NWO – eine Verschwörungstheorie?

Jeder, der viel im Netz unterwegs ist, dürfte das Kürzel „NWO“ kennen – Neue Weltordnung. Es wird üblicherweise auf der politischen Rechten verwendet und bezeichnet – ja, was eigentlich?

Es gibt Leute wie den Bloggerkollegen Kewil, die schon Pickel bekommen, wenn sie „NWO“ nur hören, zumal wenn es in Verbindung mit Stichwörtern wie „Bilderberger“, „Trilaterale Kommission“, „Council on Foreign Relations“ etc. auftaucht. Da wittert eben Mancher Verschwörungstheorien, und dann fällt bei ihm die Jalousie herunter.

Osimandias, der bisher hauptsächlich auf PI kommentiert hat, hat jetzt in einem sehr lesenswerten Gastbeitrag für den „Counterjihad“ die meines Erachtens zutreffende Vermutung geäußert, dass die Ideologie, die der NWO zugrundeliegt, längst im Bewusstsein breiter Schichten verankert ist, auch in dem vieler liberaler Islamkritiker, und dass deswegen jeder, der die Neue Weltordnung als Realität behandelt, Gefahr läuft, als durchgeknallter Verschwörungstheoretiker abgestempelt zu werden.

Wenn große Teile dieser Ideologie nämlich als Selbstverständlichkeiten verinnerlicht sind, dann tut sich Jeder schwer, der von einem konservativen Standpunkt, und das heißt: auf der Basis völlig anderer Selbstverständlichkeiten argumentiert. Zumindest, wenn er nicht definiert, was er unter der „Neuen Weltordnung“ eigentlich versteht, und dass sie nicht nur eine auf die Zukunft gerichtete Utopie, sondern bereits mindestens zur Hälfte verwirklicht ist. Dass also die Transformation der Welt auf der Basis globalistischer Utopie längst im Gange, dass sie politisch gewollt (und nicht etwa „von selber“ stattfindet) und dass sie dabei ist, das Mark der Zivilisation zu anzufressen.

Beginnen wir also mit dem Ist-Zustand und beschreiben die bereits existierenden Bestandteile der Neuen Weltordnung und die erkennbare Entwicklung:

Seit über einhundert Jahren, genauer seit den Haager Konferenzen von 1899 und 1907 laufen die Bemühungen um eine weitgehende Verrechtlichung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Bei besagten Konferenzen ging es um Abrüstung, vor allem aber um die Einführung einer obligatorischen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Die damals entwickelten Ideen wurden während des Ersten Weltkriegs mit dem Kriegseintritt Amerikas zu Kriegszielen der Alliierten erhoben und nach dem Krieg im Völkerbund institutionalisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Staaten durch ein immer engmaschigeres Netz multilateraler Vertragssysteme und Organisationen aneinander gebunden und auf das je spezifische Regelwerk festgelegt.

Manche dieser Institutionen sind global, andere regional, aber alle zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Regelwerke die Autonomie der Nationalstaaten systematisch und zum Teil empfindlich beschneiden. Zu diesen Institutionen gehören – natürlich – die Vereinten Nationen als Nachfolger des Völkerbundes, die Bretton-Woods-Institutionen IWF und Weltbank, die WTO, die EU, die NATO, der Internationale Strafgerichtshof und Dutzende, zum Teil weniger bekannter weiterer Organisationen. Dabei ist die Verlagerung von Kompetenzen von den Nationalstaaten auf solche Organisationen ein Prozess, der noch lange nicht an seinem Ende angekommen ist: Das im Entstehen begriffene globale Klimaregime ist der aktuell bedeutendste Schritt dazu, und es zeigen sich Anzeichen, dass die Nationalstaaten einem ganz ähnlichen „Menschenrechts“-regime unterworfen werden sollen, wobei die „Menschenrechte“ im wesentlichen Teilhaberechte und Diskriminierungsverbote zugunsten von Migranten sind und immer dann ins Spiel gebracht werden, wenn es gilt, die Souveränität westlicher Staaten zu untergraben und ihre Völker an der Verfolgung ihrer eigenen Interessen zu hindern.

Um die Bedeutung dieses Prozesses angemessen zu würdigen, müssen wir uns zweierlei klarmachen: erstens, dass internationale Verträge stets und ausnahmslos Vorrang vor innerstaatlichem Recht haben. Es kann sich also kein Staat etwa auf seine eigene Verfassung berufen, um seinen Pflichten aus internationalen Verträgen zu entgehen – an sich ein sinnvolles und für die Rechtssicherheit zwischen Staaten sogar zwingendes Rechtsprinzip, das erst in dem Moment problematisch wird, wo im großen Stil Kompetenzen „internationalisiert“ werden. Dann greift das zweite Charakteristikum multilateraler Vertragssysteme: dass ihr Zustandekommen nämlich völlig undurchschaubar ist. Wenn 27 Regierungen (in der EU) oder gar 153 (in der WTO) zu einstimmigen Ergebnissen kommen sollen, dann sind Kuhhändel hinter verschlossenen Türen nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall. Die Öffentlichkeit wird nur kryptisch informiert, das Verhalten der jeweils eigenen Regierung keiner kritischen Überprüfung unterzogen, der nationale Gesetzgeber vor vollendete Tatsachen gestellt. Kontrolle findet nicht statt, demokratische Willensbildung schon gar nicht.

Dabei unternimmt kaum eine Regierung auch nur den Versuch darzulegen, welcher konkrete Vorteil mit jeder neuen Auslagerung nationaler Kompetenzen verbunden sein soll. Oft genug müssen Phrasen herhalten, wo die Argumente fehlen. Es häufen sich aber die Fälle, wo die politische Klasse es nicht einmal für nötig hält, sich irgendeine konkrete Begründung aus den Fingern zu saugen, sondern ganz offen bekennt, dass die Auszehrung des Nationalstaates für sie per se etwas Gutes ist:

Aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:

Merkel setzt sich für neue globale Ordnung ein

Es geht darum, Kompetenzen abzugeben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum 20. Jahrestag des Mauerfalls vehement für eine neue globale Ordnung geworben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für eine neue globale Ordnung ausgesprochen, in der die Nationalstaaten Kompetenzen an multilaterale Organisationen abgeben. Ein friedliches Zusammenleben in der Welt werde nur in einer solchen globalen Ordnung möglich sein, sagte Merkel am Montag in Berlin auf der anlässlich des 20. Jahrestags des Mauerfalls stattfindenden Wissenschaftskonferenz „Falling Walls“.

Als Beispiel für solch eine multilaterale Organisation nannte Merkel die EU, die durch ihre Mitgliedsstaaten gestärkt worden sei, obwohl nicht alle Entscheidungen aus Brüssel geliebt würden. Im Vergleich zu den Europäern hätten die Amerikaner mehr Probleme, Kompetenzen abzugeben. Dies sei aber für eine friedliche Zukunft notwendig. „Eine der spannendsten Fragen, um Mauern zu überwinden, wird sein: Sind die Nationalstaaten bereit und fähig, Kompetenzen an multilaterale Organisationen abzugeben.“

Die „friedliche Zukunft“, das „friedliche Zusammenleben in der Welt“ – das sind offenbar die Gesichtspunkte, die jede andere Überlegung verdrängen, und die vor allem jedem Kritiker das Maul stopfen – wer will sich schon nachsagen lassen, er sei gegen den Frieden? Da fragt kaum noch einer nach dem Preis, der für diese Art „Frieden“ zu entrichten ist.

Damit hat die Bundeskanzlerin eines der beiden ideologischen Axiome benannt, die das Ausufern multilateraler Vertragssysteme legitimieren. Es lautet, der Frieden müsse um jeden Preis bewahrt werden. Die auf diesem Axiom basierende Politik, den Krieg buchstäblich unmöglich zu machen (ausgenommen selbstverständlich für den Garanten dieser Ordnung, also Amerika nebst seinen Wurmfortsätzen), wird tatsächlich seit 1899 betrieben. Das klingt human und fortschrittlich; es impliziert allerdings, dass lebenswichtige Interessen ganzer Völker, bis hin zu ihrer schieren Existenz, nicht mehr verfolgt werden dürfen, sofern sie nur mit gewaltsamen Mitteln verfolgt werden können.

