Norbert Bolz: Diskurs über die Ungleichheit: Ein Anti-Rousseau

Norbert Bolz, Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau. Buchcover

Norbert Bolz:  Diskurs über die Ungleichheit. Ein Anti-Rousseau.


Manchmal lohnt es sich sogar noch, die GEZ-Sender zu sehen, jedenfalls, wenn es sich um Phoenix, und dort um „Auf den Punkt“ handelt, sonst wäre ich auf dieses Buch gar nicht aufmerksam geworden. Bolz zerpflückt den Begriff der „sozialen Gerechtigkeit“ und weist seine Tendenz zur unendlichen Selbstausweitung  nach. „Soziale Gerechtigkeit“ heißt letztlich „Gleichheit“. Es heißt auch: Zerstörung der Demokratie.

Gegen Linksextremismus

Gegen Linksextremismus

Der Bloggerkollege Marco Kanne, Betreiber von opponent.de, hat eine Initiative zum Kampf gegen Linksextremismus gestartet, wobei er betont, dass er zwischen „links“ und „linksextremistisch“ unterscheidet (woran erinnert mich das nur? – grübelgrübel):

Die „Informations- und Dokumentationsstelle gegen Linksextremismus und Gewalt“ sammelt und verbreitet Informationen über linksextremistische Gewalttaten und die Bedrohung der Meinungssfreiheit durch Linksextremisten. Kommt auf meine Blogroll.

Wie Stalinismus funktioniert

Wer unter Stalin in Russland oder unter Mao in China lebte, konnte seine Überlebenschancen beträchtlich erhöhen, wenn er andere politisch anschwärzte, und er reduzierte sie gewaltig, wenn er sich von einem bereits Angeschwärzten nicht distanzierte. In einem System, in dem Jeder jederzeit verdächtigt werden konnte, bis hinauf ins Politbüro, war es lebenswichtig zu wissen, von wem man sich aktuell distanzieren musste, um als zuverlässiger Genosse zu gelten.

Besonders wichtig war das selbstredend für diejenigen Genossen, die Anlass hatten zu glauben, sie würden selbst als Abweichler verdächtigt; die mussten ganz besonders eifrig sein, wenn es galt, „Klassenfeinde zu entlarven“.

Derselbe Mechanismus funktioniert auch ganz ohne GPU, allein durch den Gruppenzwang in der Politkirche der politisch korrekten Linken. Dort weiß man zwar nie so genau, was gerade die gültige Theologie ist. Wohl aber weiß man, dass man exkommuniziert werden kann, wenn man von ihr abweicht.

Wenn wir uns den Psychodruck vorstellen, unter dem einer stehen muss, der als Linker eine als „rechts“ geltende Position vertritt, wird uns klar, warum gerade die linken Islamkritiker, und nicht etwa die Mainstream-Linken, so verbissen gegen die rechte Islamkritik hetzen. Sie stehen ja innerhalb der Gesamtlinken aufgrund ihrer eigenen islamkritischen und israelfreundlichen Haltung unter permanentem Häresieverdacht.

Andersdenkende als rechtsradikal zu verunglimpfen, ist offenbar nicht nur ein kollektiv angewandtes Mittel, die Dominanz der eigenen politischen Richtung, also der Linken, zu sichern, sondern gleichzeitig ein individuelle Strategie, mit der man sich als Linker davor schützt, selbst an den Pranger gestellt zu werden.

Liberale und solche, die sich bloß so nennen

Vielleicht sollte ich von Zeit zu Zeit klarstellen, was dieser Blog soll und wofür er steht; allein schon, um diese regelmäßig auftretenden bedauerlichen Missverständnisse zu vermeiden, die wahrscheinlich daraus resultieren, dass von mir immer noch ein linker Stallgeruch ausgeht; dass also meine Sprache, mein geistiger Habitus, mein Argumentationsstil selbst dann noch irgendwie „links“ wirken, wenn ich mich auf die Seite der Piusbrüder stelle.

Und so kommt es dann, dass ich immer wieder „liberale“ Kommentatoren hier habe, die schockiert sind, was sie hier zu lesen bekommen. So wie „ts“, der meinte, „da driftet ein ursprünglich sehr sehr guter Blog nach rechts ab“.

Hier „driftet“ überhaupt nichts. Dieser Blog geht genau dort hin, wo ich es für richtig halte, und ich pflege mit buchstäblich erschöpfender Ausführlichkeit zu begründen, warum ich es für richtig halte. Ich ziehe dabei nur nach und nach die Konsequenzen aus den Gedanken, die ich von Anfang an, d.h. seit August 2007, in diesem Blog entwickelt habe.

Zunächst ein Zitat aus meinem Essay “What’s left II – Linkes und konservatives Denken“:

Das konservative Menschenbild ist pessimistisch. Es geht mit Hobbes davon aus, dass “der Mensch des Menschen Wolf” wäre, wenn man ihn ließe; und das es deswegen seiner Einbindung in eine Ordnung, d.h. eine strukturierte und differenzierte, auch durch Machtungleichgewichte geprägte Gesellschaft bedarf. Staat, Recht, Hierarchie, Autorität, Sitte, Kultur und Religion bilden demnach eine komplexe Struktur, auf die der Mensch angewiesen ist, wenn er sein Bestes verwirklichen und in einer humanen Gesellschaft leben will. Diese Struktur ist aber jederzeit bedroht durch Ent-Strukturierung, Unordnung, Chaos.

Auf der Ebene der Gesellschaftsanalyse ist für den Konservativen bereits die Existenz von Ordnung als solcher das an sich Unwahrscheinliche und daher Erklärungsbedürftige.

Und noch einmal für die schludrigen Leser:

Auf der Ebene der Gesellschaftsanalyse ist für den Konservativen bereits die Existenz von Ordnung als solcher das an sich Unwahrscheinliche und daher Erklärungsbedürftige.

Kapiert? Wer keine Erklärung dafür anbieten kann, warum unsere Gesellschaft nicht in ihre Bestandteile zerfällt, nicht so aussieht wie während des Dreißigjährigen Krieges, nicht irgendwelchen gewaltdurchtränkten Drittweltslums ähnelt, nicht von Warlords regiert wird, nicht in einem Krieg aller gegen alle zerbricht; wer das alles vielmehr für ganz selbstverständlich hält, kann nicht verstehen, was ich hier schreibe!

Nun, das muss er ja auch nicht. Er sollte sich dann nur mit einem Urteil zurückhalten.

Im Grunde lässt sich alle Soziologie – sofern es denn wirklich eine ist, eine Soziologie nämlich, im Unterschied zu politischer Ideologie – auf die Frage zurückführen, warum Individuen sich normalerweise sozialverträglich verhalten, obwohl das individuell oft ein denkbar schlechtes Geschäft ist. Meine Antwort lautet, dass wir es mit der Wirkung von solidaritätsstiftenden Strukturen zu tun haben – Familien, Clans, Stämme, Nationen, um nur die wichtigsten zu nennen -, die, einmal entstanden, sich selbst stabilisieren, die aber auch, einmal zerstört, nicht zu ersetzen sind, es sei denn durch die Gewalt eines diktatorischen, ja totalitären Staates. Auch diese Strukturen erhalten sich nicht nach Art eines Perpetuum mobile stabil, sondern bedürfen der religiösen Grundierung (Begründung hier).

Es mag auch andere Antworten auf die Frage geben, was das Zusammenleben von Menschen in Gesellschaften ermöglicht. Es mag purer Zufall sein, dass es in allen Gesellschaften zu allen Zeiten (wenn und sofern sie sich nicht im Prozess des Zerfalls befanden) so etwas wie Religion gab, dass Familien- und Clansolidarität als Tugenden galten, dass Patriotismus (bzw. äquivalent die Loyalität gegenüber politisch definierten Großgruppen größer als die Familie, aber kleiner als die Menschheit) hochgeschätzt wurden.

Es mag sein, dass die Existenz dieser Phänomene nichts mit der Überlebensfähigkeit der Gesellschaften zu tun hat, in denen sie auftreten, und dass ihre Universalität daher nicht etwa auf ihrer Notwendigkeit, sondern, nun ja, auf Zufall basiert. Ich kenne nur niemanden, der eine ernsthafte Alternativhypothese vorzuschlagen hätte. Es gibt höchstens Leute, die das Kernproblem geflissentlich ignorieren.

Linke Ideologien erkennt man als solche daran, dass sie der Frage, wie Gesellschaft schlechthin funktioniert, aus dem Weg gehen. (Und noch einmal für die, die schwer von Kapee sind: Es geht nicht um diese oder jene konkrete Gesellschaftsordnung, sondern um Gesellschaft überhaupt, im Unterschied und Gegensatz zum Hobbesschen bellum omnium contra omnes.) Sie müssen ihr auch aus dem Weg gehen, weil sie auf einem Menschenbild beruhen, das den Menschen als zumindest im Prinzip vollkommenes Wesen auffasst, und nun vor dem Problem stehen zu erklären, warum die Wirklichkeit dieser hehren Idee tagtäglich ins Gesicht schlägt. Hier kommen nun die gesellschaftlichen Strukturen ins Spiel. Der Mensch ist vollkommen, aber die Gesellschaft ist schlecht. Deswegen verspricht sich die Linke vom Abbau vorhandener gesellschaftlicher Strukturen das Heil – und dieses Wort ist durchaus religiös zu verstehen.

Das ist die linke Grundidee, und insofern sind alle Ideologien, die auf diesem Gedanken aufbauen, links. Es ist wichtig zu sehen, dass der Liberalismus unter diesen Voraussetzungen eine linke Ideologie ist. Der Unterschied zwischen Sozialisten und Liberalen ist bloß folgender: Die Sozialisten fassen den Kapitalismus als soziale Struktur (und daher als repressiv) auf und wollen ihn deshalb „zerschlagen“, wie eine der Lieblingsvokabeln zumindest der extremen Linken immer noch lautet. Die Liberalen dagegen ignorieren diesen Strukturcharakter und interpretieren Kapitalismus als verwirklichte Freiheit.

(Am Ende landen freilich beide beim Totalitarismus, weil man die gesellschaftlichen Strukturen nicht zerschlagen kann, ohne irgendetwas funktional halbwegs Äquivalentes an ihre Stelle zu setzen, und das wird auch bei den Liberalen der Staat sein – besichtigen lässt sich das in den Ländern, in denen der Internationale Währungsfonds sein Unwesen treiben durfte, und von denen sehr viele dessen Rosskuren nur unter der Knute von Diktaturen durchstehen konnten.)

Beide – und das ist entscheidend – sind Feinde der vorhandenen solidaritätsstiftenden Strukturen: Völker, Nationen, Familien, Religionen, Sitten – das alles steht unter Repressionsverdacht, und tatsächlich sind diese Strukturen repressiv, jedenfalls gemessen am Maßstab des völlig ungebundenen Individuums.

Da beide Ideologien auf empirischen Prämissen basieren, die einfach falsch sind, sind sie nicht nur darauf angewiesen, den Beweis für ihre „Richtigkeit“ in eine Zukunft zu verlagern, in der die Ideologie verwirklicht sein wird. Da ihr Irrtum in einem fehlerhaften Menschenbild liegt, müssen sie die wirklich vorhandenen Menschen umerziehen. Und da die Beschäftigung mit Tatsachen dabei stören könnte, muss man dafür sorgen, dass Tatsachen, die man nicht aus der Welt schaffen kann, wenigstens nicht ausgesprochen werden können.

Natürlich hat der „Liberalismus“, den ich hier skizziere, nichts mit dem klassischen deutschen Apothekerliberalismus zu tun. Traditioneller bürgerlicher Liberalismus ist keine utopistische „Weltanschauung“, sondern besteht im Wesentlichen aus der Idee, dass der Staat die Bürger schützen, aber nicht einengen soll, jedenfalls nicht mehr als nötig. Traditioneller Liberalismus mag religionskritisch, kosmopolitisch und neuen Lebensformen gegenüber aufgeschlossen sein, aber die Religion, die Idee von Volk und Nation oder die Institution der Familie als etwas geradezu Böses aufzufassen, das bekämpft werden müsse, wäre traditionellen Liberalen schon deshalb nicht in den Sinn gekommen, weil ihnen die ganze dahinterstehende Vorstellung von Politik als einer gesellschaftsgestaltenden Kraft zuwider sein musste.

Was wir in jüngerer Zeit aber erleben, ist eine Transformation des Liberalismus von dieser traditionellen Form (die man vielleicht eher als „Liberalität“ umschreiben sollte) zu einem klassisch totalitären linken Ismus. Unter den Verdacht „rechtsradikal“ zu sein, gerät in „liberalen“ Kreisen zwangsläufig, wer Patriot oder für den Papst oder überhaupt für ein konservatives Christentum oder gegen das Adoptionsrecht für schwule Paare ist.

Lieblingsfeind dieser Art von „Liberalen“ ist PI. Selbstredend hat noch niemand methodisch halbwegs sauber den Nachweis zu führen versucht, dass PI tatsächlich rechtsradikal sei – ein solcher Versuch könnte auch nur in einer Riesenblamage enden – man denke nur an Hannes Steins albernes Pamphlet “Politically Correct“ auf der „Achse des Guten“; wer aus Islamfeindlichkeit, Schwulenfeindlichkeit, Gegnerschaft gegen Obama, Solidarität mit dem Papst (!) und mit Israel (!!!) ein rechtsradikales Syndrom zusammenzubrauen versucht, muss schon arg in Argumentationsnot sein.

Ach, das ist gar nicht so? Das bilde ich mir nur ein? Diese „Liberalen“ gibt es gar nicht? Das meinen das nicht so? Die wollen nur spielen? Na, dann machen wir doch mal einen Spaziergang quer durch den Gemüsegarten, und zitieren prominente und weniger prominente Liberale (oder sollte ich englisch liberals sagen?):

Hannes Stein: „jene rechtsradikale Internet-Sekte“

FDP-Spitzenkandidatin Dr. Nivea Visage (Schönheit muss sich wieder lohnen): „Die Seite Politically Incorrect … halte ich für rechtsradikal.“

Kommentator CK: „Sicherlich kann man sich da ideologisch irgendwas zusammenbasteln (bspw. Rassenunterschiede), was aber wohl nur hinken kann und somit macht man sich der Dummheit schuldig. Jemand, der so argumentiert, hat verdient, dass Andere es genau gleich handhaben und erstmal ihn über den Haufen ballern oder einsperren.“

Bernd Dahlenburg: „Sie sprechen niederste Instinkte an, wenn sie in den Foren politische Gegner sophisticated zum ‘physischen Abschuss’ freigeben und sie lehnen sich genüsslich zurück, wenn die Klicks auf ihrer Webseite zunehmen, obwohl sie genau wissen, dass sie ein ‘Mord(s)geschäft’ betreiben, das sich über kurz oder lang (vielleicht für sie) auszahlen wird. Sie betreiben Blogs, die sich ‘israelfreundlich’ gerieren (Hahaha!), aber jeder halbwegs schlaue Mensch erkennt, dass hinter diesen Blogs Antisemiten stecken, die nur so lange still halten, bis ihrer ‘rechten Sache’ zum Durchbruch verholfen ist.“

Lalibertine, die gerne bei den Freunden der offenen Gesellschaft veröffentlicht: „PI ist schlicht ein Naziladen.“

Little Green Footballs (LGF), auf das Lalibertine sich berief: „The pro-fascist German website pi-news.net“, übrigens pikanterweise in einem Artikel, der mit „How do you say liar in German?“ überschrieben war, weil PI wahrheitsgemäß berichtet hatte, dass LGF Fotomontagen verwendet hatte, die als solche nicht ausgewiesen waren, aber den Eindruck erwecken mussten, Pro-Köln-Vertreter würden auf Neonazi-Kundgebungen auftreten.

