Der Januskopf

Wenn man das Aufbegehren der Massen in der islamischen Welt betrachtet, das von Tunesien ausging und nun auch Ägypten und den Jemen erreicht hat, dann fällt es schwer, sich nicht an die Vorgänge 1989 in Europa erinnert zu fühlen. Erst recht fällt es schwer, mit den Aufständischen nicht zu sympathisieren, zumal wenn man einen Blick auf die Regime wirft, gegen die der Aufstand sich richtet.

Trotzdem gestehe ich, dass ich diese Vorgänge nicht ohne Unbehagen sehe, und wenn ich mich auch nicht kompetent fühle, den aktuellen Stand der Innenpolitik Ägyptens oder gar Tunesiens oder des Jemen kompetent zu analysieren – ein paar skeptische Anmerkungen möchte ich doch anbringen:

Jede Revolution hat etwas Janusköpfiges: Die großen, klassischen Volksrevolutionen der letzten 200 Jahre gingen stets von den Mittelschichten aus, die eine gemäßigte Reform-Agenda verfolgten und mehr oder minder hochherzige Ideen im Auge hatten. Diese Kräfte, die die Revolution begannen, waren aber fast nie diejenigen, die sie auch beendeten und von ihrem Sieg profitierten.

Sofern die Revolution nicht auf halbem Wege stehen blieb und in die Restauration des ancien régime mündete, wie 1848 in Deutschland; sofern also die alten Gewalten effektiv entmachtet wurden, fiel die Macht stets demjenigen zu, dessen Parole die Massen elektrisierte, die oft ganz anders dachten als die Initiatoren aus den Mittelschichten:

In Frankreich begann die Revolution mit dem Ziel, die Macht des Königs durch eine Verfassung zu bändigen. Sie mündete in die Terrorherrschaft der Jakobiner, weil die Jakobiner mit dem Schlachtruf „Égalité!“ den Mob von Paris auf ihre Seite brachten.

In Russland wurde alles, was liberal und gemäßigt links war, von den Bolschewiki beiseite geschoben, die den Arbeitern wie den Bauern alles versprachen, was sie haben wollten.

In der DDR wollte die Oppositionsbewegung mehr Freiheit, die Massen wollten die D-Mark. Ich kritisiere das nicht, ich weise nur darauf hin, dass die Macht, wenn die Dinge einmal in Bewegung gekommen sind, am Ende dem zufällt, der die tiefsten Wünsche der Massen artikuliert. In der DDR war es der Wunsch nach Teilhabe am westlichen Wohlstand. Die Macht fiel Helmut Kohl zu, weil er das begriff.

Die islamische Revolution im Iran als bisher einzige Volksrevolution in der islamischen Welt begann als breites Bündnis von Schah-Gegnern aller politischen Schattierungen und endete mit der Herrschaft der schiitischen Islamisten, die ihre früheren Verbündeten abschlachteten; die Forderung nach dem islamischen Staat war einfach populärer als die westlich geprägten Entwürfe liberaler oder marxistischer Gruppen, die alle wie bloße Varianten einer westlichen Fremdherrschaft aussahen und in dieser Hinsicht mehr mit dem Schah als mit den Volksmassen gemein hatten, freilich ohne es zu wissen.

Es ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass in Ägypten (Tunesien und den Jemen lasse ich einmal beiseite) die Muslimbruderschaft als die populärste, bestorganisierte, und meistrespektierte Organisation der ägyptischen Opposition die lachenden Erben des Mubarak-Regimes sein wird, die damit die Früchte von Jahrzehnten zäher Arbeit ernten würde. Ähnliches ist in Tunesien oder dem Jemen (oder weiteren arabischen Ländern) zumindest vorstellbar.

Das muss nicht so kommen – es ist immer noch möglich, dass das Regime an der Macht bleibt. (Ich sage das mit der Erfahrung dessen, der seit zehn Jahren den Zusammenbruch des iranischen Regimes vorhersagt.) Nehmen wir aber an, das Regime würde stürzen: Welche Parole wäre zugkräftig genug, die Massen davon abzuhalten, die Muslimbrüder oder vergleichbare Machthaber zu unterstützen?

Ich sehe nur eine, nämlich eine, die den Slogans der französischen und russischen Revolution oder auch dem D-Mark-Versprechen der ostdeutschen Revolution analog wäre, und die darauf hinausliefe, dem Volk den Zugang zu westlichem Wohlstand in Aussicht zu stellen.