(Dies war übrigens der Grund dafür, dass das Deutsche Reich auf den Haager Konferenzen jegliche Einbindung in ein solches System kategorisch abgelehnt hat; man sah darin in Berlin bereits damals den Anfang vom Ende staatlicher Souveränität. Es spricht einiges dafür, dass Deutschland sich genau deshalb und damit die Feindschaft der angelsächsischen Mächte zugezogen hat, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg deutlich erkennbar war.)

Inzwischen greift das Völkerrecht bereits in die inneren Verhältnisse der Staaten ein: Der Internationale Strafgerichtshof und allgemein die Globalisierung der Strafverfolgung folgen konsequent der Linie, staatliche Gewaltanwendung einzudämmen: Was als Versuch begonnen hat, zwischenstaatliche Gewalt zu bändigen, legitimiert längst auch den Durchgriff des internationalen Rechtssystems in die Innenpolitik: Die wiederholten Versuche, israelische Politiker vor europäische Gerichte zu zerren, weil sie die Sicherheit ihres Volkes geschützt haben, lassen die Exzesse jener Verrechtlichungs-Orgie ahnen, die uns bevorsteht, und die die Souveränität der Nationalstaaten zur bloßen Fiktion werden lässt.

Ein solches „Recht“ erreicht nicht einmal das, was Recht normalerweise bewirken soll, also die Eindämmung des Faustrechts und die Bindung auch des Stärkeren an Spielregeln. Es erreicht das Gegenteil: Da staatliche Ordnung primär von der Durchsetzung des Gewaltmonopols abhängt (und höchstens sekundär von der Rechtsform, in der dies geschieht), liegt es in der Natur der Sache, dass Menschenrechte und Ordnung kollidieren – selbstverständlich nicht immer und überall, aber doch immer wieder.

Indem man nun – und darauf läuft die immer weitergetriebene Strafandrohung gegen staatliche Funktionsträger hinaus – den Nationalstaaten zur Aufrechterhaltung ihrer Ordnung und ihrer inneren und äußeren Sicherheit nur noch die Mittel zugesteht, die auf keinen Fall mit den Menschenrechten nach innen und mit dem internationalen Gewaltverbot nach außen kollidieren, schafft man im großen Stil Interventionsgründe auf Vorrat – denn letztlich kann man jeden Staat so weit in die Enge treiben, dass er sich nach den Maßstäben des Frieden-um-jeden-Preis-Rechts ins Unrecht setzt. Und dann interveniert man à la carte: gegen die Weimarer Republik, aber nicht gegen Mussolinis Italien. Gegen Ho-Tschi-Minh, aber nicht gegen Pol Pot. In Jugoslawien, aber nicht in Ruanda. Im Irak, aber nicht im Sudan.

Es stimmt schon: Man kann nicht überall intervenieren, wo Menschenrechte oder Völkerrecht verletzt werden. Nur darf man, wenn man das nicht kann, das „Recht“ auch nicht so exzessiv definieren, dass es nicht durchsetzbar ist. Es sei denn, man will Interventionsgründe schaffen:

Ich halte es nach meinem heutigen Wissensstand für wahrscheinlich, dass die kosovarische UCK, eine Mörder- und Terroristenbande, vom Westen schon vor dem Kosovo-Krieg vor allem aus einem Grunde unterstützt wurde: um die serbische Regierung in Aktionen zu treiben, die man ihr als versuchten Völkermord auslegen konnte! Wenn es um die globale Durchsetzung einer bestimmten Ideologie und Lebensweise geht, und ich werde zeigen, dass genau dies das Thema ist, dann setzt eine solche, ja, Weltordnung die globale Herrschaft einer Macht voraus, die genau dieser Ordnung verpflichtet ist. Widerstandsnester wie das Deutsche Reich oder Serbien werden nach und nach beseitigt, und zu diesem Zweck werden selbstredend sehr wohl Kriege geführt. Was den eklatanten Mangel an Unrechtsbewusstsein erklärt, mit dem amerikanische Entscheidungsträger mehr als einmal mutwillig Krieg geführt haben.

Dies ist übrigens einer von zwei Gründen, warum die Europäische Union niemals ein Bundesstaat sein wird: Sie wäre dann eine Supermacht auf Augenhöhe mir den USA, mit ihrem deutsch-französischen Schwerpunkt nicht unbedingt auf ein angelsächsisch-kapitalistisches Gesellschaftsmodell festgelegt. Amerika hat – und zwar nach herkömmlichen Maßstäben ohne Not – zwei Weltkriege geführt (drei, wenn man den Kalten Krieg mitrechnet), um genau diese Konstellation zu verhindern, dass Europa unter die Kontrolle einer Großmacht gerät, die dieses Gesellschaftsmodell ablehnt.

Womit wir – ich habe schon ein wenig vorgegriffen – bei dem zweiten Axiom wären, aufgrund dessen die Internationalisierung immer weiter wuchert: Bereits die oben genannte Liste der Organisationen (IWF, Weltbank, WTO, EU) und die ihnen zugrundeliegenden Prinzipien zeigen an, dass es darum geht, eine von Restriktionen und staatlichen Eingriffen, überhaupt von jeder sozialen Verpflichtung befreite Marktwirtschaft zu institutionalisieren, und dies eben nicht durch innerstaatliches Recht – wodurch sie ja zur demokratischen Disposition stünde – sondern durch Festschreibung in übernationalen, demokratischer Kontrolle entzogenen Vertragssystemen (was der zweite Grund ist, warum die EU kein Bundesstaat wird: Sie soll kein Staat werden, weil sie dadurch aufhören würde, eine institutionalisierte Ideologie zu sein. Es geht den Globalisten ja nicht darum, Kompetenzen, die bisher die Nationalstaaten innehatten, der EU zu übertragen, sondern darum, bestimmte politische Interventionsmöglichkeiten überhaupt zu vernichten.). Wer ein solches Ziel bejaht, und das tut mehr oder weniger jeder Liberale, kann kaum umhin, die internationalen Regeln gutzuheißen, die dieser globalen Marktwirtschaft den Rahmen setzen; will er nicht inkonsequent sein, muss er die Entmachtung der Nationalstaaten billigen.

Was im 19.Jahrhundert als Freihandelsideologie die Politik der britischen Liberalen bestimmt hat, ist längst zu einem Projekt geworden, das darauf abzielt, die platonischen Gedankenmodelle neoliberaler Ökonomen in soziale Wirklichkeit zu übertragen: Diese Gedankenmodelle beruhen auf der kaum noch hinterfragten Idee, dass jegliches Gut, einschließlich Bildung, Gesundheit, Sicherheit am effizientesten durch private Anbieter hergestellt und über den Markt vertrieben wird, vor allem aber auf der Prämisse vollständiger Mobilität aller Produktionsfaktoren einschließlich des Faktors „Arbeitskraft“. Weil das so ist, gehört der Abbau sogenannter „Handelshemmnisse“ zu den Grundlagen aller genannten Institutionen, und dort, wo es geht, wie bei der EU, gehört die Niederlassungsfreiheit auch außerhalb des eigenen Staates zu den „Grundfreiheiten“.

Hier treffen sich die beiden Axiome „Frieden um jeden Preis“ und „Marktwirtschaft um jeden Preis“: Die Bevorzugung inländischer Unternehmer ist ein Handelshemmnis; der aus Heimatliebe nichtmobile Arbeitnehmer ist ein Bremsklotz; desgleichen der Unternehmer, der sich dem Wohl des Gemeinwesens verpflichtet fühlt; der Politiker, der nationale Interessen verfolgt, statt die Globalisierung voranzutreiben; der Soldat, der am Hindukusch Deutschlands Sicherheit verteidigen will statt der Interessen des Westens; der „Fundamentalist“, der gegen die Abtreibung, gegen die Stammzellenforschung und für die Sonntagsruhe ist; die Frau, die sich lieber um ihre Familie kümmert als um ihre Karriere.

