„Innocence of Muslims“: Der Anti-Mohammed-Film und die Salafistenkrawalle

Wer steckt hinter dem Anti-Islam-Film „Innocence of Muslims“?

Es ist schon auffallend, wie sehr dieselben Medien, die sich sonst peinlichst hüten, den ethnischen Hintergrund etwa von U-Bahn-Schlägern zu erwähnen, sich einig sind, für den Film „Innocence of Muslims“, dessen Veröffentlichung zur Zeit zu riesigen bürgerkriegsähnlichen Krawallen in der islamischen Welt führt, seien koptische Christen im amerikanischen Exil verantwortlich. Und es ist bezeichnend für die Dummheit oder auch die Böswilligkeit unseres Medienbetriebes, dass keiner unserer ach so kritischen Journalisten sich die naheliegende Frage stellt, welches Interesse denn ausgerechnet die Kopten daran haben sollen, die arabischen Muslime bis zur Weißglut zu provozieren.

Kairo: Salafisten-Krawalle wegen des Films „Innocence of Muslims“

Die Kopten sind in den vergangenen anderthalb Jahren seit dem Ausbruch der ägyptischen Revolution wiederholt Ziel von Terroranschlägen und pogromartiger Massengewalt geworden. Ihre Lage ist so prekär, dass sie sich hüten werden, den muslimischen Mob herauszufordern, für den sie auf dem Präsentierteller sitzen, und dessen Gewalttätigkeit sie nichts entgegenzusetzen haben. Wer immer „Innocence of Muslims“ gedreht hat und die Urheberschaft nun den Kopten in die Schuhe schiebt, nimmt zumindest billigend in Kauf, dadurch Pogrome gegen sie zu entfesseln.

Wer aber steckt hinter „Innocence of Muslims“?

Ein gewisser „Sam Bacile“, der sich als israelischer Jude ausgab und behauptete, 5 Millionen Dollar Spenden von rund hundert jüdischen Spendern eingeworben zu haben, bekannte sich gegenüber AP telefonisch dazu, der Produzent des Films zu sein. Dieser „Sam Bacile“, den es in Wirklichkeit nicht gibt, stellte sich als der Aliasname eines gewissen Nakoula Basseley Nakoula, 55, heraus, der allerdings behauptete, nicht Bacile zu sein (obwohl er mit dem Mann offenkundig identisch war, der sich am Telefon „Bacile“ genannt hatte). Er sei koptischer Christ. Ob er dies tatsächlich ist, muss schon deshalb fraglich sein, weil er offenbar gewohnheitsmäßig Falschnamen benutzt, und es spricht nichts dafür, dass seine „koptische“ Identität echter ist als seine „israelische“. Durch politische Aktivitäten ist der Mann jedenfalls bislang nicht aufgefallen, wohl aber ist er in hochkriminelle betrügerische Praktiken verwickelt. (Näheres in dem AP-Artikel „California man confirms role in anti-Islam film“). Auch der Film selbst ist durch Betrug zustandegekommen. Die Darsteller haben jetzt öffentlich bekundet, dass man sie hereingelegt hat: In dem ursprünglichen Drehbuch habe es keinerlei Anspielung auf den Propheten Mohammed gegeben, und in der Tat wurden die einschlägigen Textpassagen nachträglich in das Video eingefügt.

Dies ist offenbar nicht das Profil eines politischen Aktivisten, gleich welcher Richtung. Nakoula – oder wie immer er heißen mag – ist aber ideal der Typ Mensch, den man mieten kann, wenn man einen Strohmann braucht. Wer aber braucht diesen Strohmann? Die Frage, wer hinter „Innocence of Muslims“ steckt, ist nur verschoben, nicht beantwortet.

Ich will gleich sagen, dass auch ich sie nicht beantworten kann. Ich kann nur ein paar Hinweise beisteuern:

Wären es Aktivisten der islamkritischen Szene in Amerika gewesen, so hätten sie sich offenbaren können. Ihre Urheberschaft zu verschleiern, hätten sie so wenig nötig gehabt, wie die Aktivisten von Pro Deutschland, deren Aktionen von den Salafisten zum Anlass genommen wurden, Krawalle zu entfachen. Sie hätten dann allerdings erklären müssen, warum sie den Film ins Arabische übersetzt haben; es ist ja ein gewaltiger Unterschied, ob ich – wie Pro Deutschland – demonstriere, dass ich mir im eigenen Land nicht den Mund verbieten lasse, und dass auch Muslime das zu akzeptieren haben, oder ob ich einen solchen Film ins Arabische übertrage und in dieser Form ins Netz stelle. Wer das tut, zielt nicht auf die westliche, sondern auf die arabische Öffentlichkeit und will auf sie Einfluss nehmen. Warum?

Muslimbrüder und Salafisten – zwei Dschihad-Konzepte

Betrachten wir zunächst die innenpolitische Lage in Ägypten (Ich lasse andere islamische Länder hier außen vor, damit das Thema nicht ausufert): Die Muslimbrüder sind an der Macht, auch wenn Teile des alten Regimes, speziell das Militär, immer noch starke Positionen besetzt hat. Ihre Strategie wird absehbarerweise darauf hinauslaufen, die Politik ihrer türkischen Freunde von der AKP zu kopieren: das heißt, ihre Position nach und nach zu konsolidieren und konkurrierende Eliten aus dem Spiel zu drängen, und dabei zugleich eine durchgreifende (Re-)Islamisierung der Gesellschaft zu betreiben. Anders als radikalere islamistische Gruppen versuchen sie nicht, die Gesellschaft vom Staat, sondern den Staat von der Gesellschaft her zu islamisieren. Da sie dies in formal demokratischen Formen tun, bleibt ihnen Einmischung von außen erspart – der Westen kann dagegen schließlich wenig sagen. Wie ihre türkischen Freunde werden auch die ägyptischen Islamisten mit dem Westen kooperieren und sich diese Kooperation mit wirtschaftlicher Unterstützung und der Öffnung Europas für muslimische Migranten bezahlen lassen.

Diesen Muslimbrüdern und ihrem Umfeld stehen radikalere Gruppen gegenüber, die man allgemein unter dem Oberbegriff „Salafisten“ zusammenfasst. Sie sind so etwas wie die „linke Opposition“, die eine schnellere und radikalere Revolution will. Am liebsten würden sie morgen die Scharia in ihrer allerstrengsten Form, Steinigungen und Amputationen inbegriffen, einführen. Sie haben offensichtlich kein Interesse daran, dass die Muslimbruderschaft ihre Macht konsolidiert. Es muss ihnen vielmehr darum gehen, die neuen Machthaber als schlechte Muslime und Handlanger des Westens vorzuführen. „Provokationen“, die ihnen erlauben, die Massen aufzustacheln, müssen ihnen willkommen sein. Mit der Erstürmung amerikanischer Einrichtungen manövrieren sie die Regierung in eine äußerst peinliche Lage: Verurteilt sie die Gewaltaktionen, steht sie als westliche Marionette da, unterstützt sie sie, verliert sie den Rückhalt im Westen. Präsident Mursi hat sich einigermaßen elegant aus der Affäre gezogen, indem er einfach beides verurteilt hat – bezeichnenderweise aber erst mit einem Tag Verspätung, was darauf hindeutet, dass er kalt erwischt wurde und sich erst beraten musste, weil er genau in dem beschriebenen Dilemma steckt.