Ein arabischer Revolutionär, der seinem Land die Herrschaft von Islamisten ersparen wollte, käme gar nicht darum herum, seinem Volk als Belohnung für einen mehr oder weniger liberal-demokratischen Weg einen erleichterten Zugang nach Europa in Aussicht zu stellen. Und das ist nicht etwa ein Hirngespinst:

Der tunesische Oppositionspolitiker Moncef Marzouki erwartet nach der tunesischen Revolution einen „Frühling der Demokratie“ im Nahen Osten, in dem autoritäre Regierungen abgelöst werden. „Und das straft alle diejenigen in Europa Lügen, die immer behauptet haben, die Demokratie, das sei nichts für die Araber“, sagte der kürzlich nach zehn Jahren im französischen Exil nach Tunesien zurückgekehrte Menschenrechtsaktivist und Politiker am Freitag in einem Interview des Deutschlandfunks.

(…)

„Unser Platz ist der euro-mediterrane Raum. Für den Westen ist es einfacher, mit Demokraten zu kooperieren.“

(Quelle: focus.de)

Im Klartext: „Wenn wir Demokratie spielen,sind wir Teil des euro-mediterranen Raumes“, und dass dieser Raum grenzenlos ist, wird man uns Europäern schon noch beibringen. Eine solche Konzeption fügt sich jedenfalls nahtlos in das von der EU verfolgte euro-mediterrane Programm und wird bei den EU-Eliten zweifellos auf Gegenliebe stoßen.

In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass mit Mohammed el-Baradei ausgerechnet ein ausgewiesenes Mitglied der globalen Eliten sich anschickt, die Führung der ägyptischen Opposition zu übernehmen. Selbst wenn man ihm nicht unterstellt, irgendjemandes „Agent“ zu sein, ist der Vorgang symbolträchtig.

Man kann sich jetzt schon die Phrasen vorstellen, mit denen die EU-Eliten uns schmackhaft machen werden, dass die Grenzen noch weiter für Massenmigration geöffnet werden: Es gelte jetzt, „die jungen Demokratien des Nahen Ostens zu unterstützen“ und „den Menschen eine Perspektive zu bieten“, damit sie „nicht den Radikalen in die Arme getrieben werden“ usw.

Diese Perspektive wird sein, dass die wirtschaftlichen Probleme dieser Länder auf unsere Kosten gelöst werden, indem wir ihren Bevölkerungsüberschuss aufnehmen. Wenn man ernsthaft die Türkei als Mitglied der EU ins Auge fasst, dann ist nicht zu erkennen, warum Tunesien oder Ägypten vor der Tür bleiben sollen.

Und dabei ist nicht einmal ausgeschlossen, dass islamistische Gruppen dieses Spiel mitspielen werden, so wie es ihre türkischen Gesinnungsgenossen schon seit Jahren tun. Sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe, indem sie einerseits ihre innenpolitische Position konsolidieren und die forcierte Re-Islamisierung ihrer Länder vorantreiben (was unter einem liberalen Regime viel leichter ist als unter einer Diktatur), andererseits die Islamisierung Europas voranbringen. Getreu Erdogans Motto, die Demokratie sei eine Straßenbahn, die einen ans Ziel bringe, und wenn man dort angekommen sei, steige man aus.

Es stellt sich die Frage, welches der zwei Gesichter der Revolution einem unsympathischer sein soll. Es stellt sich sogar die Frage, ob es überhaupt zwei Gesichter sind – oder nicht vielmehr zweimal dasselbe Gesicht, einmal mit und einmal ohne Bart.

29 Gedanken zu „Der Januskopf“

  1. Unsere Politiker werden wahrscheinlich als erstes die Geldhähne aufdrehen (humanitäre Hilfe, wirtschaftliche Entwicklung… etc. blabla). Ich betrachte diese Entwicklung äußerst argwöhnisch und würde, wenn ich das Sagen hätte, sofort alle Grenzen schließen, Geldzuflüsse stoppen und weiter beobachten, was geschieht. Ich selbst glaube nicht, dass es langfristig eine Hoffnung für Ägypten gibt, zumindest nicht das, was ich als Hoffnung ansehe. Jeden Eingriff von außen, durch europäische Mächte, in welcher Form auch immer, würde ich ablehnen. Wenn Ägypten und andere arabische Länder zu Failed-States werden, dann müssen sie diesen Weg auch gehen, notfalls bis zum bitteren Ende. Niemand sollte diese Entwicklung aufhalten, weil sie das ernten sollen, was sie über 1000 Jahre lang gesäht haben und irgendwann den Preis darür zahlen müssen, was sie seit dem 1. Jahrtausend Christen angetan haben.