Kurz und gut: Soziale Strukturen, die etwas mit Solidarität zu tun haben: intakte Familien, intakte Völker, auch intakte Religionsgemeinschaften, sind die natürlichen Angriffsziele der neoliberalen Ideologie, die Völker und Religionsgemeinschaften außerdem noch im Fadenkreuz ihres Zwillings, der Friedensideologie: Erinnern wir uns daran, dass es darum ging, den Krieg unmöglich zu machen, und dass die Entkernung des Nationalstaates ausdrücklich mit dem Ziel des „Friedens“ begründet wird. Zwischen Entnationalisierung einerseits, Frieden andererseits kann man einen gedanklichen Zusammenhang aber nur auf der Basis einer ganz bestimmten Annahme herstellen, die demgemäß auch dem vorherrschenden Paradigma zugrundeliegt: Diese Annahme lautet, dass die Existenz von Völkern nicht nur schlecht fürs Geschäft, sondern auch schlecht für den Frieden ist. Völker können miteinander in Konflikt geraten, deshalb müssen sie weg!

Die Masseneinwanderung, ein Phänomen, von dem uns apodiktisch versichert wird, es sei ebenso unvermeidlich wie die Globalisierung insgesamt – überhaupt ist es interessant zu sehen, was alles als „unvermeidlich“ verkauft wird und zu welchem Maß an Geschichtsdeterminismus sogenannte „Liberale“ fähig sind – diese Masseneinwanderung also findet seit Jahrzehnten statt und führt dazu, dass die wechselseitigen Solidaritätserwartungen, auf denen Völker basieren, langsam aber sicher zerstört werden. Und diese Masseneinwanderung wird auch in Zukunft stattfinden, weil sie politisch gewollt ist. Das ist keine Verschwörungstheorie, das ist offizielle Politik, mal mehr, mal weniger verklausuliert eingeräumt (Ich empfehle in diesem Zusammenhang meine Artikel „Verrat mit Ansage“ und „Doktor Schäubles Staatsneurosen“).

Dass sogar solchen Menschen, die es bewusst und ausdrücklich ablehnen, sich als Deutsche zu definieren, unverdrossen ein deutscher Pass in die Tasche gesteckt wird, ist kein Versehen. Es ist der Sinn der Sache. Wenn Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit die größten denkbaren Übel sind, wenn Politiker offiziell verkünden, der Nationalstaat sei anachronistisch (und verschweigen, dass damit auch die Demokratie anachronistisch ist), wenn sogar den bloßen Begriffen „Volk“ und „Nation“ der Kampf angesagt wird („NoNation“), und dies alles vor dem Hintergrund auch institutioneller und struktureller Entnationalisierungsprojekte geschieht, dann kann niemand ein solches Zusammentreffen ideologischer Dispositionen und politischer Strategien für Zufall halten.

(Und es ist nur noch das Sahnehäubchen, dass gleichzeitig mit den Völkern auch die Religionen entkernt werden. Ein „Projekt Weltethos“, wie Hans Küng es propagiert, basiert auf der Idee, es gebe keinen Weltfrieden ohne Religionsfrieden. Eine solche Vorstellung ist vom politikwissenschaftlichen Standpunkt der blanke Unsinn – die wenigsten Kriege sind Religionskriege, und die, die es sind, sind es allein aufgrund der islamischen Aggressivität, nicht weil Religion schlechthin kriegstreibend sei. Dass eine solche Idee aber überhaupt aufkommen konnte, verdanken wir der besagten Denkfigur, dass bereits die Existenz von Menschengruppen überhaupt – hier also die von Religionsgemeinschaften – konfliktträchtig sei und diese Gruppen daher aufgelöst werden müssen. Der Preis dafür ist der Verzicht auf alle miteinander kollidierenden Wahrheitsansprüche von Religionen und deren Reduzierung auf global anschlussfähiges Minimum, also auf die Punkte, in denen angeblich „alle Religionen dasselbe wollen“, im Grunde die Etablierung einer synkretistischen Weltreligion.)

Die Gesellschaft auf individuelle Wahlfreiheit und auf den Markt zu gründen statt auf soziale Bindungen und auf Solidarität: Das ist das neoliberale Projekt. Es schlägt allem ins Gesicht, worauf menschliche Gesellschaft jahrtausendelang aufgebaut war. Da empirisch buchstäblich nichts dafür spricht, dass ein solches Projekt gelingen kann (Vielmehr spricht alles dafür, dass es in der Zerstörung der Zivilisation gipfeln wird), müssen seine Verfechter die Beweislast ihren Widersachern, also den Konservativen bzw. „Reaktionären“ aufbürden und sich selbst davon freizeichnen. Das gelingt ihnen, weil die Gesellschaft die totalitäre Denkfigur vom „Fortschritt“ verinnerlicht hat. Wer „Fortschritt“ sagt, sagt zugleich, dass die Geschichte ein Ziel und eine Richtung kennt (eben das, worauf bzw. wohin „fortgeschritten“ wird), beansprucht für die eigenen Ziele „Unvermeidlichkeit“ und klebt dem Andersdenkenden das Etikett des „Rückständigen“ auf. So setzt sich spätestens seit dem 19.Jahrhundert „fortschrittliche“ Ideologie durch.

Es geht also um die Entkernung der Nationalstaaten, um die Errichtung eines faktisch unabänderlichen globalen Systems aus Rechtsnormen, in denen sich eine Ideologie niederschlägt, die die Auflösung von Völkern und Familien postuliert und praktiziert, die zu ihrer Aufrechterhaltung auf global vereinheitlichte Geschichtsbilder und Religionen angewiesen ist, und den Grundmodus menschlicher Vergesellschaftung austauschen will: von der Solidarität zum Markt. Wenn man ein System, das auf einer solchen Ideologie basiert, nicht „Neue Weltordnung“ nennen darf – was eigentlich dann?

Dabei besteht unter den Funktionseliten mindestens der westlichen Welt, aber mit Ausläufern bis in die der Schwellenländer und des postsowjetischen Raumes hinein, ein nahezu unangefochtener Konsens über diese Ideologie, was unter anderem impliziert, dass es keine nationalen Eliten mehr gibt – jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie mit ihren je eigenen Nationen solidarisch wären. Was es gibt, ist eine globale Elite, und zwar eine, die ihre Absichten gar nicht verbirgt: Man muss nur den Nebel der wohlklingenden Phrasen lüften. Dass die Angehörigen dieser Eliten sich in informellen Zirkeln abstimmen, dass sie Denkfabriken unterhalten, einflussreiche Journalisten kooptieren, PR betreiben – ja, gewiss tun sie das, was denn sonst.

Die Kritiker, die sich zum Beispiel auf die Bilderberg-Konferenzen oder den Council on Foreign Relations einschießen, haben also auf ihre Weise schon Recht, erfassen aber immer nur einen kleinen Teil des Gesamtphänomens. Vor allem machen sie den Fehler, ihren Kontrahenten als „Verschwörungstheoretiker“ eine billige Steilvorlage zu liefern, indem sie zu entlarven versuchen, wo es gar nichts zu entlarven gibt.

Sicher wäre es interessant zu verfolgen, auf welche Weise Ideologie konkret in politische Strategie, in Propaganda und PR umgesetzt wird (wobei nicht gesagt ist, dass die jeweils Verantwortlichen immer zu den üblichen Verdächtigen gehören müssen). Bevor man diese Fragen aber vernünftig diskutieren kann, muss man den, mit dem man sie diskutieren will, davon überzeugen, dass es die NWO und die sie verfolgenden und begründenden Ideologien und Strategien tatsächlich gibt und vcr allem: welche Konsequenzen das hat. Die Implikationen der NWO sind eben nicht Jedem klar: dass die Vereinheitlichung von Geschichtsbildern den Völkern ihr Gedächtnis und damit ihre Identität raubt; dass die Auflösung des Nationalstaates und die der Demokratie ein und dasselbe sind; dass der zwischenstaatliche Friede, wenn erzwungen durch die Kastration der staatlichen Souveränität, den Keim zu dem in sich trägt , was Enzensberger den „molekularen Bürgerkrieg“ genannt hat; dass supranationale Vertragssysteme zu einem Joch zusammengefügt werden, das für Manche leichter, für Andere schwerer zu tragen ist, aber von niemandem mehr abgeschüttelt werden kann, auch nicht, wenn es ganze Völker erdrückt.

