EU fordert Souveränitätsverzicht der Mitgliedsstaaten

Wie die Junge Freiheit schreibt, wollen die EU-Granden jetzt Nägel mit Köpfen machen:

BRÜSSEL. Führende EU-Politiker haben die Nationalstaaten aufgefordert, ihre Finanzhoheit weitgehend an Brüssel abzutreten. Demnach sollten die EU-Mitgliedsstaaten einer gemeinsamen Schuldenpolitik zustimmen und ihre Haushaltspolitik stärker an EU-Vorgaben ausrichten.

Zudem forderten der Chef des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, der Präsident der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, der Vorsitzender EU-Kommission, José Manuel Barroso, und der Leiter der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, die Einführung von sogenannten Eurobonds und eine europäische Bankenaufsicht. Ziel sei eine „echte Wirtschafts- und Währungsunion“, bei der jedem Mitgliedsstaate eine Verschuldungsobergrenze vorgeschrieben werde.

Welch ein Zufall, welche Überraschung! Da fordern die Herren der Europäischen Union ja genau das, was Wolfgang Schäuble in seinem jüngsten Spiegel-Interview gefordert hat. Selbstverständlich bestehen hier keinerlei Absprachen. (Das wäre ja sonst eine Verschwörungstheorie! Pfui!) Vielmehr ist der frappierende Gleichklang darauf zurückzuführen, dass die Forderung nach Souveränitätsverzicht ein Gebot der reinen Vernunft ist und deshalb von keinem vernünftigen Menschen zurückgewiesen oder gar als kaltschnäuzige Machtpolitik aufgefasst werden kann. Anders gesagt: Schäuble, Juncker, Barroso und van Rompuy sind Sprachrohre des Weltgeistes.

"Achtung, Achtung! Hier spricht der Weltgeist!"

Die JF schreibt weiter:

Merkel bleibt skeptisch

(…) Die Bundesregierung reagierte verhalten auf den Forderungskatalog. (…)

Für die Bundesregierung seien gemeinsame Schulden derzeit kein Weg aus der Krise. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich unzufrieden: Es fehle eine Balance zwischen gemeinsamen Handeln und gemeinsamer Haftung.

Anders gesagt: Wenn nicht nur die Schulden vergemeinschaftet, sondern auch die nationale „Finanzhoheit an Brüssel abgetreten wird“ (auch die deutsche), dann wird Merkel, die sich jetzt als stahlharte Vertreterin deutscher Interessen feiern lässt, dahinschmelzen. Oder, wie Schäuble es ausgedrückt hat:

Spiegel: Wie müsste eine Fiskalunion aussehen, damit Deutschland Eurobonds akzeptieren könnte?

Schäuble: Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. (…)

Die Ablehnung von Eurobonds ist nur Spielmaterial. Der Deal, den Merkel den europäischen Partnern anbietet, lautet: Wir übernehmen durch Euro-Bonds eure Schulden, und im Gegenzug akzeptiert ihr eine Brüsseler Diktatur!

 

 

Hans Magnus Enzensberger: „Sanftes Monster Brüssel“

In „Sanftes Monster Brüssel“ seziert Hans Magnus Enzensberger knapp und elegant den totalitären Irrsinn namens Europäische Union.

Nein, ich habe es noch nicht gelesen; gelesen habe ich Carlos A. Gebauers Rezension in eigentümlich frei, und nach dieser Rezension bleibt mir sozusagen gar nichts anderes übrig, als das Buch zu lesen. 😀

NNDB Mapper: ein hochinteressantes Werkzeug

Power Structure Research, also die Aufklärung informeller Machtstrukturen, war in diesem Blog ja schon öfter ein Thema. Ein Leser hat mich jetzt per E-Post auf den NNDB Mapper hingewiesen. Mit diesem Werkzeug lassen sich Beziehungen zwischen Personen übersichtlich darstellen und Personen- und Organisationsnetzwerke abbilden.

Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, Strukturen amerikanischer außenpolitischer Denkfabriken und ihrer deutschen Dependancen sichtbar zu machen. Nur als Fingerübung, weit entfernt von wirklicher Forschung. Ich wollte nur ausprobieren (und Euch mitteilen), wie der Mapper funktioniert. Aber auch dies führt schon zu aufschlussreichen Teilergebnissen:

Ich picke mir also mit der Trilateralen Kommission und dem Council on Foreign Relations zwei der zentralen Organisationen heraus, in denen die außenpolitischen Strategien der USA ausgebrütet werden, und mit dem American Council on Germany sowie der American Academy in Berlin zwei einflussreiche Ableger in Deutschland.

Zunächst plaziere ich diese vier Institutionen auf einer leeren Karte. Als ersten Schritt mache ich die Verknüpfungen (Knoten) der American Academy sichtbar. Dabei werden automatisch auch die Verbindungen zu den anderen Institutionen angezeigt. Das Ergebnis findet Ihr, wenn Ihr hier klickt.

Diejenigen Personen, die nur mit der Academy verknüpft sind, habe ich ganz nach außen geschoben, diejenigen, die mit einer weiteren Institution verbunden sind, etwas weiter nach innen, und im Zentrum stehen diejenigen, die mit drei der vier Institutionen verbandelt sind. Der Gedanke dahinter ist der, dass eine Person umso einflussreicher sein dürfte, je mehr Gremien desselben Arbeitsgebiets sie beeinflusst.

Als nächstes öffne ich die Knoten des American Council on Germany und verfahre genauso. Das Ergebnis findet Ihr hier. Nun schält sich die zentrale Gruppe noch etwas deutlicher heraus. Schließlich füge ich noch den German Marshall Fund und das American Institute for Contemporary German Studies hinzu, ohne dass sich am Gesamtbild noch viel ändern würde.

Nichts ist vollkommen, auch dieses wunderbare Spiel … äh, Werkzeug ist es nicht: Man kann zwar Personen hinzufügen, aber, soweit ich das sehen kann, nur für seine eigenen Übersichten; die Informationen werden nicht etwa nach dem Wiki-Prinzip in die NNDB-Datenbank aufgenommen. Das ist schade, weil diese Datenbank stark amerikalastig ist. Selbst die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik ist nicht vertreten, die Atlantikbrücke weist nur eine einzige Verknüpfung auf. Außerdem ist man auf gut visualisierbare Daten angewiesen; eine statistische Auswertung – etwa: Wie groß sind die personellen Schnittmengen zwischen der Trilateralen Kommission und dem Council on Foreign Relations? – ist nicht möglich.