Der politische Zweck solch bestenfalls willkürlicher Zuschreibungen besteht offenkundig nicht in politischer Aufklärung oder Analyse, sondern einzig und allein darin, dem Andersdenkenden ein Etikett aufzukleben, das, wenn es haften bleibt, den Betroffenen von dem als seriös geltenden Diskurs ausschließt. Die Verbreitung und die eigentümliche Gleichförmigkeit der Verleumdungen deuten dabei auf mehr als nur einen Gleichklang ideologischer Überzeugungen hin. Der Eindruck, dass es sich um eine koordinierte, sogar transatlantisch (LGF) koordinierte demagogische Verleumdungskampagne gegen die gesamte rechte Islamkritik handelt, drängt sich auf.

Bemerkenswert, zumindest für „Liberale“, ist die Besessenheit, mit der die Positionen von Andersdenkenden nicht danach beurteilt werden, ob sie wahr, sondern ob sie überhaupt tolerierbar sind. (Die Feststellung, jemand sei rechtsradikal, ist in Deutschland ja alles andere als eine wertneutrale politische Einschätzung.) Das ist nämlich so ziemlich die letzte Frage, die einem Liberalen früherer Tage in den Sinn gekommen wäre.

Wie aber kommt es, dass ein ehrwürdiger politischer Begriff innerhalb doch sehr kurzer Zeit in sein Gegenteil verkehrt werden konnte? Dass ein Ausdruck, der stets untrennbar mit dem der Toleranz verbunden war, plötzlich als Selbstbezeichnung von Menschen gebraucht wird, die offenbar gar nicht anders können, als in typisch linker Manier den Andersdenkenden zum Faschisten zu stempeln?

Ich vermute, das kommt daher, dass sich unter heutigen „Liberalen“ allzuviele in der Wolle gefärbte Ultralinke, speziell aus dem antideutschen Spektrum tummeln, sich bloß oberflächlich verbürgerlicht haben, heute den Kapitalismus genauso borniert und dogmatisch preisen wie gestern den Kommunismus, dabei ihre stalinistischen Denkstrukturen nie überprüft haben, ihren „Liberalismus“ als Heilslehre auffassen, weil sie ihrem Politikverständnis nach gar nicht auf die Idee kommen können, dass politische Theorien etwas anderes sein könnten als Heilslehren, die einen legitimieren, nach Feinden Ausschau zu halten, mit deren Gedanken man sich allenfalls im Sinne der „Feindaufklärung“ auseinandersetzt, und die, wenn sie sich ausgerechnet „liberal“ nennen, die Kunst des politischen Etikettenschwindels auf die Spitze treiben.

Nein, ich werde nicht ausfallend gegen Liberale. Ich werde ausfallend gegen Leute, die sich „liberal“ bloß nennen; gegen Leute, die Andersdenkende systematisch verleumden; und gegen Leute, die unter falscher Flagge segeln!

Ein Satz mit X

Das war wohl nX.

Als ich kurz nach sechs hier im Blog über das GEZ-Fernsehen schimpfte, konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass über zehn Prozent der Stimmen (!) sich in Null-Komma-Fliegendreck-Anteilen über fünfundzwanzig Parteien (!) verteilen würden; ich war sicher, dass es ein oder zwei mit nennenswerten Ergebnissen (drei plus x) geben würde. Wie man sich täuschen kann.

Jetzt liegt das vorläufige amtliche Endergebnis vor:

Demnach waren die stärkste Partei nach dem Dhimmikartell der Etablierten die Freien Wähler mit 1,8 Prozent. Danach die Republikaner mit 1,3. Dann kommt schon – die Tierschutzpartei! (Klar, wer sonst? Wir sind schließlich – im Gegensatz zu Holland oder Österreich – ein glückliches Land und haben keine anderen Sorgen als das Glück unserer Kühe!) Der Rest sind Kuriositäten, etwa die drei (!) Rentnerparteien mit 0,2 %, 0,4 % und 0,8 % – womit bestätigt sein dürfte, dass Rentner tatsächlich nichts Vernünftiges zu tun haben -, oder die „BüSo“ mit der unverwüstlichen Helga Zepp LaRouche, die wahrscheinlich schon unter Kaiser Wilhelm zu  jeder Wahl antrat (in jedem Falle aber seit ich denken kann) und diesmal mit weniger als zehntausend Stimmen als Vorletzte ins Ziel kam.

Wenn man bedenkt, dass bei Europawahlen wegen der geringen Wahlbeteiligung die Latte für Außenseiter niedriger liegt (eine Million Stimmen hätten für die Fünf-Prozent-Hürde gereicht, statt knapp zwei wie bei Bundestagswahlen), ist das Ergebnis für die kleinen bürgerlichen und rechtskonservativen Parteien ein Debakel. Dass es auch für die linken Parteien eines war, tröstet daher wenig. Mir ist es jedenfalls gleichgültig, ob unsere Zukunft von Schwarzgelb oder von Rotrotgrün ruiniert wird.

Jedenfalls zeigt die Wahl ungeachtet der vorgeblich „bürgerlichen“ Mehrheit, dass unser Land sich fest im Griff der politischen Linken befindet:

Daran, dass die Unionsparteien für ihren Linkskurs (Pars pro toto: Ursula von der Leyen) nicht nur nicht abgestraft, sondern belohnt werden, und das sogar bei einer Europawahl, wo man getrost Protest wählen könnte, können wir ablesen, dass es eine politische Rechte in Deutschland praktisch nicht gibt. Das Kartell der Linken hat 89,2 Prozent der Stimmen kassiert. Und dabei sind die Rentner und die Tierschützer nicht einmal mitgerechnet.

Linker McCarthyismus

Bernd Dahlenburg hat im Kommentarstrang zu „Viele Arten zu töten“ (Kommentar Nr.3) auf einen seiner eigenen Artikel verwiesen, in dem er sich unter dem Titel „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ mit angeblichen rechtsradikalen Tendenzen der islamkritischen Blogosphäre auseinandersetzt. Da ich dieses Thema unlängst selber behandelt habe, war ich natürlich neugierig:

„Rechtsdeutsche ‚Islamkritiker'“

Schon die Anführungszeichen in dieserm Untertitel machen deutlich, dass es sich nach Dahlenburgs Meinung mitnichten um Islamkritiker handelt, sondern um Leute, die etwas ganz anderes im Sinn haben. Weil sie in ganz besonderer Weise finster, nämlich „rechtsdeutsch“ sind. Ich bin Politikwissenschaftler, aber dieses Wort habe ich noch nie gehört. Offenbar sollen die Worte „rechts“ und „deutsch“ eine irgendwie anrüchige Haltung umschreiben.

Noch vor zwanzig Jahren war man als Konservativer „rechts“ in demselben Sinne, wie man als Sozialdemokrat „links“ war – also im Sinne ganz konventioneller Gesäßgeographie. In den neunziger Jahren wurde es üblich, „rechts“ mit „rechtsextrem“ gleichzusetzen. Der Sinn dieser „politisch korrekten“ Begriffsverwirrung war niemals, die extreme Rechte zu bekämpfen, sondern die konservative. Wenn Dahlenburg, nach eigenen Angaben CSU-Mitglied, das Wort „rechts“ in einem abwertenden Sinne gebraucht, dann übernimmt er als Konservativer – der er zu sein beansprucht – die Sprache linker Demagogen. Es setzt nur das Tüpfelchen aufs i, dass er ganz im Sinne der von mir heftig kritisierten Antideutschen auch das Wort „deutsch“ als Bezeichnung einer offenbar moralisch minderwertigen politischen Haltung verwendet.

„Wenn man als Blogger mit halbwegs geöffneten Augen durch die (t)deutsche Welt geht und sich die Szene der so genannten Islamkritiker ansieht…“

– man wüsste doch zu gerne, welches die Szene der wirklichen Islamkritiker und welches die der bloß „so genannten“ ist –

„…kommt man nicht umhin, eine Bewegung auszumachen, die sich im Windschatten der öffentlichen Diskussion eine neue Nische schafft – die neue Rechte, oder besser gesagt, die neuen ‚Stolznationalen‘.“

„Stolznationale“. Noch so ein Neologismus. Soll wohl Menschen bezeichnen, die so etwas wie Nationalstolz empfinden, und die deswegen als moralisch und politisch disqualifiziert zu gelten haben.

Wen immer er damit meinen mag – eines hat er uns schon verraten: dass Nationalstolz in seinen Augen ein Makel ist. Dass es viele Menschen gibt, die so denken, wussten wir. Wenn solch linker Ideologiemüll aber bis in die CSU hinein Akzeptanz fände, wäre dies niederschmetternd.

„Bar jeglicher Vernunft versuchen sie uns einzureden, dass Deutschland und Europa von zig-Millionen Muslimen ‚überrannt‘ oder ‚überschwemmt‘ werden würde…“

Sie stützen sich dabei auf einschlägige Statistiken, die vier Grundrechenarten, die fünf Sinne und den gesunden Menschenverstand, aber ansonsten sind sie bar jeder Vernunft.

„…(bekannte Termini, kennen wir doch, oder?)…“

– die Naziplatte –

„neuerdings sind generell Ausländer gemeint, weil das Islam-Sujet für holzschnittartige Beschreibungen ausgereizt zu sein scheint.“

Eine verblüffende Behauptung. Bisher herrscht nämlich Konsens in der Wahrnehmung, dass die Reihenfolge genau umgekehrt war: dass das Thema „Immigration“ in den siebziger Jahren unter dem Stichwort „Gastarbeiter“, in den neunzigern unter der Überschrift „Ausländer“ und erst in letzter Zeit unter „Islam/Muslime“ behandelt wird. Es handelt sich um einige der wenigen Fragen, in der Islamapologeten und -kritiker (z.B. Seyran Ates) sich einig sind.

Nur passt es Dahlenburg nicht in den Kram. Eine öffentliche Kritik, die sich auf den Islam einschießt, lässt sich auch nicht so richtig plausibel als rassistisch oder rechtsradikal diffamieren. Ergo muss – nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf – eine Bewegung weg von der Islamkritik, hin zur Ausländerfeindlichkeit suggestiv fingiert werden.

„…und sie berufen sich auf Auguren, die uns weismachen wollen, wie Europa doch endlich zu einem „rechten“ Kontinent mutieren soll, statt sich auf demokratische Werte und deren innewohnende Kräfte zu besinnen.Sie…“

Von wem spricht er eigentlich? Wir erfahren es nicht.

„…(und ihre Leser und etliche Blogger im Schlepptau oft hilflos nachplappernd) reden pausenlos von Risiken statt von Chancen. Sie machen alles schlecht, was auch nur im Entferntesten an ein Miteinander zwischen Kulturen denken ließe…“

Vielleicht haben sie mit dem „Miteinander der Kulturen“ eigene Erfahrungen gesammelt?

„… Sie sind borniert, blind und von Hass getrieben.“

Woher weiß er das? Nach meiner Erfahrung ist es nahezu unmöglich, den Charakter und die Gefühle von Menschen aufgrund ihrer Äußerungen im Weltnetz zu beurteilen.  Weswegen ich mich auch hüten werde, darüber zu spekulieren, ob Dahlenburg womöglich selber borniert, blind und von Hass getrieben ist.

„Sie verweigern alle (positiven kulturellen) Erfahrungen, die in den letzten Jahrhunderten zwischen West- und Osteuropa und den Menschen ausgetauscht worden sind.“

Der Konflikt zwischen West- und Osteuropa ist natürlich das aktuelle Hauptproblem.

„Sie machen den Islam zum Türken, …“

Keineswegs; die Araber kann erst recht keiner leiden.

„…den Türkischstämmigen und sonst wen zum Ausländer…“

Die meisten Türkischstämmigen in Deutschland – genauer 68,1 Prozent braucht man nicht zu Ausländern zu „machen“, weil sie es nach wie vor sind und auch zu bleiben gedenken. Sie jubeln Erdogan zu, wenn er sagt, Assimilation sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und trotzen hartnäckig allen Versuchen deutscher Politiker, ihnen einen deutschen Pass in die Tasche zu stopfen.

„… und den Ausländer zu einem „Geziefer“, den es auszurotten gilt. Sie deklarieren linke und liberale Islamkritiker als „Berufsjuden“ (sic!), und so geht’s weiter in der nach unten offenen – bisher noch verbalen – Schwachsinns- und Gewaltspirale.Manche Blogbetreiber formulieren es etwas vornehmer: Sie raunen von ethnischen und genetischen Defiziten der Afrikaner und dem Rest der Welt, um so die (t)eutsche Überlegenheit herauszukehren. Sie fordern in fast unüberbietbarer Scheinheiligkeit die Hassprediger in den Foren zur „Zurückhaltung“ auf, indem sie ihnen versprechen, dass ein gesellschaftlicher Wandel eintritt, der ihre Mordgelüste irgendwann befriedigen wird, wenn alles „treudeutsch“ abgewickelt sein wird.

Wozu diese hysterische Klimax an Beschuldigungen gut sein soll, dazu komme ich noch. In jedem Fall sind das ungeheuerliche Vorwürfe, zumal wenn sie sich gegen die Blogbetreiber richten, nicht etwa gegen die Kommentatoren.

(Dass es in diversen Kommentarsträngen, etwa von PI, von zornigen Bürgern nur so wimmelt, die einmal Dampf ablassen und auf den Tisch hauen wollen, ist bekannt. Dort wird genau das geschrieben, was an dem vielzitierten „Stammtisch“ des Normalbürgers, nicht etwa des Extremisten, gesagt wird – nur dass es eben nachlesbar ist und bei sensibleren Gemütern zu Ohnmachtsanfällen führt, die sie am Tresen jeder Dorfkneipe aber genauso erleiden würden. Politisch ernstnehmen kann man diese Kommentare allenfalls als Stimmungsbild, nicht als Bekundung irgendeiner Handlungsabsicht. )

Gewisse Leute müssten Kommentarstränge wie den von PI allerdings erfinden, wenn es ihn nicht schon gäbe, weil er die einzige greifbare Möglichkeit darstellt, Islamkritiker zu verleumden. Was Dahlenburg aber über die angebliche Politik von Blogbetreibern schreibt, würde, wenn es zutreffen sollte, mindestens den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Da kann es nicht zu viel verlangt sein, wenn man von ihm erwartet, dass er einen Beleg liefert. Er liefert aber keinen, auch nicht auf meine ausdrückliche Nachfrage. Dasselbe gilt für die folgenden Abschnitte, die ich bloß der Vollständigkeit halber zitiere:

„Sie sprechen niederste Instinkte an, wenn sie in den Foren politische Gegner sophisticated zum ‚physischen Abschuss‘ freigeben und sie lehnen sich genüsslich zurück, wenn die Klicks auf ihrer Webseite zunehmen, obwohl sie genau wissen, dass sie ein ‚Mord(s)geschäft‘ betreiben, das sich über kurz oder lang (vielleicht für sie) auszahlen wird. Sie betreiben Blogs, die sich ‚israelfreundlich‘ gerieren (Hahaha!), aber jeder halbwegs schlaue Mensch erkennt, dass hinter diesen Blogs Antisemiten stecken, die nur so lange still halten, bis ihrer ‚rechten Sache‘ zum Durchbruch verholfen ist.Diese ‚Stolzdeutschen‘ wissen was sie tun und sie spielen damit; sie sind auch noch stolz darauf, wenn sie Menschen gegen Menschen hetzen können, wie es die politische Wetterlage eben hergibt. Im Zweifelsfall – wenn die öffentliche Diskussion zu ihrer Agenda passt, oder die Argumente ausgehen – ist ihr Axiom immer genauso faszinierend blöd wie einfach: ‚Ausländer raus‘, und alle Probleme sind beseitigt.Man könnte fast meinen, dass die alle einen an der Waffel haben.“

Und? Haben sie?