Das sind die Implikationen, die man deutlich machen muss. Was aber die Fakten selbst angeht, ist niemand auf Spekulationen angewiesen: Es liegt alles offen zu Tage!

Subtile Umerziehung

EU will neues Fortschrittsbarometer schaffen – Yahoo! Nachrichten Deutschland. [Der ursprünglich hier stehende Link ist nicht mehr gültig. M.K.-H., 29.01.2011]

(AFP) In Europa soll es bald ein neuartiges Fortschrittsbarometer geben. Die Europäische Kommission will nach einem in Brüssel veröffentlichten Strategiepapier das Monopol des Bruttoinlandsproduktes (BIP) brechen, das die Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaften misst. Zur Wohlstandsberechnung sollen ab dem kommenden Jahr auch die Umwelt- und Lebensqualität herangezogen werden.

In der Kommissionsmitteilung heißt es, das aus den 1930er Jahren stammende BIP habe im 21. Jahrhundert seine Grenzen erreicht. „Um die Welt zu verändern, müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir die Welt verstehen“, erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel: „Dafür müssen wir über das BIP hinausgehen.“

Auch wenn es nicht zum Thema gehört, erlaube ich mir den Hinweis, dass man offenbar weder sachlich kompetent sein noch Deutsch können muss, um für AFP zu schreiben: Die Metapher vom „Barometer“ passt denkbar schlecht zu der vom „Fortschritt“, weil man mithilfe eines Luftdruckmessgerätes nun einmal nicht das Voranschreiten von irgendetwas messen kann. Des weiteren hat die EU-Kommission nicht vor, die „Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaften“ anders als mit dem BIP zu messen, sondern den „Wohlstand“ – das ist aber nicht dasselbe. Außerdem stammt nicht das Bruttoinlandsprodukt aus den dreißiger Jahren, sondern der Begriff „Bruttoinlandsprodukt“ und seine Definition. Dass das BIP „seine Grenzen erreicht“ hätte, würde bedeuten, dass es nicht mehr wachsen könnte; gemeint ist aber, dass der Begriff die Grenzen seiner Erklärungskraft und Relevanz erreicht habe, also etwas ganz anderes.

Dass man von einem solchen Universalkretin keine kritischen Anmerkungen zu dem von ihm beschriebenen Vorhaben der EU-Kommission erwarten kann, versteht sich von selbst:

Es ist ja zutreffend, dass ins BIP nur einfließt, was am Markt gehandelt wird. Es enthält weder positiv die unbezahlte Arbeit der Hausfrau noch negativ die Folgen von Umweltverschmutzung, Islamisierung und sonstigen unerwünschten Entwicklungen. Auch die Leistungen miteinander konkurrierender Werbestrategen oder Anwaltskanzleien werden nicht etwa miteinander verrechnet (obwohl jede die Anstrengungen des Gegners zunichte macht), sondern addiert. Ein Wohlstandsmaß ist dass BIP also nicht, kann es auch nicht sein, weil es objektive Größen misst, während es „Wohlstand“ nur als gefühlten gibt.

Wer das Bruttoinlandsprodukt misst, erhält als Ergebnis ebensowenig das Maß des Wohlstandes wie der, der den Kohlendioxidgehalt der Luft, den Moslemanteil an der Bevölkerung oder die Anzahl der Haare auf dem eigenen Kopf misst! Dem Wohlstand kommt man nicht dadurch auf die Spur, dass man das Indexsystem perfektioniert.  Wer den Wohlstand einer Gesellschaft messen will, braucht im Grunde nur einen Meinungsforscher mit der Frage „Wie geht es Ihnen?“ loszuschicken. Zwar wäre auch dieses Vorgehen methodisch problematisch, aber die Ergebnisse würden allemal mehr über den Wohlstand aussagen als irgendein noch so ausgefeilter, objektive Größen messender Index.

Jeder derartige Index setzt unweigerlich eine Vorentscheidung darüber voraus, was als „Wohlstand“ betrachtet werden soll und was nicht – und eine Entscheidung darüber, wer diese Vorentscheidung trifft. Wenn wir uns dies bewusst machen, wundern wir uns nicht darüber, dass die EU-Kommission nicht etwa besagten Meinungsforscher losgeschickt hat: Die Bürger könnten ja ein falsches Bewusstsein haben – sprich: anderer Meinung sein als die EU-Kommission. Da geht man doch lieber auf Nummer sicher:

Neben dem Wachstumsbarometer will die Kommission ab 2010 einen Umweltindex schaffen, der Aufschluss über die Luft- oder Wasserreinheit geben soll. Zudem sollen Faktoren wie die soziale Gleichstellung und die Lebensqualität in Städten einbezogen werden.

Die „soziale Gleichstellung“ als Wohlstandsmaß: Wer arm ist, dies die dahinterstehende Ideologie, soll es als zusätzliche Schmälerung seiner Lebensqualität empfinden, dass Andere reich sind. Wer dagegen reich ist, soll es als Minderung seiner Lebensqualität ansehen, dass Andere es nicht sind. Da ein derart verqueres Gefühlsleben bei den wenigsten Menschen empirisch anzutreffen sein dürfte (außer bei verwöhnten Gutmenschen oben und asozialen Neidhammeln unten), kann die EU-Kommission die Bürger nicht nach ihrer Meinung fragen, sondern muss von Amts wegen verordnen, was unter „Wohlstand“ zu verstehen und dass er dann am größten ist, wenn Alle unter Brücken schlafen.

Man fragt sich, warum die Beamten, die sich das ausgedacht haben, nicht einfach nach Nordkorea auswandern, wo ihr Wohlstandsbegriff zweifellos den Beifall von Partei und Staat finden wird. Wahrscheinlich, weil sie von dem Alptraum gequält werden, wir Europäer könnten dann womöglich nicht in den Genuss solch bahnbrechender sozialistischer Errungenschaften wie zum Beispiel des „Fortschrittsbarometers“ kommen.

Da lehrt man unsereinen lieber das „richtige“ Bewusstsein, und zwar in der bewährten Manier, „Neusprech“ zu verbreiten:

Wenn es  nun einmal nicht möglich ist, sinnvoll zu begründen, was Verteilungsgleichheit mit Wohlstand zu tun hat, dann liegt es nahe, sich des lästigen Zwangs zum Argument dadurch zu entledigen, dass man den Sozialismus von vonherein in den Begriff „Wohlstand“ hineindefiniert.  Ist erst einmal ein „Fortschrittsbarometer“ amtlich definiert und arbeitet man damit (oder mit einem Lebensqualitätsindex oder wie immer man das sozio-ökonometrische Monstrum nennen will, das Brüssel sich gerade ausdenkt), dann wird nach einer gewissen Eingewöhnungsphase niemand mehr daran denken oder danach fragen, dass in dieses Maß sozialistische Ideologie eingangen ist. Man wird nicht einmal mehr verstehen, was an einer solchen Selbstverständlichkeit wie der, dass Gleichheit etwas Erstrebenswertes sei, eigentlich sozialistisch sein soll.

AFP: Harsche Kritik in der EU an Luftangriff in Afghanistan

AFP: Harsche Kritik in der EU an Luftangriff in Afghanistan.

Unter anderem die Außenminister von Frankreich, Luxemburg, Großbritannien und Italien sowie die unvermeidliche Außenkommissarin Ferrero-Waldner kritisierten beim EU-Außenministertreffen den Sieg deutscher Streitkräfte bei Kundus. Widerspruch des deutschen Außenministers? Fehlanzeige. Und dieser Mensch hat den Ehrgeiz, in  naher Zukunft die Richtlinien der deutschen Politik zu bestimmen.