Stecken also die Salafisten selbst hinter „Innocence of Muslims“? Man könnte einwenden, gläubige Muslime würden doch niemals selber die Schmähung ihres Propheten betreiben, selbst wenn sie einen politischen Vorteil davon hätten. Wir erinnern uns aber, dass Islamisten während der Krise um die Mohammed-Karikaturen sehr wohl eigenhändig solche Karikaturen gefälscht und den Propheten dabei in besonders obszöner und ordinärer Art und Weise dargestellt haben. Ausgeschlossen ist es also nicht, es ist sogar sehr gut möglich, dass es sich genau so verhält.

Vergrößern wir aber nun ein wenig den Bildausschnitt: Diejenigen Salafisten, die sich im August unter dem Druck der deutschen Sicherheitsbehörden aus Deutschland abgesetzt haben, sollen sich in Ägypten aufhalten. Gut möglich, dass einige von ihnen nun als Agitatoren in Ägypten die Massen aufputschen. Die Verhaltensmuster ähneln sich jedenfalls: Wie in Deutschland wird eine angebliche Beleidigung des Propheten zu Anlass für Massengewalt genommen, und wie in Deutschland werden die Organisationen des Mainstream-Dschihad dadurch in Verlegenheit gebracht. Die großen Islamverbände haben sich zwar von Gewalttätern lauwarm distanziert, aber bereits die Plakatkampagne des Innenministeriums gegen Radikalisierung konnten sie nicht mittragen und haben ihretwegen den Dialog aufgekündigt, obwohl ihnen klar sein muss, dass sie sich dadurch in den Augen der deutschen Öffentlichkeit unmöglich, zumindest aber schwer verdächtig machen. Eine klare Distanzierung von den Salafisten, gar eine Zusammenarbeit mit deutschen Behörden zur Bekämpfung der Militanten würde sie offenbar bei ihrer eigenen Basis jeden Kredit kosten. Es handelt sich um dasselbe Dilemma, dem sich ihre Freunde in Ägypten gegenüber sehen.

Was aber in Ägypten eine nachvollziehbare Strategie der Salafisten ist, ist in Deutschland seltsam widersinnig. Sie können sich davon nicht wirklich einen Vorteil versprechen. Warum tun sie es?

„Verrückte“ Salafisten?

Eines ist doch merkwürdig: Die Strategie der Muslimbrüder und der mit ihnen vernetzten Organisationen, die Gesellschaften sowohl der islamischen Länder selbst als auch Europas zu unterwandern, geht momentan glatt auf: In Ägypten sind sie an der Macht, in Syrien wird es ihnen absehbar auch gelingen, in beiden Fällen haben sie die Unterstützung des Westens, und in Europa schaffen sie es, Muslime in Machtpositionen bis hin zu Ministerämtern zu plazieren, in den deutschen Parteien eine parteiübergreifende muslimische Pressure Group zu installieren, deren Zusammenwirken Einwanderungsbeschränkung unmöglich macht; sie haben in der Einwanderungsfrage außerdem das gesamte politische Establishment, auch die EU, auf ihrer Seite, und das heißt, sie werden weitere Millionen Muslime nach Europa, speziell nach Deutschland lotsen können. Die Unterwanderung und Islamisierung der deutschen Gesellschaft ist in vollem Gange.

Und in einer solchen Lage, in der aus der Sicht des Mainstream-Dschihad alles wie am Schnürchen läuft, haben die Salafisten nichts Besseres zu tun, als die westlichen Völker handgreiflich und mit großem Getöse an die Gewalttätigkeit, Intoleranz und Gefährlichkeit des Islam zu erinnern (und nicht nur die Salafisten: Auch die Kurden machen plötzlich Negativschlagzeilen, nachdem sie sich jahrelang ruhig verhalten haben). Genau in dem Moment also, wo der Mainstream-Dschihad an allen Fronten Erfolge einheimst, treten muslimische Gruppen auf den Plan, die sich wie anti-islamische Propagandakompanien aufführen. Kann wirklich jemand so dumm sein? Wir haben es hier ja nicht mit spontaner Massengewalt zu tun, sondern offenkundig um jeweils strategisch geplante und organisierte Gewaltausbrüche.

Ein kleines Detail, das möglicherweise nicht wichtig ist, das ich aber hier erwähnen möchte, weil es sonst niemandem aufgefallen zu sein scheint: Der salafistische Gangsta-Rapper Dennis Cuspert, der an den Ausschreitungen gegen Pro Deutschland beteiligt war und sich nach Ägypten abgesetzt hat, sagt in seinem Drohvideo gegen Deutschland

den denkwürdigen Satz

Ihr führt Dschihad in unseren Ländern, und wir werden den Dschihad in eure Länder bringen!“

Ihr führt Dschihad… Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein gläubiger Moslem das Wort Dschihad in einem solchen Zusammenhang verwendet. Dschihad ist etwas, was man definitionsgemäß nur für den Islam, nicht gegen ihn führen kann. Hätte er „Kreuzzug“ gesagt: Ja, das würde in die islamistische Terminologie passen, aber niemals „Dschihad“. Cuspert soll Konvertit sein (wie Pierre Vogel, es ist überhaupt auffällig, wie viele Konvertiten dort ihr Unwesen treiben), aber so inkompetent wird sein Imam doch nicht gewesen sein, ihm nicht zu erklären, was „Dschihad“ ist.

Kurz und gut, ich halte es für möglich, dass die salafistische Szene von Provokateuren unterwandert und möglicherweise auch gesteuert ist. Sollte sich dies so verhalten, dann ist es wahrscheinlich, dass der unbekannte Akteur, der hier am Werk ist, auch für „Innocence of Muslims“ verantwortlich ist.

Als Islamkritiker könnte ich mich ja freuen über die kostenlose Propaganda, die wirkungsvoller ist als alles, was die gesamte islamkritische Szene verbreiten kann. Ich könnte sagen „Die Jungs kommen wie gerufen“. Aber ich fürchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen, und Leute, die „wie gerufen“ kommen, wenn ich sie nicht gerufen habe, sind mir unheimlich.

Warnung vor Christenverfolgung in Deutschland

Zölibat & mehr zitiert Bischof Anba Damian, Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland:

Ich versichere Ihnen, wenn man wegschaut und wenn man nichts tut, wird das, was uns in Ägypten geschieht, auch Ihnen eines Tages in ihrem Heimatland geschehen. Wenn Sie nicht aus unserer Geschichte lernen, sind Sie bald dran. Nehmen Sie das ernst.