„Sieht man sich jedoch die Klientel, Impressi oder Buchtipps etlicher Blogger dieser Gattung an, vergeht einem schnell das Lachen. Hier tummeln sich Ex-NPD-ler, Schwulenhasser, Antisemiten und Ausländerhasser in einem Pool, der sich jetzt „Pro Köln, pro X-Stadt oder sonst was“ nennt. Diese „Pro’s“ sind nichts Positives für unsere Gesellschaft.“

Ach, daher weht der Wind! Nachdem die Unionsparteien zu Verrätern an allem geworden sind, wofür sie einmal standen, muss um jeden Preis verhindert werden, dass sich rechts von ihnen demokratisch legitimierte Parteien bilden. Und da man die Bildung von Parteien als solchen nicht unauffällig genug unterbinden kann, muss man ihnen wenigstens die demokratische Legitimität streitig machen.

Wenn man bedenkt, dass die sogenannte CSU noch nie Probleme damit hatte, falsch Zeugnis wider ihren Nächsten zu reden, wenn es darum ging, kleine Konkurrenzparteien aus dem Geschäft zu drängen – die Bayernpartei kann bis heute ein Lied davon singen -, dann stellt Dahlenburg sich in eine alte, wenn auch nicht gerade ehrwürdige Tradition dieser Partei.

Ich bin alles andere als ein Experte für die Pro-Parteien. Was ich aber unter anderem weiß, ist, dass dem Hamburger Verfassungsschutz gerichtlich untersagt wurde, die Mutterorganisation „Pro Deutschland“ als rechtsextremistisch zu bezeichnen, und zwar nicht zuletzt mit der bemerkenswerten Begründung, dass etliche der als „extremistisch“ eingestuften Forderungen in Wahrheit Forderungen nach der Durchsetzung geltenden Rechts sind; dass ihr Programm keinerlei verfassungsfeindliche Forderungen enthält, auch nicht verklausuliert, dass sich wirkliche Rechtsextremisten, speziell die NPD, von ihr distanzieren; dass sie ihren Anteil an der Verhinderung eines Moscheebauprojekts in Berlin-Charlottenburg hatte; und dass der von ihr organisierte Anti-Islam-Kongress in Köln im September 2008 mit kriminellen Mitteln und unter kollusiver rechtswidriger Mitwirkung des Staates verhindert wurde.

Viel Aufhebens wird um die Tätigkeit von ehemaligen NPD-Mitgliedern gemacht. Trotz verzweifelter Bemühungen konnten freilich selbst eingefleischte Gegner der Pro-Parteien nur sehr wenige frühere NPD-Mitglieder ausmachen und mussten sich daher mit ehemaligen „Republikanern“ begnügen. Was entschieden weniger sexy ist. Bleiben wir aber bei den Ex-NPD_Leuten: Ich kann nicht erkennen, dass die Tätigkeit von Ex-NPD-Mitgliedern in einer Splitterpartei so viel gefährlicher sein soll als die Tätigkeit von Ex-K-Gruppen-Funktionären und Ex-linksradikalen Gewalttätern in den höchsten Ämtern unseres Staates; ich kann nicht erkennen, warum deren demokratische Wandlung so viel glaubhafter sein soll als die von Ex-NPDlern.

Wenn ich meinen Gesamteindruck aus den Publikationen dieser Partei (bzw. der Pro-Parteiengruppe) zusammenfassen soll, so lautet er, dass es sich um eine deutschnationale Partei mit traditionellen Wertorienterungen handelt, die sich schlimmstenfalls im Sinne meines gleichnamigen Artikels in einer Grauzone bewegt. Dass es sich aber um eine Partei mit rechtsextremistischer, verfassungsfeindlicher Agenda handeln soll, dafür sehe ich nicht die geringsten belastbaren Indizien!

Wer aber behauptet, eine legale Partei sei verfassungsfeindlich, muss es beweisen, mindestens aber belegen können! Dahlenburg kommt über die bloße Behauptung nicht hinaus.

„Sie sind etwas pervers Negatives und zerstören jegliche seriöse Bemühung, sich mit dem Islam ernsthaft auseinanderzusetzen.“

Ich persönlich setze mich sehr ernsthaft mit dem Islam auseinander und kann nicht bestätigen, dass die Pro-Parteien mich dabei schon einmal gestört hätten. Wenn man freilich unter „seriösen“ Bemühungen, „sich mit dem Islam auseinanderzusetzen“ bloß solche versteht, bei denen die eigene Kultur und Nation umgotteswillen nicht als positiver Wert erscheinen und der Islam als solcher als Ursache von Integrationsdefiziten nicht benannt werden darf – ja, dann, aber eben nur dann, sind solche Parteien sicherlich ein Hindernis.

„Sie sind primitiv und von gestern.Ignoriert diese Leute endlich und gebt ihnen die rote Karte.“

Es wird Dahlenburgs Geheimnis bleiben, wie man jemanden gleichzeitig ignorieren und ihm die rote Karte zeigen kann, und wie man einer Partei die rote Karte zeigt, die noch gar nicht auf dem Platz (weil in keinem Parlament vertreten) ist.

Ich kommentierte dann Dahlenburgs Artikel wie folgt:

„Ross und Reiter zu nennen und die eigenen Behauptungen mit Argumenten zu belegen hätte der Glaubwürdigkeit dieses Beitrags bestimmt nicht geschadet. Nein, Dahlenburg, Sie sind nicht antideutsch. Sie haben ein Problem mit der Meinungsfreiheit.“

Ich erhielt die denkwürdige Antwort:

„Erstens: Ich habe mich bewusst mit der Nennung Einzelner zurückgehalten, weil ich auf eine weithin verbreitete Tendenz aufmerksam machen wollte. Ist Ihnen das beim Lesen entgangen?“

Keineswegs, im Gegenteil: Gerade eine weit verbreitete Tendenz müsste sich doch spielend mit Beispielen belegen lassen, wenigstens auf Anfrage.

„Außerdem liegt mir nichts dran, ellenlange Listen auszuhängen.“

Eine kurze Liste hätte vollauf genügt. Im übrigen wird es schwierig sein, die quantitative Verbreitung dieser oder jener politischen Richtung in der Blogosphäre zu ermitteln. Eine qualitative Analyse aber, das heißt eine klare Benennung der in seinen Augen rechtsextremen Denkfiguren und Argumentationsstrategien, damit der Leser prüfen kann, ob das, was Dahlenburg für rechtsradikal – pardon: für „rechtsdeutsch“ und „stolznational“ – hält, wirklich verfassungsfeindlich ist –, und die belegt mit konkreten Beispielen, das wäre das Allermindeste gewesen.

„Zweitens brauche ich nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass meine Thesen stimmen, weil ein Blick in diverse Foren und die Analyse von vielen Beiträgen genügt.“

Was ist denn das für eine Logik? Wenn der Blick in „diverse“ (nochmal: welche?) Foren und die Analyse von vielen (welchen?) Beiträgen genügt, dann ist das ein Argument dafür, dass es ganz einfach sein müsste, den Beweis zu erbringen, aber doch nicht dafür, dass es nicht erforderlich wäre.

Ich habe für meine Blogroll sehr viele Blogs und Foren unter die Lupe genommen, und kann nicht bestätigen, dass die Überschneidungszonen zwischen Islamkritik und Rechtsextremismus sehr breit wären. Die sehr wenigen Ausnahmen – etwa das Patriotische Forum Süddeutschland – bestätigen nur die Regel. Die deutlich proisraelische und antisemitismusfeindliche Gesamttendenz der islamkritischen Blogosphäre wirkt offenbar als wirksamer Filter, der Nazis draußenhält.

Womit klar sein dürfte, warum Dahlenburg unter gar keinen Umständen zugeben kann, dass „Blogs, die sich ‚israelfreundlich‘ gerieren (Hahaha!)“ genau das sein könnten: israelfreundlich.

Die Unterstellung, dass „hinter diesen Blogs Antisemiten stecken, die nur so lange still halten, bis ihrer ‚rechten Sache‘ zum Durchbruch verholfen ist“, ist als rhetorisches Mittel umso praktischer, als niemand, am wenigsten die Betroffenen selbst – und wir wissen immer noch nicht, um wen es sich eigentlich handeln soll – sie widerlegen kann. Folgerichtig lautet sein Verständnis eines rationalen Diskurses:

„Die Beweisführung muss aber umgekehrt werden: Zeigen Sie mir mal, dass das von mir beschriebene Phänomen nicht(!) existiert.“

Wenn ich Bernd Dahlenburg einen Kinderschänder nennen würde und von ihm verlangte, mir zu beweisen, dass er das nicht ist, so würde man ein solches Vorgehen zu Recht hochgradig unfair nennen. Genau dieses Vorgehen, nämlich die demagogische, verleumderische, völlig aus der Luft gegriffene Unterstellung, ist Dahlenburgs Methode der politischen Auseinandersetzung.

„Ich meine nicht Ihren Blog, keine Sorge.“

Oh, diese Sorge hatte ich schon deshalb nicht, weil Dahlenburg es generell und mit Methode vermeidet, konkrete Personen zu bezichtigen. Außerdem bereitet es mir keine Sorgen, wenn er sich lächerlich macht.

Er sagt nicht konkret, wen er eigentlich meint, aber er konkretisiert doch hinreichend, wen wir verdächtigen sollen: Nämlich jeden Islamkritiker, der „rechtsdeutsch“ und „stolznational“ ist. Indem er auf diese Weise mithilfe bloßer Spekulationen einen Verdacht streut, für den er genausowenig geradezustehen gedenkt wie ein anonymer Denunziant, zieht er die Verfassungstreue einer ganzen politischen Richtung in Zweifel. Mehr noch: Da er sie geradezu als eine Bewegung von Massenmördern im Wartestand darstellt, muss sich jedem Leser, der dies glaubt, der Gedanke aufdrängen, gegenüber Islamkritikern, sofern sie obendrein Patrioten sind, dürfe es keine Toleranz geben. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass solche Unterstellungen, noch dazu wenn sie mit einem solchen Maß an demagogischer Tücke unter die Leute gebracht werden, etwas anderes bezwecken können, als das Recht auf freie Meinungsäußerung zur Disposition zu stellen.

Die Wirkungsweise gerade dieser Strategie, einer besonders miesen Variante linken Herrschaftsdiskurses, zielt vor allem auf einen Distanzierungseffekt ab: Unter der Herrschaft des Gerüchts und des Verdachts gilt die Beweislastumkehr, die Dahlenburg uns soeben vorgeführt hat:

Wer der Denunziation als Rechtsextremist entgehen will, muss sich von allem distanzieren, was die Priesterschaft der Political Correctness als „rechtsextrem“ gebrandmarkt hat, und zwar nach Kriterien, die sie willkürlich und nach Maßgabe der politischen Opportunität wechselt. Es handelt sich um linken McCarthyismus.

In „Der kalte Staatsstreich“ habe ich anhand des Verlaufs des Kölner Anti-Islamisierungs-Kongresses dargestellt, wie die politische Linke und ihre Vertreter in Politik, Medien und Verwaltungen systematisch die rechtsstaatlichen Sicherungen bürgerlicher Freiheitsrechte umgehen, um das Grundgesetz nach und nach zu entkernen, bis nicht mehr als eine Potjomkinsche Verfassungsfassade übrigbleibt.

Hier sehen wir nun denselben Vorgang auf der Ebene des politischen Diskurses: Die Regeln und Gesetze, die hier umgangen werden, sind die des rationalen Argumentierens. Es geht nicht um Überzeugung – wozu man sich auf Argumente, Tatsachen, Beweise, Logik stützen müsste. Es geht um Einschüchterung und Erpressung. Es geht um Verleumdung. Es geht darum, den Andersdenkenden zum Schweigen zu bringen. Es geht, mit einem Wort: um Herrschaft.

Mit Freiheit, Demokratie und Toleranz hat all dies selbstredend nichts zu tun, jedenfalls nicht im Sinne unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Diese ist ein System, in dem die bürgerlichen Freiheiten gelten, die vom Staat geschützt werden, in die auch nur er selbst eingreifen kann, und zwar nach Maßgabe von materiellen und Verfahrensnormen, einen Missbrauch dieser Eingriffsbefugnisse durch rechtliche Kontrolle verhindern.

Die politisch korrekte Linke dagegen versteht darunter ein System von Selbstermächtigungen „guter“ Menschen – in Wahrheit natürlich solcher, die sich bloß dafür halten -, „böses“ Gedankengut zu bekämpfen, und die sich dabei höchstens selber kontrollieren. Nochmal Dahlenburg:

„Drittens: Das ‚Argument‘, ich hätte etwas gegen Meinungsfreiheit, ist geradezu haarsträubend,…“

Es darf gelacht werden.

„…wenn Sie ein paar Proben von dem lesen, was ich schreibe. Ich kenne diese ‚Argumente‘, weiß, wie sie motiviert sind und kann sie richtig bewerten. (…)“

Mit anderen Worten: Es kommt nicht darauf an, ob Argumente richtig oder falsch sind, es kommt darauf an, „wie sie motiviert sind“, also von den politischen Werten und Zielen dessen, der sie vorbringt. Aber sonst hat er nichts gegen die Meinungsfreiheit.

Es liegt auf der Hand, dass ein solches linkes „Demokratieverständnis“ mit verfassungmäßigen Normen kollidieren muss. Genau deswegen muss die Verfassung ja auch unterlaufen und umgangen werden. So wie in Köln geschehen:

„Wenn Sie allerdings meine Haltung gegenüber Pro Kön als Angriff auf die Meinungsfreiheit deuten sollten, bräuchten wir nicht weiter miteinander zu reden.“

In der Tat: Ich sehe nicht ein, warum ich mit Leuten reden sollte, die sich an der Zerstörung der freiheitlichen Demokratie beteiligen.

Man sollte sich nicht von Dahlenburgs Behauptung irritieren lassen, er sei CSU-Mitglied. Sollte er das wirklich nominell sein, dürfte er jedenfalls wenig Rückhalt in der Partei haben.

Selbst wenn die CSU längst aufgehört hat, eine glaubwürdige Sachwalterin abendländischer Werte zu sein, so bleiben doch parteitypische Milieus über lange Zeit erhalten. Es gibt in jeder Partei bestimmte Mentalitäten, bestimmte Arten, sich zu geben, eine bestimmten Habitus, eine bestimmte Sprache. Da ich aus Bayern stamme, kenne ich die Mentalität von CSU-Leuten ganz gut. Und da ich außerdem von der politischen Linken stamme, kenne ich auch die dort vorherrschenden Mentalitäten. Lassen wir mal ein paar Dahlenburg-Sprüche Revue passieren:

„Rechtsdeutsch … Stolznationale … (t)deutsche Welt…wie Europa doch endlich zu einem ‚rechten‘ Kontinent mutieren soll… an ein Miteinander zwischen Kulturen denken … wenn alles ‚treudeutsch‘ abgewickelt sein wird … ihr Axiom immer genauso faszinierend blöd wie einfach: ‚Ausländer raus’…“

Das ist doch nie und nimmer die Sprache eines CSU-Mannes! Es ist auch nicht die Sprache eines ex-linken Konvertiten zum Konservatismus, wie ich einer bin. (So einer würde konservatives Gedankengut vielleicht kritisieren, aber nicht verleumden.). Nein, das ist eindeutig linke Sprache und linkes Denken, durch keinerlei selbstkritischen Zweifel gemildert.