Das Hauptproblem

Es gibt tatsächlich Menschen,

… die das Wiedererstarken deutscher Großmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten, … die kritische Berichterstattung über hegemoniale Taktiken und Strategien des vereinigten Deutschland einem internationalen Leserkreis … eröffnen(http://www.german-foreign-policy.com/de/info/)

Wahrscheinlich haben sie sonst keine Probleme.

Demgemäß alarmiert ist man in diesen Kreisen über eine Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik, deren Inhalt wenigstens auf diesem Wege dem interessierten Publikum zur Kenntnis gelangt. Es ist eben niemand völlig unnütz.

In besagtem Bericht wird festgestellt, dass Großbritannien seine Kräfte bei dem Versuch überdehnt hat, als weltweit operierende Großmacht auf Augenhöhe mit den USA zu operieren – was niemanden wirklich überraschen kann – weil die dafür nötigen Militärausgaben auf die Dauer ein Land dieser Größe überfordern (und der Versuch, als Trittbrettfahrer der USA einen Rest an Empire-Herrlichkeit aufrechtzuerhalten, spätestens seit jenem Tag als gescheitert gelten muss, an dem Donald Rumsfeld die Teilnehmer an der „Koalition der Willigen“ aufzählte: Es dürfte das erste, aber nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die einst unangefochtene Weltmacht Großbritannien von dem Verteidigungsminister ihrer eigenen ehemaligen Kolonie in einem Atemzug mit Honduras und den Marshall-Inseln genannt wurde).

Man geht bei der SWP davon aus, dass andere Mächte in Zukunft für die USA als Bündnispartner wichtiger sein werden, während umgekehrt Großbritannien wohl oder übel stärker im Verbund mit europäischen Partnern wird agieren müssen, um weiterhin Einfluss auszuüben.

Das alles ist eine nicht originelle, aber saubere Analyse. Originell ist, was daraus wird, wenn man es durch die antideutsche Brille liest und eine stärkere EU-Prientierung Großbritanniens als

eine Stärkung der deutsch-europäischen Militärpolitik

interpretiert. Und weiter:

Die Berliner Prognosen sind monokausal und lassen das Wechselverhältnis zwischen Staaten ähnlicher Interessenlage außer acht. Nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte befindet sich Großbritannien in einer Schwächephase, aber kann auf Verbündete hoffen: Als die wirtschaftlichen Fähigkeiten der imperialen Großmacht vor 70 Jahren nicht auszureichen schienen, kamen London die USA zur Hilfe. Gemeinsamer Gegner war das Großdeutsche Reich, das den Zweiten Weltkrieg vom Zaune brach. Unter völlig veränderten militärischen Verhältnissen wiederholt sich die damalige Kräftekonstellation: Erneut fordert Berlin zum Kräftemessen heraus, dieses Mal ökonomisch.

Sehen wir einmal davon ab, dass Großbritannien dieses ökonomische Kräftemessen bereits 1958 verloren hat, und zwar gegen Westdeutschland alleine: Natürlich könnte man das witzig finden, dass manche Leute in dieser völlig knieweichen Bundesrepublik, in der die Feigheit Staatsräson ist, ein potenzielles Viertes Reich sehen. Weniger witzig ist, dass es in Deutschland Menschen gibt, die es offenbar gar nicht erwarten können, die USA gegen Deutschland in Stellung zu bringen (was sonst sollte denn die Parallelisierung heutiger Wirtschaftskonkurrenz mit dem Zweiten Weltkrieg?), und die offenbar ganz genau wissen, wie man deutschfeindliche angelsächsische Feindbilder bedient.

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Streit um EU-Mitbestimmung: CDU-Europapolitiker Pöttering wettert gegen CSU

Streit um EU-Mitbestimmung: CDU-Europapolitiker Pöttering wettert gegen CSU – (SPIEGEL ONLINE).

Wo sich der „Spiegel“ und die SPD einig sind – nämlich in der Suspendierung des Grundgesetzes zugunsten des Lissabonvertrages – kann die CDU natürlich nicht abseits stehen. Und die CSU übt sich in ihrer Lieblingsdisziplin: starke Sprüche klopfen, um eine Hilfstruppe aus konservativen Wählern für eine Union anzuwerben, die alles sein mag, aber bestimmt nicht konservativ.

„Diskriminierende Plebiszite“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann ist Mitglied des sogenannten Kompetenzteams von Frank-Walter Steinmeier und soll dort den Bereich „Innenpolitik“ abdecken. Genau der Mann also, den man sich ansehen sollte, wenn man wissen will, welche Art von Kompetenz bei der SPD gefragt ist.

Nach Abschluss der Koalitionsberatungen über das Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon rühmte sich Oppermann mit selbst im Radio hörbarer Genugtuung, die CSU von zwei Forderungen abgebracht zu haben: einmal der, dass der Bundestag den Verhandlungsspielraum der Bundesregierung bei EU-Verhandlungen von vornherein festlegen soll.

Die andere Forderung der CSU lautete, vor dem EU-Beitritt neuer Länder müsse ein Plebiszit abgehalten werden. In Oppermanns Worten:

„diskriminierende Plebiszite über Beitrittskandidaten“

(Ich habe es, wie gesagt, im Radio – vorhin im DLF – gehört, aber nicht im Netz gefunden und kann deshalb hier keinen Verweis setzen.)

Wieder so eine Formulierung, auf die nur ein Linker kommen kann: eine ganze Ideologie in vier Worten!

Von einer Diskriminierung kann man nämlich nur dort sprechen, wo es einen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt. Im Klartext enthält Oppermanns Textbaustein die Vorstellung, alle Länder dieser Erde hätten prinzipiell das gleiche Recht auf Mitgliedschaft in der EU, zumindest müsse jeder Beitrittswunsch nach denselben Kriterien geprüft und entschieden werden.

Heißt: Es liegt einzig und allein in der Verantwortung des Beitrittskandidaten, ob er die Beitrittskriterien erfüllt. Tut er dies, ist es den Völkern Europas, und ganz bestimmt dem deutschen, nicht erlaubt, einen Beitrittskandidaten abzulehnen. Nicht das Volk ist souverän, sondern die Kopenhagener Kriterien:

  • Weder die Sorge um die überkommene Kultur und Sprache,
  • noch die um die innere und äußere Sicherheit,
  • noch die um den Fortbestand der freiheitlichen Demokratie,
  • noch die um den sozialen Zusammenhalt,
  • auch nicht – und schon gar nicht! – das Recht der Bürger, sich im eigenen Land zu Hause zu fühlen,

dürfen dazu führen, dass ein Beitrittskandidat abgelehnt wird, weil das sonst „diskriminierend“ wäre.

Oppermanns Formulierung besagt nicht mehr und nicht weniger, als dass nach der Vorstellung der SPD die Volkssouveränität nach innen und nach außen ein alter Zopf ist. Reif für ihr „Kompetenzteam“ ist, wer weiß, wie man den abschneidet.

Was wählen wir?

Der schleichende Selbstmord der Völker Europas, die Islamisierung ihrer Länder und der Niedergang ihrer Kultur sind kein unabwendbares Schicksal, sondern Ergebnis einer Politik der Entnationalisierung, Entchristlichung, Entstaatlichung, Entgrenzung, Entwaffnung, Entdifferenzierung, Entzivilisierung, kurz: Entstrukturierung der Gesellschaft.

Nicht alle diese Entwicklungen sind primär politisch verursacht: Der Niedergang religiöser Bindungen, die wachsende internationale Verflechtung oder die zunehmende Bedeutung von Selbstentfaltungs- im Gegensatz zu Pflichtwerten, um nur einige der problematischen Entwicklungen zu nennen, sind von der Politik nicht in Gang gesetzt worden. Verantwortlich ist die Politik aber dafür, wie sie sich zu diesen Entwicklungen verhält.

