Viele Arten zu töten

Da ich häufig pro-israelische Artikel schreibe und Antisemitismus vehement kritisiere, bleiben inhaltliche Übereinstimmungen mit jenem Spektrum nicht aus, das sich selbst „antideutsch“ nennt.

In meinen Ohren ist diese Bezeichnung freilich eine Selbstbezichtigung: Ich halte Patriotismus für eine ganz selbstverständliche Tugend und befinde mich damit in Übereinstimmung mit den Wertvorstellungen aller Zeiten, Völker und Kulturen seit Adam und Eva. Ausgenommen natürlich diejenigen Völker und Kulturen, die wegen ihres Selbsthasses untergegangen sind. Ausgenommen auch diejenigen Milieus linker Akademiker, die ihrem eigenen Volk dasselbe Schicksal bereiten wollen.

Daher klingt für mich kaum etwas abwegiger, ja abartiger, als wenn ein Deutscher seinen eigenen politischen Standort mit dem Wort „antideutsch“ umschreibt – das ist für mich so, als würde er sich als begeisterter und ideologisch gefestigter Kinderschänder offenbaren.

Ist aber der Wunsch, das eigene Volk möge nicht existieren, schon als solcher bizarr genug – und eine darauf gerichtete Politik eine solche des Völkermordes -, so möchte man seinen Anhängern doch wenigstens mehr Intelligenz wünschen. Es wäre jedenfalls intelligent, wenn sie diejenigen ihrer Anliegen, die per se nicht verwerflich sind (insbesondere ihre Solidarität mit dem Judentum im Allgemeinen und dem Staat Israel im Besonderen), nicht dadurch kompromittieren würden, dass sie den Eindruck erwecken, es gebe einen notwendigen inneren Zusammenhang zwischen einer projüdischen und einer antideutschen Einstellung, und wer mit dem Judentum sympathisiere, müsse zwangsläufig ein Feind Deutschlands sein.

Diese Denkfigur nämlich war und ist die Grundlage von deutschvölkischem Antisemitismus. Man kann den moralischen Konsequenzen dieser verbrecherischen Völkermordideologie nicht dadurch entgehen, dass man als Deutscher einfach die Seiten wechselt. Wenn Patriotismus überall auf der Welt in Ordnung sein soll, nur in Deutschland nicht, dann läuft dies darauf hinaus, das deutsche Volk für lebensunwert zu erklären, mindestens aber für ein Volk minderen Rechts. Statt an der Vernichtung des jüdischen an der des eigenen Volkes zu arbeiten ist aber keinen Deut moralischer oder weniger menschenverachtend. Der geistige Landesverrat, der darin liegt, Deutschfeindlichkeit als positiven Wert darzustellen, ist nicht einfach eine private Marotte, sondern bedeutet, eine genozidale Ideologie zu propagieren.

Der Begriff Völkermord ist nämlich nicht etwa eine quantitative Steigerung von Massenmord – auch wenn beides oft Hand in Hand geht -, sondern bezieht sich auf die Zerstörung des sozialen und kulturellen Zusammenhangs, der ein Volk konstituiert. Die direkte Tötung von Menschen ist daher nur eine von vielen Arten, ein Volk zu töten. Es gibt aber wirksamere Methoden, und zu diesen Methoden gehört, durch autorassistische Propaganda sein Selbstwertgefühl und seinen Selbstbehauptungswillen zu unterminieren.

„Antideutsch“ sind aber selbstverständlich nicht nur die, die sich ausdrücklich so nennen – das sind höchstens die ehrlicheren. Antideutsch sind auch die politischen und Medieneliten, die die übrigen Formen von ethnischer Kriegführung gegen die eigene Nation propagieren oder praktizieren. Die Liste ist unvollständig: Man kann das Volk ethnisch ausdünnen (lassen), man kann „Antidiskriminierung“ (also Diskriminierung von Einheimischen) betreiben, man kann Kriminelle, Extremisten und religiöse Fanatiker ins Land holen, man kann zusehen, wie der soziale Zusammenhalt in immer neuen Wellen von deren Kriminalität weggespült wird, man kann die Souveränität des Nationalstaats nach außen und des Rechtsstaats nach innen unterminieren, man kann die Institution der Familie erst verunglimpfen und dann zerstören, und man kann diejenigen, die sich gegen all das wehren, als Rechtsradikale verleumden und sie an den Rand der Gesellschaft drängen, und sogar über diesen Rand hinaus.

Nur weniges davon, um es mit Brecht zu sagen, ist in unserem Lande verboten.

Europäische „Grundrechtecharta“: der Etikettenschwindel

Die Grundrechtecharta gibt den Bürgern bestenfalls Rechte, die ihnen ohnehin zustehen, aber sie nimmt den Nationen die Souveränität.

Noch vor einem Jahr habe ich die EU-Grundrechtecharta, die Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist, für einen bedeutenden Fortschritt gehalten: Bisher klafft ja eine riesige Rechtslücke dort, wo es um den Schutz der Grundrechte von EU-Bürgern geht. Da nämlich das völkerrechtliche Prinzip gilt, dass kein Staat sich unter Berufung auf seine Verfassung seinen Pflichten aus internationalen Verträgen entziehen darf, konnten die Staaten Europas die Rechte ihrer Bürger dadurch umgehen, dass sie deren Verletzung in europäischen Verträgen festschrieben. Waren die erst einmal unter Dach und Fach, standen die Grundrechte nur noch auf dem geduldigen Papier von Verfassungen, die gegenüber den EU-Verträgen niederrangiges Recht darstellten.

Überlegungen dieser Art führten dazu, dass in den neunziger Jahren die Forderung nach einer europäischen Grundrechtecharta laut wurden. In der Tat: Mit der Grundrechtecharta hätten wir Bürger erstmals Abwehrrechte, die wir auch direkt gegen die Union geltend machen könnten. Vor lauter Freude darüber, dass man uns endlich die Rechte zurückgibt, die man uns nie hätte nehmen dürfen, habe ich zwei wichtige Aspekte übersehen:

Erstens bedürfte es dazu überhaupt keiner „europäischen Grundrechte“. Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn die EU-Staaten sich auf eine Regelung geeinigt hätten,

wonach kein Einzelstaat durch EU-Recht gezwungen werden kann, auf seinem Territorium Grundrechtseingriffe der Union zu vollstrecken oder zu dulden, die ihm selbst nach Maßgabe der nationalen Verfassung nicht erlaubt sind.

Das wäre eine Art grundrechtsbezogener Meistbegünstigungsklausel gewesen: Jedes Abwehrrecht, dass den Bürgern irgendeines EU-Staates gegen ihren Staat zusteht, stünde dann automatisch allen EU-Bürgern gegen die Union zu. Eine solche Regelung hätte die verfassungsrechtlichen Widersprüche des bisherigen Rechts elegant aus der Welt geschafft, die Verfassungen der Nationalstaaten nicht tangiert, im Gegenteil die Zuständigkeit für den Grundrechtsschutz eindeutig den Einzelstaaten zugewiesen, ohne die EU an der Verfolgung sinnvoller politischer Projekte, sofern es denn solche sind, zu hindern.

Die Charta wäre also im besten Fall ein umständlicher Weg, Gutes zu tun. Leider ist dieser beste Fall nicht eingetreten.

Es ist öffentlich wenig thematisiert worden, leider auch von EU-Skeptikern, dass die Charta Regelungen enthält, die in keiner einzigen einzelstaatlichen Verfassung stehen. Artikel 19 Absatz 1 enthält nämlich die denkwürdige Regelung:

Kollektivausweisungen sind unzulässig.“

Das ist eine Regelung, von der ausschließlich Nicht-EU-Bürger profitieren, und sie ist keine objektivrechtliche Norm, sondern ein subjektivrechtlicher Anspruch. Sie geht damit deutlich über den bisherigen Abschiebeschutz hinaus:

Es ist auch bisher schon so, dass (nach deutschem Recht) bereits das Rechtsstaatsprinzip – Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot, Verbot rückwirkender Benachteiligung etc. -, aber auch das Prinzip der Menschenwürde es verbieten, jemanden nur deshalb abzuschieben, weil er einer bestimmten Gruppe angehört. Er muss die Abschiebungsgründe schon durch sein Verhalten selber gesetzt haben.

Wenn aber die Kollektivausweisung als solche bereits ein Verstoß gegen Grundrechte sein soll, dann bedeutet dies, dass, anders als bisher, das Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen Religion oder Ideologie keine ausreichende Voraussetzung für eine Abschiebung mehr darstellt. Jedenfalls müsste der Nationalstaat die Verfassungswidrigkeit politischer oder religiöser Organisationen von Nicht-EU-Bürgern genauso akribisch beweisen wie die von Inländern. In einem Staat wie Deutschland, der nicht einmal in der Lage ist, die NPD zu verbieten, ein aussichtsloses Unterfangen!

Aber selbst, wenn er sie beweisen könnte, müsste er außerdem noch beweisen, dass er keine Kollektivausweisung vornimmt; dass der konkret Auszuweisende also individuell ein aktiver Verfassungsfeind ist. Die bloße Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Gruppe würde dann nicht reichen.

Das aus seiner Souveränität folgende Recht des Staates zu bestimmen, welche Nicht-Staatsbürger er auf seinem Territorium dulden will, würde nicht, wie bisher, durch die Verpflichtung auf elementare rechtsstaatliche Regeln gebändigt, sondern im Kern vernichtet!

Rein theoretisch binden solche Regelungen nur die Union selbst – was der Grund ist, warum ich sie bis vor einiger Zeit nicht weiter beachtet habe. Warum sollte es mich interessieren, wenn die EU sich selber etwas verbietet, was sie sowieso nicht tut?

Tja – aber warum steht es dann überhaupt in der Charta?

Weil die Grundrechtecharta für die nationalen Gerichte zwar keine unmittelbare, wohl aber eine auslegungsleitende Wirkung hat. Das Verbot der Kollektivausweisung wird dann nachträglich in nationale Regelungen hineininterpretiert, die man bisher ganz anders interpretiert hat und ohne EU-Charta auch weiterhin anders interpretieren würde.

Ich gebe nicht gerne zu, wenn ich meine Meinung geändert habe, aber diese „Grundrechtscharta“ ist in jeder Hinsicht ein Etikettenschwindel. Ihre Existenz ist nicht nur kein Grund, für Lissabon zu sein, sondern ein erstklassiger Grund dagegen!

Der Mahdi und das Atomprogramm

Es mag für Manchen überraschend klingen, aber die Schia, also die im Iran, im südlichen Irak und Teilen des Libanons vorherrschende Glaubensrichtung des Islam, teilt einige wichtige Charakteristika mit dem Christentum.

Die Schia entstand bekanntlich nach der Schlacht bei Kerbela im Jahre 680, in der der Prophetenenkel Hussein mit seinen engsten Mitstreitern den Tod fand. Dieses Ereignis stellt den zentralen Bezugspunkt schiitischer Identität dar. Die Schia definiert sich also durch Bezugnahme auf Niederlage und Tod ihres Stifters – wie das Christentum.