Allein die Häufigkeit, mit der das Wort „deutsch“ als abwertende Bezeichnung für alles Mögliche verwendet wird, zeigt, dass der Verfasser solcher Zeilen mit dem CSU-Milieu denkbar wenig zu tun haben kann. Einer christlichen Partei, deren Vorsitzender uneheliche Kinder in die Welt setzt, muss man zwar allerhand zutrauen, aber nicht, dass sie akzeptiert, wenn eine Nationalitätsbezeichnung, noch dazu die des eigenen Volkes, offenbar gewohnheitsmäßig in der Manier von Rassisten als Schimpfwort gebraucht wird.

Nein, wer so redet, ist politisch im antideutschen Milieu zu verorten. Dass Dahlenburg gerade dies vehement abstreitet (und zwar bevor es ihm überhaupt einer unterstellen konnte!), kann man getrost als Lüge abtun.

Viele Arten zu töten

Da ich häufig pro-israelische Artikel schreibe und Antisemitismus vehement kritisiere, bleiben inhaltliche Übereinstimmungen mit jenem Spektrum nicht aus, das sich selbst „antideutsch“ nennt.

In meinen Ohren ist diese Bezeichnung freilich eine Selbstbezichtigung: Ich halte Patriotismus für eine ganz selbstverständliche Tugend und befinde mich damit in Übereinstimmung mit den Wertvorstellungen aller Zeiten, Völker und Kulturen seit Adam und Eva. Ausgenommen natürlich diejenigen Völker und Kulturen, die wegen ihres Selbsthasses untergegangen sind. Ausgenommen auch diejenigen Milieus linker Akademiker, die ihrem eigenen Volk dasselbe Schicksal bereiten wollen.

Daher klingt für mich kaum etwas abwegiger, ja abartiger, als wenn ein Deutscher seinen eigenen politischen Standort mit dem Wort „antideutsch“ umschreibt – das ist für mich so, als würde er sich als begeisterter und ideologisch gefestigter Kinderschänder offenbaren.

Ist aber der Wunsch, das eigene Volk möge nicht existieren, schon als solcher bizarr genug – und eine darauf gerichtete Politik eine solche des Völkermordes -, so möchte man seinen Anhängern doch wenigstens mehr Intelligenz wünschen. Es wäre jedenfalls intelligent, wenn sie diejenigen ihrer Anliegen, die per se nicht verwerflich sind (insbesondere ihre Solidarität mit dem Judentum im Allgemeinen und dem Staat Israel im Besonderen), nicht dadurch kompromittieren würden, dass sie den Eindruck erwecken, es gebe einen notwendigen inneren Zusammenhang zwischen einer projüdischen und einer antideutschen Einstellung, und wer mit dem Judentum sympathisiere, müsse zwangsläufig ein Feind Deutschlands sein.

Diese Denkfigur nämlich war und ist die Grundlage von deutschvölkischem Antisemitismus. Man kann den moralischen Konsequenzen dieser verbrecherischen Völkermordideologie nicht dadurch entgehen, dass man als Deutscher einfach die Seiten wechselt. Wenn Patriotismus überall auf der Welt in Ordnung sein soll, nur in Deutschland nicht, dann läuft dies darauf hinaus, das deutsche Volk für lebensunwert zu erklären, mindestens aber für ein Volk minderen Rechts. Statt an der Vernichtung des jüdischen an der des eigenen Volkes zu arbeiten ist aber keinen Deut moralischer oder weniger menschenverachtend. Der geistige Landesverrat, der darin liegt, Deutschfeindlichkeit als positiven Wert darzustellen, ist nicht einfach eine private Marotte, sondern bedeutet, eine genozidale Ideologie zu propagieren.

Der Begriff Völkermord ist nämlich nicht etwa eine quantitative Steigerung von Massenmord – auch wenn beides oft Hand in Hand geht -, sondern bezieht sich auf die Zerstörung des sozialen und kulturellen Zusammenhangs, der ein Volk konstituiert. Die direkte Tötung von Menschen ist daher nur eine von vielen Arten, ein Volk zu töten. Es gibt aber wirksamere Methoden, und zu diesen Methoden gehört, durch autorassistische Propaganda sein Selbstwertgefühl und seinen Selbstbehauptungswillen zu unterminieren.

„Antideutsch“ sind aber selbstverständlich nicht nur die, die sich ausdrücklich so nennen – das sind höchstens die ehrlicheren. Antideutsch sind auch die politischen und Medieneliten, die die übrigen Formen von ethnischer Kriegführung gegen die eigene Nation propagieren oder praktizieren. Die Liste ist unvollständig: Man kann das Volk ethnisch ausdünnen (lassen), man kann „Antidiskriminierung“ (also Diskriminierung von Einheimischen) betreiben, man kann Kriminelle, Extremisten und religiöse Fanatiker ins Land holen, man kann zusehen, wie der soziale Zusammenhalt in immer neuen Wellen von deren Kriminalität weggespült wird, man kann die Souveränität des Nationalstaats nach außen und des Rechtsstaats nach innen unterminieren, man kann die Institution der Familie erst verunglimpfen und dann zerstören, und man kann diejenigen, die sich gegen all das wehren, als Rechtsradikale verleumden und sie an den Rand der Gesellschaft drängen, und sogar über diesen Rand hinaus.

Nur weniges davon, um es mit Brecht zu sagen, ist in unserem Lande verboten.

Antisemitismus und totalitäre Ideologie

Ich glaube, man macht sich zu wenig bewusst, dass Toleranz eine höchst unwahrscheinliche zivilisatorische Errungenschaft ist. Sie setzt schließlich nicht mehr und nicht weniger als die Fähigkeit voraus, sich vorzustellen, dass der Andersdenkende oder Andersgläubige im Recht sein könnte. Eine solche Reflexionsleistung ist dem Menschen so wenig angeboren wie die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben, und sie gehört auch nicht zu der Sorte Kulturleistungen, die man von einem gewissen Entwicklungsniveau an als selbstverständlich unterstellen kann.

Es ist bemerkenswert und bezeichnend, dass die drei totalitären Strömungen unserer Zeit, nämlich der Linksextremismus, der Neonazismus und der politische Islam bei allen sonstigen Unterschieden dasselbe Feindbild „Jude“ pflegen, und wenn auch die Neonazis es rassistisch, die Islamisten religiös und die Linken politisch (Israel) begründen, so handelt es sich dabei erkennbar bloß um unterschiedliche ideologische Rationalisierungen ein und desselben elementaren Hasses.

Ich behaupte, dass dieser Hass genau der Errungenschaft gilt, die den Kern unserer westlichen Zivilisation ausmacht: der Toleranz; der Fähigkeit zur Selbstkritik; der Bereitschaft, sich selbst mit den Augen des Anderen zu sehen. Und diese Errungenschaft wird von ihren Feinden völlig zu Recht als die große zentrale Leistung des Judentums angesehen.

Wenn es nämlich ein Thema gibt, das wie ein roter Faden das gesamte Alte Testament durchzieht, dann ist es die Selbstkritik, ja Selbstanklage des Volkes Israel, den moralischen Ansprüchen Gottes nicht gerecht geworden zu sein. Der stets scheiternde und stets zu erneuernde Versuch, sich selbst mit den Augen Gottes zu sehen und Seinen Maßstäben gerecht zu werden ist elementarer Bestandteil jüdischer Ethik. Es ist dieselbe Ethik, die, vermittelt durch das Christentum, zur Grundlage der westlichen Gesellschaften wurde. Wenn wir Toleranz heute als eine Tugend ansehen, so ist diese Ethik der Grund dafür.

Wenn wir zudem in westlichen Gesellschaften das menschliche Leben als etwas Heiliges ansehen, als etwas, das unter keinen Umständen zum bloßen Mittel für etwas angeblich Höheres herabgewürdigt werden darf, so drückt sich darin die fortdauernde Wirkung des Verbots des Menschenopfers aus, und auch dieses Verbot ist eine genuin jüdische Errungenschaft, die vom Christentum übernommen wurde.

Für totalitäre Bewegungen ist beides – die Toleranz und die Heiligkeit des Lebens – ein rotes Tuch. Totalitäre Ideologie beruht ja gerade darauf, sich selbst absolut zu setzen und der angeblich so erhabenen „Sache“ notfalls auch Millionen von Menschen zu opfern. Totalitäre Ideologien sind heidnische Kulte, die man als solche gerade daran erkennt, dass sie das Menschenopfer zum Ideal erheben, und die deswegen im Judentum instinktiv ihren Feind sehen. Der Hass, der den Juden gilt, und der Hass, der der freiheitlichen, individualistischen Gesellschaft des Westens gilt, ist ein und dasselbe.

Nun wird mancher, vor allem wenn er sonst diesen Blog nicht liest, fragen, was denn der Islam in diesem Zusammenhang zu suchen hat. Hat denn nicht der Islam in derselben Weise wie das Christentum die Grundwerte der jüdischen Ethik in sich aufgenommen? Und muss man nicht deswegen ganz scharf trennen zwischen der ehrwürdigen Weltreligion „Islam“ und ihrem totalitären Zerrbild „Islamismus“?

Die Antwort lautet:

Nein.

Der Islam hat vieles aus dem Judentum übernommen – um das böse Wort „abgekupfert“ zu vermeiden. Das Ethos der Selbstkritik aber und das Ethos der Heiligkeit des Lebens – das hat der Prophet Mohammed nicht nur nicht übernommen: Er hat es vielmehr explizit abgelehnt und den Juden einen Strick daraus gedreht, dass sie dieses Ethos überhaupt haben. Der Koran wertet die alttestamentlichen Selbstanklagen des jüdischen Volkes nämlich als Beweise für dessen Minderwertigkeit und hebt ausdrücklich und im Kontrast dazu hervor, die Muslime seien „die beste Gemeinschaft, die je für Menschen erstand“. Dass Juden das Leben heiligen – und auch am Leben hängen – wird im Koran explizit als Beweis gewertet, dass sie ob ihrer moralischen Verdorbenheit das Strafgericht Allahs zu fürchten hätten. Und dass der Kampf und das Töten und das Sterben für Allah – mit einem Wort: das Menschenopfer – die höchsten Ziele eines erfüllten muslimischen Lebens sind: Das wird dutzendfach wiederholt, und dies nicht nur im Koran selbst, sondern auch in der Prophetenüberlieferung. [Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich die Themenanalyse über den medinensischen Koran, Kap. III.2 von „Das Dschihadsystem“. M., 20.01.2011]

Wir brauchen uns also nicht zu wundern, wenn Neonazis, Moslems und Linke gleichermaßen dem Antisemitismus frönen und dabei bemerkenswert wenig Berührungsängste einander gegenüber zeigen – so wenig, wie wir uns über den Hitler-Stalin-Pakt wundern müssen. Die Ideologie der totalitären Menschenverachtung ist ihnen gemeinsam; höchstens die Akzente werden unterschiedlich gesetzt.

Ähnlich argumentieren Hans-Peter Raddatz und Gunnar Heinsohn.

Nicht gerade elegant geschrieben und daher schwer verdaulich, dennoch lesenswert:

Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus. Buchcover
Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden. Die islamische Renaissance des Antisemitismus.


Hans-Peter Raddatz: Allah und die Juden


Leider nur noch antiquarisch zu bekommen, wenn überhaupt:

Gunnar Heinsohn: Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt.

Wir werden dekonstruiert

„… die Mehrheit so gründlich dekonstruieren, dass sie nie wieder die Mehrheit genannt werden kann.“

So umschreibt der norwegische Sozialanthropologe Thomas Hylland Eriksen eines der Hauptziele seiner Forschungen. Mit „Mehrheit“ ist die ethnische Mehrheit gemeint, also die gebürtigen Norweger, der Logik nach auch die anderen westlichen Nationen.

Dieser Satz ist genau so aggressiv gemeint, wie er klingt. Nicht nur, weil man sich unter „deconstruction“ unwillkürlich das da vorstellt:

Dekonstruktion: Abriss, Zerstörung, Vernichtung

Sondern auch, weil kein auch nur halbwegs sensibler Leser den Unterton überhören kann, der aus den Formulierungen  „nie wieder“ und „so gründlich“ spricht.

(„So gründlich haben wir geschrubbt/mit Stalins hartem Besen/dass rot verschrammt der Hintern ist, der vorher braun gewesen.“ Wolf Biermann 1973 über die DDR)

Wenn Eriksen zudem davon spricht, „die Mehrheit (zu) … dekonstruieren“ (und nicht etwa „den Begriff ‚Mehrheit’“), so ist dies mindestens eine Freudsche Fehlleistung, die seine Absichten zur Kenntlichkeit entstellt. (Offiziell kann es nämlich nur um die Dekonstruktion von Begriffen gehen – ich komme weiter unten darauf zurück).

Nicht einmal Unterton, sondern Inhalt dieses Satzes ist zudem, dass es nicht darum geht zu erklären, wie etwas ist, sondern zu beeinflussen wie es „genannt werden kann“ und – denn dies ist die Konsequenz – wie es nicht genannt werden kann. Also nicht wahre Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen (für den Normalbürger immer noch der Sinn von Wissenschaft), sondern zu bestimmen, welche Aussagen überhaupt getroffen werden können. Das Wort „Norweger“ als Bezeichnung eines Volkes oder einer Nation wird dann auf dem Index stehen.

Der Eingangssatz enthält also nicht mehr und nicht weniger das Eingeständnis, dass Eriksen nicht Wissenschaft betreibt, sondern Ideologieproduktion, und der Zweck dieser Ideologie ist die Abschaffung der europäischen Nationen.

Fjordman, dem ich den Hinweis auf dieses Zitat verdanke (seinen Artikel „On Deconstructing the Majority“ habe ich übersetzt; Ihr findet die Übersetzung hier), hat es denn auch zu Recht genau so aufgefasst und es von vornherein als politisches Programm behandelt. Was dabei für meinen Geschmack zu kurz kommt, ist die wissenschaftskritische Analyse. Denn das politische Programm tritt ja keineswegs als solches in Erscheinung, es müsste sich sonst ja demokratischen Verfahren unterziehen. Es kleidet sich in ein scheinbar wissenschaftliches Gewand, und seine Verfechter spekulieren auf die Naivität einer Gesellschaft, deren Vertrauen in die Wissenschaft identisch ist mit dem Vertrauen in das Funktionieren eines Systems, das nach ganz bestimmten Regeln zu funktionieren scheint, die darauf ausgerichtet sind, (vorläufig) wahre Aussagen hervorzubringen, indem sie unwahre systematisch eliminieren.

Was die Multikulturalisten dem Publikum verschweigen, ist, dass sie diese Regeln klammheimlich durch andere ersetzt haben. Sie nehmen die Autorität einer Wissenschaft in Anspruch, die sie längst zerstört, oder, um es in ihren Worten zu sagen, „dekonstruiert“ haben.

Wenn in sozial- oder geisteswissenschaftlichen Zusammenhängen von „Dekonstruktion“ die Rede ist, so ist damit die Dekonstruktion von Begriffen und Aussagesystemen gemeint.

Das logische Komplement zur „Dekonstruktion“ ist die „Konstruktion“ (von Weltbildern). Das postmoderne Denken zieht den Begriff der “Konstruktion” dem der “Interpretation” von Wirklichkeit vor. Eine solche Wortwahl – die natürlich ihrerseits auf einer Konstruktion basiert -, hebt das aktive, das subjektive Element des Interpretierens hervor: Solange ich von einer “Interpretation” spreche, bleibt die äußere Wirklichkeit etwas, das der Einzelne als Gegebenheit vorfindet, und zu dem er sich zu verhalten hat. Der Begriff der “Konstruktion” dagegen enthält ein aktivistisches Moment, legt er doch das Bild eines Menschen nahe, der planmäßig ein (Gedanken-)Gebäude errichtet und die äußere Wirklichkeit dabei gleichsam nur als Steinbruch nutzt, aus dem er mehr oder minder willkürlich die Brocken herausschlägt, die zu seinem Bauplan passen.