Ungeachtet dessen empfehle ich Jedem, der sich für personelle und organisatorische Verflechtungen interessiert, den Mapper auszuprobieren.

 

 

 

EU-Kommission will Immigration aus Nordafrika fördern

Der für die EU-Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständige tschechische EU-Kommissar Štefan Füle hat einen neuen Fall von „white guilt“ ausgemacht und ergreift die Gelegenheit, auf Kosten von 480 Millionen Europäern Buße zu tun, beim Schopfe. Der EUobserver schreibt:

EU-Kommissar Štefan Füle hat wegen der europäischen Geschichte der Unterstützung von Diktatoren in Nordafrike ein beispielloses „Mea Culpa“ ausgesprochen.

Unter Kritik an dem, was er „die Sicht einer beleidigenden ‚arabischen Ausnahme‘ von der Demokratie“ nannte, erklärte er gegenüber Mitgliedern des Europäischen Parlaments am Montag (28. Februar): „Wir müssen unserer Vergangenheit wegen Demut zeigen. Wir haben die Menschenrechte und die demokratischen Kräfte in der Region nicht lautstark genug unterstützt.“

„Zu viele von uns frönten der Vorstellung, autoritäre Regime seien eine Garantie für Stabilität in der Region“, fuhr Füle fort …

So weit die Sünde, für die wir „Demut zeigen“ müssen. Nun kommt die Buße:

In einem besonders unverblümten Kommentar sagte er, Europa solle an der Seite von prodemokratischen Demonstranten stehen, nicht an der von Diktatoren …

„Die Massen in den Straßen von Tunis, Kairo und anderswo kämpfen im Namen unserer gemeinsam geteilten Werte. Mit ihnen, und für sie, müssen wir heute arbeiten …“

Kurze Zwischenbemerkung zur Ideologie, die dahintersteht: Nicht unsere Interessen, sondern „unsere gemeinsamen Werte“ sind hier maßgebend. Wenn jemand (und sei es verbal) diese Werte „teilt“, dann müssen wir für ihn („für sie“) arbeiten, nicht etwa für uns selber.

(…)

Er fügte hinzu, dass Sorgen über gesteigerte Migration, Zugang zum Öl oder die „stärkere Sichtbarkeit von Islamisten“ Europa nicht daran hindern sollten, die Demokratie in der Region zu unterstützen.

„Ja, es mag ungezügelte [irregular] Migrationsströme aus Tunesien, Libyen und in gewissen Grade Ägypten geben. Ja, es wird ein gewisses politisches Vakuum in den jungen Demokratien geben, wie auch gesteigerte Sichtbarkeit von islamistischen Parteien, und zumindest in manchen dieser Länder die Sorge, dass sie die Spielregeln der Demokratie missachten. Ja, es kann zu steigenden Ölpreisen kommen; es kann zu Pleiten kommen, und vielleicht muss man Investitionen abschreiben. Ja, es mag potenziellen Bürgerkrieg und Instabilität in Libyen geben.“

„Wir wissen, dass die entfesselten Kräfte des Wandels nicht von heute auf morgen stabile politische Systeme hervorbringen. Doch müssen wir diese Risiken überstehen, ohne unser gemeinsames langfristiges Ziel aus den Augen zu verlieren: ein demokratisches, stabiles, wohlhabendes und friedliches Nordafrika.“

Er weiß genau, dass die gegenwärtige Entwicklung den europäischen Völkern schaden wird, und zwar in jeder Hinsicht. Er weiß auch, dass die Erfolgsaussichten für das Projekt eines „demokratischen, stabilen, wohlhabenden und friedlichen Nordafrika“ mehr als zweifelhaft sind. Trotzdem sollen wir dieses Ziel unterstützen, weil wir erstens eine Schuld zu sühnen haben, zweitens keine Interessen, sondern „Werte“ vertreten, und uns deswegen drittens der Rock näher sein soll als das Hemd, die Zukunft Nordafrikas wichtiger als die Europas.

Dafür sollen wir Opfer bringen und „Risiken“ auf uns nehmen.  Wenn wir am Ende kein „demokratisches, stabiles, wohlhabendes und friedliches Nordafrika“ haben, wohl aber ein ruiniertes Europa, dann haben wir eben Pech gehabt.

Füle sagte, die Kommission sei nun bereit für einen „neuen Ansatz“, der so ehrgeizig sei, wie es das Parlament „stets verlangt“ habe.

(…)

Er signalisierte, es werde einen „neuen Ansatz“ bezüglich der leidigen Frage der Migration aus der Region geben: Während die EU auch weiterhin von den nordafrikanischen Staaten die Unterbindung illegaler Migration und Kooperation bei der Rückführung von Flüchtlingen fordern werde, verlangte er zugleich von der Union „mehr Ehrgeiz“ und brachte die Idee ins Spiel, legalisierte „zeitweilige und zirkuläre Migration“ für Arbeiter zu ermöglichen.

Wen will er hier eigentlich für dumm verkaufen? Dass die meisten „Gastarbeiter“, wenn sie einmal hier sind, niemals zurückkehren, hat sich sicherlich bis Brüssel herumgesprochen.

Er fuhr fort, dass Tunesien bereits eine Anfrage in dieser Richtung gestellt habe, und dass es weitaus wünschenswerter sei, Arbeitern den legalen Zugang nach Europa zu erleichtern als es mit plötzlichen Massenexodussen zu tun zu bekommen.

„Wir ziehen es vor, diese Art von Einwanderung zu regeln, statt die humanitären Krisen zu meistern, die aus unkontrollierter Migration resultieren.“

[Quelle aller Zitate: EUobserver / Europe ’should have backed democrats not dictators,‘ commissioner says]

Zu Deutsch: Machen wir freiwillig die Beine breit, dann werden wir nicht vergewaltigt.