Die Schia war deswegen lange Zeit vielerorts eine verfolgte Minderheit und ist es in Ländern wie Saudi-Arabien bis heute. Ihre prägende Phase erlebte sie also in einer ihr feindlichen Umgebung und in Opposition zu den Machthabern. Wie das Christentum.

Für den sunnitischen Islam typisch ist Anbetung der schieren Macht. Die Sunna neigt dazu, aus ihrer Fähigkeit, Anderen Gewalt zuzufügen, auf die Wahrheit und Richtigkeit des eigenen Glaubens zu schließen. Da diese Neigung im Koran verankert ist [siehe meine Themenanalyse des medinensischen Korans in Das Dschihadsystem, Kap. III.2. M., 21.01.2011], ist sie auch den Schiiten nicht fremd, sie ist aber durch historische Erfahrung gebrochen. Die Machtanbetung gehört zum Potenzial auch der Schia, zugleich aber verfügt sie, quasi als Widerlager, über eine machtkritische Perspektive, die der Sunna völlig fremd ist, die sie aber mit dem Christentum teilt.

(Weil das so ist, verfügt gerade der schiitische Iran als einziger von Islamisten regierte Staat über eine effektive Verfassung, d.h. über ein System von einander begrenzenden Institutionen. Da zudem nach schiitischer Vorstellung die einzig legitime weltliche Macht beim Zwölften Imam liegt, dieser aber in der sog. Großen Verborgenheit lebt und eines Tages wiederkehren wird, ist das Volk nach iranischer Staatstheologie befugt, sich in der Zwischenzeit selbst zu regieren – natürlich nur im Rahmen der Scharia, was in der Praxis von der theoretisch akzeptierten „Demokratie“ nichts übrig lässt; was aber andererseits nichts daran ändert, dass die schiitischen Theologen die einzigen sind, die einen Weg gefunden haben, die Demokratie – wenigstens als theoretische Idee – aus dem Islam abzuleiten.)

Diese machtkritische Perspektive hat aber im schiitischen Islam dieselbe dunkle Kehrseite, die sie auch im Christentum hat: Aus der Sicht einer verfolgten Minderheit, die ihren Glauben nicht, wie die Sunniten, durch Macht und Erfolg als „wahr“ ausweisen kann, stellt sich die Theodizeefrage („Wenn Gott allmächtig ist, warum gibt es so viel Übel auf der Welt?“) mit besonderer Dringlichkeit: „Wenn unser Glaube der wahre ist, warum hat Gott dann zugelassen, dass die Macht in der Hand unserer Feinde liegt?“

Und wie das Christentum kennt die Schia die apokalyptische Antwort auf diese Frage: Der Teufel ist der Fürst dieser Welt, aber das muss so sein, weil es zum Heilsplan Gottes gehört, dass das Böse die Welt beherrscht und die Guten, die wahren Gläubigen, eine Zeit der Drangsal durchmachen müssen, bis sie am Ende, wenn das Böse in einer gewaltigen Endschlacht zerschmettert wird, triumphieren! Dieselbe Idee – natürlich mit etwas anderer Terminologie – gibt es auch im schiitischen Islam

Man sieht daran, dass Machtkritik als Attribut einer Religion nicht immer etwas Positives sein muss: Sie kann konstruktive und demokratische Ideen begünstigen, sie muss es aber nicht. Die Sehnsucht nach der Zerstörung einer als verdorben und korrupt gedachten Welt schwingt bei religiös begründeter Machtkritik immer mit.

Diese Apokalyptik war als Unterströmung im Christentum immer vorhanden, und sie ist immer mal wieder an die Oberfläche getreten – man denke an die Wiedertäufer von Münster. Es ist wichtig zu sehen, dass es diese Tendenz auch in der Schia gibt, und wie sie sich dort auswirkt. Der seltsame Januskopf jedenfalls, mit dem der Iran uns entgegentritt – hier fortschrittlicher und moderner als die meisten anderen Länder der Region, dort mittelalterlich und fanatisch wie kaum ein zweites – entspricht genau der hellen und der dunklen Seite religiöser Machtkritik.

Für die nähere Zukunft ist dies ein äußerst beunruhigender Befund.

Die Erwartung des Mahdi (das „h“ ist kein Dehnungszeichen, sondern deutlich gehaucht zu sprechen), einer Art islamischem Messias, ist allgemeinislamisch, wird aber bei den Schiiten deutlich stärker betont und mit der Idee des Verborgenen Imams, seiner Wiederkehr und des Weltenendes verknüpft.

Es ist außerhalb Israels wenig beachtet worden, welche Rolle seit dem Amtsantritt Ahmadinedjads die Vorstellung von der unmittelbar bevorstehenden Wiederkehr des Zwölften Imam in der iranischen Propaganda spielt. Dass er irgendwann wiederkehren wird, daran glauben Schiiten so fest wie Christen an die Wiederkehr Christi (eine weitere Parallele).

Der Unterschied zwischen konventioneller schiitischer oder christlicher Rechtgläubigkeit und apokalyptischem Extremismus betrifft nun just den Zeithorizont. Wer in der Naherwartung der Apokalypse lebt, wird seinen Teil dazu beitragen, dass sie auch kommt!

Dies ist der Hintergrund, vor dem die Äußerungen des iranischen Präsidenten und das iranische Atomprogramm zu bewerten ist. Natürlich kann es sein, dass Ahmadinedjad bloß ein ungewöhnlich zynischer Demagoge ist, der seine apokalyptische Rhetorik wohlkalkuliert als politisches Mittel benutzt, ohne selbst daran zu glauben. Es könnte aber auch sein, dass er genau der religiöse Fanatiker ist, der er zu sein vorgibt.

Der folgende Text stammt aus:  Heinz Halm, Der schiitische Islam, und ist dankenswerterweise auch im Netz verfügbar:

“Schreckliche Vorzeichen kündigen das Erscheinen des Mahdi an:

Mitten im Monat Ramadân wird sich die Sonne verfinstern und entgegen der sonstigen Gewohnheit verfinstert sich der Mond am Ende desselben Monats.
In Ost und West wird das Land [vom Meer] verschlungen.
Die Sonne wird stillstehen vom Zeitpunkt ihres Untergangs bis zur Mitte der Zeit des Nachmittagsgebets; dann wird sie im Westen wieder aufgehen.
Schwarze Fahnen rücken von Ostiran heran, der Jemenit wird rebellieren, der Maghrebiner wird in Ägypten erscheinen und Syrien besetzen, der Türke wird das Zweistromland okkupierieren, die Byzantiner werden die Stadt Ramla [in Palästina] einnehmen.
Ein Stern erscheint im Osten, der so hell scheint wie der Mond; der Mond aber wird sich so krümmen, daß seine beiden Hörner sich fast berühren.
Eine Farbe überzieht den Himmel nach allen Horizonten, und ein Feuer wird sich im Osten zeigen und drei oder gar sieben Tage in der Luft schweben…
Der Euphrat schwillt an, so daß seine Wasser die Straßen von Kufa überfluten.
Sechzig Lügner treten auf und geben sich als Propheten aus, und zwölfe aus der Familie des Abû Tâlib werden behaupten, Imame zu sein…
Ein schwarzer Wind erhebt sich am Morgen, unddie Erde erbebt; Furcht erfüllt die Iraker und die Einwohner von Bagdad. Rascher Tod tritt hier und da ein; Eigentum, Leben und Ernte werden vernichtet, Heuschreckenschwärme erscheinen zu gewohnter wie zu ungewohnter Zeit, um über Ackerland und Ernte herzufallen, und von dem, was gesät wurde, wird kaum etwas geerntet.
Fremde werden sich streiten, und viel Blut wird in ihrem Streit vergossen; Sklaven erheben sich gegen ihre Herren, Häretiker werden in Affen und Schweine verwandelt. …
Ein Schrei ertönt vom Himmel, den ein jedes Volk in seiner eigenen Sprache vernehmen wird.
Im Zentrum der Sonne werden – jedermann sichtbar – ein Kopf und eine Brust erscheinen. Dann werden die Toten aus ihren Gräbern auferstehen und auf die Erde zurückkehren; sie werden sich erkennen und einander besuchen.
Dies alles wird enden in vierundzwanzig Wolkenbrüchen; durch die wird das Land, das tot war, belebt und gesegnet. Daraufhin werden alle Krankheiten und Leiden hinweggenommen von den Parteigängern (schî’a) des Mahdi – Friede auf ihm! -, die die Wahrheit glauben, und zu diesem Zeitpunkt werden sie wissen, daß er in Mekka erschienen ist, und sie werden hineilen, ihm beizustehen.

Das Jahr der Wiederkunft des Mahdi ist unbekannt, nur der Tag steht fest: der 10. Muharram, der Tag von al-Husains Martyrium bei Kerbelâ. Gegenüber der Ka’ba wird er auftreten.”

Eine sehr alte und sehr bekannte schiitische Prophezeiung. Wie muss ein solcher Text auf einen Menschen wirken, der daran glaubt, und der ihn mit den Ereignissen der letzten Jahre in Verbindung bringt?

In Ost und West wird das Land vom Meer verschlungen.

Tsunami 2004
Tsunami 2004

Die Sonne wird im Westen wieder aufgehen.

Atombombenversuch der USA, 1954

Schwarze Fahnen rücken von Ostiran heran.

Osama bin Laden und Mitstreiter von Al Qaida vor schwarzer Fahne

Der Jemenit wird rebellieren.

Die Familie Bin Laden stammt aus dem Jemen.
Die Familie Bin Laden stammt aus dem Jemen.

Der Türke wird das Zweistromland okkupieren.

Einmarsch der türkischen Armee im Nord-Irak, Februar 2008
Einmarsch der türkischen Armee im Nord-Irak, Februar 2008

Ein schwarzer Wind erhebt sich am Morgen.

Irak-Krieg: Schwarzer Qualm steigt vom getroffenen Post- und Kommunikationsgebäude auf.
Irak-Krieg, Bagdad 2003

Furcht erfüllt die Iraker und die Einwohner von Bagdad.

Irak-Krieg 2003: Luftangriff auf Bagdad, CNN-Bericht
Irak-Krieg 2003: Luftangriff auf Bagdad

Und so weiter. Wer an so etwas glaubt, der muss doch überzeugt sein, dass der Mahdi vor der Tür steht.  Ich behaupte nicht, dass die gesamte iranische Führung im Banne apokalyptischer Prophezeiungen steht. Etliche unterstützen das Atomprogramm vermutlich aus Gründen konventioneller Machtpolitik, ungefähr so, wie die konservativen deutschen Diplomaten und Generäle der Hitlerzeit. Laridjani dürfte so einer sein. Aber der ist gefeuert worden. Wieso?