So gesehen, ist es keineswegs sicher, dass es so etwas wie „Norweger“ oder eine „norwegische Nation“ gibt. Es handelt sich dabei aus Eriksens Sicht um bloß eine von unendlich vielen denkbaren Konstruktionen. Ebenso wie man Norweger – oder Muslime oder Asiaten – zu einer Gruppe zusammenfassen kann, so der Gedankengang, kann man auch alle Küstenbewohner, alle Einwohner von Trondheim oder alle Kegelbrüder zu Gruppen zusammenfassen. Die „norwegische Nation“ ist in einem solchen Weltbild nicht mehr als ein konstruierter Begriff, den man nur zu „dekonstruieren“ braucht, um das Gemeinte zum Verschwinden zu bringen.

Man kann dieser konstruktivistischen Perspektive durchaus einiges abgewinnen: Vor allem schärft sie das Bewusstsein dafür, dass das, was wir als “Wirklichkeit” im Kopf haben, bestenfalls ein höchst unvollkommener Nachbau, in jedem Fall aber deutlich weniger komplex ist als das, was “wirklich” “wirklich” ist.

Auf der Hand liegt aber, dass mit einer solchen Perspektive auch eine Gefahr verbunden ist, zumal wenn sie in äußerst vergröberter Form popularisiert wird. Buchtitel wie “Die erfundene Wirklichkeit” (ein im Übrigen hervorragendes Buch von Paul Watzlawick) schreien geradezu danach, missverstanden zu werden. So, als wären alle Konstruktionen von Wirklichkeit gleichermaßen gut und legitim. Verhielte es sich so, so wären die Begriffe “wahr” und “unwahr” bedeutungslos. Mit einem solchen “Anything goes” wäre jeder Wissenschaft – einschließlich des Konstruktivismus selbst – die Grundlage entzogen, weil es voraussetzt, dass die Falsifizierbarkeit von Aussagen kein Kriterium für ihre Wissenschaftlichkeit ist. Was nichts anderes bedeutet, als dass jede beliebige Aussage, jeder beliebige Begriff mit dem Anspruch auf „Wissenschaftlichkeit“ entwickelt werden kann, und dass „Wissenschaft“ tatsächlich darin bestünde, von ihr selbst „erfundene Wirklichkeit“ zu beschreiben.

Diese „Erkenntnistheorie“ ist eine primitive, ja vulgäre Entstellung des eigentlichen Konstruktivismus. Im Grunde läuft sie auf ein „Wünsch‘ Dir was“ hinaus, dessen Albernheit jedes Kind durchschauen könnte:

Stellen wir uns einen Moment vor, Professor Eriksen würde in die Hände von Kannibalen fallen. Stellen wir uns des weiteren vor – man wird ja noch träumen dürfen -, sie würden ihn in einen Kochtopf stecken. Was würde er tun?

Richtig: er würde anfangen, den Kannibalismus zu „dekonstruieren“. Etwa so: „Kannibalismus ist eine bloße Konstruktion der westlichen Welt, mit deren Hilfe Europäer sich gegen die scheinbar ‚Wilden‘ indigenen Völker abgrenzten, um den europäischen Imperialismus …“ Spätestens an diesem Punkt wäre der Professor

gar.

Es ist wichtig, sich die Primitivität und Dummheit der Prämissen bewusst zu machen, auf der diese Art von „Wissenschaft“ basiert, weil ihre Verfechter nicht selten mit dem Gestus überlegener Einsicht auftreten, wenn sie das Weltbild des Normalbürgers, der altmodischerweise an solche Dinge wie die Existenz von Nationen glaubt, vom hohen Ross herab „dekonstruieren“.

Leider gibt es gar nicht so wenige Menschen, die akademisch hinreichend vorbelastet sind, mit solchen Wortungetümen wie „Wirklichkeitskonstruktion“ zu jonglieren, dann aber doch nicht so bewandert zu durchschauen, dass die Schlussfolgerungen, die daraus abgeleitet werden – z.B.: „Nation“ ist eine Konstruktion, also existiert sie nicht – Produkte eines Kartells von Ideologen sind, die sich gegenseitig ein Weltbild bestätigen, in dem die Wirklichkeit nicht vorkommt, es sei denn als Objekt der Manipulation.

Zwei grundlegende Denkfehler – oder auch ideologisch motivierte Manipulationen – liegen dem Irrtum – oder auch der Lüge – zugrunde, Nationen seien „erfundene“ Wirklichkeiten:

Erstens die Verwechslung einer Gruppe mit den Personen, aus denen sie besteht. Zweitens der Fehlschluss, aus der zutreffenden Prämisse, Nationen seien gedachte Einheiten, auf die falsche Konsequenz, deswegen seien sie bloße Illusionen.

Ad 1: Wenn ich eine Aussage treffe wie „Die Norweger haben Ölquellen“, dann ist dieser Satz falsch, sofern mit „die Norweger“ eine Personengesamtheit gemeint sein soll, denn offensichtlich besitzen die meisten Norweger keine Ölquellen (auch nicht als Aktionäre oder dergleichen). Richtig ist er nur, sofern ich „die Norweger“ als eine Gruppe auffasse, die als solche etwas qualitativ anderes ist als bloß das Aggregat ihrer Mitglieder.

Wer diesen Unterschied in seiner Theoriebildung nicht reflektiert, und Eriksen reflektiert ihn nicht, kann für sich nicht in Anspruch nehmen, ein seriöser Sozial- oder Kulturwissenschaftler zu sein. Freilich ist es ihm dann umso leichter, Menschen willkürlich in Gruppen einzuteilen und nicht einzusehen, warum die Personengesamtheit der „Norweger“ in irgendeiner Weise anders sein soll als die der „Brillenträger“, „Thrillerleser“, „Einwohner von Trondheim“ oder ähnlichen „Gruppen“, die nach rein objektiven Kriterien definiert werden.

Ad 2: Was aber ist nun der Unterschied zwischen einer Gruppe wie etwa „Norweger“ und einer solchen Personengesamtheit wie „Träger der Blutgruppe A“? Der Unterschied ist, dass das eine ein soziales System ist und das andere nicht.

„Soziales System“ bedeutet, dass zwischen den Mitgliedern wechselseitige Erwartungen bestehen – Solidaritätserwartungen zum Beispiel, oder auch die wechselseitige Unterstellung ähnlicher verhaltensleitender Werte und Normen -, und dass jeder Einzelne sein eigenes Verhalten nach diesen Erwartungen richtet. Zwischen Brillenträgern, Thrillerlesern oder Trägern der Blutgruppe A bestehen solche Erwartungen nicht, deswegen konstituieren kein soziales System.

In meinem Aufsatz „Tote Hosen“ habe ich ausführlich dargelegt und begründet, dass und warum menschliche Gesellschaft auf der Existenz einander ausschließender Solidargemeinschaften beruht. Das müssen nicht Nationen im modernen Sinne sein – Stämme oder Clans tun es notfalls auch, und selbst Religionsgemeinschaften können solche Gemeinschaften bilden, wie der Islam uns täglich aufs Neue beweist.

(Diesen Sachverhalt kann man freilich nicht wahrnehmen, wenn man auf die Frage <„Sie sagten einmal, sie wollten erforschen, was die menschliche Gesellschaft zusammenhält?“antwortet „Ja, ich habe oft gesagt, dass wir uns in Hunderten von Jahren (jedenfalls in der Sozialanthropologie) auf Unterschiede konzentriert haben und die Fähigkeit verloren haben, über Ähnlichkeiten zu sprechen und darüber, was den Menschen gemeinsam ist.“

Wer so argumentiert, sieht in der Existenz von Solidargemeinschaften nicht etwa die Grundlage menschlichen Zusammenlebens, sondern ein zu überwindendes Problem, weil dadurch „Unterschiede“ erzeugt werden.

Solidargemeinschaften sind zu zerstören, aber nicht etwa deshalb, weil der Professor eine überlegene Theorie darüber hätte, „was die menschliche Gesellschaft zusammenhält“ – seine Antwort ist symptomatisch für die Plattheit, Infantilität und geistige Armut seiner Überlegungen -, und auch nicht weil er wenigstens imstande wäre zu widerlegen, dass es zwischen Gesellschaft und Solidarität, zwischen Solidarität nach innen und Abgrenzung nach außen einen notwendigen Zusammenhang gibt, den man nicht zerstören kann, ohne die Fundamente menschlichen Zusammenlebens zu untergraben. Sondern einfach, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.)

Man kann aber solche Gemeinschaften nicht willkürlich gründen – man kann sie höchstens willkürlich zerstören – weil sie zirkulär strukturiert sind:

Ich verhalte mich solidarisch, weil ich erwarte, dass die meisten anderen Gruppenmitglieder es auch tun, bestärke mit diesem Verhalten aber zugleich dieselbe Erwartung bei allen Anderen. D.h. ich verhalte mich solidarisch, weil ich die Existenz einer Solidargemeinschaft unterstelle – in politischen Zusammenhängen also die einer Nation -, und die Solidargemeinschaft existiert, weil ihre Mitglieder sich solidarisch verhalten.

Die Nation (wie jede andere Gruppe) verwandelt sich in dem Moment von einer Fiktion in eine Realität, wo die allgemein geteilte Unterstellung ihrer Existenz soziale Handlungen motiviert und strukturiert: Handlungen, die sich der wissenschaftlichen Erklärung entziehen würden, wenn man die ihnen zugrundeliegende Idee der Nation als bloße „Konstruktion“ behandelt (sofern mit „Konstruktion“ gemeint sein soll, dass es zu ihr kein empirisches Äquivalent gebe).

„Konstruktionen“ sind Realitäten! Und zwar gehören sie, wenn sie massenhaft geteilt werden, zu genau denjenigen Realitäten, deren Erklärung zu den zentralen Gegenständen sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung gehört. Wer diese Realitäten im Wege der „Dekonstruktion“ zum Verschwinden bringen will, betreibt keine Wissenschaft, sondern verfolgt ein politisches Programm, das auf nicht weniger abzielt als darauf, die Gesellschaft zur Übernahme einer bestimmten Ideologie zu nötigen. Man nennt dergleichen auch:

Gehirnwäsche.

Mehr noch: Es sollte auf der Hand liegen, dass man die zirkulären Wechselwirkungen, auf denen Solidargemeinschaften basieren, nicht willkürlich erzeugen kann, jedenfalls nicht im gesellschaftlichen Maßstab, weil ein solches Unterfangen dem Versuch gliche, sich an den eigenen Haaren aus dem Wasser zu ziehen. Wenn man eine existierende Solidargemeinschaft allerdings „dekonstruiert“, d.h. zur Illusion erklärt, dann kann man sie damit zerstören.

Zerstört wird damit eine Struktur, auf deren Existenz die menschliche Gesellschaft angewiesen ist. Die mutwillige Dekonstruktion von Begriffen führt hier zur Destruktion dessen, wofür sie stehen, und zur Destrukturierung – die Begriffe sind nicht zufällig miteinander verwandt – der Gesellschaft, letztlich zu ihrer Dezivilisierung.

Wir müssen uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass ein erheblicher Teil der sogenannten Wissenschaftseliten sich aus Leuten rekrutiert, die keine Skrupel haben, gestützt auf nicht mehr als eine windige Utopie – Eriksen rühmt sich seiner „Visionen“ – den Fortbestand der Zivilisation aufs Spiel zu setzen und ungebetenerweise Millionen von Menschen als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Man braucht wahrhaftig kein Prophet zu sein um vorherzusehen, dass dieser Versuch eine „bessere Welt“ zu schaffen, genauso enden wird wie alle vorherigen, und dass die, die ihn zu verantworten haben, genau dieselbe Unschuldsmiene aufsetzen werden wie ihre Vorgänger:

Am Ende, dann nämlich, wenn sich die multikulturalistischen Ideologen durchgesetzt haben, wenn die Nationen zerstört, die Staaten zerfallen, die Städte in Kampfzonen verwandelt sind; wenn denkenden Menschen die Kehle durchgeschnitten wird, weil sie bestimmten religiösen Wahnideen widersprochen haben; wenn Kinder nicht mehr lesen lernen, aber eine Kalaschnikow zu handhaben wissen; wenn Bibliotheken, Kirchen und Synagogen brennen; wenn die vorherrschende Form sexueller Beziehungen die Vergewaltigung ist; wenn die Zivilisation sogar als bloße Erinnerung kaum mehr präsent ist – am Ende also werden die Eriksens sich hinstellen wie heute die alten Funktionäre des Pol-Pot-Regimes und sagen:

„‚Tschulligung, war nur so ’ne Idee von uns.“

Schulljung…

… ist nicht etwa der niederrheinische Dialektausdruck für „Schuljunge“, sondern diejenige Form des Wortes „Entschuldigung“, die von jugendlichen Rabauken gewählt wird, wenn sie mangels Verstandes eigentlich gar nicht einsehen, wofür sie sich entschuldigen sollen, und es deshalb als Zumutung empfinden, wenn man sie dazu auffordert.

In seriöseren Kreisen sagt man natürlich nicht „Schulljung“, sondern greift zu Floskeln wie:

„Ich bedaure zutiefst, dass Gefühle – insbesondere jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger – verletzt wurden“, sagte der Duisburger Polizeipräsident Rolf Cebin am Dienstag. Das Entfernen der Fahnen aus einem Duisburger Wohnhaus sei „aus heutiger Sicht die falsche Entscheidung gewesen“. Die Situation sei „sehr aufgeheizt“ gewesen und die Beamten hätten „Schaden von den Beteiligten“ nehmen wollen. Der Polizeipräsident betonte: „Nach allem, was ich heute weiß, hätte ich die Situation anders gelöst, um eine Eskalation zu vermeiden. Die öffentliche Empörung verstehe ich.“

Dieses Zitat aus „Focus online“ – leider habe ich nirgendwo den zusammenhängenden Originalwortlaut finden können – verdient eine ausführliche Würdigung.

„Ich bedaure…“ ist etwas völlig anderes als „Ich bitte um Verzeihung“. „Bedauern“ kann ich auch, dass in China ein Sack Reis umgefallen ist; ein Schuldeingeständnis ist das nicht und eine Bitte um Entschuldigung auch nicht. Weswegen wir die überall verbreitete Schlagzeile „Duisburger Polizeipräsident bittet um Entschuldigung“ getrost als Zeitungsente abtun können.

„… dass Gefühle … verletzt wurden„: Das ist genau die Art von Kindergartensprech, die ich erst vor einigen Tagen ausgiebig kritisiert habe. Ich habe großen Respekt vor dem Beruf des Erziehers, und selbstverständlich verstehe ich, dass man Kindern, namentlich solchen im Vorschulalter, beibringen muss, dass nicht alles ausgesprochen werden sollte, was die Gefühle des Gegenübers verletzen könnte. Als Erwachsener sollte man aber gelernt haben, dass die Verletzung von Gefühlen sich schon im privaten Bereich schwer und im öffentlichen Raum überhaupt nicht vermeiden lässt. Die Verletzung von Gefühlen ist das Letzte, wofür die deutsche Polizei sich zu entschuldigen hätte.

Was der Duisburger Polizeipräsident offensichtlich nicht begreift, ist, dass seine Beamten nicht irgendwelche Gefühle, sondern Recht und Verfassung verletzt haben, dass sie sich zu Komplizen von Kriminellen, Terroristen und Verfassungsfeinden gemacht haben, dass sie aktiv geholfen haben, einen rechtsfreien Raum zu schaffen!

Aber freilich: Was ist in der Bundesrepublik Disneyland schon die Suspendierung der Verfassung, verglichen mit der Verletzung von Gefühlen?!