Ich bin kein Hassprediger, ich habe auch viele moslemische Freunde, ich möchte nicht einfach die Menschen in Angst versetzen. Wir sollen keine Angst haben, aber wir müssen genau aus unserer Vergangenheit lernen. Einst waren wir die Herren in unserem Vaterland, im eigenen Land. Heute kämpfen wir um zu leben und um überleben zu können.

Denken Sie an die Wachstumskurve. Die Wachstumskurve allein ist ein Indiz dafür, dass, wenn wir so weitermachen, wir eines Tages eine Minderheit in unserem eigenen Land sind.

Wir sehen, wie der Islam reagiert, wenn er in der Macht und in der Mehrheit ist und wie er reagiert, wenn er in der Minderheit ist. Ich warne Sie. Nehmen Sie die Situation ernst. My Story is your story, meine Geschichte ist Ihre Geschichte. Meine christliche Vergangenheit ist die Wurzel Ihrer Christenheit. Lernen Sie von unserer Geschichte, lernen Sie von unserer Situation.

Schauen Sie in die Zukunft. Denn die Zukunft fängt heute an.

Deswegen erhebe ich meine Stimme und sage, dass wir nicht wegschauen sollen, sondern wir sollen zusammenhalten und müssen unseren Kindern ein sicheres Land anbieten.

Wir müssen für unsere Kinder etwas tun, damit sie in ihrem eigenen Land nicht als Bürger der zweiten oder dritten Klasse oder gar als minderwertige Menschen im eigenen Land behandelt werden.

Siehe auch den Kommentar und die beiden dazugehörigen Videos bei Zölibat & mehr.

Für wen Europa da ist

Clemens Wergin schreibt in der „Achse des Guten“:

Schließlich war der deutsche Außenminister einer der ersten, der die Aufstände in der arabischen Welt emphatisch begrüßte. Man kann aber nicht den Freiheits-Revolten laut applaudieren und sich dann verdrücken, wenn die negativen Auswirkungen dieser Umstürze in zerbrechlichen Kähnen an der europäischen Mittelmeerküste anlanden. Italien und Malta sollten nicht allein den Preis zahlen müssen für die Übergangswehen einer Transformation, die letztlich im langfristigen Interesse ganz Europas ist.

Quelle: Die Achse des Guten

Es ist unglaublich, wie viel ideologischer Müll in drei Sätze passt:

Denn selbstredend kann man sehr wohl das Ende einer Diktatur begrüßen, ohne deswegen deren ehemalige Untertanen im eigenen Haus aufzunehmen.

Und selbstverständlich sind die Migrantenströme keine „Auswirkungen dieser Umstürze“ – wovor fliehen diese Leute denn? Vor der Freiheit?

Und was soll das heißen: „Italien und Malta sollten nicht allein den Preis zahlen müssen“? Warum soll überhaupt irgendein europäischer Staat einen „Preis“ für anderer Leute Revolutionen zahlen müssen?

Und bildet sich Wergin ernsthaft ein, es handele sich bei der Invasion der Tausende um „Übergangswehen“, die sich schon wieder beruhigen würde, sobald die „Transformation“ stattgefunden hat? Auf welchem Planeten hat er eigentlich die letzten vierzig Jahre gelebt?

Und ob eine „Transformation“ stattfindet, ist noch völlig offen: Es kann gut sein, dass die neuen Regime sich nicht wesentlich von den alten unterscheiden.

Wenn sie sich aber unterscheiden, können sie – und dies ist sogar wahrscheinlich – durchaus unter der Kontrolle von Islamisten stehen. Was, bitteschön, wäre daran „im langfristigen Interesse ganz Europas“ – wo uns doch die Türkei täglich vorführt, dass es nicht einmal einer islamistischen Terrorherrschaft bedarf, um einen Staat unter Wahrung „demokratischer“ Formen in einen Dschihad-Staat zu verwandeln?

Das beste aber an dem Artikel ist die unfreiwillige ideologische Selbstentlarvung, die in der Überschrift liegt:

Europa ist für alle da

Dass Afrika für die Afrikaner da ist und Asien für die Asiaten – das versteht sich zumindest für die Afrikaner und Asiaten von selbst.

Aber Europa? Europa ist für alle da!

Bat Ye’Or über die Lage in Ägypten

Die aus Ägypten stammende jüdische Historikerin Bat Ye’Or („Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam“, „Eurabia: The Euro-Arab Axis“) analysiert in einem Interview mit dem norwegischen Blog „document.no“ die Lage in ihrem Heimatland. Über die Ziele der demonstrierenden Massen zum Beispiel sagt sie:

Ganz sicher wünschen sie sich Demokratie, aber wenn man ihnen zuhört, wirkt es so, als wenn sie etwas greifen und mit sich nehmen wollen, und nicht, dass es eine abstrakte Idee ist, die Zeit braucht und Anstrengungen erfordert, damit eine ganze Nation sie verwirklichen kann. Demokratie ist nicht nur die Herrschaft der Mehrheit. Sie enthält eine politische Unabhängigkeit der Justiz, gleiches Recht für alle – auch für Nicht-Muslime und nicht-arabische Minderheiten wie Kurden, Assyrer und Berber – mitsamt der Meinungsfreiheit und der Akzeptanz des Pluralismus und der Kritik. Aber all dies wird sowohl durch die Scharia als auch durch die Kairoer Erklärung der Menschenrechte von 1990 im Islam verboten. Um die Demokratie zu erreichen, muss man zuerst die Scharia beseitigen.

Das ganze Interview ist veröffentlicht bei Zölibat & Mehr. Lesebefehl!

Die libysche Tragödie

Sah es zu Beginn des libyschen Aufstands noch so aus, als würde Gaddafis Regime wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, so zeichnet sich nun ab, dass er die Revolte überstehen wird. Angesichts der Erfahrungen mit nahöstlichen Potentaten seines Schlages (Assad, Saddam) sollte sich niemand Illusionen darüber machen, dass Gaddafi nach einem Sieg grausam Rache nehmen und zehntausende von Menschen umbringen wird.

Dies ist kein Plädoyer für eine militärische Intervention. Dass die westlichen Staaten bislang nicht interveniert haben, ist per se nicht zu beanstanden:

Einmal gibt es keinen legitimen Interventionsgrund: Sie sind weder angegriffen worden – was die klassische Rechtfertigung für die Anwendung militärischer Gewalt ist -, noch können sie auf eine Bedrohung vitaler Interessen verweisen, aus der sich womöglich mit einiger juristischer Phantasie so etwas wie eine Notwehrsituation konstruieren ließe.