Das Problem ist, dass die Entscheidungsträger im Westen ungefähr so denken wie die britischen Entscheidungsträger der dreißiger Jahre, die in Hitler nicht primär den Verfasser von „Mein Kampf“ sehen wollten. Wenn Ahmadinedjad ein apokalyptisch orientierter Fanatiker ist (und über Gesinnungsgenossen in der Führung verfügt), dann wird er sich an die Parole des von ihm glühend verehrten Ayatollah Khomeini erinnern, der Iran könne ruhig untergehen, solange nur der Islam siegt. Diese Bereitschaft, das eigene Land zu opfern, um einen angeblichen Weltfeind – und „rein zufällig“ sind es wieder die Juden – zu vernichten, erinnert ebenfalls an die jüngere deutsche Geschichte.

Wenn eine solche Politik in Deutschland betrieben werden konnte, wo es überhaupt keine entsprechende Tradition gab, um wieviel mehr muss man sie einem Land wie dem Iran zutrauen, wo das Selbstopfer für Allah als das Edelste gilt, was Menschen überhaupt tun können – und dies nicht etwa theoretisch und abstrakt, sondern, wie der Irak-Iran-Krieg in den Achtzigern bewies und die Unterstützung von Selbstmordattentätern der Hisbollah und Hamas bis heute beweist, höchst praktisch und konkret; einem Land, in dem Israel seit dreißig Jahren in deutlich apokalyptischer Sprache als Weltfeind verteufelt wird?

Dabei ist Israel aus iranischer Sicht nur „der kleine Satan“. Der große sind die USA, und zwar als Chiffre für den Westen insgesamt. Es wäre, von allen moralischen Bedenken abgesehen, eine Torheit ersten Ranges, wollte der Westen Israel so behandeln, wie er in den dreißiger Jahren die Tschechoslowakei behandelt hat. Und es würde sich in derselben Weise rächen.

Indem der Iran jüngst einen Satelliten ins All geschossen hat, hat er seine Fähigkeit dokumentiert, Interkontinentalraketen zu bauen.

Antisemitismus und totalitäre Ideologie

Ich glaube, man macht sich zu wenig bewusst, dass Toleranz eine höchst unwahrscheinliche zivilisatorische Errungenschaft ist. Sie setzt schließlich nicht mehr und nicht weniger als die Fähigkeit voraus, sich vorzustellen, dass der Andersdenkende oder Andersgläubige im Recht sein könnte. Eine solche Reflexionsleistung ist dem Menschen so wenig angeboren wie die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben, und sie gehört auch nicht zu der Sorte Kulturleistungen, die man von einem gewissen Entwicklungsniveau an als selbstverständlich unterstellen kann.

Es ist bemerkenswert und bezeichnend, dass die drei totalitären Strömungen unserer Zeit, nämlich der Linksextremismus, der Neonazismus und der politische Islam bei allen sonstigen Unterschieden dasselbe Feindbild „Jude“ pflegen, und wenn auch die Neonazis es rassistisch, die Islamisten religiös und die Linken politisch (Israel) begründen, so handelt es sich dabei erkennbar bloß um unterschiedliche ideologische Rationalisierungen ein und desselben elementaren Hasses.

Ich behaupte, dass dieser Hass genau der Errungenschaft gilt, die den Kern unserer westlichen Zivilisation ausmacht: der Toleranz; der Fähigkeit zur Selbstkritik; der Bereitschaft, sich selbst mit den Augen des Anderen zu sehen. Und diese Errungenschaft wird von ihren Feinden völlig zu Recht als die große zentrale Leistung des Judentums angesehen.

Wenn es nämlich ein Thema gibt, das wie ein roter Faden das gesamte Alte Testament durchzieht, dann ist es die Selbstkritik, ja Selbstanklage des Volkes Israel, den moralischen Ansprüchen Gottes nicht gerecht geworden zu sein. Der stets scheiternde und stets zu erneuernde Versuch, sich selbst mit den Augen Gottes zu sehen und Seinen Maßstäben gerecht zu werden ist elementarer Bestandteil jüdischer Ethik. Es ist dieselbe Ethik, die, vermittelt durch das Christentum, zur Grundlage der westlichen Gesellschaften wurde. Wenn wir Toleranz heute als eine Tugend ansehen, so ist diese Ethik der Grund dafür.

Wenn wir zudem in westlichen Gesellschaften das menschliche Leben als etwas Heiliges ansehen, als etwas, das unter keinen Umständen zum bloßen Mittel für etwas angeblich Höheres herabgewürdigt werden darf, so drückt sich darin die fortdauernde Wirkung des Verbots des Menschenopfers aus, und auch dieses Verbot ist eine genuin jüdische Errungenschaft, die vom Christentum übernommen wurde.

Für totalitäre Bewegungen ist beides – die Toleranz und die Heiligkeit des Lebens – ein rotes Tuch. Totalitäre Ideologie beruht ja gerade darauf, sich selbst absolut zu setzen und der angeblich so erhabenen „Sache“ notfalls auch Millionen von Menschen zu opfern. Totalitäre Ideologien sind heidnische Kulte, die man als solche gerade daran erkennt, dass sie das Menschenopfer zum Ideal erheben, und die deswegen im Judentum instinktiv ihren Feind sehen. Der Hass, der den Juden gilt, und der Hass, der der freiheitlichen, individualistischen Gesellschaft des Westens gilt, ist ein und dasselbe.

Nun wird mancher, vor allem wenn er sonst diesen Blog nicht liest, fragen, was denn der Islam in diesem Zusammenhang zu suchen hat. Hat denn nicht der Islam in derselben Weise wie das Christentum die Grundwerte der jüdischen Ethik in sich aufgenommen? Und muss man nicht deswegen ganz scharf trennen zwischen der ehrwürdigen Weltreligion „Islam“ und ihrem totalitären Zerrbild „Islamismus“?

Die Antwort lautet:

Nein.

Der Islam hat vieles aus dem Judentum übernommen – um das böse Wort „abgekupfert“ zu vermeiden. Das Ethos der Selbstkritik aber und das Ethos der Heiligkeit des Lebens – das hat der Prophet Mohammed nicht nur nicht übernommen: Er hat es vielmehr explizit abgelehnt und den Juden einen Strick daraus gedreht, dass sie dieses Ethos überhaupt haben. Der Koran wertet die alttestamentlichen Selbstanklagen des jüdischen Volkes nämlich als Beweise für dessen Minderwertigkeit und hebt ausdrücklich und im Kontrast dazu hervor, die Muslime seien „die beste Gemeinschaft, die je für Menschen erstand“. Dass Juden das Leben heiligen – und auch am Leben hängen – wird im Koran explizit als Beweis gewertet, dass sie ob ihrer moralischen Verdorbenheit das Strafgericht Allahs zu fürchten hätten. Und dass der Kampf und das Töten und das Sterben für Allah – mit einem Wort: das Menschenopfer – die höchsten Ziele eines erfüllten muslimischen Lebens sind: Das wird dutzendfach wiederholt, und dies nicht nur im Koran selbst, sondern auch in der Prophetenüberlieferung. [Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich die Themenanalyse über den medinensischen Koran, Kap. III.2 von „Das Dschihadsystem“. M., 20.01.2011]

Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn Neonazis, Moslems und Linke gleichermaßen dem Antisemitismus frönen und dabei bemerkenswert wenig Berührungsängste einander gegenüber zeigen – so wenig, wie wir uns über den Hitler-Stalin-Pakt wundern müssen. Die Ideologie der totalitären Menschenverachtung ist ihnen gemeinsam; höchstens die Akzente werden unterschiedlich gesetzt.

Ähnlich argumentieren Hans-Peter Raddatz und Gunnar Heinsohn.

Nicht gerade elegant geschrieben und daher schwer verdaulich, dennoch lesenswert:

Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus. Buchcover
Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus.


Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden


Leider nur noch antiquarisch zu bekommen, wenn überhaupt:

Gunnar Heinsohn: Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt.

Der Preis der Inkonsequenz

Nun gibt es im Gazakrieg also eine Waffenruhe, eine Feuerpause, einen einseitigen Waffenstillstand, oder wie auch immer man das nennen will, was Israel heute nacht begonnen hat. Ich weiß nicht genau, welche Überlegungen für diese Entscheidung ausschlaggebend waren, aber ich vermute, dass die Rücksicht auf die Gefühle des eigenen Volkes eine maßgebliche Rolle gespielt haben, und dass der Anblick leidender Zivilisten für dieses Volk schwer erträglich ist.

Das passt sehr gut zur Grundtendenz der israelischen Politik: sich zwar zu verteidigen, und das auch mit Härte, aber dort, wo es möglich ist, auch dem Feind mit Menschlichkeit zu begegnen. Ihm zwar mit Menschlichkeit zu begegnen, aber sich deswegen nicht von ihm massakrieren zu lassen.

Es ist dies dieselbe Politik, die wir nun schon seit Jahren speziell gegenüber dem Gazastreifen beobachten können, der ja nie so „blockiert“ war, wie die Propaganda angeblich unabhängiger Medien uns vorgaukeln wollte. Sanktionen ja, aber nie so hart, dass es der anderen Seite ans Leben ginge.

Nachdem der Krieg für Israel über alles Erwarten gut gelaufen ist, die eigenen Verluste niedrig, die Kollateralschäden begrenzt, vor allem aber die Hamas schwer getroffen, wäre es konsequent gewesen, die Offensive fortzusetzen, bis die Hamas endgültig am Boden liegt. Dies nicht zu tun ist inkonsequent.

Damit wir uns richtig verstehen: Mir ist diese Art von Inkonsequenz sympathisch. Nur kommt Inkonsequenz beim westlichen Gutmenschenpublikum als Heuchelei an, bei der Hamas als Schwäche. Im Grunde wird den Islamisten mitgeteilt, dass sie eine Lebensversicherung haben, solange sie ihre Politik fortsetzen, die Zivilbevölkerung als Geisel zu nehmen. Dann nämlich wird Israel von seiner überwältigenden militärischen Stärke aus Mitleid keinen Gebrauch machen. Eine solche Politik entmutigt den Feind nicht nur nicht. Sie belohnt ihn geradezu und setzt einen Anreiz fortzufahren.

(Und was das erwähnte Gutmenschenpublikum angeht, das der Meinung ist, Israel sei verpflichtet, die Lebensgrundlagen seiner Todfeinde zu garantieren, so bestärkt man dieses Publikum noch in seinem Irrglauben, wenn man Rücksichten nimmt, zu denen man nicht verpflichtet ist.)

Vielleicht wird Israel tatsächlich bei der Hamas denselben Erfolg erzielen wie zuvor bei der Hisbollah, nämlich dass sie für eine gewisse Zeit von Angriffen abgeschreckt wird. Der Preis dafür ist aber, dass die Hamas darüber entscheidet, wann diese Zeit abläuft.

Schulljung…

… ist nicht etwa der niederrheinische Dialektausdruck für „Schuljunge“, sondern diejenige Form des Wortes „Entschuldigung“, die von jugendlichen Rabauken gewählt wird, wenn sie mangels Verstandes eigentlich gar nicht einsehen, wofür sie sich entschuldigen sollen, und es deshalb als Zumutung empfinden, wenn man sie dazu auffordert.