„… insbesondere jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger …“ – bilde ich mir das ein, oder sind jüdische Bürger (im Unterschied zu Mitbürgern) in diesem Weltbild tatsächlich nicht vorgesehen? Wie dem auch sei: Für Herrn Cebin muss man wohl Jude sein, um Israel zu unterstützen – was im Umkehrschluss heißt, dass ihm andere Gründe dafür nicht einfallen. Und in den Genuss einer Entschuldigung – oder vielmehr Schein-Entschuldigung – des Polizeipräsidenten kommen auch die nicht etwa deshalb, weil die Polizei ihr Fehlverhalten einsähe, sondern weil die Political Correctness es erfordert, gegenüber „jüdischen Mitbürgern“ so etwas wie eine Entschuldigung wenigstens vorzutäuschen (und ihnen im stillen Kämmerlein einen Vorwurf daraus zu machen). 

„… aus heutiger Sicht die falsche Entscheidung…“ Was ist denn der Unterschied zwischen der „heutigen“ und der damaligen Sicht? Der Unterschied ist, dass die Öffentlichkeit sich empört.  „Aus heutiger Sicht“ bedeutet also: „Ich entschuldige mich zwar so lala, aber nur unter dem Druck der öffentlichen Meinung.“ Oder auch : „Schulljung“. 

 „… hätte ich die Situation anders gelöst …“ Ganz nebenbei wird den kleinen Schupos vor Ort, die letztlich nur das umsetzen, was Politik und Polizeiführung, also Leute wie Cebin, ihnen vormachen, der Schwarze Peter zugeschoben: Er, der Polizeipräsident, hätte die Situation natürlich gaaanz anders gelöst.

„…um eine Eskalation zu vermeiden…“ Wieder fühlt man sich an das Babyblabla erinnert, dass aus dem Fernseher tropft, sobald vom Gazastreifen die Rede ist. So, wie es auch dort nicht um die Zerschlagung einer Terrororganisation geht, sondern um ein „Ende der Gewalt“ (Ich verweise nochmals auf meinen Artikel „Phrasenschweine oder: Die Sprache des Kindergartens“), so geht es auch im Inland nicht darum, Recht und Ordnung zu schützen und damit die Freiheit jedes Bürgers zu verteidigen, sondern „eine Eskalation zu vermeiden“.

Nach dem Motto: „Wer freiwillig die Beine breit macht, wird nicht vergewaltigt“!

„Die öffentliche Empörung verstehe ich.“ Natürlich versteht er in Wirklichkeit gar nichts, aber selbst wenn er die Empörung verstünde, dies die Botschaft, teilte er sie nicht.

Ich sage es noch einmal, weil man es nicht oft genug sagen kann:

Ein Staat, der nicht in der Lage ist, das von ihm selbst gesetzte Recht durchzusetzen, der seinen Bürgern keine Sicherheitsgarantie gibt, sie vielmehr der Willkür privater Gewalttäter ausliefert, ist nicht nur kein Rechtsstaat, sondern überhaupt kein Staat.

Wir wussten schon lange, dass es Menschen gibt, die die Staatsauflösung zu Ideologie erhoben haben. Wenn der Staat selbst aber eine solche Ideologie vertritt und dabei Grundbegriffe der Rechtsstaatlichkeit („Verhältnismäßigkeit“) in ihr Gegenteil verkehrt, und wenn diese Ideologie, wie wir gesehen haben, mit den höchsten Polizeirängen schon den Kern des Staatsapparates verseucht hat, dann reicht die Krise des demokratischen Gemeinwesens weitaus tiefer, als ich mir selbst in meinen Alpträumen hätte vorstellen können. Das bedeutet dann nämlich, dass selbst ein sofortiges Umsteuern der Politik hin zu den Prinzipien der wehrhaften Demokratie möglicherweise vom Polizeiapparat sabotiert würde.

Islamisierung: Die Herrschaft des grünen Pöbels

Neue Rhein Zeitung, 12. Januar 2009:

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat den Verlauf der Duisburger Demonstration gegen den israelischen Militäreinsatz hart kritisiert. (…) ‚…offensichtlich bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter das Maß der Meinungsfreiheit in Deutschland‘, sagt der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, der NRZ. Hintergrund: Auf dem Marsch zum Kundgebungsort in der Innenstadt hatten Teilnehmer ein Haus unter anderem mit Steinen attackiert, in dessem dritten Obergeschoss gut sichtbar eine israelische Fahne im Fenster hing. Pressefotos und ein Video im Internetportal ‚Youtube‘ belegen, dass Polizisten die Fahne abhingen, worauf die Demo-Teilnehmer mit Rufen wie ‚Gott ist groß‘ ihre Befriedigung über die Polizei-Aktion zum Ausdruck brachten.

(…)

Der Sprecher der Duisburger Polizei, Ramon van der Maat, verteidigte auf NRZ-Anfrage das Vorgehen der Polizei und machte den Besitzern der Wohnung den Vorwurf, sie hätten ’nur provozieren‘ wollen. ‚Bevor mir eine eigentlich friedliche Demonstration entgleitet, muss ich in solchen Fällen handeln.‘ Wer die muslimischen Mitbürger kenne, wüsste, dass sie emotional oft schnell in Fahrt gerieten. ‚Da müssen Sie als Polizeiführer sehr schnell entscheiden, und hier wurde der richtige Weg gewählt.‘

Das Handeln der Polizei sah dann konkret so aus, dass Beamten die Tür der betreffenden Wohnung eintraten, ‚da die Besitzer nicht anzutreffen waren‘, so van der Maat. Anschließend wurde die Fahne entfernt, Augenzeugen sprachen davon, sie sei regelrecht heruntergerissen worden. Für den Polizeisprecher hat die Polizei die ‚Verhältnismäßigkeit‘ gewahrt. (…)“

[Der ursprünglich hier gesetzte Verweis ist nicht mehr gültig.]

Der Vorgang selbst bedarf – zumindest aus meinem Munde – keiner ausführlichen Kommentierung. Der deutsche Staat stellt die Rechte seiner Bürger zur Disposition des Pöbels. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden nicht mehr vom Grundgesetz gezogen, sondern vom Mob. (Wer es ausführlicher gewürdigt haben möchte, dem lege ich meinen Artikel „Der kalte Staatsstreich“ ans Herz. Wärmstens. Insbesondere die fettgedruckte Schlusspassage empfehle ich Eurer besonderen Aufmerksamkeit.)

Frappierend ist allerdings der Umstand, dass die zutreffende Aussage

Offensichtlich bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter das Maß der Meinungsfreiheit in Deutschland“

ausgerechnet von dem sonst geistig dauerüberforderten Generalsekretär des Zentralrats der Juden stammt. Falsch an diesem Statement ist einzig das Wörtchen „jetzt“ („…bestimmen jetzt potenzielle Gewalttäter…“), als wenn dieser Zustand nicht schon seit geraumer Zeit bestünde.

Offensichtlich wurde er spätestens, als der rote Mob den Anti-Islamisierungkongress in Köln gewaltsam verhinderte, und zwar unter wohlwollender Duldung der Polizei. Und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dessen ehrwürdige Vorsitzende, die damit bewies, dass Alter vor Torheit nicht schützt, fand es damals nämlich

unglaublich, dass in der heutigen Zeit die braune Brut [gemeint waren die Organisatoren des Kongresses, M.] die Möglichkeit hat, das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und Religion zu stören“,

womit sie die Suspendierung der Meinungsfreiheit gleichsam koscher stempelte.

Hoffen wir, dass die Vorgänge von Duisburg (oder auch weniger spektakuläre wie dieser hier) wenigstens den einen Vorteil haben, bei den Verantwortlichen des Zentralrats einen Denkprozess anzustoßen, und hoffen wir, dass dieser Prozess noch vor dem Jüngsten Gericht – und tunlichst auch, bevor in Deutschland die Scharia eingeführt wird – zu den Erkenntnissen führt,

– dass die Bürgerrechte auch von Juden durch das Grundgesetz geschützt werden, nicht durch Political Correctness, sprich durch linken und islamischen Meinungsterror,

– dass sie am besten bei einem Rechtsstaat aufgehoben sind, der bereit ist, dieser Rechte gegebenenfalls auch mit Gewalt zu schützen,

– dass es selbstmörderisch ist, die schleichende Selbstauslöschung dieses demokratischen Rechtsstaates zu dulden,

– dass die Islamisierung unseres Landes, das heißt das Zurückweichen der Gesellschaft vor den Machtansprüchen einer totalitären Religion in vollem Gange ist,

– und dass dieser Prozess, wenn er nicht gestoppt wird, enden wird wie alle historischen Islamisierungsprozesse: nämlich damit, dass Juden und Christen gleichermaßen auf den Status entrechteter Untermenschen gedrückt werden!

Wer hat Angst vor einem Palästinenserstaat?

Scharons politisches Meisterstück: der Abzug aus dem Gazastreifen

Viele Israelis werden es bezweifeln, ich aber glaube, dass Ariel Scharons Schachzug, den Gazastreifen zu räumen, ob seiner Genialität in jedes Lehrbuch der Politik gehört. Wer immer geglaubt hatte, die Palästinenser hätten vor allem ein Interesse am Ende der Besatzung und an der Errichtung eines eigenen Staates, wurde eines Anderen belehrt, und es waren die Palästinenser selbst, die diese Lehre erteilten.

Gerade die Tatsache, dass die schlicht Unbelehrbaren, also Leute vom Schlage eines Norman Paech, die Räumung leugnen und den Streifen allen Ernstes als immer noch besetztes Gebiet sehen wollen, zeigt, wie sehr die palästinensische Propaganda durch diesen Akt an Glaubwürdigkeit verloren hat. Es zeigt zugleich, dass es den pro-palästinensischen Aktivisten hierzulande nicht darum geht, den Palästinensern zu helfen, sondern Israel zu schaden.

Was wollen die Palästinenser eigentlich?

Wäre es das Ziel der Palästinenser gewesen, die Besatzung zu beenden, so war dieses Ziel in Bezug auf den Gazastreifen mit dem Abzug im August 2005 erreicht, und es war offensichtlich, dass die israelische Politik darauf abzielte, auch das Westjordanland zu räumen. Die Raketen, die seitdem vom Gazastreifen auf Israel abgefeuert wurden, konnten demgemäß nur als Aufforderung verstanden werden, das Westjordanland nicht zu räumen (weil sonst auch von dort die Raketen fliegen würden).

Wäre es ihr Ziel gewesen, einen eigenen Staat zu errichten, so kann – wiederum seit August 2005 – absolut niemand sie daran hindern. Dieser Aspekt wird wenig gesehen, deshalb möchte ich ein wenig darauf eingehen:

Nach klassischer völkerrechtlicher Theorie existiert ein Staat dann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:

– ein Staatsvolk,

– eine Staatsgewalt,

– ein Staatsgebiet.

Die Palästinenser erheben bekanntlich den Anspruch, eine Nation im politischen Sinne zu sein; die Existenz eines potenziellen Staatsvolks wird man also unterstellen dürfen.

So etwas wie Staatsgewalt existiert ebenfalls in Gestalt der Autonomiebehörde bzw. (seit dem Hamas-Putsch im Streifen) in Form der Hamas-Behörden.

Seit Israel seine Truppen zurückgezogen und den Gazastreifen zu Ausland erklärt hat, existiert dort auch ein potenzielles Staatsgebiet – da ja kein anderer Staat auf den Streifen Anspruch erhebt, auch Ägypten nicht.

Es ist wichtig zu wissen, dass es bei Vorliegen dieser drei – rein faktischen! – Voraussetzungen nicht darauf ankommt, ob Drittstaaten einen neuen Staat anerkennen oder nicht!

Zumindest im Gazastreifen – vorläufig allerdings nur dort – könnten die Palästinenser seit August 2005 also jederzeit  einen vollwertigen Staat gründen, und sie wären dabei von niemandes Erlaubnis abhängig, auch nicht von der Israels. Wenn sie das nicht tun, heißt dies, dass sie es nicht tun wollen.

Warum?

Vielleicht weil dies den Verzicht auf alle Gebiete außerhalb des Gazastreifens bedeuten würde? Mitnichten. Niemand könnte einem palästinensischen Staat verwehren, offiziell Anspruch auf das Westjordanland zu erheben, so wie auch niemand der alten Bundesrepublik verwehren konnte, die Wiedervereinigung als Staatsziel zu proklamieren.

Ob er das Westjordanland – oder was immer er sonst fordern würde – tatsächlich bekäme, stünde natürlich auf einem anderen Blatt, aber er würde den Anspruch nicht schon dadurch verwirken, dass er ihn nicht sofort durchsetzen könnte.

Einen eigenen Staat haben heißt aber: Pflichten haben!

Und genau hier liegt der springende Punkt:

Ein Palästinenserstaat könnte nämlich nicht nur, er müsste seine Ansprüche explizit zu Protokoll geben! Und das würde bedeuten, dass die Hamas die Vernichtung Israels nochmals, und diesmal mit dem ganzen Gewicht einer staatlichen Willensbekundung, vor aller Welt fordern – oder dieses Ziel aufgeben müsste.

Und natürlich müsste ein Staat die Verantwortung für die militärischen Angriffe auf sich nehmen, die von seinem Territorium gegen das Nachbarland vorgetragen werden. Für die Wahrnehmung des Konflikts durch die Augen selbst des verblödeten westlichen Publikums würde es vermutlich einen Unterschied bedeuten, ob zwei Staaten gegeneinander kämpfen, oder ob man denselben Konflikt – so wie jetzt – als Konflikt zwischen einem Staat und einer auswärtigen „Zivilbevölkerung“ verkaufen könnte.

Die Existenz eines eigenen Staates würde den Palästinensern nicht nur Rechte verschaffen, die sie haben wollen, sondern auch Pflichten auferlegen, die sie nicht haben wollen. Insbesondere solche Pflichten, die sie daran hindern könnten, ihr Nachbarvolk zu massakrieren.

Deshalb wollen sie ihn nicht.

Vom Weltbild der Israel-Hasser

Es ist oft gefragt worden, warum unter den vielen Krisenherden dieser Welt ausgerechnet der im Nahen Osten immer wieder ganz besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Von den denkbaren und plausiblen Antworten auf diese Frage scheint mir eine ganz besonders einleuchtend:

Dieser Konflikt enthält in sich gleichzeitig die Konflikte

  • zwischen dem Westen und dem Islam,
  • zwischen Freiheit und Totalitarismus,
  • zwischen der ordnenden und geordneten Gewalt des Staates und der chaotischen, entgrenzten und vagabundierenden Gewalt von Warlords, Terroristen und Kriminellen,
  • zwischen dem Recht als einer rationalen, Sicherheit und Berechenbarkeit verbürgenden Ordnung und der „Gerechtigkeit“ als der Entrechtung des Stärkeren und Selbstermächtigung des Schwächeren zu Willkür und Gewalt.

Es handelt sich also um genau diejenigen Konflikte, deren Ausgang über den Fortbestand der westlichen Zivilisation, wahrscheinlich sogar der Zivilisation schlechthin, entscheiden wird – um diejenigen, die oft unausgesprochen, verdeckt, vermischt und verleugnet den Subtext der Weltpolitik bilden, die aber nirgendwo so klar, so konzentriert, so bis zur äußersten Feindschaft gesteigert zutage treten wie eben im Nahen Osten. Weil das so ist, lässt sich das politische Weltbild eines Menschen an seiner Einstellung zum Nahostkonflikt wie an einer geeichten Skala ablesen.

Sage mir, wie Du zu Israel stehst, und ich sage Dir, wer Du bist.