Bezeichnend ist, dass die Angst vor „humanitären Krisen“ größer ist als die vor dem eigenen Untergang (sofern der überhaupt befürchtet und nicht etwa herbeigesehnt wird). Nur ja nichts „Böses“ tun, nämlich die Grenzen sperren.

Es bahnt sich genau das Szenario an, dass ich schon zu Beginn der Unruhen in meinem Artikel „Der Januskopf“ vorhergesagt habe:

Man kann sich jetzt schon die Phrasen vorstellen, mit denen die EU-Eliten uns schmackhaft machen werden, dass die Grenzen noch weiter für Massenmigration geöffnet werden: Es gelte jetzt, “die jungen Demokratien des Nahen Ostens zu unterstützen” und “den Menschen eine Perspektive zu bieten”, damit sie “nicht den Radikalen in die Arme getrieben werden” usw.

Diese Perspektive wird sein, dass die wirtschaftlichen Probleme dieser Länder auf unsere Kosten gelöst werden, indem wir ihren Bevölkerungsüberschuss aufnehmen.

Le Penseur: Gefährlicher Größenwahn

„Europas Interesse an einer (nach der UdSSR) zweiten »failed super-power«, die vor ihrem Untergang eine Spur der Verwüstung durch ihren Machtbereich zieht, hält sich wohl in Grenzen! Was freilich nicht bedeutet, daß dies auch eine gleichgelagerte Interessenlage der US-Satrapen impliziert. Diese sind vielmehr zunehmend in der Situation kommunistischer Politbüros der Breschnew-Ära: im genauen Wissen, daß sie keineswegs das Vertrauen ihrer Völker, sondern bloß die willfährige Kollaboration mit US-Interessen an der Macht hält, werden sie lieber ihre Völker und Staaten zerstören, als ihre Pfründen zu gefährden. Und damit in der unvermeidlichen Zeit des Machtvakuums im Niedergang des amerikanischen Empires die Bahn für die neuen Weltmächte — China und ein neues Islamisches Reich — ebnen. Nach dem Motto: après nous le déluge …“

Le Penseur

Die US-Strategie: Umerziehung Europas

Es soll ja immer noch Menschen geben, die Wikileaks für ein überschätztes Unternehmen halten, von dessen Veröffentlichungen viel zu viel Aufhebens gemacht werde. Solche Menschen haben sich bisher schon schwergetan zu erklären, warum die amerikanische Regierung Wikileaks und seinen Gründer mit so viel inbrünstigem Hass verfolgt. Spätestens jetzt aber sollte Jeder endgültig eines Besseren belehrt sein: Die Veröffentlichung des Strategiepapiers der Pariser US-Botschaft, das ich vor einigen Tagen übersetzt und hier eingestellt habe, und in dem es um nicht mehr und nicht weniger geht als um ein amerikanisches Programm zur ideologischen und kulturellen Umpolung und Gleichschaltung Frankreichs, wirft ein Schlaglicht auf die Methoden, mit denen die USA ganze Länder gegen den Willen ihrer Völker und hinter dem Rücken der Öffentlichkeit vor den Karren ihrer ideologischen und machtpolitischen Interessen spannen.

Bisher wurde es nur in den Nischen der NWO-Theoretiker geflüstert und von der veröffentlichten Meinung, sofern sie es überhaupt zur Kenntnis genommen hat, als “Verschwörungstheorie” abgetan. Nun, da wir aus erster Hand einen Einblick in die Propagandaküche der Amerikaner bekommen, sollten wir die Gelegenheit nutzen, die dabei gewonnenen Erkenntnisse systematisch auszuwerten:

Das Papier ist umso aufschlussreicher, als es von einer subalternen Stelle, nämlich einer Botschaft, stammt, die politische Konzepte normalerweise nicht formuliert, sondern umsetzt; und gerade weil der Verfasser es offenkundig nicht für erforderlich hält, die Legitimität der darin umrissenen Ziele und Methoden seinen Vorgesetzten gegenüber zu erläutern, ist offenkundig, dass er deren Konsens bereits voraussetzt. Wir können also davon ausgehen, dass die darin entwickelte Strategie repräsentativ für die US-Außenpolitik ist und dass die USA vergleichbare Strategien auch in anderen Ländern verfolgen.

(In diesem Zusammenhang ist es zum Beispiel interessant, wenn das Papier beklagt:

Die französischen Medien bleiben mit überwältigender Mehrheit weiß, mit nur geringen Steigerungen bei der Repräsentation von Minderheiten vor der Kamera bei den größeren Sendern.

In Deutschland war just dieser Missstand bzw. dessen Behebung Gegenstand des “Integrationspaktes”. Welch ein Zufall.

Interessant ist aber auch, mit welcher Selbstverständlichkeit die einheimischen Franzosen dadurch charakterisiert werden, dass sie “weiß” sind. Für die Amerikaner ist es offenbar ganz selbstverständlich, dass es um ein Rassenthema geht – was den Gegnern dieser Politik, sobald sie dies behaupteten, prompt den Vorwurf des “Rassismus” eintrüge.)

Zunächst geht aus dem Papier hervor, dass die amerikanische Außenpolitik darauf abzielt, Einfluss nicht nur auf die aktuelle Politik ihrer Verbündeten zu nehmen, sondern auch auf die Zusammensetzung ihrer Eliten, mit besonderer Betonung auf künftige Eliten.  Diese künftigen französischen Eliten sollen so rekrutiert und indoktriniert werden, dass ihre Ideologie mit der der amerikanischen Eliten kompatibel ist. Ob sie mit der des französischen Volkes kompatibel ist, ist dabei zweitrangig; wir kommen noch darauf. Mit den normalen Methoden diplomatischer Einflussnahme hat dies wenig zu tun. Eher ist es vergleichbar dem Versuch, einen Menschen nicht dadurch zu beeinflussen, dass man mit ihm spricht, sondern dass man sein Gehirn manipuliert.

Bereits dass dies versucht werden kann, und zwar ohne einen Hauch von schlechtem Gewissen oder auch nur Problembewusstsein, zeigt, dass die Idee nationalstaatlicher Souveränität im Denken der politischen Eliten Amerikas keine Rolle mehr spielt. Was schon immer für den vielzitierten “Hinterhof” Amerikas, also für Lateinamerika galt, gilt jetzt auch für die Staaten Europas.