In seriöseren Kreisen sagt man natürlich nicht „Schulljung“, sondern greift zu Floskeln wie:

„Ich bedaure zutiefst, dass Gefühle – insbesondere jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger – verletzt wurden“, sagte der Duisburger Polizeipräsident Rolf Cebin am Dienstag. Das Entfernen der Fahnen aus einem Duisburger Wohnhaus sei „aus heutiger Sicht die falsche Entscheidung gewesen“. Die Situation sei „sehr aufgeheizt“ gewesen und die Beamten hätten „Schaden von den Beteiligten“ nehmen wollen. Der Polizeipräsident betonte: „Nach allem, was ich heute weiß, hätte ich die Situation anders gelöst, um eine Eskalation zu vermeiden. Die öffentliche Empörung verstehe ich.“

Dieses Zitat aus „Focus online“ – leider habe ich nirgendwo den zusammenhängenden Originalwortlaut finden können – verdient eine ausführliche Würdigung.

„Ich bedaure…“ ist etwas völlig anderes als „Ich bitte um Verzeihung“. „Bedauern“ kann ich auch, dass in China ein Sack Reis umgefallen ist; ein Schuldeingeständnis ist das nicht und eine Bitte um Entschuldigung auch nicht. Weswegen wir die überall verbreitete Schlagzeile „Duisburger Polizeipräsident bittet um Entschuldigung“ getrost als Zeitungsente abtun können.

„… dass Gefühle … verletzt wurden„: Das ist genau die Art von Kindergartensprech, die ich erst vor einigen Tagen ausgiebig kritisiert habe. Ich habe großen Respekt vor dem Beruf des Erziehers, und selbstverständlich verstehe ich, dass man Kindern, namentlich solchen im Vorschulalter, beibringen muss, dass nicht alles ausgesprochen werden sollte, was die Gefühle des Gegenübers verletzen könnte. Als Erwachsener sollte man aber gelernt haben, dass die Verletzung von Gefühlen sich schon im privaten Bereich schwer und im öffentlichen Raum überhaupt nicht vermeiden lässt. Die Verletzung von Gefühlen ist das Letzte, wofür die deutsche Polizei sich zu entschuldigen hätte.

Was der Duisburger Polizeipräsident offensichtlich nicht begreift, ist, dass seine Beamten nicht irgendwelche Gefühle, sondern Recht und Verfassung verletzt haben, dass sie sich zu Komplizen von Kriminellen, Terroristen und Verfassungsfeinden gemacht haben, dass sie aktiv geholfen haben, einen rechtsfreien Raum zu schaffen!

Aber freilich: Was ist in der Bundesrepublik Disneyland schon die Suspendierung der Verfassung, verglichen mit der Verletzung von Gefühlen?!

„… insbesondere jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger …“ – bilde ich mir das ein, oder sind jüdische Bürger (im Unterschied zu Mitbürgern) in diesem Weltbild tatsächlich nicht vorgesehen? Wie dem auch sei: Für Herrn Cebin muss man wohl Jude sein, um Israel zu unterstützen – was im Umkehrschluss heißt, dass ihm andere Gründe dafür nicht einfallen. Und in den Genuss einer Entschuldigung – oder vielmehr Schein-Entschuldigung – des Polizeipräsidenten kommen auch die nicht etwa deshalb, weil die Polizei ihr Fehlverhalten einsähe, sondern weil die Political Correctness es erfordert, gegenüber „jüdischen Mitbürgern“ so etwas wie eine Entschuldigung wenigstens vorzutäuschen (und ihnen im stillen Kämmerlein einen Vorwurf daraus zu machen). 

„… aus heutiger Sicht die falsche Entscheidung…“ Was ist denn der Unterschied zwischen der „heutigen“ und der damaligen Sicht? Der Unterschied ist, dass die Öffentlichkeit sich empört.  „Aus heutiger Sicht“ bedeutet also: „Ich entschuldige mich zwar so lala, aber nur unter dem Druck der öffentlichen Meinung.“ Oder auch : „Schulljung“. 

 „… hätte ich die Situation anders gelöst …“ Ganz nebenbei wird den kleinen Schupos vor Ort, die letztlich nur das umsetzen, was Politik und Polizeiführung, also Leute wie Cebin, ihnen vormachen, der Schwarze Peter zugeschoben: Er, der Polizeipräsident, hätte die Situation natürlich gaaanz anders gelöst.

„…um eine Eskalation zu vermeiden…“ Wieder fühlt man sich an das Babyblabla erinnert, dass aus dem Fernseher tropft, sobald vom Gazastreifen die Rede ist. So, wie es auch dort nicht um die Zerschlagung einer Terrororganisation geht, sondern um ein „Ende der Gewalt“ (Ich verweise nochmals auf meinen Artikel „Phrasenschweine oder: Die Sprache des Kindergartens“), so geht es auch im Inland nicht darum, Recht und Ordnung zu schützen und damit die Freiheit jedes Bürgers zu verteidigen, sondern „eine Eskalation zu vermeiden“.

Nach dem Motto: „Wer freiwillig die Beine breit macht, wird nicht vergewaltigt“!

„Die öffentliche Empörung verstehe ich.“ Natürlich versteht er in Wirklichkeit gar nichts, aber selbst wenn er die Empörung verstünde, dies die Botschaft, teilte er sie nicht.

Ich sage es noch einmal, weil man es nicht oft genug sagen kann:

Ein Staat, der nicht in der Lage ist, das von ihm selbst gesetzte Recht durchzusetzen, der seinen Bürgern keine Sicherheitsgarantie gibt, sie vielmehr der Willkür privater Gewalttäter ausliefert, ist nicht nur kein Rechtsstaat, sondern überhaupt kein Staat.

Wir wussten schon lange, dass es Menschen gibt, die die Staatsauflösung zu Ideologie erhoben haben. Wenn der Staat selbst aber eine solche Ideologie vertritt und dabei Grundbegriffe der Rechtsstaatlichkeit („Verhältnismäßigkeit“) in ihr Gegenteil verkehrt, und wenn diese Ideologie, wie wir gesehen haben, mit den höchsten Polizeirängen schon den Kern des Staatsapparates verseucht hat, dann reicht die Krise des demokratischen Gemeinwesens weitaus tiefer, als ich mir selbst in meinen Alpträumen hätte vorstellen können. Das bedeutet dann nämlich, dass selbst ein sofortiges Umsteuern der Politik hin zu den Prinzipien der wehrhaften Demokratie möglicherweise vom Polizeiapparat sabotiert würde.

Islamisierung: Die Herrschaft des grünen Pöbels

Neue Rhein Zeitung, 12. Januar 2009:

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den Verlauf der Duisburger Demonstration gegen den israelischen Militäreinsatz hart kritisiert. (…) ‚…offensichtlich bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter das Maß der Meinungsfreiheit in Deutschland‘, sagt der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, der NRZ. Hintergrund: Auf dem Marsch zum Kundgebungsort in der Innenstadt hatten Teilnehmer ein Haus unter anderem mit Steinen attackiert, in dessem dritten Obergeschoss gut sichtbar eine israelische Fahne im Fenster hing. Pressefotos und ein Video im Internetportal ‚Youtube‘ belegen, dass Polizisten die Fahne abhingen, worauf die Demo-Teilnehmer mit Rufen wie ‚Gott ist groß‘ ihre Befriedigung über die Polizei-Aktion zum Ausdruck brachten.

(…)

Der Sprecher der Duisburger Polizei, Ramon van der Maat, verteidigte auf NRZ-Anfrage das Vorgehen der Polizei und machte den Besitzern der Wohnung den Vorwurf, sie hätten ’nur provozieren‘ wollen. ‚Bevor mir eine eigentlich friedliche Demonstration entgleitet, muss ich in solchen Fällen handeln.‘ Wer die muslimischen Mitbürger kenne, wüsste, dass sie emotional oft schnell in Fahrt gerieten. ‚Da müssen Sie als Polizeiführer sehr schnell entscheiden, und hier wurde der richtige Weg gewählt.‘

Das Handeln der Polizei sah dann konkret so aus, dass Beamten die Tür der betreffenden Wohnung eintraten, ‚da die Besitzer nicht anzutreffen waren‘, so van der Maat. Anschließend wurde die Fahne entfernt, Augenzeugen sprachen davon, sie sei regelrecht heruntergerissen worden. Für den Polizeisprecher hat die Polizei die ‚Verhältnismäßigkeit‘ gewahrt. (…)“

[Der ursprünglich hier gesetzte Verweis ist nicht mehr gültig.]

Der Vorgang selbst bedarf – zumindest aus meinem Munde – keiner ausführlichen Kommentierung. Der deutsche Staat stellt die Rechte seiner Bürger zur Disposition des Pöbels. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden nicht mehr vom Grundgesetz gezogen, sondern vom Mob. (Wer es ausführlicher gewürdigt haben möchte, dem lege ich meinen Artikel „Der kalte Staatsstreich“ ans Herz. Wärmstens. Insbesondere die fettgedruckte Schlusspassage empfehle ich Eurer besonderen Aufmerksamkeit.)

Frappierend ist allerdings der Umstand, dass die zutreffende Aussage

Offensichtlich bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter das Maß der Meinungsfreiheit in Deutschland“

ausgerechnet von dem sonst geistig dauerüberforderten Generalsekretär des Zentralrats der Juden stammt. Falsch an diesem Statement ist einzig das Wörtchen „jetzt“ („…bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter…“), als wenn dieser Zustand nicht schon seit geraumer Zeit bestünde.

Offensichtlich wurde er spätestens, als der rote Mob den Anti-Islamisierungkongress in Köln gewaltsam verhinderte, und zwar unter wohlwollender Duldung der Polizei. Und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dessen ehrwürdige Vorsitzende, die damit bewies, dass Alter vor Torheit nicht schützt, fand es damals nämlich

unglaublich, dass in der heutigen Zeit die braune Brut [gemeint waren die Organisatoren des Kongresses, M.] die Möglichkeit hat, das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Religion zu stören“,

womit sie die Suspendierung der Meinungsfreiheit gleichsam koscher stempelte.

Hoffen wir, dass die Vorgänge von Duisburg (oder auch weniger spektakuläre wie dieser hier) wenigstens den einen Vorteil haben, bei den Verantwortlichen des Zentralrats einen Denkprozess anzustoßen, und hoffen wir, dass dieser Prozess noch vor dem Jüngsten Gericht – und tunlichst auch, bevor in Deutschland die Scharia eingeführt wird – zu den Erkenntnissen führt,

– dass die Bürgerrechte auch von Juden durch das Grundgesetz geschützt werden, nicht durch Political Correctness, sprich durch linken und islamischen Meinungsterror,

– dass sie am besten bei einem Rechtsstaat aufgehoben sind, der bereit ist, dieser Rechte gegebenenfalls auch mit Gewalt zu schützen,

– dass es selbstmörderisch ist, die schleichende Selbstauslöschung dieses demokratischen Rechtsstaates zu dulden,

– dass die Islamisierung unseres Landes, das heißt das Zurückweichen der Gesellschaft vor den Machtansprüchen einer totalitären Religion in vollem Gange ist,

– und dass dieser Prozess, wenn er nicht gestoppt wird, enden wird wie alle historischen Islamisierungsprozesse: nämlich damit, dass Juden und Christen gleichermaßen auf den Status entrechteter Untermenschen gedrückt werden!