Ein Recht zur Intervention gibt es also nicht und gäbe es übrigens auch dann nicht, wenn ein Mandat des Weltsicherheitsrates vorläge. Der Sicherheitsrat überschreitet nämlich seine Kompetenzen, wenn er willkürlich eine Intervention absegnet, für die es an den rechtlichen Voraussetzungen fehlt. Dass er dergleichen bisweilen tut, zeigt nur, dass die UNO in solchen Fragen eine Diktatur der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs ist, die bei Bedarf als „Recht“ statuieren, was in ihrem Interesse liegt. Mit „Recht“ in einem einigermaßen strengen Sinne hat dies aber nichts zu tun.

Übrigens gibt es keine Rechtsnorm, die es einer Regierung verböte, einen gegen sie gerichteten Aufstand gewaltsam niederzuschlagen, und zwar unabhängig davon, wie gewalttätig der Aufstand selbst ist. Eine solche Norm wäre geradezu widersinnig, und man kann diesen Sachverhalt auch nicht dadurch umgehen, dass man die Niederschlagung des Aufstandes hysterisch zum „Krieg Gaddafis gegen das eigene Volk“ aufpumpt – ganz abgesehen davon, dass praktisch sämtliche westlichen Regierungen ihrerseits einen solchen Krieg führen, nur mit vornehmeren Mitteln.

Auch der von Hobbyvölkerrechtlern konstruierte „Völkermord“, der eine Intervention auf der Basis der Anti-Völkermord-Konvention rechtfertigen könnte, ist  bisher nicht erkennbar: Selbst wenn sich Gaddafi, wie befürchtet, mit einem Massenmord revanchieren würde, würde dieser erst dann zum Völkermord, wenn durch ihn ein ganzes Volk oder zumindest eine ethnische Gruppe in ihrer Existenz als Volk bzw. Gruppe bedroht wäre. Auch davon kann kaum die Rede sein.

Schließlich befindet sich der Westen noch in der speziellen Verlegenheit, dass jegliche westliche Intervention in der islamischen Welt gemäß der Scharia die Pflicht zum Dschihad gegen den Eindringling auslöst. Selbst wenn die meisten Muslime darauf pfeifen – ein paar Terroristen, die diese Pflicht blutig ernst nehmen, finden sich immer. Freilich: Wenn der Westen nicht interveniert, wird ihm das dort genauso angekreidet wie wenn er es tut. Dann wird es nämlich heißen, der Westen habe die Libyer im Stich gelassen – so als ob er für das Wohlergehen arabischer Völker verantwortlich wäre. Wer immer den Konflikt unter dem Gesichtspunkt betrachtet, es gehe darum, „die Köpfe und Herzen der Araber zu gewinnen“, muss sich darüber im Klaren sein, dass dies objektiv unmöglich ist.

Hätten Europa und Amerika sich einfach auf den Standpunkt gestellt, dass sie zum militärischen Eingreifen nicht berechtigt und schon gar nicht verpflichtet sind, so wäre dies unangreifbar gewesen und hätte den Aufständischen womöglich manche Illusion erspart, die sie am Ende mit ihrem Blut bezahlen müssen. Inzwischen haben sie wohl gemerkt, dass man sie mit einer Politik des möglichst geräuschvollen Nichstuns verschaukelt hat, aber jetzt können sie nicht mehr zurück.

Stattdessen erleben wir seit Wochen eine Orgie der Heuchelei: Es ist ja an sich nicht verkehrt, die Beteiligung der Arabischen Liga zur Voraussetzung für eine Intervention zu machen, allein schon, um ihr den Schwarzen Peter zuzuspielen und das Odium der „Aggression gegen den Islam“ zu vermeiden. Nur wissen alle Verantwortlichen, dass die arabischen Potentaten selber die Erde unter ihren Thron- und Präsidentensesseln beben fühlen und – aller Rhetorik zum Trotz – nicht das geringste Interesse daran haben, dass nach Mubarak und Ben Ali noch ein Dritter aus ihrem Club einer Revolution zum Opfer fällt. Die Politik der nahöstlichen Politiker muss darin bestehen, sich weit genug von Gaddafi abzusetzen, um gegenüber den eigenen Völkern ein Alibi zu haben, aber nichts zu tun, was tatsächlich zu seinem Sturz führen könnte.

Genau auf dieser Linie bewegt sich der Beschluss der Arabischen Liga, den Westen zur Einrichtung einer Flugverbotszone aufzufordern, zugleich aber jede Verletzung der libyschen Souveränität abzulehnen. Verglichen damit ist die Quadratur des Kreises ein Kinderspiel, und das wissen die Herren ganz genau. Es geht ihnen einfach darum, den Schwarzen Peter wieder dem Westen zurückzugeben, der ihn seinerseits an den Sicherheitsrat, sprich Russland und China weiterreicht.

Bei dieser Gelegenheit zeigt sich dann auch, was von den „revolutionären“ Regimen Ägyptens und Tunesiens zu halten ist: nämlich dass sie alles andere als revolutionär sind. An sich sind es ja gerade diese beiden Länder, die noch am ehesten ein Interventionsrecht geltend machen könnten, und zwar unter Hinweis auf den notwendigen Schutz ihrer Staatsbürger in Libyen und auf die sie überfordernde Flüchtlingswelle aus dem Nachbarland.

Nun stellt sich aber heraus, dass in Wahrheit in beiden Ländern die alten Regime trotz Abdankung der jeweiligen Galionsfigur die Macht immer noch in Händen halten. Was für uns wie eine Revolution aussieht, ist der Versuch der alten Macht, mit den diversen oppositionellen Gruppen zu einem neuen Arrangement zu gelangen. Ein Interesse an einem Sturz Gaddafis haben sie offenbar nicht.

Ein solches Interesse scheinen aber auch ihre Völker nicht zu haben, deren revolutionärer Elan sich auf das je eigene Land beschränkt. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass sich Massen von freiwilligen Kämpfern nach Libyen aufmachen würden, so wie sie in den achtziger Jahren nach Afghanistan gegangen sind. Mir ist auch nicht bekannt, dass von Ägypten aus Waffenlieferungen über die Grenze zu den libyschen Revolutionären gelangen würden – was umso erstaunlicher ist, als eben solche Waffenlieferungen über die deutlich schärfer bewachte Grenze zum Gazastreifen offenbar kein Problem darstellen.

(Nebenbei gesagt ist diese Zurückhaltung ein starkes Indiz dafür, dass Islamisten beim libyschen Aufstand keine prominente Rolle spielen; in dieselbe Richtung deutet die Tatsache, dass die islamistisch regierte Türkei in Gestalt ihres Ministerpräsidenten, des weltweit verehrten Trägers des Gaddafi-Preises für Menschenrechte, eine Intervention der NATO zugunsten der Aufständischen strikt ablehnt.)