  2. Welche Geldhähne, prospero? Den, wo 1,8BIO € Schulden rausfliessen? Das ist der Anfang vom Ende, Vorbote eines zunächst europäischen, dann globalen Kollapses mit unglaublichen Verwüstungen.

  3. Da sich im Libanon nun offenbar die Israel auslöschen wollende Hamas etalbieren will, setzt der bald nukleare Iran nun vermutlich alle Hebel in Bewegung, in Aegypten seine Machtinteressen wahrzunehmen. Neben Palästina hätte der Iran gleich mehrere Mittelmeerhäfen unter ihren Fittichen. Washington ist in einer äusserst heiklen Situation, falls dies eintreffen sollte. Israel hätte noch mehr als heute schon zu befürchten. Eine israelische Aufrüstung würde infolge der unmittelbaren Nachbarschaft nicht mehr viel bringen. Die unzähligen „Allah-u-Akbar“-Rufe in Aegypten lässt zudem die Islamische Bruderschaft (deren erklärtes Ziel die Weltherrschaft ist und bleibt) hoffen. Auf Grund dessen ist daher eher Pessimismus angesagt.
     

  4. @rolf wittwer:

    ad Iran:

    1. weiß niemand, wie nahe der Iran tatsächlich an einer Atommachtposition ist.  Es ist zweierlei, spaltbares Material zu haben, das prinzipiell geeignet ist — und dieses am gewünschten Punkt zum Einsatz zu bringen. Wenn eine iranische Rakete vorzeitig die Bahn gen Israel beendet und über Damaskus oder Baghdad gesprengt wird, würden die Ayatollahs nichts mehr zu lachen haben.

    2. Ihren Pessimismus hinsichtlich der Entwicklung Ägyptens teile ich durchaus. Es ist tatsächlich zu befürchten, daß sich die Moslembruderscaft durchsetzt.

    @Manfred:

    Ihre Voreingenommenheit gegen die Liberalen läßt mich hinsichtlich Ägypten etwas ratlos zurück. Wollen Sie tatsächlich ein zum Tod verurteiltes Mubarak-Regime an die Herz-Lungen-Maschine anschließen? Nein — es wird für uns wohl nur dann positiv weitergehen, wenn die Liberalen die Moslembruderschaft austricksen — und dann Ägypten innerlich »korrumpiert« wird. Diskohasen wollen keinen Schleier tragen, und Jüngels, die sich zudröhnen, ziehen nicht mit Bombengürtel in die Welt, um Märtyrer zu werden.

    Sie werden einwenden, daß ich also der Hedonisierung und »Verschweinung« dieser Menschen das Wort rede. Mag sein. Aber lieber ein Schwein, das mich in Ruhe läßt, als ein Fundi, der mich in die Luft sprengt. so viel egoistisches Schwein bin ich halt …

  5. @ Le Penseur:

    Ihre Voreingenommenheit gegen die Liberalen läßt mich hinsichtlich Ägypten etwas ratlos zurück. Wollen Sie tatsächlich ein zum Tod verurteiltes Mubarak-Regime an die Herz-Lungen-Maschine anschließen?

    Abgesehen davon, dass es sehr die Frage ist, ob das Mubarak-Regime zum Tode verurteilt ist (womöglich wird nur ein Mubarak durch einen anderen Mubarak – oder einen Saddam oder Assad oder Gaddafi – ersetzt), hängt es überhaupt nicht von mir oder von irgendwem in Europa ab, wie es in Ägypten weitergeht. Meine Aufgabe ist nicht, mich mit dieser oder jener Partei zu solidarisieren (Was geht mich Ägypten an?), sondern zu analysieren, welche Entwicklungen möglich bzw. wahrscheinlich sind – und welche Konsequenzen das jeweils für uns hat. Und da kann ich nicht nachvollziehen, wie Sie zu der Einschätzung gelangen:

    Nein — es wird für uns wohl nur dann positiv weitergehen, wenn die Liberalen die Moslembruderschaft austricksen — und dann Ägypten innerlich »korrumpiert« wird. Diskohasen wollen keinen Schleier tragen, und Jüngels, die sich zudröhnen, ziehen nicht mit Bombengürtel in die Welt, um Märtyrer zu werden.