Wenn wir nun diesen Text im Hinblick auf Ziele, Ideologie und Methoden der amerikanischen Einflussnahme untersuchen, gewinnen wir zumindest eine Teilantwort auf die Frage, warum die Völker Europas offenkundig im Banne einer selbstzerstörerischen Ideologie stehen, und warum diese Ideologie umso entschiedener bejaht wird, je näher wir den Zentren gesellschaftlicher Macht kommen. Es ist nicht Zufall, sondern Ergebnis strategischer Beeinflussung, dass gerade die Eliten, deren Aufgabe traditionell die Erhaltung und Fortentwicklung eines Gemeinwesens ist, das genaue Gegenteil tun.

1. Die Ziele der US-Strategie für Frankreich

Ziel dieser Strategie ist, allgemein gesprochen, die Durchsetzung“amerikanischer Ziele und Werte”. Was sich so banal anhört, dass man es überlesen möchte, enthält tatsächlich brisante politische Implikationen. Wie wenig selbstverständlich eine solche Formulierung ist, kann man daran ermessen, dass die Wortverbindung “Ziele und Werte” ein amerikanisches Spezifikum ist. In den außenpolitischen Denkfabriken anderer Länder mag auch von Werten die Rede sein, wie auch von Zielen bzw. Interessen. Aber beides in eine Formel zu packen, ist nicht nur für dieses Papier, sondern generell für die politische Sprache Amerikas, und nur Amerikas, charakteristisch. Kontinentaleuropäer tendieren dazu, in der (amerikanischen) Rede von den Werten ein bloß rhetorisches Ornament zu sehen, mit dem macht- und wirtschaftspolitische Interessen dekorativ bemäntelt werden. Das mag damit zusammenhängen, dass wir Europäer meist aus einer katholischen oder lutherischen Tradition kommen und uns daher die puritanische Verbindung von Glaube und Geschäft – oder eben von “Zielen und Werten”, von Werten und Interessen – fremd ist. Die Selbstverständlichkeit aber, mit der Amerikaner diese Formel benutzen, ist nicht die, mit der man eine abgedroschene Phrase, sondern die, mit der man eine tief verinnerlichte Ideologie zum Ausdruck bringt.

Wenn in der politischen Sprache anderer Länder von Werten die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit einer inhaltlichen Konkretisierung – demokratische Werte, liberale Werte usw. Dagegen wäre es höchst befremdlich, wenn das etwa das deutsche Auswärtige Amt von “deutschen Werten” spräche und deren Verbreitung zum Ziel der eigenen Politik erklärte. Es handelt sich wiederum um eine amerikanische Besonderheit. Was immer die Werte sein mögen, von denen hier die Rede ist – und wir werden noch darauf kommen, welche das sind: Eines, das steckt bereits in der Formulierung, sind sie nicht: französische Werte.

Andere Völker sich selbst, ihren Werten und Traditionen zu entfremden, gilt also durchaus als legitimes Ziel amerikanischer Außenpolitik. Zwar wird in dem Papier so getan, als gehe es darum, die Franzosen zu ihren eigenen Werten zurückzuführen, oder vielmehr zu dem, was die Amerikaner dafür halten. Tatsächlich zeigt aber bereits die Tatsache, dass man solche Anstrengungen von außen überhaupt für erforderlich hält, dass es hier um Umerziehung geht.

Da man die postulierte universelle Geltung “amerikanischer Werte” in der Wirklichkeit nicht vorfindet, ändert man die Wirklichkeit. Ob die Verbreitung “amerikanischer Werte” dazu dient, amerikanische Interessen zu fördern, oder ob umgekehrt die amerikanische Machtpolitik der Verbreitung dieser Werte dient, ist letztlich ein fruchtloses Henne-Ei-Problem – ähnlich wie es auch bei der Sowjetunion unmöglich war, das Verhältnis von Ideologie und Machtpolitik dadurch zu bestimmen, dass man die eine als Funktion der anderen behandelte. Es handelt sich um einander unterstützende Komponenten derselben Politikauffassung. Genau dies, verinnerlicht als Selbstverständlichkeit, steckt in der Formulierung “amerikanische Werte und Interessen”.

2. Die Ideologie hinter der US-Strategie

Die traditionelle amerikanische Auffassung von Demokratie lautet, dass es Regierungen geben sollte, deriving their just powers from the consent of the governed”. Demokratie ist, wenn das Volk bestimmt, von wem es regiert wird. Der Strategie der USA, wie sie in Rivkins Papier offenbar wird, liegt aber eine ganz andere Ideologie zugrunde: Demokratie ist, wenn alle ethnischen und religiösen Minderheiten in den herrschenden Eliten repräsentiert sind.

Nicht die Tatsache, dass die französischen Eliten sich in ungewöhnlich hohem Maße aus den eigenen Reihen rekrutieren, ist aus amerikanischer Sicht das Problem, jedenfalls nicht per se. Wofür es ja auch diskutable Gründe gibt: Ob man es kritisiert oder rechtfertigt, Tatsache ist, dass in allen westlichen Ländern “Demokratie” im Wesentlichen darin besteht, dass das Volk entscheiden kann, welche von zwei Elitenfraktionen regiert. Umso bemerkenswerter ist, was die US-Botschaft für kritisierenswert hält:

Dass der großen Mehrheit der Franzosen traditionell der Zugang zur aktiven Politik verweigert wird, ist unproblematisch. Problematisch ist, dass er auch Minderheiten verweigert wird. Damit wird die Idee des Volkes, bestehend aus freien Einzelnen mit gleichen Rechten, aufgegeben zugunsten der Idee der “Nation” als eines Arrangements von ethnischenGruppen; wenn es nicht ein Volk gibt, sondern im selben Staat deren mehrere, dann müssen sie alle repräsentiert sein; damit ist aber auch die Idee der Demokratie im klassischen Sinne preisgegeben. Hier entpuppt sich die Verlogenheit der Phrase, es gehe um “die Verwirklichung von Frankreichs eigenen egalitären Idealen” oder darum, “seine geschätzten demokratischen Werte vollständiger zu verwirklichen”. Es geht vielmehr um die Umdeutung von Begriffen wie “egalitär” und “demokratisch” zu etwas, was nicht einmal in den USA selbst konsensfähig wäre, schon gar nicht in Frankreich; ohne dass diese Umdeutung mit einer Silbe erwähnt würde. Umerziehung eben.