Wir lernen daraus erstens, dass die innermuslimische Solidarität nur dann und nur so weit mobilisierbar ist, wie sie sich gegen die „Ungläubigen“ richtet; in jedem anderen Zusammenhang ist der eigene Stamm das Maß aller Dinge, und werden schon die Angelegenheiten des Nachbarlandes mit Indifferenz behandelt; zweitens, dass es so etwas wie eine „arabische Demokratiebewegung“ nicht gibt, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass Demokratie als abstrakter Wert aufgefasst würde. Was es gibt, sind Volksbewegungen, bestehend aus Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen den jeweils eigenen Diktator loswerden wollen, ohne deshalb zu westlichen Liberalen zu mutieren. Das ist kein Vorwurf gegen diese Völker, wohl aber einer gegen eine globalistische Propaganda, die sie für sich vereinnahmen will.

Die Einzigen, die in den letzten Tagen und Wochen eine respektable Figur gemacht haben, sind die Aufständischen selbst, die deswegen  jetzt auf verlorenem Posten stehen. Niemand wird ihnen helfen, weil niemand ein Interesse daran hat.

 

EU-Kommission will Immigration aus Nordafrika fördern

Der für die EU-Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige tschechische EU-Kommissar Štefan Füle hat einen neuen Fall von „white guilt“ ausgemacht und ergreift die Gelegenheit, auf Kosten von 480 Millionen Europäern Buße zu tun, beim Schopfe. Der EUobserver schreibt:

EU-Kommissar Štefan Füle hat wegen der europäischen Geschichte der Unterstützung von Diktatoren in Nordafrike ein beispielloses „Mea Culpa“ ausgesprochen.

Unter Kritik an dem, was er „die Sicht einer beleidigenden ‚arabischen Ausnahme‘ von der Demokratie“ nannte, erklärte er gegenüber Mitgliedern des Europäischen Parlaments am Montag (28. Februar): „Wir müssen unserer Vergangenheit wegen Demut zeigen. Wir haben die Menschenrechte und die demokratischen Kräfte in der Region nicht lautstark genug unterstützt.“

„Zu viele von uns frönten der Vorstellung, autoritäre Regime seien eine Garantie für Stabilität in der Region“, fuhr Füle fort …

So weit die Sünde, für die wir „Demut zeigen“ müssen. Nun kommt die Buße:

In einem besonders unverblümten Kommentar sagte er, Europa solle an der Seite von prodemokratischen Demonstranten stehen, nicht an der von Diktatoren …

„Die Massen in den Straßen von Tunis, Kairo und anderswo kämpfen im Namen unserer gemeinsam geteilten Werte. Mit ihnen, und für sie, müssen wir heute arbeiten …“

Kurze Zwischenbemerkung zur Ideologie, die dahintersteht: Nicht unsere Interessen, sondern „unsere gemeinsamen Werte“ sind hier maßgebend. Wenn jemand (und sei es verbal) diese Werte „teilt“, dann müssen wir für ihn („für sie“) arbeiten, nicht etwa für uns selber.

(…)

Er fügte hinzu, dass Sorgen über gesteigerte Migration, Zugang zum Öl oder die „stärkere Sichtbarkeit von Islamisten“ Europa nicht daran hindern sollten, die Demokratie in der Region zu unterstützen.

„Ja, es mag ungezügelte [irregular] Migrationsströme aus Tunesien, Libyen und in gewissen Grade Ägypten geben. Ja, es wird ein gewisses politisches Vakuum in den jungen Demokratien geben, wie auch gesteigerte Sichtbarkeit von islamistischen Parteien, und zumindest in manchen dieser Länder die Sorge, dass sie die Spielregeln der Demokratie missachten. Ja, es kann zu steigenden Ölpreisen kommen; es kann zu Pleiten kommen, und vielleicht muss man Investitionen abschreiben. Ja, es mag potenziellen Bürgerkrieg und Instabilität in Libyen geben.“

„Wir wissen, dass die entfesselten Kräfte des Wandels nicht von heute auf morgen stabile politische Systeme hervorbringen. Doch müssen wir diese Risiken überstehen, ohne unser gemeinsames langfristiges Ziel aus den Augen zu verlieren: ein demokratisches, stabiles, wohlhabendes und friedliches Nordafrika.“

Er weiß genau, dass die gegenwärtige Entwicklung den europäischen Völkern schaden wird, und zwar in jeder Hinsicht. Er weiß auch, dass die Erfolgsaussichten für das Projekt eines „demokratischen, stabilen, wohlhabenden und friedlichen Nordafrika“ mehr als zweifelhaft sind. Trotzdem sollen wir dieses Ziel unterstützen, weil wir erstens eine Schuld zu sühnen haben, zweitens keine Interessen, sondern „Werte“ vertreten, und uns deswegen drittens der Rock näher sein soll als das Hemd, die Zukunft Nordafrikas wichtiger als die Europas.

Dafür sollen wir Opfer bringen und „Risiken“ auf uns nehmen.  Wenn wir am Ende kein „demokratisches, stabiles, wohlhabendes und friedliches Nordafrika“ haben, wohl aber ein ruiniertes Europa, dann haben wir eben Pech gehabt.

Füle sagte, die Kommission sei nun bereit für einen „neuen Ansatz“, der so ehrgeizig sei, wie es das Parlament „stets verlangt“ habe.

(…)

Er signalisierte, es werde einen „neuen Ansatz“ bezüglich der leidigen Frage der Migration aus der Region geben: Während die EU auch weiterhin von den nordafrikanischen Staaten die Unterbindung illegaler Migration und Kooperation bei der Rückführung von Flüchtlingen fordern werde, verlangte er zugleich von der Union „mehr Ehrgeiz“ und brachte die Idee ins Spiel, legalisierte „zeitweilige und zirkuläre Migration“ für Arbeiter zu ermöglichen.

Wen will er hier eigentlich für dumm verkaufen? Dass die meisten „Gastarbeiter“, wenn sie einmal hier sind, niemals zurückkehren, hat sich sicherlich bis Brüssel herumgesprochen.

Er fuhr fort, dass Tunesien bereits eine Anfrage in dieser Richtung gestellt habe, und dass es weitaus wünschenswerter sei, Arbeitern den legalen Zugang nach Europa zu erleichtern als es mit plötzlichen Massenexodussen zu tun zu bekommen.

„Wir ziehen es vor, diese Art von Einwanderung zu regeln, statt die humanitären Krisen zu meistern, die aus unkontrollierter Migration resultieren.“

[Quelle aller Zitate: EUobserver / Europe ’should have backed democrats not dictators,‘ commissioner says]

Zu Deutsch: Machen wir freiwillig die Beine breit, dann werden wir nicht vergewaltigt.

Bezeichnend ist, dass die Angst vor „humanitären Krisen“ größer ist als die vor dem eigenen Untergang (sofern der überhaupt befürchtet und nicht etwa herbeigesehnt wird). Nur ja nichts „Böses“ tun, nämlich die Grenzen sperren.

Es bahnt sich genau das Szenario an, dass ich schon zu Beginn der Unruhen in meinem Artikel „Der Januskopf“ vorhergesagt habe:

Man kann sich jetzt schon die Phrasen vorstellen, mit denen die EU-Eliten uns schmackhaft machen werden, dass die Grenzen noch weiter für Massenmigration geöffnet werden: Es gelte jetzt, “die jungen Demokratien des Nahen Ostens zu unterstützen” und “den Menschen eine Perspektive zu bieten”, damit sie “nicht den Radikalen in die Arme getrieben werden” usw.