Nehmen wir nur – pars pro toto – das unsagbar dumme Gerede über die „Verhältnismäßigkeit“, die Israel angeblich missachtet. In den Worten eines gewissen Ulrich Leidholdt, der als ARD-Korrespondent (also auf Kosten des Gebührenzahlers, der sich nicht dagegen wehren kann, dass sein sauer verdientes Geld zur Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigungen veuntreut wird) in Amman sein Unwesen treibt:

„16 Tote in Israel durch Hamas-Raketen aus Gaza in sieben Jahren – rechtfertigt das 300 Tote an nur einem Tag durch die Israels Luftwaffe?“

Wie sieht eigentlich das Weltbild eines Menschen aus, der es fertigbringt, einen solchen Satz zu schreiben? Ungefähr so: Einen Mord darf man nur dann im Wege der Nothilfe (bzw. Notwehr) verhindern, wenn die Zahl der Täter und Helfershelfer die der Opfer nicht übersteigt. Sollte also Herr Leidholdt eines Tages in die bedauernswerte Situation geraten, auf den Straßen von Amman von einer wütenden Menge gelyncht zu werden, die seine Kommentare nicht militant genug fand, so müsste die jordanische Polizei ihm sagen: „Tut uns leid, Herr Leidholdt, um Ihnen – also einem Menschen zu helfen, müssten wir mehrere Menschen töten, und das wäre unverhältnismäßig. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass Sie sich aufhängen lassen müssen.“

(Zugunsten der jordanischen Polizei möchte ich annehmen, dass ihre Ausbilder juristisch hinreichend geschult sind zu wissen, dass die Verantwortung für eine Tötung in Notwehr/Nothilfe denjenigen trifft, der die Notwehrsituation herbeigeführt hat, und dass sich deswegen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gar nicht erst stellt! Weniger geschwollen ausgedrückt: Wer einen Anderen zwingt, ihn zu töten, ist selbst schuld.)

Analoges gilt für die hysterische Empörung über die zivilen Opfer des Krieges. Es ist zutreffend, dass jede Kriegspartei verpflichtet ist, die Schädigung, insbesondere Tötung von Nichtkombattanten nach Möglichkeit zu vermeiden. Diese Norm hängt aber nicht in der Luft, sondern findet ihre logische und notwendige Ergänzung in dem strikten Verbot, den Unterschied zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten zu verwischen. Wer das trotzdem tut, indem er Kämpfer oder militärische Einrichtungen nicht als solche kennzeichnet, Zivilisten Waffen schmuggeln lässt, Raketen von Schulhöfen abfeuert, Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, Munition in Moscheen lagert usw., begeht damit ein schweres Kriegsverbrechen und ist verantwortlich für alle daraus resultierenden zivilen Opfer.

Oder erinnern wir uns an die Empörung darüber, dass Israel nicht bereit war, mit der Hamas offizielle Verhandlungen aufzunehmen: Dies bedeute die Nichtanerkennung einer gewählten Regierung. Das ist zwar Unsinn, aber lassen wir es mal so stehen. Der Umkehrschluss lautet aber, dass das palästinensische Volk, indem es der Hamas ein Mandat erteilt hat, und dies sehenden Auges, für deren Handlungen verantwortlich ist.

Wenn man das Weltbild der westlichen Israelhasser gestützt nur auf diese Beispiele – die Liste lässt sich mühelos verlängern – zusammenfasst, so lautet es,

  • dass gesetztes Recht Unrecht ist,
  • dass Staaten nur Pflichten haben (insbesondere die Pflicht zum Gewaltverzicht),
  • private Akteure aber nur Rechte (einschließlich des Rechts auf willkürliche Gewaltanwendung),
  • dass demgemäß Staaten für alles verantwortlich sind, Private aber für nichts,
  • dass Demokratien, weil sie Staaten sind, kein Recht auf Selbstverteidigung haben, auch nicht gegen totalitäre Bewegungen, auch nicht gegen Terroristen,

…und dass insbesondere Israel nicht das Recht hat zu existieren. Preisfrage: Ist das Antisemitimus?

Ich würde sagen: Nein.

Natürlich ist Antisemitismus in westlichen Gesellschaften weit verbreitet, und es wäre ganz merkwürdig, wenn er im Zusammenhang mit Israelfeindlichkeit nicht zum Vorschein käme – denken wir nur an die unsägliche Bettina Marx und ihre „reichen Juden“ -, aber die skizzierte Ideologie funktioniert auch ganz und gar ohne Antisemitismus.

Wer den Staat – den Ordnungsstaat, den Rechtsstaat, den Nationalstaat – schlechthin ablehnt, wäre ganz inkonsequent, wenn er gerade für Israel eine Ausnahme machte. Wer Recht, Gesetz und Ordnung schlechthin für antiemanzipatorisch hält, muss kein Antisemit sein, um auch das israelische Recht zu verachten. Wer alle westlichen Völker einschließlich des eigenen hasst, hasst auch das jüdische.

Eine solche Ideologie ist nicht antisemitisch, sondern antizivilisatorisch! Es ist genau diejenige Ideologie der Entstrukturierung, der Auflösung und des Chaos, die den destruktiven Kern linker Ideologie darstellt. (Dass diese anarchistische Ideologie regelmäßig nicht in der herrschaftsfreien, klassenlosen oder sonstwie beglückten Gesellschaft mündet, sondern im Totalitarismus, liegt in der Natur der Sache und bedarf keiner Erläuterung.)

Der Nahostkonflikt ist der Lackmustest, der diesen Sachverhalt sichtbar macht.

Bibel in gerechter Sprache

Die Festplatte aufzuräumen ist so ähnlich wie den Speicher zu entrümpeln: Man entdeckt hundert Dinge, die einem entfallen waren, und gerät auf eine Art Zeitreise zurück ins eigene Leben.

Ich bin also beim Entrümpeln meiner Festplatte auf einen Text gestoßen, den ich vor zwei Jahren, also in meiner Vor-Blog-Ära, geschrieben habe. Ob er wirklich noch aktuell ist, weiß ich nicht, aber zum Löschen ist er allemal zu schade.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hatte damals in „chrismon“ die „Bibel in gerechter Sprache“ angepriesen. „Chrismon“ ist gleichsam das Hausblättchen des liberalen Protestantismus in Deutschland, das ich bis dahin gelesen hatte und seitdem nicht mehr. Die Herausgeber dieser „Bibel in gerechter Sprache“ hatten nämlich das Kunststück fertiggebracht, den Christen und den Auklärer in mir gleichzeitig bis zur Weißglut zu provozieren.

Was lange gärt, wird endlich Wut: Der Ärger über die politische Linke hatte sich bei mir über Jahre angestaut, und 2006 war ich höchstens noch ein Gewohnheitslinker, wenn überhaupt einer. Wenn ich aber rückblickend darüber nachdenke, welcher Tropfen das Fass zum Überlaufen und mich dazu brachte, mit der ganzen linken Mischpoke endgültig nichts mehr zu tun haben zu wollen, dann war es diese Gutmenschenbibel, weil die mir den ganzen totalitären Irrsinn linker (und eben nicht erst spezifisch kommunistischer) Ideologie in hochkonzentrierter Form vor Augen führte.

Jedenfalls schrieb ich damals zwei Briefe: einen an die Bischöfin, einen zweiten an die „chrismon“-Redaktion mit der Bitte, den ersten zu veröffentlichen. Diese Briefe habe ich jetzt auf meiner Festplatte wiedergefunden:

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem Bischöfin Käßmann in der vorletzten Ausgabe von „chrismon“ ein Loblied auf die sogenannte „Bibel in gerechter Sprache“ gesungen hatte, ging ich selbstverständlich davon aus, dass nunmehr diejenigen Theologen und Philologen reagieren und replizieren würden, die eine etwas weniger legeres Verhältnis zum biblischen Text, dafür aber ein wesentlich kritischeres Verhältnis zu den Anmaßungen der Political Correctness haben als die Bischöfin und mit ihr die Verfasser der vorliegenden neuen Bibelversion. Mit Ausnahme eines sehr kurzen und auch nur halb kritischen Leserbriefes hat „chrismon“ nichts dergleichen veröffentlicht. Das erstaunt mich.

Müsste ich annehmen, dass es solche kritischen Stellungnahmen nicht gegeben hat, so würde ich mich fragen, ob denn der deutsche Protestantismus, der einmal mit dem Anspruch angetreten ist, seine Theologie sola scriptura zu begründen, schon so weit von seinen ursprünglichen Anliegen entfernt ist, dass er die Bibel gewissermaßen als quantité négligeable auffasst, auf deren authentische Übersetzung es nicht ankommt, und deren absichtliche Fälschung weder einen Skandal noch auch nur einen Anlass zur Kritik darstellt.

Tatsächlich fördert bereits ein Blick ins Internet ermutigenderweise zutage, dass die Empörung quer durch die Christenheit unseres Landes geht: Sie wird artikuliert von Theologen und Laien, von Protestanten und Katholiken, von Liberalen und Fundamentalisten, von Gebildeten und Ungebildeten. Und wenn Bischöfin Wartenberg-Potte, eine der Fördererinnen des Projekts, sagt: „Über viele Kritiken brauchen wir nicht zu schmollen. Viel Feind, viel Ehr.“, so drückt dies eben nicht nur die bornierte Arroganz der Sektiererin aus, die die Vielzahl der Kritiker geradezu als Beweis für de Richtigkeit der eigenen Position ansieht, sondern bezeugt aus unverdächtigem Mund die Breite und Tiefe der Opposition gegen dieses Projekt. Deswegen kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass in Ihrer Redaktion keine kritischen Stellungnahmen zum Artikel von Frau Käßmann eingegangen sein sollen.

Nun möchte ich Ihnen nicht geradezu unterstellen, Sie wollten die Kritik totschweigen.

– Ich weiß nicht mehr genau, ob ich in diesem Punkt höflich oder naiv war –

Möglicherweise unterschätzen Sie aber die theologische und kirchenpolitische Brisanz des Themas, die ich in meiner unten folgenden Antwort auf Frau Käßmann dargelegt habe, und die, zusammengefasst, darin besteht, dass in der neuen Bibelversion eine theologische Position vertreten wird, die auf die Selbstabschaffung des Christentums hinausläuft. Ich bitte Sie, diese Antwort zu veröffentlichen, ungeachtet der Tatsache, dass ich Politikwissenschaftler und als solcher fachfremd bin. Da Thema ist zu wichtig und brennt zu vielen Menschen unter den Nägeln, als dass „chrismon“ einfach stillschweigend daran vorbeigehen sollte.

Sollten Sie sich zu einer Veröffentlichung nicht entschließen können, bitte ich Sie mir dies per e-Mail mitzuteilen; ich würde den Artikel dann anderweitig publizieren.

Mit freundlichen Grüßen 

Selbstverständlich hat „chrismon“ sich gehütet, auch nur eine Zeile zu veröffentlichen. Insofern ist dieser Artikel die längst überfällige Einlösung eines Versprechens.

Der Brief an die Bischöfin lautete wie folgt:

Sehr geehrte Frau Käßmann,

die Verfasser der von Ihnen jüngst gelobten neuen Bibelversion erheben bekanntlich den Anspruch, eine Bibelübersetzung, und zwar „in gerechter Sprache“ vorgelegt zu haben. Nun ist Gerechtigkeit, worin immer sie auch konkret bestehen mag, zweifellos ein hohes Gut. Ist sie aber wichtiger als die Wahrheit, die historische wie die theologische? Darf man um der Gerechtigkeit willen auch lügen und fälschen – nach dem Motto, der Zweck heilige die Mittel? Darf eine Kirche, die sich christlich nennt, die Person Christi aus dem Zentrum ihres Glaubens verbannen? Darf eine protestantische Kirche ihre Gläubigen bevormunden? Nein?

Dies alles aber tun die Verfasser jener „Bibel in gerechter Sprache“, und Sie, Frau Käßmann, segnen mit der Autorität der Bischöfin ein – pardon – Machwerk ab, das weder protestantisch noch auch nur christlich ist, und das nicht einmal für sich in Anspruch nehmen kann, aufklärerisch zu sein.

Zentrale Anliegen der Reformation waren bekanntlich die alleinige Geltung der Bibel als Grundlage des christlichen Glaubens, die Autonomie des Gläubigen gegenüber kirchlicher Autorität in Glaubens- und Gewissensfragen, und als Konsequenz aus beidem das Recht, aber auch die Pflicht des Christen, sich nach bestem Wissen und Gewissen mit der Bibel auseinanderzusetzen.

Dabei war für Luther der jeweilige Originaltext in hebräischer und griechischer Sprache autoritativ – welcher auch sonst? Idealiter hätte also jeder Gläubige Altphilologe sein müssen. Da dies utopisch war und ist, galt es realiter, jedem Volk die Bibel in seiner eigenen Sprache zu bringen – dabei aber so nahe wie möglich am ursprünglichen Sinn und Wortlaut des Originals zu bleiben. Die Forderung nach Authentizität der Übersetzung ergibt sich daher nicht aus fundamentalistischer Buchstabengläubigkeit, sie hat nichts mit dem Glauben an die Verbalinspiration der Schrift zu tun. Sondern sie folgt zwingend aus den Urpostulaten der Reformation: aus der Theologie sola scriptura und der Freiheit eines Christenmenschen!

Authentisch ist eine Übersetzung aber nicht dann, wenn sie den Intentionen und Interessen des Übersetzers, sondern wenn sie denen des Verfassers entspricht. Entspricht sie diesen nicht, so haben wir es bestenfalls mit einer schlechten Übersetzung, schlimmstenfalls mit einer Fälschung zu tun.

Dass eine Eins-zu-eins-Übersetzung aus der einen Sprache in die andere nicht möglich ist, jede Übersetzung daher auch Interpretation und das Prinzip der Authentizität notwendig Kompromissen unterworfen ist, ist eine Binsenwahrheit, eine Selbstverständlichkeit. Es ist aber ein grundlegender Unterschied, ob man solche Kompromisse eingeht, weil sie in der Natur der Sache und der Sprache liegen und daher unvermeidbar sind, oder ob man den Aussagegehalt des Textes absichtlich verändert, weil einem die originäre Aussage nicht in den Kram passt! Wenn zum Beispiel der Evangelist Matthäus „Vater unser“ (bzw. „Unser Vater“, Mt.6,9) schreibt, die Übersetzung aber behauptet er habe „Vater und Mutter“ geschrieben, so ist dies, ob gerecht oder nicht, eine Lüge und eine Fälschung! Wird diese Fälschung dadurch gerechtfertigt, sie drücke aus, was „eigentlich“ gemeint sei, so verstehe ich nachträglich die Allergie meines alten Deutschlehrers gegen das Wort „eigentlich“ – eine Worthülse, in die jeder hineinstopft, was er will.

Tatsächlich drückt diese Fälschung bestenfalls das aus, was wir heute meinen. Selbstverständlich fasst heute niemand mehr die Gottesbezeichnung „Vater“ wortwörtlich auf, als sei Gott ein Mann. Für uns heute ist das Wort „Vater“ eine bloße Metapher für Gottes Fürsorge und Autorität.

Das ändert aber nichts daran, dass man sich in Gott biblischer Zeit durchaus als einen Mann vorstellte … . Dies, wie auch die Frauenfeindlichkeit des Paulus oder die apokalyptischen Passagen der Bibel (um nur einige Beispiele zu nennen) sind Dinge, mit denen man sich kritisch interpretierend auseinandersetzen muss, um das Bleibende und Ewige vom Zeitgebundenen zu trennen. Daran haben wir alle zu kauen. Als mündige Christen können wir aber auch daran kauen; wir sind, um im Bilde zu bleiben, nicht darauf angewiesen, dass man uns geistigen Babybrei vorsetzt, in dem alles Harte, Zähe und Schwerverdauliche vor- und fürsorglich bis zur Unkenntlichkeit püriert worden ist!