Man geht also davon aus, dass Frankreich nicht etwa ein melting-pot wird, wie es die USA selbst – teils zu Unrecht – zu sein beanspruchen, sondern dass speziell Muslime, aber auch Schwarze, auch in Zukunft ihre Loyalität für die jeweils eigene ethnische bzw. religiöse Gruppe reservieren werden. Der Zugang zur Elite soll gerade nicht davon abhängen, dass man diese Einstellung überwindet und sich mit dem französischen Volk identifiziert, sondern wird als ein Recht propagiert, dass sich aus der “Demokratie” herleite.

Hier wird eine in Partikularitäten zersplitterte Gesellschaft zum utopischen Ideal erhoben, und dies ausgerechnet mit dem Anspruch zu verhindern, dass Frankreich “ein … gespalteneres Land sein wird”. Neusprech.

Hier zeigt sich wie im Lehrbuch die Verquickung der ideologischen mit der machtpolitischen Komponente dieser Strategie:

beeinträchtigen unbestreitbare Ungleichheiten Frankreichs Bild in der Welt und schmälern seinen Einfluss im Ausland. (…)

Die geopolitischen Konsequenzen von Frankreichs Schwäche und Zerrissenheit werden US-Interessen beeinträchtigen, da wir starke Partner im Herzen Europas brauchen, um demokratische Werte zu fördern.

Darüberhinaus hat soziale Ausgrenzung innere Konsequenzen für Frankreich selbst, einschließlich der Entfremdung von Teilen der Bevölkerung, die ihrerseits den weltweiten Kampf gegen gewalttätige Extremistennetzwerke beeinträchtigen könnten. Eine starke, integrationsorientierte französische Politik wird uns dagegen helfen, die Demokratie und Stabilität weltweit zu verbreiten.

Das französische Volk muss aufhören, seine eigenen Interessen zu vertreten, weil die Völker der Dritten Welt als Gegenleistung für die Akzeptanz “amerikanischer Werte” (und Stützpunkte) das Recht erwarten, sich ohne Weiteres jedem europäischen Staatsvolk anzuschließen, ohne sich auch nur kulturell assimilieren zu müssen. Was ist schon die Existenz des französischen Volkes, was sind schon seine Rechte, was seine Interessen, verglichen mit der erhebenden Aussicht, “die Demokratie und Stabilität weltweit zu verbreiten”?

Man sieht hier, wie eindimensional es wäre, diese Politik bloß als im engeren Sinne “imperialistisch” aufzufassen: Es geht nicht etwa darum, dass “der Westen”, oder auch nur die USA, den Rest der Welt beherrschenwollen; es geht ebensosehr darum, die europäischen Völker (und das weiße Amerika) mit dieser Welt zu verschmelzen und eine Ordnung zu errichten, die diese Verschmelzung ermöglicht. Es geht, nun ja, um eine Neue Weltordnung (NWO).

Was im Kontext dieser Ordnung unter Demokratie zu verstehen ist, dazu ist oben schon das Nötige gesagt worden. Die Stabilität besteht darin, dass es kein Volk mehr geben soll, das sich als handlungsfähige Einheit dieser Ordnung entziehen oder sie gar in Frage stellen könnte. Da man das menschliche Bedürfnis, sich zu Gruppen zusammenzuschließen, aber nicht ausrotten kann, verlagert man die Gruppenbildung auf die substaatliche Ebene, macht aus der Bürgergesellschaft eine Stämmegesellschaft und stellt diese Stämme ihrerseits dadurch ruhig, dass man ihre Häuptlinge (leaders, was ich meist mit “Führungspersönlichkeiten” übersetzt habe) an die Fleischtöpfe des Systems lässt. Womit wir bei den Methoden wären:

3. Die Methoden der Umvolkung Frankreichs oder: How to Make A Nation Commit Suicide

TAKTIK 1: IN EINEN POSITIVEN DISKURS EINTRETEN

Zunächst werden wir unseren Diskurs auf das Thema der Chancengleichheit konzentrieren.

Dieselbe Masche, mit der linke Ideologien immer durchgesetzt werden. So wie die Geschlechtergleichmacherei (Gender Mainstreaming) also die systematische Verzwitterung der Gesellschaft am Thema der “Gleichberechtigung” aufgehängt wird, mit der sie in Wirklichkeit gar nichts zu tun hat, so knüpft hier eine Strategie der Umerziehung, Unterwanderung und Volksauflösung zur Verwirklichung einer Gesellschaftsutopie am Thema der “Chancengleichheit” an.

Wenn wir uns öffentlich zu den Gemeinsamkeiten der Demokratien äußern, werden wir betonen, dass zu den Qualitäten von Demokratien das Recht auf Verschiedenheit, der Schutz von Minderheiten, der Wert von Chancengleichheit und die Wichtigkeit authentischer politischer Repräsentation gehören.

Propaganda zur Umdeutung von Begriffen, siehe oben.

Bei nichtöffentlichen Begegnungen werden wir hochrangige französische Führungspersönlichkeiten (die nicht einer Minderheit angehören) gezielt nach Chancengleichheit in Frankreich fragen.

Massiver Druck hinter verschlossenen Türen, damit niemand auf die Idee kommt zu nachzufragen, woher bestimmte Veränderungen kommen, die dann so aussehen, als seien sie von selbst eingetreten.

Außerdem werden wir unsere Zusammenarbeit mit französischen Museen, mit Lehrern und Professoren [educators]fortsetzen und intensivieren, um eine Reform des Lehrplans für den französischen Geschichtsunterricht zu erreichen, sodass er auf die Rolle und die Perspektiven von Minderheiten in der französischen Geschichte eingeht.