Diese Perspektive wird sein, dass die wirtschaftlichen Probleme dieser Länder auf unsere Kosten gelöst werden, indem wir ihren Bevölkerungsüberschuss aufnehmen.

Gemäßigte Islamisten

Ulrich J. Becker schreibt bei aro1.com:

Fuehrender Muslimbruder bedankt sich beim Iran fuer die “Unterstuetzung” in der aegyptischen Revolution, die er als eine “islamische Erwachung”sbewegung’ beschreibt und hofft, dass sein Land so werde, wie Iran:

Kamal al-Halbavi, sagte im persischen BBC:

Die Moslembrueder wollten in Aegypten “eine gute Regierung wie die iranische, und einen guten Presidenten wie Achmadinedschad, der sehr tapfer ist.”

Die Moslembrueder scheinen offenbar nicht genug deutsches Fernsehen zu sehen und den Erklaerung deutscher ‘Nahostspezialisten’ nicht genug zu lauschen, ansonsten haetten sie doch verstehen muessen, dass die aegyptische Revolution ganz anders als die iranische sei und auch sie selbst nur eine Art konservative Demokraten seien, doch keine Islamisten und Antisemiten.

Also, einfach mehr deutsches Fernsehen sehen, liebe Moslembrueder, dann versteht ihr euch selbst gleich viel besser und dann klappts auch mit der Demokratie.

(Soviel auch zum Thema ‘Sunna und Schia versteht sich nicht’. Zumindest in Sachen Islamismus und Israelhass scheint es ja zu klappen…)

Inzwischen in Jordanien…

Passend zum momentanen ‘Demokratie’trend in der arabischen Welt schliesst sich auch der neue jordanische Justiz(!)minister an: Der Frieden mit Israel ist ihm egal. Er aeusserte oeffentlich: Israel sei der “Feind” und ein “terroristischer Staat. Als Volk und Nation muessen wir vereint gegen ihn aufstehen.“

Bitte, liebe deutsche Nahostexperten, rettet uns! Erklaert diesem Mann einfach mal wie ‘gemaessigt’ er eigentlich ist, und dann sollte er es einsehen. Danke.

[Quelle: Moslembrueder wollen nicht auf deutsche Nahostexperten hoeren und bedanken sich jetzt beim Iran fuer die “grossartige islamische Revolution” und wuenschen sich einen “guten Presidenten wie Achmadinedschad”… | ARO1 – Israel, der Nahe Osten & der Rest der Welt.]

Der Dschihad der Muslimbruderschaft

„Macht euch bereit für die Muslimbruderschaft!“ schreibt Ayaan Hirsi Ali und umreißt das Erfolgsgeheimnis der Muslimbruderschaft, und dies auf der Basis eigener Erfahrungen:

Als ich 15 war und mich selbst als Mitglied der Bewegung der Muslimbruderschaft betrachtete, gab es säkulare politische Gruppen in den Diasporas der Pakistanis, Jemeniten und Somalis, die in Nairobi, wie meine Familie im Exil lebten. Diese locker organisierten Gruppen hatten diffuse Pläne ihre Länder zu friedlichen, blühenden Nationen umzugestalten. Es waren Träume, die sie niemals umsetzten.

Die Muslimbruderschaft tat mehr als nur zu träumen. Mit Hilfe des Geldes aus Saudi-Arabien und anderen reichen Ölländern, bildeten sie Zellen in meiner Schule und in funktionieren Institutionen in meiner Nachbarschaft. (…) Wir wurden ermutigt uns freiwillig zu melden, um den Armen zu helfen und um Allahs Botschaft zu verkünden. Sie bauten Wohlfahrtsverbände auf, denen wir unseren Zehnten spenden konnten, welches dann dazu verwendet wurde, den Gesundheitszentren und den Schulen zu geben.

Die Bruderschaft sorgte auch für das einzige funktionierende Bankennetzwerk, welches auf Vertrauen basierte. Sie retteten Teenager, die drogensüchtig waren und interessierten sie für eine zweckgerichtete Zukunft für die Gerechtigkeit. Von jedem von uns wurde erwartet, dass er mehr Menschen anwarb. Am wichtigsten war, dass ihre Botschaft Volkszugehörigkeit, soziale Schicht und gleiche Bildungsstandards überschritt.

(Alle Zitate aus: Ayaan Hirsi Ali, Macht Euch bereit für die Muslimbruderschaft!, in europenews)

Man macht sich bei uns völlig falsche Vorstellungen, wenn man die Begriffe Islamismus, islamischer Extremismus und islamischer Terrorismus einfach als Synonyme behandelt. Man neigt dann dazu, den Umkehrschluss zu ziehen, wer nicht gewalttätig sei, könne auch kein Extremist und durchaus für die Demokratie sein.

Aus der Sicht der Muslimbruderschaft geht es aber um den Dschihad, das heißt um die Durchsetzung des Islam, letztlich der Scharia, als Grundlage der Gesellschaft (nicht etwa nur in Ägypten, sondern weltweit). In welchen staatsrechtlichen Formen die Scharia durchgesetzt wird, ist zweitrangig, solange sie nur faktisch das Leben der Gesellschaft regelt. Wenn niemand mehr wagen kann, öffentlich am Koran zu zweifeln oder auch nur ein Glas Wein zu trinken, gilt die Scharia, egal wie der staatliche Überbau aussieht. Die Demokratie kann ein Werkzeug des Dschihad der Muslimbrüder sein wie die Diktatur; Sozialarbeit wie Terrorismus.

Dabei ist sogar das Bild von Sozialarbeit als eines „Werkzeugs“ des Dschihad der Muslimbruderschaft noch irreführend, sofern man darunter ein bloßes Mittel versteht, politische Unterstützung zu kaufen: Der Islam ist eine praxisorientierte Religion, und die innermuslimische Solidarität als höchste Sozialnorm fordert ihre praktische Verwirklichung. Bloße Gebetsfrömmigkeit würde Muslime nicht überzeugen; bloße Sozialarbeit ebensowenig. Die Muslimbruderschaft versucht, die Utopie einer islamischen Gesellschaft sichtbar und erlebbar zu machen. Der Islam postuliert die Einheit von Religion und Politik wie die von Mittel und Zweck: Mit ihrer Praxis appeliert die Muslimbruderschaft an tief im kollektiven Unbewussten verankerte Vorstellungen von einer islamischen Idealgesellschaft. Es ist dieser Zugang zur Ebene des Unausgesprochenen, der die Muslimbruderschaft politisch so stark macht, und die „diffusen Pläne“ und Träume säkularer Gruppen so seltsam wirklichkeitslos erscheinen lässt.

Warum sind die säkularen demokratischen Kräfte in Ägypten so viel schwächer als die Muslimbruderschaft?

