt der blanke Unsinn – die wenigsten Kriege sind Religionskriege, und die, die es sind, sind es allein aufgrund der islamischen Aggressivität, nicht weil Religion schlechthin kriegstreibend sei. Dass eine solche Idee aber überhaupt aufkommen konnte, verdanken wir der besagten Denkfigur, dass bereits die Existenz von Menschengruppen überhaupt – hier also die von Religionsgemeinschaften – konfliktträchtig sei und diese Gruppen daher aufgelöst werden müssen. Der Preis dafür ist der Verzicht auf alle miteinander kollidierenden Wahrheitsansprüche von Religionen und deren Reduzierung auf global anschlussfähiges Minimum, also auf die Punkte, in denen angeblich „alle Religionen dasselbe wollen“, im Grunde die Etablierung einer synkretistischen Weltreligion.)

Die Gesellschaft auf individuelle Wahlfreiheit und auf den Markt zu gründen statt auf soziale Bindungen und auf Solidarität: Das ist das neoliberale Projekt. Es schlägt allem ins Gesicht, worauf menschliche Gesellschaft jahrtausendelang aufgebaut war. Da empirisch buchstäblich nichts dafür spricht, dass ein solches Projekt gelingen kann (Vielmehr spricht alles dafür, dass es in der Zerstörung der Zivilisation gipfeln wird), müssen seine Verfechter die Beweislast ihren Widersachern, also den Konservativen bzw. „Reaktionären“ aufbürden und sich selbst davon freizeichnen. Das gelingt ihnen, weil die Gesellschaft die totalitäre Denkfigur vom „Fortschritt“ verinnerlicht hat. Wer „Fortschritt“ sagt, sagt zugleich, dass die Geschichte ein Ziel und eine Richtung kennt (eben das, worauf bzw. wohin „fortgeschritten“ wird), beansprucht für die eigenen Ziele „Unvermeidlichkeit“ und klebt dem Andersdenkenden das Etikett des „Rückständigen“ auf. So setzt sich spätestens seit dem 19.Jahrhundert „fortschrittliche“ Ideologie durch.

Es geht also um die Entkernung der Nationalstaaten, um die Errichtung eines faktisch unabänderlichen globalen Systems aus Rechtsnormen, in denen sich eine Ideologie niederschlägt, die die Auflösung von Völkern und Familien postuliert und praktiziert, die zu ihrer Aufrechterhaltung auf global vereinheitlichte Geschichtsbilder und Religionen angewiesen ist, und den Grundmodus menschlicher Vergesellschaftung austauschen will: von der Solidarität zum Markt. Wenn man ein System, das auf einer solchen Ideologie basiert, nicht „Neue Weltordnung“ nennen darf – was eigentlich dann?

Dabei besteht unter den Funktionseliten mindestens der westlichen Welt, aber mit Ausläufern bis in die der Schwellenländer und des postsowjetischen Raumes hinein, ein nahezu unangefochtener Konsens über diese Ideologie, was unter anderem impliziert, dass es keine nationalen Eliten mehr gibt – jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie mit ihren je eigenen Nationen solidarisch wären. Was es gibt, ist eine globale Elite, und zwar eine, die ihre Absichten gar nicht verbirgt: Man muss nur den Nebel der wohlklingenden Phrasen lüften. Dass die Angehörigen dieser Eliten sich in informellen Zirkeln abstimmen, dass sie Denkfabriken unterhalten, einflussreiche Journalisten kooptieren, PR betreiben – ja, gewiss tun sie das, was denn sonst.

Die Kritiker, die sich zum Beispiel auf die Bilderberg-Konferenzen oder den Council on Foreign Relations einschießen, haben also auf ihre Weise schon Recht, erfassen aber immer nur einen kleinen Teil des Gesamtphänomens. Vor allem machen sie den Fehler, ihren Kontrahenten als „Verschwörungstheoretiker“ eine billige Steilvorlage zu liefern, indem sie zu entlarven versuchen, wo es gar nichts zu entlarven gibt.

Sicher wäre es interessant zu verfolgen, auf welche Weise Ideologie konkret in politische Strategie, in Propaganda und PR umgesetzt wird (wobei nicht gesagt ist, dass die jeweils Verantwortlichen immer zu den üblichen Verdächtigen gehören müssen). Bevor man diese Fragen aber vernünftig diskutieren kann, muss man den, mit dem man sie diskutieren will, davon überzeugen, dass es die NWO und die sie verfolgenden und begründenden Ideologien und Strategien tatsächlich gibt und vcr allem: welche Konsequenzen das hat. Die Implikationen der NWO sind eben nicht Jedem klar: dass die Vereinheitlichung von Geschichtsbildern den Völkern ihr Gedächtnis und damit ihre Identität raubt; dass die Auflösung des Nationalstaates und die der Demokratie ein und dasselbe sind; dass der zwischenstaatliche Friede, wenn erzwungen durch die Kastration der staatlichen Souveränität, den Keim zu dem in sich trägt , was Enzensberger den „molekularen Bürgerkrieg“ genannt hat; dass supranationale Vertragssysteme zu einem Joch zusammengefügt werden, das für Manche leichter, für Andere schwerer zu tragen ist, aber von niemandem mehr abgeschüttelt werden kann, auch nicht, wenn es ganze Völker erdrückt.

Das sind die Implikationen, die man deutlich machen muss. Was aber die Fakten selbst angeht, ist niemand auf Spekulationen angewiesen: Es liegt alles offen zu Tage!