Es ist nämlich alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass die europäischen Funktionseliten (nicht nur die Politik) auf diese Entwicklungen mit einer unkritisch affirmativen Ideologie reagieren, derzufolge die Einebnung der staatlichen Autorität, die Auflösung der christlichen Religion, die Inflationierung von Ansprüchen an die Allgemeinheit, die Unterminierung militärischer Fähigkeiten, die Einebnung sozialer Unterschiede aller Art, die Aufhebung von nationalen Grenzen und die demographische Zerstörung der europäischen Völker Aspekte einer ebenso wünschenswerten wie unabwendbaren Entwicklung darstellten.

Noch weniger ist es selbstverständlich, dass diese Ideologie innerhalb der genannten Funktionseliten den Rang einer unanfechtbaren letzten Wahrheit einnimmt, die man nicht anzweifeln kann, ohne bestenfalls als Sozialromantiker abgestempelt zu werden (oder auch als einer jener „Menschen“, deren „Ängste man ernstnehmen“, und das heißt: als Problem und Hindernis überwinden und beseitigen muss).

Geistiger Fluchtpunkt dieser Ideologie ist die Utopie einer globalen Gesellschaft, in der es solche Dinge wie Völker, Nationen, Kulturen und Religionen, aber auch Familien, nicht mehr geben wird, in der soziale Bindungen nur noch freiwillig und selbst dann noch unverbindlich eingegangen werden, in der alle Grenzen und Unterschiede – und das heißt jegliche Struktur beseitigt sind. Eine Gesellschaft, die es nie geben wird, weil Gesellschaft auf Solidarität basiert, Solidarität auf der Reziprozität von Erwartungen, diese Reziprozität aber auf der Dauerhaftigkeit von Strukturen.

Dabei ist der Unterschied zwischen Liberalen und Sozialisten marginal. Irgendeine Struktur muss man eben doch übriglassen: Die Liberalen lassen diejenigen Differenzierungen bestehen, die bei leistungsgerechter Verteilung entstehen, schaffen dabei aber den Staat weitgehend ab, die Sozialisten nivellieren die Verteilung und lassen zu diesem Zweck Reststrukturen des Staates übrig – freilich nur des Sozial-, nicht etwa des Ordnungs- oder Rechtsstaates. Es ist unerheblich, welche der beiden Katastrophenideologien am Ende die Nase vorn haben wird; einig sind sie in der Destruktion, aber verwirklicht wird weder die eine noch die andere.

Als die Kommunisten die gesellschaftlichen Strukturen – Staat, Eigentum, Nation, Familie, Kirche – zerschlugen, mussten sie den sozialen Zusammenhang auf die denkbar gröbste Weise, nämlich durch Errichtung eines totalitären Gewaltsystems, wiederherstellen. Den Globalisten wird diese Mühe erspart bleiben. Das totalitäre Gewaltsystem, das die globalistische Gesellschaft re-strukturieren wird, steht schon bereit. Es nennt sich Islam und absolviert zur Zeit in den zerstörten Ländern Afrikas und Asiens (Somalia, Irak, Afghanistan) die letzten Probeläufe.

Was kann man tun, um diese Entwicklung aufzuhalten? Da der Globalismus ein Elitenphänomen ist, gilt es, die Eliten zu beeinflussen bzw. auszutauschen. In einer Demokratie geschieht so etwas durch Wahlen. Womit wir beim Thema wären.

Gehen wir realistischerweise davon aus, dass der in Gestalt der Unionsparteien etablierte politische „Konservatismus“ in Zukunft zur Bekämpfung des Globalismus genauso viel leisten wird wie in der Vergangenheit. Nämlich nichts. Es handelt sich bei diesem Konservatismus um genau das, was der amerikanische Essayist James Kalb „Mainstreamkonservatismus“ genannt hat. Der Mainstreamkonservative vertritt nicht etwa religiöse oder patriotische Überzeugungen. Er vertritt diejenigen Überzeugungen, die ihn als Mitglied bzw. potenzielles Mitglied der gesellschaftlichen Funktionseliten ausweisen. Er wird den dort herrschenden ideologischen Comment natürlich nicht mit kühnen Visionen erschüttern – das ist das „Konservative“ an ihm. Er wird aber stets ängstlich darauf achten, „mit der Zeit zu gehen“, um nicht als „rückschrittlich“ zu gelten. Dabei kümmert ihn nicht groß, dass es seine linken Gegner sind, die bestimmen, was die „Zeichen der Zeit“ sind, die er dann nur noch zu „erkennen“ hat. Der Mainstreamkonservative ist in der Kritik so schwach wie in der Apologetik; das Beeindruckendste an ihm ist nicht der Kopf, sondern der Hintern, mit dem er Karrierepositionen im wahrsten Sinne des Wortes „besetzt“.

Die sich verdichtenden Anzeichen für die Kapitulation des Mainstreamkonservatismus vor der Islamisierung setzen nur noch den Punkt aufs i. Wahrscheinlich werden wir auch weiterhin Lippenbekenntisse zum Christentum und zum Patriotismus, auch zu Recht und Ordnung zu hören bekommen – zu den Funktionen des Mainstreamkonservatismus gehört es, von Zeit zu Zeit markige Sprüche zu klopfen, um die vielzitierte „Lufthoheit über den Stammtischen“ nicht zu verlieren und sicherzustellen, dass der hintergangene Normalbürger sich in der Illusion wiegt, „seine“ Partei, also die Union, wolle dasselbe wie er. Zu bedeuten haben diese Sprüche so viel wie die von Roland Koch über kriminelle Ausländer. Derselbe Roland Koch hängt jetzt dem Djihadisten Erdogan einen Orden um.

Da die Union also als Option ausscheidet, führt kein Weg daran vorbei, eine der kleinen rechtsalternativen Parteien ins Rennen um die Macht zu schicken. Welche? Es gibt keine, die sich auf den ersten Blick aufdrängt. Wohl aber gibt es Kriterien, die die Entscheidung erleichtern, und die mich, soviel sage ich jetzt schon, zu einer klaren Empfehlung führen werden:

Die jetzt bevorstehende Wahl ist eine Europawahl, und naturgemäß richtet sich der Fokus auf die Europapolitik. Es scheint naheliegend, eine betont EU-kritische Partei zu wählen. Bei näherer Betrachtung hilft einem dieses Kriterium aber nicht weiter – alle kleinen Rechtsparteien sind gegen die EU in ihrer jetzigen Form -, und es führt sogar in die Irre, weil es dazu verleitet, der Partei den Vorzug zu geben, die sich am stärksten auf EU-Kritik fokussiert.

Das wäre dann die irische LIBERTAS bzw. (nachdem die an der Sammlung von ein paar tausend Unterschriften gescheitert ist) ihr deutscher Kooperationspartner AUF (Arbeit, Umwelt, Familie), eine Partei, die erst seit Anfang 2008 existiert. Offensichtlich ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: LIBERTAS braucht einen Partner, der ihr bis zur nächsten Wahl den Platz warmhält, die AUF einen, der wenigstens ein bisschen bekannter ist als sie selbst. Verständlich, aber keine Empfehlung. Wenn LIBERTAS sich wie angekündigt als europäische Partei etablieren will, dann gerät sie in einen Widerspruch zu ihrem eigenen EU-kritischen Programm. Wer die EU bekämpfen will, muss den Nationalstaat verteidigen. Den Nationalstaat verteidigen mit einer europäischen Partei? Das passt doch nicht!

Überhaupt vergisst man leicht vor lauter EU-Kritik dass das EU-Parlament allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz ist. Das Problem, das man als Demokrat mit der EU haben muss, ist ja gerade, dass alle wesentlichen Regelungen in den Europäischen Verträgen niedergelegt werden, dort (als internationale Verträge) automatisch Vorrang vor nationalem Recht bekommen, wegen der notwendigen Einstimmigkeit aber praktisch nicht mehr geändert werden können. Dass mit jedem neuen Vertrag Kompetenzen an die EU abgetreten wurden, bedeutet, dass Europa den Nationalstaaten Kompetenzen entzieht, ohne selber die damit verbundenen Funktionen zu erfüllen.