Einer der Gründe ist, dass sie wie ein Gemisch vieler verschiedener Elemente sind: Sie sind Stammesführer, Liberale des freien Marktes, Sozialisten, stramme Marxisten und Menschenrechtsaktivisten. Mit anderen Worten, ihnen fehlt der Klebstoff der gemeinsamen Ideologie der vergleichbar wäre mit dem der Bruderschaft. Und es gibt eine tief verankerte Furcht, dass eine Opposition zur Muslimbruderschaft, deren Ziel es ist die Scharia einzuführen sobald sie an der Macht sind, von den Massen als Zurückweisung des Islams angesehen wird.

Der Fehler der säkularen Gruppen ist, dass sie nicht mit der Botschaft rüberkommen, die das Gegensätzliche betont, die sagt „ja“ zum Islam, und „nein“ zur Scharia – mit anderen Worten, eine Kampagne, die die Trennung von Religion und Politik betont.

Ob das ein „Fehler“ ist, oder ob es nicht einfach denklogisch und erst recht psychologisch unmöglich ist, Ja zum Islam, aber Nein zur Scharia zu sagen?

Für Ägypten und die anderen arabischen Nationen muss es, neben der Flucht aus der Tragödie entweder Tyrannei oder Scharia, einen dritten Weg geben, der Religion und Politik voneinander trennt, während gleichzeitig eine repräsentative Regierung entsteht, Rechtsstaatlichkeit, und Lebensbedingungen, die Handel, Investitionen und Beschäftigung begünstigen.

Ayaan Hirsi Alis eigene Zweifel sind in das Wort „muss“ gefahren („muss es einen Weg geben“).

Die Tapferkeit der säkularen Gruppen die sich nun zusammengefunden haben hinter Mohammed El Baradei kann nicht bezweifelt werden. (…)

Die nächste Herausforderung der säkularen Demokraten ist die Bruderschaft. (…) El Baradei und seine Anhänger müssen klarstellen, dass ein auf der Scharia basierendes Regime im Inneren unterdrückend und nach außen hin aggressiv ist.

Ob El Baradei der Mann ist, der Muslimbruderschaft in einem Gegen-Dschihad die Stirn zu bieten? Ob er es überhaupt will? Er ist im Land selber wenig bekannt, gilt als Günstling der USA und steht mit der Muslimbruderschaft einer Organisation gegenüber, die der autoritäre ägyptische Staat in achtzig Jahren zähen Ringens nicht zerstören konnte. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Muslimbrüder El Baradei als liberales Aushängeschild benutzen, das die nächste Etappe der islamischen Revolution gegen Einmischungen von außen, speziell gegen militärische Intervention des Westens abschirmt, die immerhin denkbar wäre, wenn die Muslimbruderschaft allein regieren würde? Und ist nicht zumindest vorstellbar, dass die Muslimbruderschaft denselben erfolgreichen Dschihad-Weg wie die türkische AKP einschlägt, die von der Liberalisierung und Demokratisierung profitiert, indem beides ihr hilft, die Islamisierung voranzutreiben und obendrein die Hilfe des Westens in Gestalt von Wirtschaftshilfe und Aufnahme überschüssiger Muslime in Anspruch zu nehmen?

Die Muslimbruderschaft wird darauf bestehen, dass eine Stimme für sie eine Stimme für Allahs Gesetz ist.

Und bereits die schiere Behauptung wird alle ihre Gegner dazu zwingen, fortwährend zu betonen, dass sie doch auch islamisch seien. Die allgegenwärtige Verdächtigung wird sie zwingen, ihr eigenes Programm nur noch unter wortreichen Entschuldigungen vorzutragen. Für die Muslimbruderschaft werden sie genausowenig ernstzunehmende Gegner sein, wie es deutsche Konservative, die stets betonen müssen, dass sie selbstverständlich nicht rechtsradikal seien, für die Linke sind.

Die Obama-Administration kann dabei mithelfen die säkularen Gruppen mit Ressourcen und den Fähigkeiten zu versorgen um zu organisieren, Wahlkampf zu führen und eine wettbewerbsfähige Ökonomie und bürgerliche Institutionen aufzubauen, so dass sie die Muslimbruderschaft an der Wahlurne besiegen können.

Es ist bezeichnend, dass diese Art von Hilfe, die im postsowjetischen Raum meist die erwünschten Ergebnisse gezeitigt hat, bereits im Falle Irans versagt hat. Es spricht wenig dafür, dass es im Falle Ägyptens anders sein könnte.

[Zum Thema „Muslimbruderschaft“ siehe auch den ausführlichen Artikel bei Zölibat & Mehr]

Mubarak ist am Ende!

Hosni Mubarak, Husni Mubarak
Ich habe fertig!

Kairo – Die einflussreiche Armee in Ägypten hat sich erstmals hinter die Forderungen der Demonstranten gestellt. Am Montag versprach sie, im Konflikt zwischen der Opposition und dem Regime Zurückhaltung üben zu wollen. „Wir werden keine Gewalt gegen die Bürger einsetzen. Wir verstehen die Forderung der Bürger“, hieß es in einer am Montagabend verbreiteten Erklärung.

Die Meinungsfreiheit in friedlicher Form ist für alle garantiert“, zitierten die amtliche Nachrichtenagentur Mena und das Staatsfernsehen aus der Erklärung eines Armeesprechers.

Textquelle: Spiegel online

Damit hat die ägyptische Armee dem Mubarak-Regime das Todesurteil gesprochen: Eine Diktatur, deren Armee nicht bereit ist, einem Volksaufstand mit Gewalt zu begegnen, ist am Ende! Da für die ägyptischen Streitkräfte eine Tiananmen-Lösung außer Betracht bleibt und sie sich den Forderungen des Aufstands sogar anschließt, steht jetzt nicht mehr Masse gegen Macht, sondern Masse gegen Nichts. Die Muslimbruderschaft wird der lachende Erbe sein.

Der Januskopf

Wenn man das Aufbegehren der Massen in der islamischen Welt betrachtet, das von Tunesien ausging und nun auch Ägypten und den Jemen erreicht hat, dann fällt es schwer, sich nicht an die Vorgänge 1989 in Europa erinnert zu fühlen. Erst recht fällt es schwer, mit den Aufständischen nicht zu sympathisieren, zumal wenn man einen Blick auf die Regime wirft, gegen die der Aufstand sich richtet.

Trotzdem gestehe ich, dass ich diese Vorgänge nicht ohne Unbehagen sehe, und wenn ich mich auch nicht kompetent fühle, den aktuellen Stand der Innenpolitik Ägyptens oder gar Tunesiens oder des Jemen kompetent zu analysieren – ein paar skeptische Anmerkungen möchte ich doch anbringen:

Jede Revolution hat etwas Janusköpfiges: Die großen, klassischen Volksrevolutionen der letzten 200 Jahre gingen stets von den Mittelschichten aus, die eine gemäßigte Reform-Agenda verfolgten und mehr oder minder hochherzige Ideen im Auge hatten. Diese Kräfte, die die Revolution begannen, waren aber fast nie diejenigen, die sie auch beendeten und von ihrem Sieg profitierten.