    Genauer: Ich kann nicht erkennen, warum dies für uns positiv sein sollte. Terrorismus ist für uns ein Randproblem – die wirklich ausgeschlafenen Dschihadstrategen setzen für die Islamisierung Europas schon lange nicht mehr auf Terrorismus, sondern auf Unterwanderung.

    Sie werden einwenden, daß ich also der Hedonisierung und »Verschweinung« dieser Menschen das Wort rede.

    Das wende ich keineswegs ein, weil es mich schlicht nicht interessiert, ob die Mädchen in Kairo bauchfrei herumlaufen oder nicht. Nur dass Hedonisten erst recht Europa als das Land ihrer Träume ansehen werden. Mich interessiert, ob weitere Massen von Moslems nach Europa strömen, und es ist mir herzlich gleichgültig, ob diese dann mehr oder minder liberal sind, weil die Erfahrung lehrt, dass spätestens ihre Enkel es nicht mehr sind. Was mich beunruhigt, habe ich in dem Artikel eigentlich ausführlich beschrieben. Ich habe beinahe den Eindruck, dass Sie ihn bloß überflogen haben.

  6. Guten Abend, Manfred.
     
    Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich zwei Dinge am neuen Design kritisiere.
     
    Zum einen ist der Text nicht dunkel genug, bzw. der Hintergrund nicht hell genug, um unangestrengt lesen zu können, diese weißen Kratzer lenken auch ab.
     
    Und zum zweiten ist es keine so besonders gute Idee, beide Sidebars auf die selbe Seite zu packen. Es lädt nicht dazu ein durchzustöbern, was es da wohl gibt, es erschlägt einen.
     
    Vielleicht ist es auch nicht so besonders glücklich DIESE serifenlose Schrift für die Titel zu benutzen, der Kontrast zur Textschrift ist etwas zu groß, die Titelschritf etwas zu dünn.
     
    Farblich ist das jetzt natürlich schicker, aber auch beliebiger. Es fehlt auch irgendein trennendes Element zwischen den Bars, nur farblich getrennt kommt es suboptimal.
     
    Du solltest schon was dran machen, es ist so wirklich nicht besonders leicht zu lesen.

  7. Hallo, Fremder:

    Ich nehme es Dir keineswegs übel, ich bin froh über das Feedback. Ich wundere mich zwar ein wenig, weil ich den Text jetzt viel besser lesbar finde als vorher; aber das ist natürlich auch subjektiv, und selbstverständlich möchte ich mich am Leser orientieren.

    Frage an die anderen Leser: Wie findet Ihr es?

  8. Das Nebeneinander der beiden Seitenleisten wirkt irgendwie wie ein Darstellungsfehler im Browser. Es ist halt ein Bruch mit den allgemeinen „Konventionen“.
    Gravierender ist da schon die Schrift auf dem „zerknüllten“ Hintergrund. Es ist etwas störend beim Lesen. Ein einfarbiger Hintergrund wäre da schon angenehmer.
    Was die Farb- und Schriftwahl an sich angeht wirkt das neue Design „erwachsener“. Es sieht irgendwie professioneller aus.
    Nachtrag:
    Eine Sache ist mir zum Schluß noch aufgefallen: Wenn man mit der Maus auf den Button „Kommentar senden“ geht wird die Schrift in dem Button hellgrau. Es ist nur ein Detail aber schwarz würde wahrscheinlich besser aussehen.
     

  9. @ Neo, Fremder:

    Was den Schrifthintergrund angeht – da überlege ich auch schon, ob ich ihn entweder einfarbig oder aber so hell mache, dass der zerknüllte Hintergrund nur angedeutet wird, ohne zu stören. Außerdem könnte ich die Schriftfarbe von dunkeldunkelblau auf ganz schwarz ändern.

    Das mit den zwei Randleisten nebeneinander ist sicherlich ein Bruch mir den Konventionen, aber genau das sollte es auch sein. (Das Problem ist ja, dass ich das Design einerseits kühler, nüchterner und sachlicher, in Neos Worten: erwachsener, wollte, aber nicht so langweilig und beliebig, wie es bei vielen Blog-Themes der Fall ist.) Auch beim Thema „Stöbern“ will ich zwei Dinge unter einen Hut bringen: Der Leser soll schon zum Stöbern eingeladen werden, aber ohne, dass es vom Haupttext ablenkt. Bei meinem alten Theme hatte ich das Gefühl, dass das zu sehr der Fall ist.