Die EU ist in vieler Hinsicht nicht etwa ein Superstaat, sondern eine Institution zur Beerdigung von Staatlichkeit schlechthin. Die überbordende Bürokratie ändert an diesem Sachverhalt nichts, kaschiert ihn höchstens. Mit anderen Worten: Die globalistische Ideologie wird in europäischen Verträgen unantastbar gemacht. Souverän in Europa sind weder „das“ Volk noch die Völker, souverän sind die Verträge; souverän ist die in ihnen verankerte globalistische Ideologie!

Die einzigen Instanzen, die daran noch etwas ändern können – wenn sie ein hohes Maß an Risiko- und Konfliktbereitschaft an den Tag legen – sind die großen Nationalstaaten, und hier insbesondere Deutschland. Die EU ist eines von zwei Instrumenten, mit denen nach dem Krieg die Macht Deutschlands gebändigt werden sollte (das andere war die Präsenz Amerikas). Mit der Drohung, aus dem System der europäischen Nachkriegsordnung auszubrechen (und wahrscheinlich sogar ohne sie explizit auszusprechen), könnte Deutschland sehr wohl Zugeständnisse in Richtung auf einen Rückbau von EU-Befugnissen erzwingen. Voraussetzung ist der politische Wille in Berlin. Es gilt also, auf der nationalen Ebene eine demokratische rechte Alternative zum Mainstream-Konservatismus zu etablieren, nicht auf der europäischen!

Die Fünf-Prozent-Hürde, die in Deutschland gilt, stellt jeden Wähler vor ein Dilemma, das sich als self-fulfilling prophecy auswirkt. Wer nicht glaubt, dass die von ihm an sich favorisierte Partei eine Chance hat, wählt sie auch nicht. Wer in ein deutsches Parlament einziehen will, muss schon vor der Wahl aussehen, wie einer, der zumindest die reelle Aussicht darauf hat.

Die Europawahl ist, so gesehen, ein Probelauf für die Bundestagswahl. Für kleine Parteien ist es ein Glücksfall, dass Bundestags- und Europawahlen im selben Jahr stattfinden. Europawahlen gelten als nicht so wichtig; da geben die Wähler schon einmal eine Proteststimme ab, und da die Wahlbeteiligung nicht so hoch ist, ist hier auch einmal ein Überraschungserfolg drin. Wenn ich dies berücksichtige, wird das Problem „Wen wähle ich?“ plötzlich sehr übersichtlich:

Die Pro-Parteien und Pax Europa treten nicht an, die AUF kommt aus den genannten Gründen nicht in Betracht, die Freien Wähler haben ein unklares Profil, und dass die DVU keine Option ist, versteht sich von selbst. Selbst wenn man von Erwägungen der Moral und der politischen Hygiene absieht, die allein schon Günde genug liefern, sich von allem fernzuhalten, was braun ist und stinkt, sind rechtsextreme Parteien Stimmenfriedhöfe, gerade gut genug, nützliche Idioten für die Linken abzugeben und die nächste Kampagne „gegen Rechts“ zu legitimieren.

Wenn man außerdem den Wahl-o-Maten zu Rate zieht (es sind erstmals alle zur Wahl stehenden Parteien vertreten) und die Fragen nach der eigenen Präferenz nach den Kriterien

  • nationalstaatliche Orientierung
  • Ablehnung von EU-weiten Regelungen
  • christlich-konservatives Menschen- und Gesellschaftsbild

beantwortet, bleiben nur noch die Republikaner und die Bibeltreuen Christen im Netz hängen, jedenfalls liegen sie dann deutlich vorne.

Persönlich sind mir die letzteren in Zeiten des Papst-Bashing, der atheistischen Propaganda und des synkretistischen Eiapopeia hochsympathisch, erst recht, wenn ich mich daran erinnere, dass sie vor ein paar Jahren – ich weiß nicht mehr genau, wann, aber jedenfalls zu einem Zeitpunkt, als dergleichen höchst unpopulär war – ihre zweifellos knappen Mittel für Plakataktionen zusammengekratzt haben, mit denen sie für „Freundschaft und Solidarität mit Israel“ warben. Außerdem existieren sie schon seit Beginn der neunziger Jahre – man will ja auch keine politischen Eintagsfliegen wählen. Sie wären also keine schlechte Wahl, und wenn es keine anderen Aspekte zu berücksichtigen gäbe als die politische Sympathie, wären sie meine erste.

Trotzdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die deutschen Wähler, von denen die meisten sich schwertäten, etwas Substanzielles über die Bibel zu sagen, sich aufraffen können, eine Partei zu wählen, die sich ausgerechnet „Partei Bibeltreuer Christen“ nennt. Diese programmatische Engführung könnte manchen Wähler unnötig abschrecken. Ein breiterer politischer Ansatz wäre also hilfreich.

Wenn man sich die bisherigen Wahlergebisse anschaut, dann zeichnen sich die Bibeltreuen Christen durch bemerkenswerte Konstanz aus, (stets im oberen fünfstelligen Bereich oder sogar knapp über hunderttausend Stimmen), aber es hat nie auch nur einen Achtungserfolg gegeben, während die Republikaner gerade bei Europawahlen immer ordentlich abschnitten:

Bei der Europawahl 1989, auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge, damals noch unter dem Parteivorsitzenden Schönhuber, schafften sie sogar mit über zwei Millionen Stimmen und 7,1 Prozent den Einzug ins Europaparlament. Das ist lange her, aber trotzdem ein psychologischer Faktor: Wer es einmal geschafft hat, dem traut man es wieder zu. Gerade die Erfolge bei Europawahlen und die großen Schwankungen sind außerdem ein Indiz, dass die Republikaner eine Adresse für Protestwähler sind, und ohne Protestwähler wird es zunächst nicht gehen.

Wahlergebnisse seit 1994 (absolute Zahlen und prozentuale Anteile, bei Bundestagswahlen Zweitstimmen)

.                              Republikaner                   PBC

BT 2005:              266101           0,6           108605    0,2
EP 2004:              485662           1,9              98651     0,4
BT 2002:              280 671         0,6            101 645   0,2
EP 1999:               461 038         1,7               68 732   0,3
BT 1998:               906 383         1,8               71 941    0,1
BT 1994:               875 239         1,9               65 651    0,1
EP 1994:           1 387 070        3,9               93 210    0,3

Aufgrund dieser Zahlen kann man der PBC beim besten Willen keine realistische Chance einräumen, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, wohl aber den Republikanern.

Bleibt als letzte zu klärende Frage die nach deren Loyalität gegenüber demokratischen Werten. Nicht, dass diese Frage sich per se aufdrängen würde, aber angesichts der sattsam bekannten Neigung der politischen Linken, alle missliebigen Positionen als rechtsextrem zu verunglimpfen (und in Erinnerung an die groteske Hysterie der Linken und der CDU nach den republikanischen Wahlerfolgen vor rund zwanzig Jahren) sollte man doch ein paar Bemerkungen dazu fallen lassen:

Die Partei „Die Republikaner“ ist von einem abtrünnigen CSU-Abgeordneten gegründet worden, nicht von irgendwelchen Rechtsradikalen; vom Verfassungsschutz beobachtet wurde sie erst nach ihren Wahlerfolgen, und zwar auf Betreiben von Politikern ihres Hauptkonkurrenten CDU; seit zwei Jahren taucht sie in Verfassungsschutzberichten nicht mehr auf (auch nicht, wie zuletzt 2006, als Partei, die selbst nicht rechtsextrem sei, in der es aber rechtsextreme „Tendenzen“ gebe – was immer das konkret sein mag); sie ist auch nicht, wie die NPD, dadurch aufgefallen, dass aus ihrem Dunstkreis politisch motivierte Gewalttaten begangen worden wären; sie hat es explizit und mit Empörung abgelehnt, im Bunde von NPD und DVU der Dritte zu sein; und ihr Grundsatzprogramm von 2002 enthält selbst bei böswilliger Interpretation nicht einmal Spurenelemente von rechtsextremer, verfassungsfeindlicher oder antisemitischer Ideologie – und ich bin da bestimmt empfindlich.