Sofern die Revolution nicht auf halbem Wege stehen blieb und in die Restauration des ancien régime mündete, wie 1848 in Deutschland; sofern also die alten Gewalten effektiv entmachtet wurden, fiel die Macht stets demjenigen zu, dessen Parole die Massen elektrisierte, die oft ganz anders dachten als die Initiatoren aus den Mittelschichten:

In Frankreich begann die Revolution mit dem Ziel, die Macht des Königs durch eine Verfassung zu bändigen. Sie mündete in die Terrorherrschaft der Jakobiner, weil die Jakobiner mit dem Schlachtruf „Égalité!“ den Mob von Paris auf ihre Seite brachten.

In Russland wurde alles, was liberal und gemäßigt links war, von den Bolschewiki beiseite geschoben, die den Arbeitern wie den Bauern alles versprachen, was sie haben wollten.

In der DDR wollte die Oppositionsbewegung mehr Freiheit, die Massen wollten die D-Mark. Ich kritisiere das nicht, ich weise nur darauf hin, dass die Macht, wenn die Dinge einmal in Bewegung gekommen sind, am Ende dem zufällt, der die tiefsten Wünsche der Massen artikuliert. In der DDR war es der Wunsch nach Teilhabe am westlichen Wohlstand. Die Macht fiel Helmut Kohl zu, weil er das begriff.

Die islamische Revolution im Iran als bisher einzige Volksrevolution in der islamischen Welt begann als breites Bündnis von Schah-Gegnern aller politischen Schattierungen und endete mit der Herrschaft der schiitischen Islamisten, die ihre früheren Verbündeten abschlachteten; die Forderung nach dem islamischen Staat war einfach populärer als die westlich geprägten Entwürfe liberaler oder marxistischer Gruppen, die alle wie bloße Varianten einer westlichen Fremdherrschaft aussahen und in dieser Hinsicht mehr mit dem Schah als mit den Volksmassen gemein hatten, freilich ohne es zu wissen.

Es ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass in Ägypten (Tunesien und den Jemen lasse ich einmal beiseite) die Muslimbruderschaft als die populärste, bestorganisierte, und meistrespektierte Organisation der ägyptischen Opposition die lachenden Erben des Mubarak-Regimes sein wird, die damit die Früchte von Jahrzehnten zäher Arbeit ernten würde. Ähnliches ist in Tunesien oder dem Jemen (oder weiteren arabischen Ländern) zumindest vorstellbar.

Das muss nicht so kommen – es ist immer noch möglich, dass das Regime an der Macht bleibt. (Ich sage das mit der Erfahrung dessen, der seit zehn Jahren den Zusammenbruch des iranischen Regimes vorhersagt.) Nehmen wir aber an, das Regime würde stürzen: Welche Parole wäre zugkräftig genug, die Massen davon abzuhalten, die Muslimbrüder oder vergleichbare Machthaber zu unterstützen?

Ich sehe nur eine, nämlich eine, die den Slogans der französischen und russischen Revolution oder auch dem D-Mark-Versprechen der ostdeutschen Revolution analog wäre, und die darauf hinausliefe, dem Volk den Zugang zu westlichem Wohlstand in Aussicht zu stellen.

Ein arabischer Revolutionär, der seinem Land die Herrschaft von Islamisten ersparen wollte, käme gar nicht darum herum, seinem Volk als Belohnung für einen mehr oder weniger liberal-demokratischen Weg einen erleichterten Zugang nach Europa in Aussicht zu stellen. Und das ist nicht etwa ein Hirngespinst:

Der tunesische Oppositionspolitiker Moncef Marzouki erwartet nach der tunesischen Revolution einen „Frühling der Demokratie“ im Nahen Osten, in dem autoritäre Regierungen abgelöst werden. „Und das straft alle diejenigen in Europa Lügen, die immer behauptet haben, die Demokratie, das sei nichts für die Araber“, sagte der kürzlich nach zehn Jahren im französischen Exil nach Tunesien zurückgekehrte Menschenrechtsaktivist und Politiker am Freitag in einem Interview des Deutschlandfunks.

(…)

„Unser Platz ist der euro-mediterrane Raum. Für den Westen ist es einfacher, mit Demokraten zu kooperieren.“

(Quelle: focus.de)

Im Klartext: „Wenn wir Demokratie spielen,sind wir Teil des euro-mediterranen Raumes“, und dass dieser Raum grenzenlos ist, wird man uns Europäern schon noch beibringen. Eine solche Konzeption fügt sich jedenfalls nahtlos in das von der EU verfolgte euro-mediterrane Programm und wird bei den EU-Eliten zweifellos auf Gegenliebe stoßen.

In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass mit Mohammed el-Baradei ausgerechnet ein ausgewiesenes Mitglied der globalen Eliten sich anschickt, die Führung der ägyptischen Opposition zu übernehmen. Selbst wenn man ihm nicht unterstellt, irgendjemandes „Agent“ zu sein, ist der Vorgang symbolträchtig.

Man kann sich jetzt schon die Phrasen vorstellen, mit denen die EU-Eliten uns schmackhaft machen werden, dass die Grenzen noch weiter für Massenmigration geöffnet werden: Es gelte jetzt, „die jungen Demokratien des Nahen Ostens zu unterstützen“ und „den Menschen eine Perspektive zu bieten“, damit sie „nicht den Radikalen in die Arme getrieben werden“ usw.

Diese Perspektive wird sein, dass die wirtschaftlichen Probleme dieser Länder auf unsere Kosten gelöst werden, indem wir ihren Bevölkerungsüberschuss aufnehmen. Wenn man ernsthaft die Türkei als Mitglied der EU ins Auge fasst, dann ist nicht zu erkennen, warum Tunesien oder Ägypten vor der Tür bleiben sollen.

Und dabei ist nicht einmal ausgeschlossen, dass islamistische Gruppen dieses Spiel mitspielen werden, so wie es ihre türkischen Gesinnungsgenossen schon seit Jahren tun. Sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, indem sie einerseits ihre innenpolitische Position konsolidieren und die forcierte Re-Islamisierung ihrer Länder vorantreiben (was unter einem liberalen Regime viel leichter ist als unter einer Diktatur), andererseits die Islamisierung Europas voranbringen. Getreu Erdogans Motto, die Demokratie sei eine Straßenbahn, die einen ans Ziel bringe, und wenn man dort angekommen sei, steige man aus.

Es stellt sich die Frage, welches der zwei Gesichter der Revolution einem unsympathischer sein soll. Es stellt sich sogar die Frage, ob es überhaupt zwei Gesichter sind – oder nicht vielmehr zweimal dasselbe Gesicht, einmal mit und einmal ohne Bart.