  10. Das Ganze ist noch etwas gewöhnungsbedürftig, eines aber sollte nachgebessert werden: Die Namen der anderen Blogs in der Randleiste sind zu dunkel (dunkkelblau auf schwarzem Hintergrund) und erst bei näherem angestrengtem Hinsehen auszumachen.

  11. Mein Kommentar zum Design:

    Die Hauptspalte finde ich sehr gut; das „Zerknüllte“ im Hintergrund stört mich überhaupt nicht, das sieht man doch kaum. Für mich persönlich ist der relativ geringe Kontrast zwischen Hintergrund und Schrift sehr angenehm; ich hab da ein Problem mit den Augen, wenn der Helligkeitsunterschied zu groß ist; am unangenehmsten ist für mich weiße Schrift auf schwarzem Grund, so wie jetzt in den Sidebars; das kann aber von mir aus so bleiben, dort liest man ja nur kurz; ich würde aber auch sagen, die Namen der Blogs sollten etwas heller sein.

    Zum Thema einige Gedanken:

    Sollte es zum totalen Chaos in Ägypten kommen, werden sich die Moslembrüder als einzige noch verbleibende potentielle Ordnungsmacht ins Spiel bringen. Leider scheint die Protestbewegung wirklich kein Führungspersonal zu haben, vor allem auch keins mit wirklicher politischer Erfahrung, so dass diese Entwicklung nicht unwahrscheinlich ist.
    Welche Rolle el-Baradei spielen könnte, ist schwer zu sagen. Ist er nun aus eigenem Antrieb gekommen oder hat man ihn geschickt?

    Was werden sich die USA verhalten? Die Neigung der Amerikaner, immer auf die Falschen zu setzen, ist ja legendär. Der Militärhilfe der USA für Ägypten hatte ja wohl den Hauptzweck, die Ägypter in der Lage zu halten, den Suez-Kanal zu sichern. Bricht das Chaos in Ä. aus, werden die USA möglicherweise versucht sein, die Sicherung des Kanals in die eigene Hand zu nehmen. Von weiteren Verwicklungen ganz zu schweigen.

    Offenbar wird auch der König der Saudis und Hüter der heiligen Stätten nervös. Ich hab vorhin im DLF gehört, er habe gesagt, es solle keinem Moslem einfallen, die Stabilität „des Landes“ für die Freiheit aufs Spiel zu setzen (es war aber nicht klar, ob er Ä. oder sein eigenes Land meinte).

    Wenn sich in Ägypten (und den anderen Ländern) eine Ordnung durchsetzen sollte, die der jungen Generation die Aussicht auf mehr Freiheit und Wohlstand eröffnet, könnte das dazu führen, das der Drang, zu uns zu kommen, nachlässt. Daraus könnte die EU natürlich das Argument schmieden, dass es jetzt so wichtig ist wie noch nie, jede Menge Geld dorthin zu pumpen.

    Auf Al-Jazeera erzählten sie vorhin, in Dubai seien 19 Privatflugzeuge aus Ägypten gelandet, es schienen aber wohl keine Angehörigen des Regimes zu sein, sondern Geschäftsleute. (Al-Jazeera kann man – auf englisch – bei zattoo kriegen.)

  12. @Manfred:

    Genauer: Ich kann nicht erkennen, warum dies für uns positiv sein sollte. Terrorismus ist für uns ein Randproblem – die wirklich ausgeschlafenen Dschihadstrategen setzen für die Islamisierung Europas schon lange nicht mehr auf Terrorismus, sondern auf Unterwanderung.

    Nun, Unterwanderung setzt voraus, daß es Reproduktionsraten gibt, die unterwandern. Das wird am besten durch bauchfrei tanzenden Discogirls bekämpft. Und bei 7 Milliarden Menschen bin ich nicht der Meinung, daß Bevölkerungsvermehrung ein wünschenswertes Szenario ist. Egal für wen (so er bei Trost ist).

    Das wende ich keineswegs ein, weil es mich schlicht nicht interessiert, ob die Mädchen in Kairo bauchfrei herumlaufen oder nicht. Nur dass Hedonisten erst recht Europa als das Land ihrer Träume ansehen werden.