Ich, für meinen Teil, verbitte mir diese Art von Fürsorge: Es ist die Fürsorge des Zensors, der, natürlich nur „in bester Absicht“, die unmündigen Menschen vor jedem Text bewahren will, den sie „falsch“ – nämlich anders als der Zensor – verstehen könnten, wenn sie ihn autonom interpretierten. Muss ich Sie wirklich daran erinnern, Frau Bischöfin, dass die Reformation von Anfang an ein Aufschrei und ein Aufstand des freien Christenmenschen gegen just diesen zensorischen und inquisitorischen Geist war?

Kaum weniger fragwürdig als diese Bevormundung der Gläubigen ist der Umgang mit der jüdisch-christlichen Geschichte. Und da dieser nicht nur mit einem unaufgeklärten, weil unhistorischen Religionsverständnis zu tun hat, sondern auch mit einem anti-aufklärerischen Sprachverständnis, sehe ich mich gezwungen, so lächerlich und peinlich das ist, einige linguistische Binsenwahrheiten ins Gedächtnis zu rufen:

Ein Begriff, der eine Personengruppe de-finiert, d.h. von anderen Personengruppen unterscheidet, und zwar nach anderen Kriterien als denen der Geschlechtszugehörigkeit, ist geschlechtsneutral. Wenn etwa von „Bürgern“ oder „Studenten“ die Rede ist, müssen diese ebensowenig zwangsläufig Männer sein, wie „Personen“ oder „Prozessparteien“ zwangsläufig Frauen sein müssen. Die eingebürgerte Redeweise von „Bürgerinnen und Bürgern“ oder „Studentinnen und Studenten“ ist schlechtes, weil tautologisch formuliertes Deutsch, beruht auf der Verwechslung des grammatischen Genus mit dem biologischen Sexus und entspringt einer vulgärfeministischen Marotte.

Gegen diese Verunstaltung der öffentlichen Sprache hat es zwar in den letzten dreißig Jahren nur wenig Widerstand gegeben, weil sie nur eine Form der Verunstaltung ist und bei weitem nicht die Schlimmste; wer wollte da den Don Quichotte machen? Dies bedeutet aber keineswegs, dass diese Sprachpanscherei korrekt wäre. Unerträglich und inakzeptabel wird sie aber spätestens dann, wenn sie aufhört, bloße Schlamperei zu sein, und stattdessen gezielt zum Instrument von Geschichts- und Bibelfälschung gemacht wird: Wenn die Bibel im Original von „Pharisäern“ oder „Richtern“ spricht, dann trifft sie über deren Geschlecht einfach keine Aussage. Die „Übersetzer“ freilich sind in dem ideologischen Vorurteil befangen, es könne keine geschlechtsneutralen Gruppenbezeichnungen geben und behaupten deshalb explizit, unter den Richtern und Pharisäern seien auch Frauen gewesen. Eine solche Behauptung ist nicht nur bereits deswegen eine absichtlich Fehlübersetzung, weil das Original das Geschlecht jener Personen eben nicht nennt; sie ist auch bar jeder historischen Plausibilität: Orthodoxe Juden lassen Frauen bis heute in religiösen Fragen nicht mitreden; die Vorstellung, sie hätten dies vor zwei- oder dreitausend Jahren getan, ist grotesk! Hier wird das Bild der israelitischen Gesellschaft der biblischen Zeit völlig unhistorisch nach dem aktuellen Maßstab heutiger Political Correctness zurechtgebogen.

Die Tatsache, dass die religiöse Entwicklung des Judentums ein jahrhundertelanger Prozess war, von dem die Bibel beredtes Zeugnis ablegt, und der sich unter den Bedingungen einer patriarchalischen Gesellschaft vollzog, wird – weil nicht sein kann, was nicht sein darf – kurzerhand ausgeblendet. Da zu diesem Zweck die Bibel gefälscht wird, fällt es schwer, sich nicht an George Orwells Beschreibung eines totalitären Systems („1984″) erinnert zu fühlen, das systematisch die früheren Ausgaben seiner eigenen Zeitungen umdichten lässt, um sie der jeweils aktuellen Parteilinie anzupassen. Dies ist nicht so polemisch, wie es sich für Sie vielleicht anhört, Frau Bischöfin: Die Nazis haben bekanntlich bereits versucht, das „jüdisch verseuchte“ Alte Testament abzuschaffen und einen „arischen Christus“ zu konstruieren. Wenn wir heute zulassen, dass der Text der Bibel unter politischen Gesichtspunkten manipuliert wird, seien diese Gründe auch noch so gut gemeint, dann begeben wir uns der Argumente, die wir morgen möglicherweise verzweifelt nötig haben werden: dann nämlich, wenn wieder ein totalitäres System versuchen sollte, sich die christlichen Kirchen gefügig zu machen!

In jedem Fall beruht die sogenannte „Bibel in gerechter Sprache“ auf einem unaufgeklärten Religionsverständnis: Unaufgeklärt deshalb, weil Religion, anders als das Vorgehen der Verfasser impliziert, nicht im luftleeren Raum reiner Theologie existiert, sondern sich in einem sozialen Kontext entwickelt. Die biblischen Zeugnisse sind daher stets mit Realgeschichte kontaminiert, und wir können das Christentum nicht verstehen und kritisch – auch selbstkritisch – reflektieren, wenn wir seine historische Genese ignorieren. Die neue Bibelversion jedoch wertet Gerechtigkeit (oder was sie dafür hält) höher als Wahrheit und Ideologie höher als Aufklärung. Dass dies einem emanzipatorischen Anliegen dienen soll, ist ein Widerspruch in sich.

Das Schlimmste kommt aber noch, und hier zitiere ich Sie wörtlich:

„Gerecht werden soll die neue Übersetzung auch dem jüdisch-christlichen Dialog (…) Wenn Jesus … in der Bergpredigt die Schrift auslegt, stellt er sich nicht in einen Widerspruch dazu [zur jüdischen Tradition, M.], wie es die Übersetzung ‚Ich aber sage euch’ (Mt 5,22) andeutet, sondern er interpretiert sie, wie andere Rabbinen, Schriftgelehrte seiner Zeit auch. Die Übersetzung ‚Ich lege das heute so aus’ weist darauf hin.“

Sehen wir einmal davon ab, dass diese Textfälschung schon deshalb nicht nötig gewesen wäre, weil Jesus selbst sagt: Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz und die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ (Mt 5,17; zitiert selbstverständlich nach der Lutherbibel) Dies aber nur nebenbei.

Lassen wir es uns noch einmal auf der Zunge zergehen: Interpretiert sie … wie andere Schriftgelehrte auch … Ich lege das heute so aus! Jesus ist also einfach nur ein Schriftgelehrter wie andere auch. Er interpretiert, wie andere auch. Er legt das heute so aus – und morgen anders? Er erhebt nicht den Anspruch auf überzeitliche Wahrheit (Dass dies genau so zu verstehen und nicht etwa eine Unterstellung ist, hat die „Übersetzerin“ des Matthäusevangeliums mit eigenen Worten bestätigt!), sondern stellt bloß theologische Hypothesen zur Diskussion!

Sagen Sie, Frau Bischöfin, ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da tun … ? Jesus ist für Sie also nicht der Sohn und die Inkarnation Gottes, sondern ein Schriftgelehrter wie andere auch. Er ist auch nicht der Messias, nicht der Christus, sondern ein Schriftgelehrter wie andere auch. Er ist noch nicht einmal das, was Mohammed für den Islam ist, nämlich der höchste und letzte der Propheten – nur ein Schriftgelehrter wie andere auch. Und sein Wort ist Ihrer Ansicht nach nicht das Wort Gottes, sondern lediglich eine von vielen möglichen Interpretationen der Thora. Eine Interpretation, die nicht einmal für ihn selbst verbindlich ist! Sind Sie sich darüber im Klaren, dass jeder islamistische Fanatiker mit Fug und Recht von sich behaupten kann, er verehre Jesus – für ihn der größte Prophet außer Mohammed – mehr, als Sie es tun … ?

Ohne es auch nur mit einem Wort zu erwähnen, haben Sie fast zweitausend Jahre trinitarischer und christologischer Theologie kassiert (Diese Tradition beginnt ja nicht erst mit den Konzilien, auf denen sie dogmatisiert worden ist, sondern mit den Paulusbriefen, allerspätestens aber dem Johannesevangelium!). Mehr noch: Sie haben die Bedeutung der Person und Lehre Christi als den archimedischen Punkt christlichen Glaubens negiert. Sie erklären Christus zu einem x-beliebigen Prediger und stellen sein Wort, das Wort Gottes, auf eine Stufe mit dem „Wort zum Sonntag“. Was nicht mehr und nicht weniger bedeutet, als dass Sie das Christentum schlechthin zur Disposition stellen!

Sollte dies, nämlich die Selbstentkernung des Christentums, das Ergebnis des Versuchs sein, den jüdisch-christlichen Dialog mithilfe der neuen Bibel zu fördern, so muss ich Sie fragen, was Sie unter „Dialog“ verstehen. Wenn die Bedeutung Christi bis zur Irrelevanz relativiert wird, so entspricht dies in der Tat exakt der jüdischen Auffassung von Jesus. Was Sie, Frau Bischöfin, nicht zu verstehen scheinen, ist, dass diese jüdische Auffassung, die als solche – das heißt als jüdische – vollkommen legitim und sogar zwingend ist, von einer christlichen Kirche, die dies auch bleiben will, nicht übernommen werden kann! Dialog ist eine Sache, Selbstaufgabe eine vollkommen andere!

Verstehen Sie mich bitte richtig: Niemand kann und darf Sie persönlich zwingen, an die Trinität, die Menschwerdung Gottes oder die überzeitliche Geltung der Bergpredigt zu glauben, wenn Sie daran nun einmal nicht glauben können. Sie sind eine freie Bürgerin und als solche berechtigt zu glauben, woran Sie wollen, notfalls auch an den Großen Manitou. Sie missbrauchen aber Ihr Amt und dessen Autorität, wenn Sie eine theologische Position als christlich verkaufen, die selbst bei größtem Wohlwollen nicht mehr als christlich gelten kann! Ein entkerntes Christentum, wie Sie und Ihre dubiosen Exegeten es propagieren, würde in kürzester Zeit auf ein paar sinnentleerte Traditionen zusammenschnurren: auf Weihnachtsbäume, Ostereier – und eine verballhornte Bibel!

Atheisten mögen sich den Bauch halten vor Lachen über die Eilfertigkeit, mit der ehedem ewige Wahrheiten auf dem Altar der Political Correctness geopfert werden. Katholiken mögen mit Schadenfreude zur Kenntnis nehmen, wie weit der Protestantismus heruntergekommen ist: Da sieht man’s mal wieder, Extra ecclesiam nulla salus! Juden können sich freuen, dass die Christen endlich zugeben, dass Jesus nicht der Messias war, Muslime Genugtuung empfinden darüber, dass die im Koran vertretene Behauptung, Christen würden willkürlich ihre Bibel fälschen, endlich der Wahrheit entspricht, nachdem sie 1400 Jahre lang eine Verleumdung gewesen war!

– und natürlich tauchten damals prompt in den einschlägigen Blogs und Foren Moslems auf, die ja schon immer gewust hatten, dass Christen Schriftverfälscher seien, weswegen einzig der Islam … –

Inwiefern dergleichen aber für protestantische Christen akzeptabel sein soll, ist mir ein Rätsel.

Mit freundlichen Grüßen

Zum Fall Wolfgang Clement

Warum eigentlich genießt Wolfgang Clement in seinem Streit mit der SPD so viel höhere Sympathien als seine Partei?

Jedenfalls nicht deshalb, weil er im Recht wäre. Es versteht sich doch von selbst, dass keine Partei, auch sonst keine Vereinigung, in ihren Reihen Mitglieder dulden muss, die sie schädigen. Wolfgang Clement hat in der heißen Phase des hessischen Wahlkampfes von der Wahl seiner eigenen Partei abgeraten. Wenn das keine Schädigung ist, was denn dann? 

Jeder Andere, vor allem jeder weniger Prominente, wäre bei gleicher Sachlage ohne weiteres aus der SPD, wie auch aus jeder anderen Partei ausgeschlossen worden. Wenn ein in Ehren ergrauter Politiker wie Clement nicht begreift, dass er mit seiner Rüge noch gut bedient war, dann bleibt mir nur die Frage, ob dieser Mangel an politischem Verstand womöglich eine Alterserscheinung ist.

Wohl gibt es ein Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit. Das impliziert aber kein Jedermann zustehendes Recht, Mitglied jeder beliebigen Vereinigung zu werden oder zu bleiben. (Anderenfalls müsste man auch einem wie mir das Recht zugestehen, Mitglied eines Moscheevereins zu werden, und den Moscheeverein verdonnern, mich zu dulden. Im Kreise aller billig und gerecht Denkenden besteht wohl Konsens, dass hier die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten wären.)

Es gibt auch das Grundrecht der Meinungsfreiheit, auf das gerade Clement sich gerne beruft. Es kann es ja auch ohne weiteres; nur kann er nicht unbedingt zugleich Mitglied der SPD sein. Ich bin auch ganz sicher, dass auch Wolfgang Clement ein weitaus weniger extensives, um nicht zu sagen exzessives Verständnis von Meinungsfreiheit bekundet hätte, wenn zum Beispiel Üppsi es gewagt hätte, ihm einen Landtagswahlkampf zu versauen.

Und trotzdem sympathisieren alle mit Clement – auch ich. Warum?

Weil das Zerwürfnis zwischen Clement und der SPD symptomatisch für deren rabiaten Linksschwenk ist und Clement seine Partei zur Kenntlichkeit entstellt hat:

Entstellt, weil der entstandene Eindruck falsch ist, er sei wegen „Rechtsabweichung“ gerügt worden; es ging nicht um Abweichung, sondern um Parteischädigung.

Zur Kenntlichkeit, weil die Behandlung Clements ein wenngleich ungeeigneter Beweis für eine vollkommen zutreffende These ist. Nämlich, dass in der SPD ein quasi stalinistischer Konformitätsdruck zugunsten linker Positionen herrscht. Der Stil der Juso-Intriganten der siebziger und achtziger Jahre, die unter „Politik“ den trickreich geführten innerparteilichen Flügelkampf verstanden, ist zum Leitbild der ganzen Partei geworden. Dass Politik dem Land dienen sollte … Land??? Was für ein Land?

Es setzt das Tüpfelchen aufs i, dass diese Partei, die so weit wie möglich nach links will und sich dabei selbstredend von der Agenda-Politik verabschiedet hat, ausgerechnet Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten macht, den Architekten dieser Politik. Niemand wird sich einbilden, dass die Sozialdemokraten sich an Steinmeiers inhaltlichen Vorstellungen orientieren wollen. Nein, nein: Außen soll „Schröder“ (alias Steinmeier) draufstehen, innen soll Nahles drin sein.

Die Üppsi-Lüge in XXL-Version.

Nicht, dass die Sozialdemokraten sich an Machiavelli orientieren, werfe ich ihnen vor. Machiavellismus ist so alt wie die Politik, und wer erfolgreich sein will, kommt nicht an ihm vorbei. Er kann sogar einen Zug von Größe haben, wenn er im Dienste einer Sache steht, die ihr historisches Recht hat – man denke an Konrad Adenauer und die Wiederbewaffnung.

Die Sorte Machiavellismus aber, die für die heutige SPD typisch ist, diese Verbindung von Pöstchengier und doktrinärer Borniertheit, von demokratischen Phrasen und praktizierter Volksverachtung, dieses doppelbödige „Wir lügen niemals, aber wenn wir lügen, dürfen wir das auch“, und das alles verbunden mit dem Anspruch, das schlachthin Gute zu verkörpern – das ist einfach das Letzte.