Wer hat Angst vor einem Palästinenserstaat?

Scharons politisches Meisterstück: der Abzug aus dem Gazastreifen

Viele Israelis werden es bezweifeln, ich aber glaube, dass Ariel Scharons Schachzug, den Gazastreifen zu räumen, ob seiner Genialität in jedes Lehrbuch der Politik gehört. Wer immer geglaubt hatte, die Palästinenser hätten vor allem ein Interesse am Ende der Besatzung und an der Errichtung eines eigenen Staates, wurde eines Anderen belehrt, und es waren die Palästinenser selbst, die diese Lehre erteilten.

Gerade die Tatsache, dass die schlicht Unbelehrbaren, also Leute vom Schlage eines Norman Paech, die Räumung leugnen und den Streifen allen Ernstes als immer noch besetztes Gebiet sehen wollen, zeigt, wie sehr die palästinensische Propaganda durch diesen Akt an Glaubwürdigkeit verloren hat. Es zeigt zugleich, dass es den pro-palästinensischen Aktivisten hierzulande nicht darum geht, den Palästinensern zu helfen, sondern Israel zu schaden.

Was wollen die Palästinenser eigentlich?

Wäre es das Ziel der Palästinenser gewesen, die Besatzung zu beenden, so war dieses Ziel in Bezug auf den Gazastreifen mit dem Abzug im August 2005 erreicht, und es war offensichtlich, dass die israelische Politik darauf abzielte, auch das Westjordanland zu räumen. Die Raketen, die seitdem vom Gazastreifen auf Israel abgefeuert wurden, konnten demgemäß nur als Aufforderung verstanden werden, das Westjordanland nicht zu räumen (weil sonst auch von dort die Raketen fliegen würden).

Wäre es ihr Ziel gewesen, einen eigenen Staat zu errichten, so kann – wiederum seit August 2005 – absolut niemand sie daran hindern. Dieser Aspekt wird wenig gesehen, deshalb möchte ich ein wenig darauf eingehen:

Nach klassischer völkerrechtlicher Theorie existiert ein Staat dann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:

– ein Staatsvolk,

– eine Staatsgewalt,

– ein Staatsgebiet.

Die Palästinenser erheben bekanntlich den Anspruch, eine Nation im politischen Sinne zu sein; die Existenz eines potenziellen Staatsvolks wird man also unterstellen dürfen.

So etwas wie Staatsgewalt existiert ebenfalls in Gestalt der Autonomiebehörde bzw. (seit dem Hamas-Putsch im Streifen) in Form der Hamas-Behörden.

Seit Israel seine Truppen zurückgezogen und den Gazastreifen zu Ausland erklärt hat, existiert dort auch ein potenzielles Staatsgebiet – da ja kein anderer Staat auf den Streifen Anspruch erhebt, auch Ägypten nicht.

Es ist wichtig zu wissen, dass es bei Vorliegen dieser drei – rein faktischen! – Voraussetzungen nicht darauf ankommt, ob Drittstaaten einen neuen Staat anerkennen oder nicht!

Zumindest im Gazastreifen – vorläufig allerdings nur dort – könnten die Palästinenser seit August 2005 also jederzeit  einen vollwertigen Staat gründen, und sie wären dabei von niemandes Erlaubnis abhängig, auch nicht von der Israels. Wenn sie das nicht tun, heißt dies, dass sie es nicht tun wollen.

Warum?

Vielleicht weil dies den Verzicht auf alle Gebiete außerhalb des Gazastreifens bedeuten würde? Mitnichten. Niemand könnte einem palästinensischen Staat verwehren, offiziell Anspruch auf das Westjordanland zu erheben, so wie auch niemand der alten Bundesrepublik verwehren konnte, die Wiedervereinigung als Staatsziel zu proklamieren.

Ob er das Westjordanland – oder was immer er sonst fordern würde – tatsächlich bekäme, stünde natürlich auf einem anderen Blatt, aber er würde den Anspruch nicht schon dadurch verwirken, dass er ihn nicht sofort durchsetzen könnte.

Einen eigenen Staat haben heißt aber: Pflichten haben!

Und genau hier liegt der springende Punkt:

Ein Palästinenserstaat könnte nämlich nicht nur, er müsste seine Ansprüche explizit zu Protokoll geben! Und das würde bedeuten, dass die Hamas die Vernichtung Israels nochmals, und diesmal mit dem ganzen Gewicht einer staatlichen Willensbekundung, vor aller Welt fordern – oder dieses Ziel aufgeben müsste.

Und natürlich müsste ein Staat die Verantwortung für die militärischen Angriffe auf sich nehmen, die von seinem Territorium gegen das Nachbarland vorgetragen werden. Für die Wahrnehmung des Konflikts durch die Augen selbst des verblödeten westlichen Publikums würde es vermutlich einen Unterschied bedeuten, ob zwei Staaten gegeneinander kämpfen, oder ob man denselben Konflikt – so wie jetzt – als Konflikt zwischen einem Staat und einer auswärtigen „Zivilbevölkerung“ verkaufen könnte.

Die Existenz eines eigenen Staates würde den Palästinensern nicht nur Rechte verschaffen, die sie haben wollen, sondern auch Pflichten auferlegen, die sie nicht haben wollen. Insbesondere solche Pflichten, die sie daran hindern könnten, ihr Nachbarvolk zu massakrieren.

Deshalb wollen sie ihn nicht.

Phrasenschweine oder: Die Sprache des Kindergartens

Unter Sportreportern ist es guter Brauch, dass der, der eine Phrase absondert – etwa: „Das Eins-zu-Null hat dem Spiel gutgetan“ – fünf Euro ins Phrasenschwein werfen muss. Behaupten sie jedenfalls. (Es gab sogar einmal unter dem Titel „So werde ich Heribert Faßbender“ eine regelrechte Phrasensammlung.) Ich weiß nicht, ob besagtes Schwein wirklich existiert, aber es sollte existieren – fünf Euro sind jedenfalls eine gerechte Strafe für „So kann’s gehen im Fußball“.

Gerecht wäre natürlich auch, wenn die politischen Journalisten gleichermaßen zur Kasse gebeten würden, zum Beispiel für Sätze wie:

„Ein Ende der Gewalt im Gazastreifen ist nicht in Sicht.“

Wenn für Phrasen dieser Art keine fünf Euro abgedrückt werden müssen, dann dürfte das vor allem daran liegen, dass sie gerade wegen ihrer Banalität geballte Ideologie transportieren.

Was so beiläufig daherkommt, dass man es kaum noch hört, enthält in jedem Falle die Botschaft: „Ich bin eine Selbstverständlichkeit.“ Und worin besteht die?

Von Journalisten erwartet man, dass sie das treffende Wort finden. Für das Geschehen im Gazastreifen also das Wort „Krieg“, nicht das unspezifische „Gewalt“, das auch für eine Ohrfeige oder ein Wirtshausprügelei stehen kann. Den meisten Europäern ist aber noch erinnerlich, dass Krieg irgendetwas mit Politik zu tun hat, und dass meistens zwei Parteien gegeneinander kämpfen. Das Wort „Krieg“ würde also sofort fünf Fragen provozieren:

Wer kämpft

gegen wen

aus welchem Grund

mit welchem Ziel

und mit welchem (vorläufigen) Ergebnis?

Also fünf politische Fragen, die man auch politisch beantworten müsste.

Die sich aber erübrigen, sobald nur von „Gewalt“ die Rede ist. „Gewalt“ ist das Sinnlose und obendrein Böse, und deswegen geht es bei ihr nur darum, ob irgendein „Ende in Sicht“ ist. Das ist die Ideologie „Krieg ist keine Lösung“, versteckt in einem einzigen Wort und mit diesem in die Köpfe der Hörer, Leser und Zuschauer geschmuggelt, die gar nicht erst die Chance bekommen (sollen), irgendetwas zu hinterfragen.

Denn natürlich ist es Unsinn zu behaupten, Krieg sei keine Lösung. Krieg setzt einen politischen Konflikt voraus. Gelingt es, diesen friedlich zu lösen: gut. Wenn nicht, ist der Krieg der deadlock breaking mechanism. Eine Partei zwingt der anderen eine Lösung auf, sobald sie deren Gewaltpotenzial zerschlagen hat. Das ist ein unerfreulicher Vorgang, aber zu einer Lösung führt er allemal. Diejenigen Fälle, in denen Krieg wirklich „keine Lösung“ war – man denke an den Dreißigjährigen Krieg – sind die, in denen es nicht zu einer militärischen Entscheidung kam.

Weil das so ist, lautet die einzig interessante Frage im Zusammenhang mit einem Krieg nicht, ob ein „Ende in Sicht“ ist, sondern:

Wer gewinnt?

Für Drittstaaten kommt die Frage hinzu: Ergreife ich Partei und, wenn ja, für wen?

(Ich weiß, das sind alles Platitüden, und bis vor wenigen Jahren wusste das auch Jeder. Heute aber – heute leben wir einer Zeit, wo man beweisen muss, dass der Regen von oben nach unten fällt, nicht etwa umgekehrt.)

Heute kommen diese Drittstaaten gar nicht auf die Idee, so zu fragen. Stattdessen fordern sie – na was wohl? – ein „Ende der Gewalt“, und höchstrangige Delegationen reisen in die Region, um „zu vermitteln“ (wohlgemerkt: zwischen einem demokratischen Staat und einer faschistischen Terrororganisation; dass Beide somit gleichrangig seien, ist eine weitere ideologische Setzung, die man uns unterjubelt, ohne uns zu fragen).

Sarkozy und Assad - Staatsmänner unter sich, voll Sorge um den Weltfrieden

Erfreulicherweise – denn die Liquidierung der Hamas ist nun weiß Gott wünschenswert – haben diese Missionen keine Ergebnisse, sie dienen ja auch nur der gockelhaften Selbstinszenierung von Politikern, die möglicherweise selber glauben, dies sei Politik.

Erwachsene Menschen im Dienste des Mediensystems bringen es dann fertig, über die Scheinaktivitäten dieser – pardon! – aufgeblasenen Hampelmänner zu berichten, ohne in schallendes Gelächter auszubrechen. Täten sie es, müssten sie ja zugeben, dass es Wichtigeres gibt als die Frage, ob „ein Ende der Gewalt in Sicht“ ist.