    1. Mich interessieren die bauchfreien Mädels in Kairo durchaus, und zwar aus vorgenanntem Grund — sonst bin ich für diese Altersstufe leider wohl schon off limits 😉
    2. Hedonisten werden dafür aber nicht beliebig Gefahren auf sich nehmen. Was bei entsprechendem Grenzregime die Sache einigermaßen eindämmt.
    3. Wenn der verknöcherte, bildungs- und fortschrittsfeindliche Islam von innen erodiert, werden sich auch die Verhältnisse in Ägypten bessern, und das macht seßhaft. Obwohl ich z.B. weiß, daß der Lebensstandard in der Schweiz höher ist als in Österreich, riskiere ich doch nicht meinen — relativen — Wohlstand hier, nur um es vielleicht in der Schweiz noch besser zu haben.

    Mich interessiert, ob weitere Massen von Moslems nach Europa strömen, und es ist mir herzlich gleichgültig, ob diese dann mehr oder minder liberal sind, weil die Erfahrung lehrt, dass spätestens ihre Enkel es nicht mehr sind.

    Nun, genau diese »Erfahrung« können Sie m.E. nicht haben. Denn es gab eben noch keine »liberale« Moslemgeneration — weder in Europa, noch sonstwo. Es gab scheinangepaßte Moslems als Billig-Arbeitstiere, die von ihrer Hilfsarbeitertätigkeit einfach zu müde waren, um sich nach Feierabend noch für irgendwas zu interessieren.

    Diese Generation war also war nicht »liberal«, wenn sie nicht in die Moschee ging etc., sondern einfach müde! Was freilich danach kam, war die Partie »soziale Hängematte« — was aber m.E. weniger deren Fehler war, sondern der unserer Politiker und Berufsgutmenschen. Die Sozialschmarotzer hatten nun aber genug Zeit und Frustration, sich wieder »auf ihre Wurzeln« zu besinnen — was insbes. dadurch gefördert wurde, daß sie durch ihr moralisches Überlegenheitsgefühl ihren geringen Sozialstatus perfekt kompensieren konnten.

    Unsere Interessen in Bezug auf die Muselmanen sind durchaus vergleichbar — wir divergieren nur in der Einschätzung, wie diese Interessen bestmöglich zu erreichen sind. Bei Ihnen, cher Manfred, habe ich noch nicht wirklich verstanden, wie Sie von Ihrer — wohlgemerkt: höchst kenntnisreichen und zutreffenden! — Diagnose zu einer Therapie kommen wollen. Denn »von selbst« wird sich das Problem nicht erledigen, und alle Museln auszurotten wird sich schon von der Menge her verbieten. Ganz davon abgesehen, daß es natürlich moralisch verboten und darüberhinaus illegal ist … 

    Ich selbst gestehe offen ein, daß mir Ihre diagnostische Trennschärfe mangelt — dafür aber versuche ich eine mir plausibel scheinende Therapie zu propagieren: Zersetzung des Islam. Lächerlichmachen. Unterwandern durch Erweckung von Sehnsüchten, Traumbildern. Zerstörung durch Schüren von Divergenzen zwischen Mainstream-Moslems und Aleviten, Sunnniten und Schiiten etc. etc.

    Okay, das ist nicht hehr, das ist nicht edel, das ist nicht ehrlich. Aber: ich würde mich gegenüber Kommunisten oder Nazis auch nicht anders verhalten. Und den Islam mag ich ebensowenig wie diese.

    Was mich beunruhigt, habe ich in dem Artikel eigentlich ausführlich beschrieben. Ich habe beinahe den Eindruck, dass Sie ihn bloß überflogen haben.

    Den Eindruck habe ich eigentlich nicht.

  13. Ob die innere Erosion des Islam zwangsläufig zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse führt, bezweifle ich. Es ist sogar bezeichnend, dass wir schon ganz selbstverständlich Liberalisierung mit Bauchfreiheit gleichsetzen, also nicht eine aufgeklärte, kreative und individualistische Gesellschaft erwarten, sondern davon ausgehen, dass die Ägypter die konstruktiven Aspekte einer liberalen Gesellschaftsform gar nicht erst kennenlernen werden, sondern gleich zur Dekadenz übergehen. Das ist wahrscheinlich realistisch, wird aber den Auswanderunsgdruck nicht mindern, sondern eher fördern. Und so schnell werden die Reproduktionsraten wohl auch wieder nicht zurückgehen, dass es nicht noch dazu reichen würde, Europa zu überschwemmen, zumal wenn noch andere arabische Länder sich dem Trend anschließen und unsere sogenannten Eliten ihnen unter allerlei wohltönenden Phrasen die Tür öffnen werden.

