Als ich vor fünf Monaten den Wahlsieg von Barack Obama vorhersagte – der Herr vegebe mir meine Eitelkeit! -, war ich hin- und hergerissen: einerseits ein beeindruckender und sympathischer Politiker, andererseits diese verdächtige Verwurzelung in einem das eigene Land hassenden Milieu, das unklare Verhältnis zum Islam, der zweite Vorname „Hussein“. (Auch seine Unerfahrenheit, aber die soll heute nicht das Thema sein). Die Frage, auf die es für mich hinauslief, lautete: Was für eine Sorte von linkem Politiker ist Obama eigentlich?
Es gibt nämlich zwei Arten, links zu sein: Offiziell bedeutet „Links sein“ das Eintreten für Emanzipation, Aufklärung, Toleranz, Demokratie, Gerechtigkeit. Wer sieht, wie linke Politik tatsächlich funktioniert, und zwar ohne sie sich schönzureden, stellt einen schreienden Widerspruch zwischen Theorie und Praxis fest, wobei die Praxis nicht etwa die wenn auch unvollkommene Verwirklichung der Theorie bedeutet, sondern die Verwirklichung von deren Gegenteil. Es geht regelmäßig nicht darum, die Machtlosen zu er-mächtigen, sondern darum, die Mächtigen zu entmachten, und sei es um den Preis der Zerstörung der Gesellschaft überhaupt. Das ist das Links-sein aus Ressentiment, und es ist nur folgerichtig, dass diese Sorte von Linken keine Bedenken hat, sich mit dem Islam zusammenzutun, also derjenigen Ideologie, die sich ebenfalls der Zerstörung unserer Gesellschaft verschrieben hat.
Die Widersprüche zwischen dem proklamierten Antirassismus der Linken und dem nicht einmal getarnten Antisemitismus des Islam, zwischen Pazifismus und Palituch, zwischen der Hysterie, mit der nach Frauenfeindlichkeit noch in den Regeln der deutschen Grammatik gefahndet wird, und der Sympathie für eine in sich frauenfeindliche Religion und Kultur – diese Widersprüche sind rein akademischer Natur. Politisch und psychologisch sind die totalitäre Linke und der totalitäre Islam Zwillinge, und zwar eineiige Zwillinge.
Man sollte allerdings bei aller Kritik nicht übersehen, dass es hier und da auch solche Linken gibt, wie ich selber mal einer war: also Menschen, die das emanzipatorische Programm ernstnehmen, und die deswegen auch so etwas wie eine linke Islamkritik formulieren. Alice Schwarzer zum Beispiel.
Man wird nicht behaupten können, dass solche Menschen auf der Linken die Mehrheit bilden – das können sie nicht – aber es gibt sie. Es könnte sein, dass Barack Obama zu dieser Sorte gehört.
Main Thema ist heute allerdings gar nicht der künftige amerikanische Präsident; es ist an einem Tag wie dem heutigen nur ganz unmöglich, einen politischen Artikel zu schreiben, ohne den Namen „Obama“ zu erwähnen. Mein Thema ist das Verhältnis von linker und rechter Islamkritik und die Frage, ob es da einen gemeinsamen Nenner gibt.
Die linke Islamkritik, wo sie denn vorkommt, konzentriert sich auf die antiemanzipatorischen Aspekte des Islam: seine Demokratiefeindlichkeit, den Antisemitismus, die Gewaltverherrlichung, überhaupt seinen unzweideutig faschistischen Charakter. Es passt ins Bild, dass Nazis heute wie vor siebzig Jahren oft ein ausgesprochen positives Bild vom Islam haben, und dass ein Mann wie Horst Mahler der Meinung ist, die „nationalen Kräfte“ müssten sich mit dem politischen Islam zusammentun, um den „westlichen Imperialismus“ zu bekämpfen.
Die rechte Islamkritik operiert vorwiegend mit dem grundlegenden Bezugsrahmen von Eigenem und Fremdem und verteidigt das Eigene, das von dem Fremden bedroht wird. Etwas überspitzt könnte man sagen, dass Demokratie, Liberalität, Toleranz dabei als konstitutive Merkmale des Eigenen gleichsam en passant mitverteidigt werden; ungefähr so, wie die linke Islamkritik die gewachsene Kultur des Westens gewissermaßen zufällig mitverteidigt, wenn sie die Einhaltung emanzipatorischer Standards auch von muslimischen Gemeinschaften fordert.
Sind aber Unterschiede dieses Kalibers so fundamental, dass ihretwegen der linke und der rechte, allgemein gesprochen die unterschiedlichen Flügel des islamkritischen Spektrums nicht zusammenarbeiten könnten? Handelt es sich im Kern nicht eher um Unterschiede der Akzentsetzung als um solche der Prinzipien? Ist es nicht Sektiererei, vom jeweils Anderen einen Kniefall vor den Aprioris des eigenen Lagers zu fordern? Ist es, um es konkret zu machen, sinnvoll, sich etwa von „Pro Köln“ zu distanzieren, nur weil man selber als Liberaler oder Linker deren ideologisch rechtskonservativen Standpunkt nicht teilt?
Es geht schließlich nicht darum, in jeder politischen Frage einer Meinung zu sein, sondern darum, mit der Offenen Gesellschaft den Rahmen zu erhalten, innerhalb dessen politische Meinungsverschiedenheiten friedlich ausgetragen werden können. Ich bin kein Freund von Alice Schwarzers Feminismus, und umgekehrt entlocken manche Äußerungen aus den Pro-Parteien mir ein leises Ächzen. Ich sehe aber keinen Grund darüber hinwegzusehen, dass beide Seiten Wichtiges an Aufklärung und Mobilisierung leisten. Demokratische Gemeinwesen beruhen auf einem breiten Konsens, und wenn sich zu ihrer Verteidigung nicht Menschen aus sehr unterschiedlichen politischen Lagern finden – die sich dann aber auch gegenseitig tolerieren (lat.: dulden, ertragen) müssen -, dann werden wir verlieren.