Es geht um die Manipulation von Geschichtsbildern. Wie ich vor einem Jahr schrieb, gehört dies zum Kern der NWO-Agenda, “weil der Globalismus die Ideologie der Herrschenden ist, und das bedeutet unter anderem, dass es keine divergierenden Geschichtsbilder geben darf! Nicht nur die historischen Fakten müssen unstrittig sein, nein, auch die Deutung dieser Fakten und die Perspektive, aus der man sie betrachtet, müssen übereinstimmen. Gerade das aber können sie nicht, solange die Deutungshoheit über die eigene Geschichte bei den Völkern selbst liegt, für die das jeweils eigene Geschichtsbild identitätsstiftend ist. Geschichte ist für Völker ja ungefähr das, was das Gedächtnis für die Einzelperson ist: also die Voraussetzung dafür, dass diese Person sich als Individuum, als im Zeitverlauf mit sich selbst identisch, begreifen kann.

Ein Volk, das sie Deutungshoheit über die eigene Geschichte preisgibt, hört über kurz oder lang auf zu existieren. Und wie ich an anderer Stelledargelegt habe, sollen die Völker aufhören zu existieren.”

Am Ende dieses Prozesses werden voraussichtlich Geschichtsbücher stehen, wie es sie in Amerika heute schon gibt. Solche nämlich:


TAKTIK 3: AGGRESSIV DIE JUGEND BEARBEITEN

Drittens werden wir unsere Anstrengungen fortsetzen und intensivieren, die Jugend in dem Sinne zu beeinflussen, dass wir mit jungen Franzosen aller soziokulturellen Hintergründe dieselben Werte teilen. Die federführende inter-agency Youth Outreach Initiative der Botschaft zielt darauf ab, unter jungen Franzosen eine positive Dynamik zu erzeugen, die zu einer größeren Unterstützung für amerikanische Ziele und Werte führt.

Eure Werte, dies ist die Botschaft, sind nicht die eurer Vorfahren, sondern die Amerikas. Hoffentlich denken die jungen Franzosen daran, dass “Rotkäppchen” ein französisches Märchen ist, und stellen die Frage, warum diese seltsame Großmutter ein so großes Maul hat, noch rechtzeitig, bevor es zu spät ist.

Um diese Ziele zu erreichen, werden wir auf den expansiven Public-Diplomacy-Programmen aufbauen, die es bereits gibt, und kreative zusätzliche Mittel entwickeln, Frankreichs Jugend zu beeinflussen. (…) Wir werden auch neue Instrumente entwickeln, künftige französische Führungspersönlichkeiten zu identifizieren, von ihnen zu lernen und sie zu beeinflussen. (…) Wir werden auf vorhanden Jugendnetzwerken in Frankreich aufbauen und neue im Internet schaffen; wir verbinden dadurch Frankreichs künftige Führer miteinander in einem Forum, dessen Werte wir zu entwerfen helfen werden – Werte der Inklusion, des gegenseitigen Respekts und des offenen Dialogs.

Man setzt die künftigen Eliten Frankreichs einer subtilen Gehirnwäsche aus, sodass die genannten “Werte” sich wie “von selbst” durchsetzen.

TAKTIK 4: MODERATE STIMMEN ERMUTIGEN

Viertens werden wir moderate Stimmen der Toleranz ermutigen, sich mit Mut und Überzeugung zu äußern. Aufbauend auf unserer Arbeit mit zwei prominenten Websites, die auf junge französischsprechende Muslime abzielen – oumma.fr und saphirnews.com – …

Ob die muslimischen Leser dieser Netzseiten wohl darüber aufgeklärt sind, mit wessen Handlangern sie es da zu tun haben?

… werden wir politische und Medienaktivisten unterstützen, ausbilden und beschäftigen, die unsere Werte teilen.

Man überlässt wirklich nichts dem Zufall. Die künftigen globalistischen Propagandisten werden von Anfang an in die Startlöcher für ihre Medien-Karriere gestellt.

Mit Glaubensgemeinschaften und mit dem französischen Innenministerium werden wir in Frankreich die effektivsten Techniken teilen, Toleranz zu lehren, die derzeit in amerikanischen Moscheen, Synagogen, Kirchen und anderen religiösen Einrichtungen angewendet werden.

Ob das amerikanische Volk wohl weiß, dass solche Techniken der Massenmanipulation bei ihm zu Hause regierungsamtlich angewendet werden?

Wir werden direkt mit dem Innenministerium in Verbindung bleiben, um amerikanische und französische Ansätze in der Unterstützung von Minderheitenführern zu vergleichen, die Mäßigung und gegenseitiges Verständnis suchen; …

Die Franzosen sollen Nachhilfe in Agitprop bekommen.

zugleich werden wir vergleichen, wie wir jeweils mit denen verfahren, die Hass und Zwietracht zu säen versuchen.

Klingt ziemlich gruselig. Da dies mit dem Innenministerium abgestimmt werden soll, geht es wohl um den Einsatz staatlicher Machtmittel gegen Dissidenten. In Deutschland nennt man dergleichen “Kampf gegen Rechts”, und auch hier beteiligen sich staatliche Stellen und etablierte Politik daran – in trauter Gemeinsamkeit mit Linksextremisten, die einfältig genug sind, sich für Kämpfer gegen den US-Imperialismus zu halten.

TAKTIK 5: BESTE PRAKTIKEN PROPAGIEREN

Fünftens werden wir unser Projekt fortsetzen, die besten Praktiken mit jungen Führungspersönlichkeiten auf allen Gebieten zu teilen, darunter auch Führungsnachwuchs aus allen gemäßigten politischen Parteien, sodass sie über die Werkzeuge und die Unterstützung verfügen, die sie brauchen, um voranzuschreiten.

Was für künftige Journalisten gilt, gilt auch für künftige Politiker. Manche, nämlich die linientreue,n werden unterstützt. Die anderen werden wohl am eigenen Leibe die Ergebnisse des amerikanischen Erfahrungsaustauschs mit dem französischen Innenministerium zu spüren bekommen.

Wir werden Bildungs- und Austauschprogramme schaffen oder unterstützen, die Schulen, zivilgesellschaftlichen Gruppen, Bloggern, Politikberatern und Kommunalpolitikern den fortdauernden Wert breiter Inklusion vermitteln.

Viele dünne Fäden ergeben einen dicken Galgenstrick.