    Übrigens habe ich keine Therapie, sondern nur ein Seuchenpräventionskonzept: Haltet sie draußen!

  14. @Manfred:

    Ich glaube, wir sollten Europas Interessen in Nordafrika und Europas Strategien gegenüber Einwanderern zwar simultan betrachten, aber nicht vermischen.

    Das mit dem Seuchenpräventionskonzept geht natürlich nur, wenn wir Europäer das wollen und durchsetzen. Dazu müssen wir aber erst unsere Meinungsmonopolisten in Medien und Politik entmachten!

    Die Proteste in Ägypten haben so eine ungeahnte Vorbildswirkung für Europa …

  15. Dazu müssen wir aber erst unsere Meinungsmonopolisten in Medien und Politik entmachten!

    Gewiss, aber solange sie eben nicht entmachtet sind, wäre eine eventuelle Revolution, sofern sie unter liberalen Parolen bleibt, eine Steilvorlage für sie und nicht für uns.

  16. Es kaum zu befürchten, dass irgendwelche Liberalen die Islamische „Kultur“ zerstören. Wo sollen die in Ägypten denn herkommen?
    Für Europa behaupte ich einfach mal, daß sich hinter den ganzen liberalten Masken nur unsere guten alten Marxisten verstecken, die ja nicht alle so doof wie die Lötzsch sind.
    Liberale in im Geiste Hayeks sind doch auch bei uns Mangelware.

  17. Bevor ich es vergesse – Manfred, die Analyse des Zusammenspiels unserer EU-Eliten mit den wie auch immer aussehenden neuen Regimen ist ein echter Volltreffer!
     
    Wenn es so kommt, wird es übel ausgehen.

  18. Unsere Eliten werden alles tun, um noch mehr Moslems reinzulassen…. die einzige Prognose, die ich mal abgebe.

  19. Nur mal zwischendurch noch eine technische Anmerkung: in der gegenwärtigen Konfiguration der Seite fehlt jeder Hinweis, daß die drei Zeilen, die man zunächst zu sehen bekommt, nicht der ganze Artikel sind, sondern man den erst noch aufklappen muß. Wenn man‘ s nicht weiß, ist der Klick auf den Titel Zufall. Für nur gelegentliche Besucher oder zufällige Hereinstolperer vielleicht nicht optimal.

  20. @Manfred:

    Gewiss, aber solange sie eben nicht entmachtet sind, wäre eine eventuelle Revolution, sofern sie unter liberalen Parolen bleibt, eine Steilvorlage für sie und nicht für uns.

    Und wenn die Revolution nicht unter liberalen Vorzeichen bliebe — wäre das für uns denn wirklich mehr zu wünschen?

    Noch ein Nachtrag zu einem früheren Kommentar:

    Ob die innere Erosion des Islam zwangsläufig zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse führt, bezweifle ich.

    Naja, schon. Zwangsläufig ist natürlich nix, außer dem Tod … aber es gibt doch starke Indizien, daß überall dort, wo der Islam nicht mehr ernstgenommen wird, der doppelte Todeshauch des Fanatismus und Fatalismus also nicht mehr alles lähmt, es mit der Wirtschaft und der Freiheit aufwärtsgeht.

    Es ist sogar bezeichnend, dass wir schon ganz selbstverständlich Liberalisierung mit Bauchfreiheit gleichsetzen, also nicht eine aufgeklärte, kreative und individualistische Gesellschaft erwarten, sondern davon ausgehen, dass die Ägypter die konstruktiven Aspekte einer liberalen Gesellschaftsform gar nicht erst kennenlernen werden, sondern gleich zur Dekadenz übergehen.

    1. Eine »aufgeklärte, kreative und individualistische Gesellschaft« akzeptiert auch Bauchfreiheit, ohne diese gleich mit »Dekadenz« gleichzusetzen.
    2. zitiere ich  den großen alten F.A.v.Hayek: »Freiheit, die nur gewährt wird, wenn im voraus bekannt ist, daß ihre Folgen günstig sein werden, ist nicht Freiheit. Wenn wir wüßten, wie Freiheit gebraucht werden wird, würde sie in weitem Maße ihre Rechtfertigung verlieren. Wir werden die Vorteile der Freiheit nie genießen, nie jene unvorhersehbaren Entwicklungen erreichten, für die sie die Gelegenheit bietet, wenn sie nicht auch dort gewährt ist, wo der Gebrauch, den manche von ihr machen, nicht wünschenswert erscheint. Es ist daher kein Argument gegen individuelle Freiheit, daß sie oft mißbraucht wird.« 