So aber entpolitisiert man den Zuschauer, macht man aus einer politischen eine moralische Frage, spült man jeden Gedanken mit Emotionen weg, suggeriert man eine pazifistische Ideologie, und spielt man sich als Volkspädagoge auf, dessen Publikum die Reife von Kindern im Vorschulalter hat: „Seid doch lieb zueinander! Krieg ist keine Lösung! Der Klügere gibt nach!“

Diese Art Journalismus zielt unzweideutig darauf ab, den Zuschauer in einen Zustand infantiler Urteils-Unfähigkeit zu versetzen, und niemand sollte sich über Moderatoren wundern, die wie umgeschulte Kindergartentanten nicht nur aussehen,

Hannelore Fischer, ARDSusanne Conrad, ZDF

sondern sich auch eines dazu passenden Tonfalls befleißigen. Das Deprimierende daran ist, dass dieses Konzept funktioniert: dass sich die Nation also tatsächlich aufs Töpfchen setzen lässt und sich mit dem Daumen im Mund Gute-Nacht-Geschichten anhört.

Würden wir uns in der Sportberichterstattung die journalistischen Standards bieten lassen, die man uns dort zumutet, wo es um unsere vitalen Interessen geht, so klänge das Ergebnis ungefähr so:

Ein Ende dieses brutalen Macho-Spiels, in dem so viel gefoult wird, ist nicht in Sicht. Die Anwohner leiden unter dem Lärm. Der Versuch des französischen Staatspräsidenten, das Spiel vorzeitig abzupfeifen, ist gescheitert. Unsere Quellen vor Ort verraten uns den Spielstand nicht.“

So etwas hat Heribert Faßbender nie getan.

Vom Weltbild der Israel-Hasser

Es ist oft gefragt worden, warum unter den vielen Krisenherden dieser Welt ausgerechnet der im Nahen Osten immer wieder ganz besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Von den denkbaren und plausiblen Antworten auf diese Frage scheint mir eine ganz besonders einleuchtend:

Dieser Konflikt enthält in sich gleichzeitig die Konflikte

  • zwischen dem Westen und dem Islam,
  • zwischen Freiheit und Totalitarismus,
  • zwischen der ordnenden und geordneten Gewalt des Staates und der chaotischen, entgrenzten und vagabundierenden Gewalt von Warlords, Terroristen und Kriminellen,
  • zwischen dem Recht als einer rationalen, Sicherheit und Berechenbarkeit verbürgenden Ordnung und der „Gerechtigkeit“ als der Entrechtung des Stärkeren und Selbstermächtigung des Schwächeren zu Willkür und Gewalt.

Es handelt sich also um genau diejenigen Konflikte, deren Ausgang über den Fortbestand der westlichen Zivilisation, wahrscheinlich sogar der Zivilisation schlechthin, entscheiden wird – um diejenigen, die oft unausgesprochen, verdeckt, vermischt und verleugnet den Subtext der Weltpolitik bilden, die aber nirgendwo so klar, so konzentriert, so bis zur äußersten Feindschaft gesteigert zutage treten wie eben im Nahen Osten. Weil das so ist, lässt sich das politische Weltbild eines Menschen an seiner Einstellung zum Nahostkonflikt wie an einer geeichten Skala ablesen.

Sage mir, wie Du zu Israel stehst, und ich sage Dir, wer Du bist.

Nehmen wir nur – pars pro toto – das unsagbar dumme Gerede über die „Verhältnismäßigkeit“, die Israel angeblich missachtet. In den Worten eines gewissen Ulrich Leidholdt, der als ARD-Korrespondent (also auf Kosten des Gebührenzahlers, der sich nicht dagegen wehren kann, dass sein sauer verdientes Geld zur Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen veuntreut wird) in Amman sein Unwesen treibt:

„16 Tote in Israel durch Hamas-Raketen aus Gaza in sieben Jahren – rechtfertigt das 300 Tote an nur einem Tag durch die Israels Luftwaffe?“

Wie sieht eigentlich das Weltbild eines Menschen aus, der es fertigbringt, einen solchen Satz zu schreiben? Ungefähr so: Einen Mord darf man nur dann im Wege der Nothilfe (bzw. Notwehr) verhindern, wenn die Zahl der Täter und Helfershelfer die der Opfer nicht übersteigt. Sollte also Herr Leidholdt eines Tages in die bedauernswerte Situation geraten, auf den Straßen von Amman von einer wütenden Menge gelyncht zu werden, die seine Kommentare nicht militant genug fand, so müsste die jordanische Polizei ihm sagen: „Tut uns leid, Herr Leidholdt, um Ihnen – also einem Menschen zu helfen, müssten wir mehrere Menschen töten, und das wäre unverhältnismäßig. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass Sie sich aufhängen lassen müssen.“

(Zugunsten der jordanischen Polizei möchte ich annehmen, dass ihre Ausbilder juristisch hinreichend geschult sind zu wissen, dass die Verantwortung für eine Tötung in Notwehr/Nothilfe denjenigen trifft, der die Notwehrsituation herbeigeführt hat, und dass sich deswegen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gar nicht erst stellt! Weniger geschwollen ausgedrückt: Wer einen Anderen zwingt, ihn zu töten, ist selbst schuld.)

Analoges gilt für die hysterische Empörung über die zivilen Opfer des Krieges. Es ist zutreffend, dass jede Kriegspartei verpflichtet ist, die Schädigung, insbesondere Tötung von Nichtkombattanten nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Norm hängt aber nicht in der Luft, sondern findet ihre logische und notwendige Ergänzung in dem strikten Verbot, den Unterschied zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten zu verwischen. Wer das trotzdem tut, indem er Kämpfer oder militärische Einrichtungen nicht als solche kennzeichnet, Zivilisten Waffen schmuggeln lässt, Raketen von Schulhöfen abfeuert, Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, Munition in Moscheen lagert usw., begeht damit ein schweres Kriegsverbrechen und ist verantwortlich für alle daraus resultierenden zivilen Opfer.

Oder erinnern wir uns an die Empörung darüber, dass Israel nicht bereit war, mit der Hamas offizielle Verhandlungen aufzunehmen: Dies bedeute die Nichtanerkennung einer gewählten Regierung. Das ist zwar Unsinn, aber lassen wir es mal so stehen. Der Umkehrschluss lautet aber, dass das palästinensische Volk, indem es der Hamas ein Mandat erteilt hat, und dies sehenden Auges, für deren Handlungen verantwortlich ist.

Wenn man das Weltbild der westlichen Israelhasser gestützt nur auf diese Beispiele – die Liste lässt sich mühelos verlängern – zusammenfasst, so lautet es,

  • dass gesetztes Recht Unrecht ist,
  • dass Staaten nur Pflichten haben (insbesondere die Pflicht zum Gewaltverzicht),
  • private Akteure aber nur Rechte (einschließlich des Rechts auf willkürliche Gewaltanwendung),
  • dass demgemäß Staaten für alles verantwortlich sind, Private aber für nichts,
  • dass Demokratien, weil sie Staaten sind, kein Recht auf Selbstverteidigung haben, auch nicht gegen totalitäre Bewegungen, auch nicht gegen Terroristen,

…und dass insbesondere Israel nicht das Recht hat zu existieren. Preisfrage: Ist das Antisemitimus?

Ich würde sagen: Nein.

Natürlich ist Antisemitismus in westlichen Gesellschaften weit verbreitet, und es wäre ganz merkwürdig, wenn er im Zusammenhang mit Israelfeindlichkeit nicht zum Vorschein käme – denken wir nur an die unsägliche Bettina Marx und ihre „reichen Juden“ -, aber die skizzierte Ideologie funktioniert auch ganz und gar ohne Antisemitismus.

Wer den Staat – den Ordnungsstaat, den Rechtsstaat, den Nationalstaat – schlechthin ablehnt, wäre ganz inkonsequent, wenn er gerade für Israel eine Ausnahme machte. Wer Recht, Gesetz und Ordnung schlechthin für antiemanzipatorisch hält, muss kein Antisemit sein, um auch das israelische Recht zu verachten. Wer alle westlichen Völker einschließlich des eigenen hasst, hasst auch das jüdische.

Eine solche Ideologie ist nicht antisemitisch, sondern antizivilisatorisch! Es ist genau diejenige Ideologie der Entstrukturierung, der Auflösung und des Chaos, die den destruktiven Kern linker Ideologie darstellt. (Dass diese anarchistische Ideologie regelmäßig nicht in der herrschaftsfreien, klassenlosen oder sonstwie beglückten Gesellschaft mündet, sondern im Totalitarismus, liegt in der Natur der Sache und bedarf keiner Erläuterung.)

Der Nahostkonflikt ist der Lackmustest, der diesen Sachverhalt sichtbar macht.

Pizza für den Sieg!

Als ich vor ein paar Wochen den Artikel „Strategien des Gegendjihad“ schrieb, hatte ich eines der wichtigsten Elemente einer solchen Strategie glatt zu erwähnen vergessen, nämlich die Unterstützung Israels als desjenigen Staates der westlichen Welt, der am stärksten unter Druck steht, und der zugleich erfreulicherweise derjenige ist, der am wenigsten Bereitschaft zeigt, diesem Druck nachzugeben.

Wie aber unterstützt man einen Staat, der sich im allgemeinen ganz gut selber zu helfen weiß? Verbale Solidarität ist ja schön und gut, aber gibt es nicht irgendetwas Handfesteres? Lila gibt in ihrem Blog die Antwort, und diese Antwort leuchtet mir unmittelbar ein, erstens, weil ich selber ziemlich verfressen bin, zweitens, weil Liebe immer durch den Magen geht.

Ich erinnere mich deutlich an meine Bundeswehrzeit und daran, dass die Verpflegung zu meinem tiefen Verdruss nach Qualität und Quantität zu wünschen übrig ließ. Mit welchen Speisen die israelische Armee verköstigt wird, entzieht sich meiner Kenntnis; aber wenn an dem Spruch „Je besser die Armee, desto schlechter das Essen“ auch nur ein Quentchen Wahrheit ist, dann muss es ein unaussprechlicher Fraß sein.

Wie dem auch sei, liebe Leser: Springt in Eure Spendierhosen und schickt den Soldaten der IDF Liebesgrüße in Gestalt von Pizza und Cola! Kriegsentscheidend wird es nicht sein, aber dass es die Moral der Truppe hebt, davon bin ich überzeugt!

Wie man das macht – es ist wirklich ganz einfach -, steht auf der Homepage von PizzaIDF.org.

Wie deutsche Außenpolitik funktioniert

Der „Spiegel“ hat uns diese Woche wieder faszinierende Einblicke in die Abgründe deutscher Diplomatie gewährt. „Diplomatie“ bedeutet bekanntlich so viel wie „Doppelzüngigkeit“, und man wird der deutschen Außenpolitik bescheinigen müssen, dass sie es in dieser Kunst zu vollendeter Meisterschaft gebracht hat.

Doppelter Boden I: Iran

Da erfahren wir also, dass die Bundesregierung auf der einen Seite einzelne Unternehmer im Iran-Geschäft massiv behindert, dass sie Exportbürgschaften beschränkt, dass sie außerdem eine „Strategie der Entmutigung“ verfolgt nach dem Motto: „Liebe deutsche Wirtschaft, verzichte bitte auch auf legale Geschäfte mit dem Iran, es könnte ja sein, dass wir sie für illegal erklären“ – ohne letzteres zu tun.