Das Beste hebt sich der Botschafter für den Schluss auf, die ultimative Hoffnung,

dass [junge Angehörigen französischer Minderheiten] ihr Land eines Tages im In- und Ausland repräsentieren können, und zwar an der Spitze des öffentlichen Lebens, als Präsident der Republik.

Das wäre dann der Schlussstein, der die Entmachtung der Einheimischen dokumentiert, etwa so, wie der Regierungsantritt von Barack Obama das “Ende der Herrschaft des weißen Mannes” dokumentiert hat.

Fahnen und Fahnenflüchtige

„Wenn Fußball soetwas wie das letzte Refugium des Agonalen, der simulakrische Ersatz für das offenbar unausrottbare Kriegsbedürfnis des Menschen ist, und die Nationalmannschaften soetwas wie symbolische Armeen, die ihre Nation vertreten, dann ähnelt Europa heute der Spätzeit des antiken Römischen Reiches, als die imperialen Heere fast nur mehr aus Söldnern aller Herren Länder, nur nicht aus Römern, bestanden.“

Martin Lichtmesz

Der Preis der Einheit

Als jüngst aus Anlass von Helmut Kohls achtzigstem Geburtstag – wieder einmal – das Hohelied auf den „Kanzler der Einheit“ gesungen wurde, fragte – wieder einmal – niemand nach dem Preis, den Deutschland wohl dafür zahlen musste, dass die alliierten Siegermächte seine Wiedervereinigung 1990 scheinbar so anstandslos akzeptierten.

Zwanzig Jahre später kann, wer will, um einiges klüger sein:

Ab 1990 verzichtete Deutschland mit dem Euro auf seine Währungshoheit, mit dem Schengen-Abkommen auf die selbständige Kontrolle seiner Außengrenzen, mit der Privatisierungswelle auf die Kontrolle großer Teile seiner Infrastruktur (mit ihrer Übernahme oftmals durch ausländische Investoren), auf sein politisches Gewicht als Wirtschaftsblock durch Auflösung der Deutschland AG, auf eine Reihe politischer Kompetenzen auch in existenziellen Fragen mit dem Lissabon-Vertrag.

Es fügt sich ins Bild, dass die wechselnden Bundesregierungen auch auf die Verteidigungsfähigkeit im Kriegsfall verzichteten: durch Abbau des Zivilschutzes, durch Verkleinerung der Bundeswehr und durch ihren Umbau zu einer Interventionsarmee. (Ganz nebenbei wurden etliche hundert voll funktionsfähige Kampfpanzer und andere für die Landesverteidigung erforderliche Waffensysteme verkauft, zum Teil sogar zu einem Spottpreis de facto verschenkt; an Polen zum Beispiel.)

Von den 370.000 Mann, die der 2+4-Vertrag dem vereinigten Deutschland als Obergrenze zugestanden hatte, hat die BRD nur noch rund 240.000 unter Waffen, und die nächste Runde des Abschmelzens ist bereits eingeläutet. Der Größenordnung nach nähern wir uns dem 100.000-Mann-Heer der Weimarer Zeit, das der Versailler Vertrag eigens zu dem Zweck, Deutschland wehrlos zu machen, auf diese Größe reduziert hatte.

Schon die gegenwärtige Größe bedeutet, dass der Wehrdienst auf sechs Monate reduziert werden muss, und dass schon wegen mangelnder „Wehrgerechtigkeit“ die Legitimität der Wehrpflicht schlechthin in Frage steht. Diese Frage taucht aber – entgegen dem Anschein – nicht „von selbst“ auf, sondern, weil die politische Entscheidung getroffen wurde, die Landesverteidigung zu vernachlässigen.

Die gegenwärtig betriebene Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht wird als Sparmaßnahme deklariert. Diese Sparzwänge sind aber allenfalls der Anlass, nicht der Grund dafür. Ginge es vor allem um Einsparungen, so müsste zuallererst die Beteiligung an diversen internationalen Einsätzen in Frage gestellt werden, zu denen Deutschland Truppen beisteuert, ohne über entsprechende strategische Entscheidungsrechte zu verfügen. Dabei hat Deutschland weder eine imperialistische Tradition wie Großbritannien, Frankreich oder auch Holland, noch ist es, wie die osteuropäischen Länder, aufgrund einer Bedrohung durch Russland darauf angewiesen, sich das Wohlwollen der USA zu erkaufen.

Es mag ja sein, dass wir ein Interesse an offenen Handelswegen haben, aber ein solches Interesse hat auch das ungleich mächtigere China, ohne sich deshalb an militärischen Interventionen zu beteiligen, die auch ohne diese Beteiligung stattfänden.

Bedenkt man nun, dass diese Politik Anfang der neunziger Jahre eingeleitet wurde, also zeitgleich mit dem systematischen Souveränitätsabbau auch in anderen Bereichen, so drängt sich die Vermutung eines Zusammenhangs auf. Der Umbau zur Interventionsarmee wurde betrieben, nicht obwohl, sondern weil er auf Kosten der Landesverteidigung gehen musste. Die Bundeswehr wurde verkleinert nicht obwohl, sondern weil damit die Wehrpflicht in Frage gestellt wurde.

Diese Politik ist auch nicht mit dem Argument zu verteidigen, wir seien schließlich „von Freunden umzingelt“ und bräuchten daher gar keine Armee zur Selbstverteidigung, da diese ja keinen Feind hätte. Die Schweiz hat auch keinen Feind und unterhält dennoch eine – gemessen an der Größe des Landes – kampfstarke Armee. Großbritannien und Frankreich sind ebenfalls von Freunden umzingelt (GB obendrein noch vom Meer), und trotzdem unterhalten sie sogar Atomstreitkräfte, die ja, wenn sie mehr sein sollen als ein teures Statussymbol, nur der Abschreckung potenzieller Angreifer dienen können – von denen aber weit und breit nichts zu sehen ist.

Die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes ist eben etwas, das langfristig und auf Vorrat bereitgestellt werden muss. Sie ist, einmal preisgegeben, kurzfristig nicht wiederherzustellen, sondern allenfalls im Laufe mindestens eines halben Jahrzehnts, und dann nur unter extremen Anstrengungen. Zur Verteidigungsfähigkeit gehört für ein Land ohne Atomwaffen zwingend die Existenz etlicher Jahrgänge von ausgebildeten Reservisten, mithin die Wehrpflicht. Ein Land, das sich nicht verteidigen kann, ist erpressbar – gegebenenfalls auch von sogenannten Freunden, von denen einem letztlich niemand garantieren kann, dass sie nicht die Feinde von morgen sind.