  21. Und wenn die Revolution nicht unter liberalen Vorzeichen bliebe — wäre das für uns denn wirklich mehr zu wünschen?

    Nein, ich sage doch: Für uns besteht so oder so kein Anlass zur Euphorie. Ich kann den Ägyptern ja zugestehen, dass sie jedes Recht haben, das Mubarak-Regime zum Teufel zu jagen, aber deswegen muss ich mir doch keine rosaroten Illusionen machen. Ein liberales Regime macht noch keine liberale Gesellschaft. Wenn es so einfach wäre, das Denken der Menschen zu ändern, dann dürfte es nach achtzig Jahren säkularistischer Propaganda auch keine Islamisten in der Türkei geben.

    daß überall dort, wo der Islam nicht mehr ernstgenommen wird, der doppelte Todeshauch des Fanatismus und Fatalismus also nicht mehr alles lähmt, es mit der Wirtschaft und der Freiheit aufwärtsgeht.

    Wo ist das?

    Eine »aufgeklärte, kreative und individualistische Gesellschaft« akzeptiert auch Bauchfreiheit, ohne diese gleich mit »Dekadenz« gleichzusetzen.

    Ja, aber eine Gesellschaft, für die Bauchfreiheit der Inbegriff der Freiheit schlechthin ist, wird wenig Produktives hervorbringen. Wenn wir uns unsere eigene Gesellschaft ansehen, dann scheint mir sogar, dass der Zusammenhang zwischen Rede- und Bauchfreiheit negativ ist: Sie dürfen eher öffentlichen Analverkehr praktizieren als an linken Glaubensartikeln zweifeln. Als es noch umgekehrt war, war die europäische Zivilisation führend. Was Hayek sagt, ist zwar richtig, aber gerade weil individuelle Freiheit nicht per se und automatisch der Schlüssel zum Guten ist, darf man sich fragen, was am Ende dabei herauskommt.

  22. @Manfred:

    Wo das ist? Na z.B. in diversen Golfstaaten, oder dem Oman, die verglichen mit Saudiarabien ja ein Hort der Freiheit sind. Es ist natürlich nur eine relative, begrenzte Freiheit, an unseren Maßstäben gemessen, aber immerhin!

    Was nun das Hayek-Zitat betrifft, fürchte ich, daß wir beide uns über den Wert der Freiheit wohl nie einig werden können. Lassen wir’s also lieber, bevor wir uns in die Haare kriegen …

  23. Die Moslems haben Recht: Sie besiegen uns mittels unserer eigenen Gesetze. Und – ob es einem gefällt oder nicht – unsere einzige Chance, nicht zu unterliegen, wäre, die eigenen Gesetze zu brechen. Man hätte das gesamte „stählerne Gehäuse“ (auch wenn es sich natürlich um eine weiche Diktatur handelt) zum Gegner, inkl. Justiz, Polizei, Politik und hirngewaschenen Bürgern. Man wäre nur ein einzelner „Irrer, Verbrecher“ o.ä., ein neuer Georg Elser. Und letzterer wird ja selbst heute noch systematisch totgeschwiegen, denn an dem Mann konnte und kann jeder sehen, daß das Erkennen des seinerzeit kommenden Unheils (fast) jedem einfachen Mann möglich war. In dieser Situation befinden wir uns längst.

  24. Ich habe vor einigen Tagen „Soehne und Weltmacht“ von Heinsohn gelesen. Sie sagen, dass Revolutionen ein zweischneidiges Schwert sind, weil ihre Verursacher meistens nicht ihre Vollfuehrer sind. Haetten wir ein zur Revolution williges und zahlenmaessig ausreichendes Jungvolk (die 2. und 3. Soehne), welche Leitidee muessten Leute nationaler Gesinnung denn praesentieren, um das revolutionaere Potential hinter sich zu bringen?

    Ich bin der Ueberzeugung, dass der Zustand der Deutschen Identitaet in der Geschichte aller Voelker einmalig ist. Vielleicht sind die Briten uns noch aehnlich und natuerlich die Oesterreicher, aber der BRD-Gruendungsmythos ist ja doch das bestimmende Element unserer gegenwaertigen Verfassung. Machte es Sinn, den Nationalstolz in ueberzaehligen jungen Maennern zu erwecken, wuerden sie existieren?

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