Auf der anderen Seite nimmt sie es hin, dass das Volumen des deutsch-iranischen Handels stetig zunimmt, und drängt darauf, Sanktionen – wenn überhaupt – nur im Weltsicherheitsrat beschließen zu lassen, wo Russen und Chinesen jede durchschlagende Sanktion verhindern werden. Was man am Werderschen Markt natürlich weiß.

Einseitige Sanktionen Deutschlands, erst recht der EU, etwa bei Investitionsgütern für die Ölindustrie, würden den Iran zwar empfindlich treffen, sie wären auch ohne weiteres legal, aber sie sind politisch nicht gewollt.

Auf der einen Seite tut Berlin also mehr, als es zugibt, indem es die deutsche Wirtschaft unter Druck setzt, ohne das an die große Glocke zu hängen, auf der anderen Seite deutlich weniger, als es tun müsste, um einen messbaren Erfolg zu erzielen.

Doppelter Boden II: Irak

Dass die beiden BND-Agenten, die während des Irak-Krieges in Bagdad stationiert waren, auch für die Amerikaner spionierten, das konnte man schon immer vermuten; der „Spiegel“ hat es jetzt bestätigt. Während also Schröder und Fischer lautstark gegen den Krieg polterten, unterstützten sie direkt die Kriegführung der USA.

„Sei immer bei den Siegern, Germania!“

Die Liste der Doppelbödigkeiten ließe sich beliebig verlängern, etwa um die Beteiligung an der UNIFIL-Mission im Libanon, („Unsere Marine kreuzt vor der libanesischen Küste; das heißt, sie stellt sich bis an die Zähne bewaffnet vor ein fest verrammeltes Fenster, während die Tür – … der Landweg von Syrien her – sperrangelweit offensteht.“) oder das Engagement in Afghanistan.

Das Muster – dass nämlich Deutschland irgendetwas tut, aber stets zu wenig; immer genug, um nicht der Untätigkeit bezichtigt zu werden, und immer zu wenig, um die proklamierten Ziele zu erreichen – dieses Muster ist immer dasselbe. Und das liegt nicht etwa daran, dass Deutschland immer denselben Fehleinschätzungen aufsitzen würde. Der scheinbare Widersinn hat vielmehr Methode.

Diese Methode lautet, in internationalen Konflikten möglichst nicht Partei zu ergreifen. Kommt man aber nicht darum herum, dann ergreift man am besten Partei für beide Seiten. Dabei dosiert Berlin seine Unterstützung jeweils so, dass sie für die eine Seite wertvoll ist, der anderen aber nicht wehtut.

Auf diese Weise wird die Diplomatie – also die Doppelzüngigkeit – zur Kunstform erhoben. Eine Kunst ist es ja nicht, andere Akteure zu betrügen. Eine Kunst ist es, sich selbst in eine Position zu manövrieren, in der die Betrogenen einem noch dankbar sein müssen. Sofern einem dies gelingt, hat man überall seine Eisen im Feuer und ist stets und automatisch bei den Siegern.

Die Methode Fouché und die Methode Talleyrand

Nicht, selbst zu siegen ist also das Ziel einer solchen Politik, sondern: bei den Siegern wohlgelitten zu sein und jederzeit den Daumen im Brei zu haben. Die Geschichte kennt diesen Politikstil als den der Herren Fouché und Talleyrand, die von Beginn der Französischen Revolution bis in die Restaurationsepoche unter Louis XVIII. trotz aller Regierungswechsel fast immer in der Regierung saßen, aber natürlich nie als Regierungs- oder Staatschef – sonst wären sie ja dem nächsten Umschwung zum Opfer gefallen, statt davon zu profitieren. (Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich die wunderbare Fouché-Biographie von Stefan Zweig). Der Unterschied zwischen Beiden war fein, aber beachtenswert:

Fouché war darauf aus, Situationen herbeizuführen, in denen es von ihm, und von ihm allein abhing, wer an die Macht kam bzw. an der Macht blieb; „Verrat“, sagte er, „ist eine Frage des Datums“; für eine solche Politik des Königmachens bzw. Königmordens musste er nahe am Zentrum der Macht sein. Talleyrand dagegen seilte sich ab, wenn die Dinge sich zuzuspitzen schienen, wartete ab, bis die Würfel gefallen waren, und stellte sich dann in den Dienst des Siegers.

Das heutige Deutschland ist der Talleyrand unter den Nationen.

Deutsche Außenpolitik – funktioniert sie überhaupt?

Kann aber der Stil eines noch so durchtriebenen und erfolgreichen Politikers (Talleyrand hielt sich länger in der Regierung als Fouché) der eines ganzen Staates sein, noch dazu eines Staates von der Größe Deutschlands? Zumal wenn dieser Stil so offensichtlich opportunistisch, prinzipienlos, unaufrichtig und hässlich ist wie der der deutschen Außenpolitik? Könnte es sein, dass eine solche Politik mehr schlau ist als klug?

Grundsätzlich ist es ja wahr, dass eine Politik, von der das Wohl und Wehe von achtzig Millionen Menschen abhängt, nicht schön sein muss. Sie muss nicht moralisch wertvoll im Sinne altruistischer Prinzipien sein. Erst recht sollte sie niemandem heilige Schauer über den Rücken jagen. Sie sollte erfolgreich sein, und es ist schon einiges erreicht, wenn das Land nicht von Krieg, Anarchie oder Hungersnot heimgesucht wird. Warum also beunruhigt mich so sehr die spezielle Hässlichkeit deutscher Außenpolitik?

Ich behaupte nicht, dass meine Gedanken in diesem Punkt ausgereift wären, und ich bitte schon einmal um Verzeihung, dass ich mehr Fragen als Antworten habe.

Ich will meine Kritik aber auch nicht auf den Gemeinplatz beschränken, dass wir eines Tages dringend auf die Unterstützung Anderer angewiesen sein könnten, dass es sich dann rächen könnte, wenn wir sie heute um unsere Unterstützung betteln lassen, und dass wir den Unterschied zwischen Schlauheit und Klugheit sehr bitter zu spüren bekommen könnten. Das ist zwar so, aber mir geht es um etwas Fundamentaleres:

Nationalstolz ist eine Ressource, die in Deutschland knapper ist als anderswo, und darin liegt eine Schwäche, die latent ist, d.h. im Normalbetrieb nicht auffällt, die aber in einem Krisenfall urplötzlich zu Tage treten könnte. Ich glaube nicht, dass diese Schwäche nur, oder auch nur überwiegend, mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zusammenhängt, oder mit der Achtundsechziger-Hypothek. Sie könnte auch damit zusammenhängen, dass man so selten plausible Gründe bekommt, auf das eigene Land stolz zu sein.

Wieviel Stabilität, wieviel inneren Zusammenhalt, wieviel Loyalität und Opferbereitschaft seiner Bürger kann eigentlich ein Staat erwarten, der das Wesen seiner Politik ständig hinter schwülstigen und hohlen Phrasen verbergen muss, und dies nicht im Sinne einer schmückenden Übertreibung, sondern im Sinne einer Lüge? Der sich zur Rechtfertigung seines nie versiegenden Opportunismus auf moralische Prinzipien beruft, also auf genau das Gegenteil seiner wirklichen Motive? Der seine Bürger systematisch belügen muss, um nicht von ihnen verachtet zu werden?

Tom Segev: Die ersten Israelis

(Kurzrezension)

Ich denke mir etwas dabei, wenn ich meinen Buchempfehlungen meist Links zu Presserezensionen beifüge. In der Regel taugen die ja etwas. Dass ein Buch, das nur einen Totalverriss verdient, in der Presse fast durchweg positiv rezensiert wird, ist eine krasse Ausnahme. Und es spricht Bände, dass solche Ausnahmen vor allem bei den Büchern nicht irgendwelcher Autoren gemacht werden, sondern bei denen israelischer Autoren, die einen besonders unfairen Blick auf das eigene Land werfen.

Der israelische Historiker Tom Segev hat jüngst in einem denkwürdigen Essay für den „Spiegel“ geschrieben:

„Viele Israelis sind höchst dankbar für auswärtige Stimmen, die zum Beispiel die systematischen Verletzungen der grundlegendsten Menschenrechte in den Palästinensergebieten verurteilen. Sie wissen, dass keine Gesellschaft derartige Erscheinungen allein mit eigener Kraft aus der Welt schaffen kann. Stets braucht es auch Druck von außen. Sie sehen in solcher Kritik Schützenhilfe für ihre Bemühungen, in Israel eine gerechtere – viele sagen, eine „zionistischere“ – Gesellschaft aufzubauen. Sie kommen gar nicht auf die Idee zu behaupten, Kritik an der Unterdrückung der Palästinenser sei Ausdruck einer antiisraelischen oder antizionistischen oder gar notwendigerweise antisemitischen Einstellung.“

Abgesehen davon, dass es hanebüchener Stuss ist zu behaupten „keine Gesellschaft“ könne Menschenrechtsverletzungen „mit eigener Kraft aus der Welt schaffen“, sondern „stets“ brauche es „Druck von außen“; und abgesehen davon, dass die Ursachen für diese Menschenrechtsverletzungen von den Palästinensern selbst gezündet worden sind, zeugt es von einem haarsträubenden Demokratieverständnis, wenn der, der seine Landsleute nicht mit Argumenten überzeugen kann, dieses Defizit durch „Druck von außen“ kompensieren möchte – was ja nichts anderes bedeuten kann als die Aufforderung an die Länder des Westens, die israelische Regierung zu existenzgefährdenden Risiken zu nötigen. Zu Risiken, die diese Länder selbst in vergleichbarer Lage keineswegs eingehen würden. Auch wenn es nicht justiziabel sein mag: Im moralischen Sinne des Wortes ist für ein solches Verhalten der Ausdruck „Landesverrat“ durchaus angemessen.

Segevs Ruf als „neuer Historiker“, der die Gründungsmythen seines Landes „kritisch“ hinterfragt, gründet sich nicht nur, aber auch nicht zuletzt, auf das hier besprochene Werk, das bereits 1986 erschien, nunmehr aber erstmals in deutscher Sprache erhältlich ist.

Das Thema des Buches sind die Anfangsjahre des Staates Israel. Segev gliedert den Stoff anhand von vier Problemfeldern, die damals eine Rolle spielten. Es handelt sich um die politischen Konflikte

 

  • zwischen Juden und Arabern

  • zwischen Veteranen und Neuankömmlingen

  • zwischen Orthodoxen und Säkularen

  • zwischen Vision und Realität.