In diesem Sinne haben alle Bundesregierungen seit 1990 daran gearbeitet, Deutschland erpressbar zu machen. Dies hat nichts damit zu tun, dass von Deutschland per se eine Bedrohung seiner Nachbarn ausginge, die nur durch solch ungewöhnliche Maßnahmen zu kompensieren wäre; eine solche Bedrohung wäre nicht einmal theoretisch konstruierbar.

Nein, es hat damit zu tun, dass Deutschlands sogenannte Eliten sich nicht dem eigenen Volk verpflichtet sehen, sondern ihresgleichen – das heißt den Eliten des „Westens“ und deren ideologischem Konsens. Die vielfach wiederholte Forderung bzw. Versicherung, es dürfe bzw. werde „keinen deutschen Sonderweg“ geben, bedeutet nichts anderes, als dass die Ideologie, die der deutschen Politik zugrundeliegt, sich von der anderer westlicher Länder nicht unterscheiden darf und wird.

Diese Ideologie impliziert unter anderem, dass die Freiheit des Marktes nicht durch politische Interventionen gestört werden darf. Da demokratische Gemeinwesen aber immer dazu neigen werden, solche Interventionen vorzunehmen, müssen sie entmachtet werden. Der Spielraum für demokratisch legitimierte Politik wird systematisch verengt, indem die dazu erforderlichen Kompetenzen den Nationalstaaten entzogen und bei supranationalen Organisationen angesiedelt werden, deren Regelwerken sich der einzelne Staat zu fügen hat.

Es geht aber noch weiter: Zu den Märkten, deren Freiheit geschützt werden muss, gehört auch der Arbeitsmarkt, der aus der Sicht der neoliberalen Ideologie „verzerrt“ wird, wenn der Faktor „Arbeitskraft“ nicht uneingeschränkt mobil ist. Im Klartext bedeutet dies, dass bereits die schiere Existenz von Völkern und Nationen eine marktwidrige Wettbewerbsverzerrung bedeutet – zumindest, sofern diese Völker das auch bleiben wollen und deshalb nicht jedem Neuankömmling die Tore öffnen. Die bekannten Phrasen vom „Einwanderungsland“ das durch „Vielfalt bereichert“ werde, sind die ideologische Begleitmusik zu einem gnadenlosen Klassenkampf von oben, der darauf abzielt, die sozialen Errungenschaften der letzten hundert Jahre und die politischen der letzten zweihundert Jahre rückgängig zu machen.

An dieser Stelle wird deutlich, warum sich die Eliten nicht auf die Überzeugungskraft ihrer Ideologie verlassen, sondern es für nötig halten, „Sonderwege“ und speziell „deutsche Sonderwege“ buchstäblich unmöglich zu machen. Je deutlicher es wird, dass die Völker Europas sich auf dem Weg in den Selbstmord befinden, desto wahrscheinlicher ist, dass einige einen „Sonderweg“ versuchen werden (der eben nicht in den Selbstmord führt). Man kalkuliert also realistischerweise ein, dass die Völker Europas dieser Politik, die ihre Lebenswelt zerstört, Widerstand entgegensetzen werden, und deshalb muss ihnen die Verfügung über ihre eigenes Schicksal entzogen werden. Demokratie darf es, wenn überhaupt, nur noch als Entscheidungsbefugnis über Nebensächlichkeiten geben.

Nicht alle Völker sind freilich gleichermaßen zum Widerstand fähig, einfach weil nicht alle gleich mächtig sind. Der potenziell mächtigste Gegenspieler der globalistischen Ideologie war und ist immer noch Deutschland, und da dessen „Eliten“ sich genau darüber im Klaren sind, machen sie das eigene Land wehrlos und erpressbar. Der Preis für Deutschlands Einheit ist seine Auflösung.

Deswegen soll die Wehrpflicht weg.

Roberto de Mattei: „Die Türkei in Europa: Gewinn oder Katastrophe?“

Eine knappe (130 S.), präzise und vernichtende Kritik der Illusionen bzw. Lügen, aufgrund derer die Aufnahme der Türkei in die EU propagiert wird. De Mattei analysiert die Entwicklung der türkischen Kollektividentität, zeigt auf, wie sehr islamische, osmanische, pan-türkische und türkisch-nationale Identitätsschichten einander stützen und ergänzen und wie sehr die islamische dabei immer mehr dominiert, während die christlichen Identitätsbestandteile mitsamt den sie tragenden (griechischen und armenischen) Volksgruppen buchstäblich ausgerottet wurden. Er zeigt, wie sehr die Türkei (bzw. das Osmanische Reich) sich als Erobererstaat verstand und auch heute noch versteht. Er erläutert den islamistischen Hintergrund des Bemühens um den Beitritt zur Europäischen Union. Manches von dem, was er schreibt, ist auch in islamkritischen Kreisen keineswegs Allgemeingut. Das Buch gehört in seiner Prägnanz zum Besten, was zum Thema auf dem Markt ist.

Könnte glatt von mir sein.  😀

Was ist die EU?

„Die EU hat eine Flagge, die niemand grüßt, eine Hymne, die niemand singt, einen Präsidenten, dessen Namen niemand kennt, ein Parlament …, dem niemand außer seinen Mitgliedern Macht wünscht …, eine Hauptstadt (Brüssel) mit verkrusteter Bürokratie, die niemand bewundert oder kontrolliert, eine Währung, die etwas voraussetzt, das weder existiert noch existieren sollte noch in absehbarer Zeit existieren wird (eine europäische Zentralregierung), und ein fiskalisches Regelwerk, das von den Mitgliedsstaaten ungestraft ignoriert wird. Der Euro basiert auf einer Fiktion, die er zugleich propagiert – dass „Europa“ irgendwie und gegen die Wünsche der meisten Europäer, ein politischer statt bloß ein geographischer Begriff sei.“

George Will

[Übersetzung von mir; danke an Ruth für den Hinweis]