     

Hierbei geht es ihm darum, deutlich zu machen, dass zwischen dem, was man den Gründungsmythos Israels nennen könnte, und der historischen Wirklichkeit eine Kluft bestehe. Insbesondere hebt er hervor, dass viele Araber tatsächlich vertrieben worden seien, wie von ihnen selbst behauptet; dass sich die Israelis am Eigentum der geflohenen Araber bereichert hätten; dass die kulturelle Kluft zwischen askenasischen (europäischen) und sephardischen (orientalischen) Juden so tief gewesen sei, dass die gegenseitigen Vorurteile an Rassismus grenzten; dass viele Einwanderer lange in Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen mussten; dass es eine nationale Identität der Israelis nicht von Anfang an gegeben habe, und dass sie, soweit es sie gab, vielfach mit der jüdischen in Konflikt lag; dass in den ersten Jahren die israelische Wirtschaft eine Kriegs- und Planwirtschaft war, die von einer kafkaesken Bürokratie dirigiert wurde. Außerdem schildert Segev ausführlich das Ringen um den religiösen bzw. säkularen Charakter des entstehenden Staates.

Nun ist nichts leichter – oder sollte für den Historiker nichts leichter sein -, als Geschichtsmythen zu demontieren. Solche Mythen können in einem geschichtswissenschaftlichen Sinne nicht „wahr“ sein, weil sie eine politische, keine wissenschaftliche Funktion erfüllen. Die Frage ist, was der Historiker dem jeweiligen Mythos entgegensetzt.

Israel ist ein demokratischer Nationalstaat mit starken Minderheiten. Es konnte nicht ausbleiben, dass die inneren Widersprüche des Konzepts „demokratischer Nationalstaat“ sich gerade in der Gründungsphase dieses Staates schmerzhaft bemerkbar machen würden:

Es gibt letztlich keine Demokratie ohne Nation; und zwar deshalb nicht, weil die Akzeptanz demokratischer Entscheidungen durch die im Einzelfall unterlegene Minderheit davon abhängt, dass diese Minderheit sich als Teil des Ganzen fühlt. Ethnische und nationale, d.h. auf Dauer gestellte und obendrein politisierte Minderheiten sind für jede Demokratie eine – unter Umständen existenzielle – Belastung.

Zugleich gibt es keine Demokratie ohne Liberalität, sprich ohne individuelle Grundrechte, ohne Gleichheit vor dem Gesetz und ohne eine Rechtsstaatlichkeit, die den Einzelnen als Bürger ohne Rücksicht auf ethnische Zugehörigkeit behandelt.

Demokratie erfordert also die Existenz eines Kollektivs (der Nation) und zugleich dessen Ignorierung. Diesen Widerspruch muss jeder demokratische Staat aushalten, der mit ethnischen Minderheiten zu tun hat, und es gibt keine Möglichkeit, ihn nach der einen oder anderen Seite aufzulösen. Dementsprechend konnte der Anspruch Israels, ein jüdischer Staat zu sein, in dem aber vollständige Gleichberechtigung herrschen würde, nie mehr sein als eben dies: ein Anspruch.

(Es war und ist aber auch nicht weniger als ein Anspruch, und zwar einer, der sehr wohl praktische und für die israelischen Araber positiv fühlbare Konsequenzen hat).

Tom Segev hätte diesen – oder auch irgendeinen anderen – analytischen Bezugsrahmen entwickeln können, um die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit zu erklären. Das hat er aber nicht getan. Stattdessen nervt er den Leser mit Details, die er unaufhörlich auf ihn einplätschern lässt, ohne dass ein roter Faden erkennbar würde, und verzichtet im Wesentlichen auf die theoretische Einordnung. Nicht einmal das Spiel „Was-wäre-gewesen-wenn“, mit dem Historiker sonst gerne Problemlagen verdeutlichen, gönnt er dem Leser. Er versucht gar nicht erst, den Handlungsspielraum der politisch Verantwortlichen analytisch auszuloten. Stattdessen stellt er dort, wo er überhaupt problematisiert, mit einer für einen Historiker erstaunlichen Naivität Anspruch und Wirklichkeit einander gegenüber und belässt es bei einer analytisch substanzlosen moralischen Anklage:

Wenn er zum Beispiel referiert, dass israelische Politiker überlegten, bevorzugt junge, qualifizierte und nicht zuletzt kampffähige (statt alter und kranker) Einwanderer ins Land zu holen, und dies zu einem Zeitpunkt, wo der Staat von Einwanderern geradezu überrannt wurde und nicht wusste, wo und wie er sie unterbringen sollte, dann kommentiert Segev naserümpfend, dies sei eher eine israelische als eine jüdische und nicht einmal eine zionistische Sichtweise (S.183).

Segevs eigene Sichtweise ist die dabei die des kleinen Max, der soeben festgestellt hat, dass der Weihnachtsmann nicht existiert, sich aber noch nicht zu der Erkenntnis durchgerungen hat, dass der Weihnachtsmann gar nicht existieren kann; sondern der seine Nichtexistenz damit erklärt, er müsse wohl ermordet worden sein. Und sich auf die Suche nach dem Mörder macht.

Bleibt nur die Frage, wieso ein derart schlechtes Buch zwanzig Jahre nach seinem ursprünglichen Erscheinen auf den deutschen Markt geworfen werden und Lesern präsentiert werden muss, die mehrheitlich wahrhaft mehr als genug Vorurteile gegen Israel hegen.

Linke und rechte Islamkritik

Als ich vor fünf Monaten den Wahlsieg von Barack Obama vorhersagte – der Herr vegebe mir meine Eitelkeit! -, war ich hin- und hergerissen: einerseits ein beeindruckender und sympathischer Politiker, andererseits diese verdächtige Verwurzelung in einem das eigene Land hassenden Milieu, das unklare Verhältnis zum Islam, der zweite Vorname „Hussein“. (Auch seine Unerfahrenheit, aber die soll heute nicht das Thema sein). Die Frage, auf die es für mich hinauslief, lautete: Was für eine Sorte von linkem Politiker ist Obama eigentlich?

Es gibt nämlich zwei Arten, links zu sein: Offiziell bedeutet „Links sein“ das Eintreten für Emanzipation, Aufklärung, Toleranz, Demokratie, Gerechtigkeit. Wer sieht, wie linke Politik tatsächlich funktioniert, und zwar ohne sie sich schönzureden, stellt einen schreienden Widerspruch zwischen Theorie und Praxis fest, wobei die Praxis nicht etwa die wenn auch unvollkommene Verwirklichung der Theorie bedeutet, sondern die Verwirklichung von deren Gegenteil. Es geht regelmäßig nicht darum, die Machtlosen zu er-mächtigen, sondern darum, die Mächtigen zu entmachten, und sei es um den Preis der Zerstörung der Gesellschaft überhaupt. Das ist das Links-sein aus Ressentiment, und es ist nur folgerichtig, dass diese Sorte von Linken keine Bedenken hat, sich mit dem Islam zusammenzutun, also derjenigen Ideologie, die sich ebenfalls der Zerstörung unserer Gesellschaft verschrieben hat.

Die Widersprüche zwischen dem proklamierten Antirassismus der Linken und dem nicht einmal getarnten Antisemitismus des Islam, zwischen Pazifismus und Palituch, zwischen der Hysterie, mit der nach Frauenfeindlichkeit noch in den Regeln der deutschen Grammatik gefahndet wird, und der Sympathie für eine in sich frauenfeindliche Religion und Kultur – diese Widersprüche sind rein akademischer Natur. Politisch und psychologisch sind die totalitäre Linke und der totalitäre Islam Zwillinge, und zwar eineiige Zwillinge.

Man sollte allerdings bei aller Kritik nicht übersehen, dass es hier und da auch solche Linken gibt, wie ich selber mal einer war: also Menschen, die das emanzipatorische Programm ernstnehmen, und die deswegen auch so etwas wie eine linke Islamkritik formulieren. Alice Schwarzer zum Beispiel.

Man wird nicht behaupten können, dass solche Menschen auf der Linken die Mehrheit bilden – das können sie nicht – aber es gibt sie. Es könnte sein, dass Barack Obama zu dieser Sorte gehört.

Main Thema ist heute allerdings gar nicht der künftige amerikanische Präsident; es ist an einem Tag wie dem heutigen nur ganz unmöglich, einen politischen Artikel zu schreiben, ohne den Namen „Obama“ zu erwähnen. Mein Thema ist das Verhältnis von linker und rechter Islamkritik und die Frage, ob es da einen gemeinsamen Nenner gibt.

Die linke Islamkritik, wo sie denn vorkommt, konzentriert sich auf die antiemanzipatorischen Aspekte des Islam: seine Demokratiefeindlichkeit, den Antisemitismus, die Gewaltverherrlichung, überhaupt seinen unzweideutig faschistischen Charakter. Es passt ins Bild, dass Nazis heute wie vor siebzig Jahren oft ein ausgesprochen positives Bild vom Islam haben, und dass ein Mann wie Horst Mahler der Meinung ist, die „nationalen Kräfte“ müssten sich mit dem politischen Islam zusammentun, um den „westlichen Imperialismus“ zu bekämpfen.

Die rechte Islamkritik operiert vorwiegend mit dem grundlegenden Bezugsrahmen von Eigenem und Fremdem und verteidigt das Eigene, das von dem Fremden bedroht wird. Etwas überspitzt könnte man sagen, dass Demokratie, Liberalität, Toleranz dabei als konstitutive Merkmale des Eigenen gleichsam en passant mitverteidigt werden; ungefähr so, wie die linke Islamkritik die gewachsene Kultur des Westens gewissermaßen zufällig mitverteidigt, wenn sie die Einhaltung emanzipatorischer Standards auch von muslimischen Gemeinschaften fordert.

Sind aber Unterschiede dieses Kalibers so fundamental, dass ihretwegen der linke und der rechte, allgemein gesprochen die unterschiedlichen Flügel des islamkritischen Spektrums nicht zusammenarbeiten könnten? Handelt es sich im Kern nicht eher um Unterschiede der Akzentsetzung als um solche der Prinzipien? Ist es nicht Sektiererei, vom jeweils Anderen einen Kniefall vor den Aprioris des eigenen Lagers zu fordern? Ist es, um es konkret zu machen, sinnvoll, sich etwa von „Pro Köln“ zu distanzieren, nur weil man selber als Liberaler oder Linker deren ideologisch rechtskonservativen Standpunkt nicht teilt?

Es geht schließlich nicht darum, in jeder politischen Frage einer Meinung zu sein, sondern darum, mit der Offenen Gesellschaft den Rahmen zu erhalten, innerhalb dessen politische Meinungsverschiedenheiten friedlich ausgetragen werden können. Ich bin kein Freund von Alice Schwarzers Feminismus, und umgekehrt entlocken manche Äußerungen aus den Pro-Parteien mir ein leises Ächzen. Ich sehe aber keinen Grund darüber hinwegzusehen, dass beide Seiten Wichtiges an Aufklärung und Mobilisierung leisten. Demokratische Gemeinwesen beruhen auf einem breiten Konsens, und wenn sich zu ihrer Verteidigung nicht Menschen aus sehr unterschiedlichen politischen Lagern finden – die sich dann aber auch gegenseitig tolerieren (lat.: dulden, ertragen) müssen -, dann werden wir verlieren.

Geschützt: Der medinensische Koran: eine Themenanalyse

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