Diesem Programm liegt als Ideologie vielmehr genau das zugrunde, was der Normalbürger traditionell für selbstverständlich hält, weil es schon immer selbstverständlich war, nur in den letzten Jahren durch eine aggressiv auftrumpfende Linke an den Rand der Gesellschaft und aus dem Spektrum des in seriösen Kreisen Sagbaren herausgedrängt wurde. Es handelt sich um ein Programm der Förderung der Familie, des Christentums, des Rechtsstaats und des Nationalstaates. Das impliziert die Bevorzugung der Familien von heterosexuellen Eheleuten gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens, es impliziert die Anerkennung des Christentums als derjenigen Religion, auf der unser Gemeinwesen basiert (bei entsprechend scharfem Vorgehen gegen islamisch motivierte Verfassungsfeinde), die Stärkung der deutschen Nation in vielerlei Hinsicht sowie eine Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität, die Abschiebung von wiederholt oder schwer kriminellen Ausländern und eine Verschärfung der Strafverfolgung („Opferschutz geht vor Täterschutz“).

Das wird den Linken nicht gefallen – und es soll ihnen ja auch gar nicht gefallen – aber es hat nicht das geringste mit „Rechtsextremismus“ zu tun.

Ich selber vermisse an manchen Stellen das Salz in der Suppe, die schöpferische Phantasie und den Mut zu ausgefallenen Lösungen, aber erstens bin ich als politischer Snob auch nicht unbedingt der Maßstab, zweitens überfordert man womöglich ein Grundsatzprogramm, wenn man ihm Lösungen abverlangt, die sich aus der politischen Praxis ergeben müssen.

Jedenfalls empfehle ich guten Gewissens die Wahl der Republikaner.

Europäische „Grundrechtecharta“: der Etikettenschwindel

Die Grundrechtecharta gibt den Bürgern bestenfalls Rechte, die ihnen ohnehin zustehen, aber sie nimmt den Nationen die Souveränität.

Noch vor einem Jahr habe ich die EU-Grundrechtecharta, die Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist, für einen bedeutenden Fortschritt gehalten: Bisher klafft ja eine riesige Rechtslücke dort, wo es um den Schutz der Grundrechte von EU-Bürgern geht. Da nämlich das völkerrechtliche Prinzip gilt, dass kein Staat sich unter Berufung auf seine Verfassung seinen Pflichten aus internationalen Verträgen entziehen darf, konnten die Staaten Europas die Rechte ihrer Bürger dadurch umgehen, dass sie deren Verletzung in europäischen Verträgen festschrieben. Waren die erst einmal unter Dach und Fach, standen die Grundrechte nur noch auf dem geduldigen Papier von Verfassungen, die gegenüber den EU-Verträgen niederrangiges Recht darstellten.

Überlegungen dieser Art führten dazu, dass in den neunziger Jahren die Forderung nach einer europäischen Grundrechtecharta laut wurden. In der Tat: Mit der Grundrechtecharta hätten wir Bürger erstmals Abwehrrechte, die wir auch direkt gegen die Union geltend machen könnten. Vor lauter Freude darüber, dass man uns endlich die Rechte zurückgibt, die man uns nie hätte nehmen dürfen, habe ich zwei wichtige Aspekte übersehen:

Erstens bedürfte es dazu überhaupt keiner „europäischen Grundrechte“. Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn die EU-Staaten sich auf eine Regelung geeinigt hätten,

wonach kein Einzelstaat durch EU-Recht gezwungen werden kann, auf seinem Territorium Grundrechtseingriffe der Union zu vollstrecken oder zu dulden, die ihm selbst nach Maßgabe der nationalen Verfassung nicht erlaubt sind.

Das wäre eine Art grundrechtsbezogener Meistbegünstigungsklausel gewesen: Jedes Abwehrrecht, dass den Bürgern irgendeines EU-Staates gegen ihren Staat zusteht, stünde dann automatisch allen EU-Bürgern gegen die Union zu. Eine solche Regelung hätte die verfassungsrechtlichen Widersprüche des bisherigen Rechts elegant aus der Welt geschafft, die Verfassungen der Nationalstaaten nicht tangiert, im Gegenteil die Zuständigkeit für den Grundrechtsschutz eindeutig den Einzelstaaten zugewiesen, ohne die EU an der Verfolgung sinnvoller politischer Projekte, sofern es denn solche sind, zu hindern.

Die Charta wäre also im besten Fall ein umständlicher Weg, Gutes zu tun. Leider ist dieser beste Fall nicht eingetreten.

Es ist öffentlich wenig thematisiert worden, leider auch von EU-Skeptikern, dass die Charta Regelungen enthält, die in keiner einzigen einzelstaatlichen Verfassung stehen. Artikel 19 Absatz 1 enthält nämlich die denkwürdige Regelung:

Kollektivausweisungen sind unzulässig.“

Das ist eine Regelung, von der ausschließlich Nicht-EU-Bürger profitieren, und sie ist keine objektivrechtliche Norm, sondern ein subjektivrechtlicher Anspruch. Sie geht damit deutlich über den bisherigen Abschiebeschutz hinaus:

Es ist auch bisher schon so, dass (nach deutschem Recht) bereits das Rechtsstaatsprinzip – Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot, Verbot rückwirkender Benachteiligung etc. -, aber auch das Prinzip der Menschenwürde es verbieten, jemanden nur deshalb abzuschieben, weil er einer bestimmten Gruppe angehört. Er muss die Abschiebungsgründe schon durch sein Verhalten selber gesetzt haben.

Wenn aber die Kollektivausweisung als solche bereits ein Verstoß gegen Grundrechte sein soll, dann bedeutet dies, dass, anders als bisher, das Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen Religion oder Ideologie keine ausreichende Voraussetzung für eine Abschiebung mehr darstellt. Jedenfalls müsste der Nationalstaat die Verfassungswidrigkeit politischer oder religiöser Organisationen von Nicht-EU-Bürgern genauso akribisch beweisen wie die von Inländern. In einem Staat wie Deutschland, der nicht einmal in der Lage ist, die NPD zu verbieten, ein aussichtsloses Unterfangen!

Aber selbst, wenn er sie beweisen könnte, müsste er außerdem noch beweisen, dass er keine Kollektivausweisung vornimmt; dass der konkret Auszuweisende also individuell ein aktiver Verfassungsfeind ist. Die bloße Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Gruppe würde dann nicht reichen.

Das aus seiner Souveränität folgende Recht des Staates zu bestimmen, welche Nicht-Staatsbürger er auf seinem Territorium dulden will, würde nicht, wie bisher, durch die Verpflichtung auf elementare rechtsstaatliche Regeln gebändigt, sondern im Kern vernichtet!

Rein theoretisch binden solche Regelungen nur die Union selbst – was der Grund ist, warum ich sie bis vor einiger Zeit nicht weiter beachtet habe. Warum sollte es mich interessieren, wenn die EU sich selber etwas verbietet, was sie sowieso nicht tut?

Tja – aber warum steht es dann überhaupt in der Charta?

Weil die Grundrechtecharta für die nationalen Gerichte zwar keine unmittelbare, wohl aber eine auslegungsleitende Wirkung hat. Das Verbot der Kollektivausweisung wird dann nachträglich in nationale Regelungen hineininterpretiert, die man bisher ganz anders interpretiert hat und ohne EU-Charta auch weiterhin anders interpretieren würde.

Ich gebe nicht gerne zu, wenn ich meine Meinung geändert habe, aber diese „Grundrechtscharta“ ist in jeder Hinsicht ein Etikettenschwindel. Ihre Existenz ist nicht nur kein Grund, für Lissabon zu sein, sondern ein erstklassiger Grund dagegen!

"What's Left" I – Anmerkungen zu Nick Cohen

Es ist ja bemerkenswert, dass politische Feindschaften oft ein wesentlich zäheres Leben haben als die Umstände, denen sie ihre Entstehung verdanken.

Warum zum Beispiel habe ich 2005 noch einmal Rot-Grün gewählt? Aus politischer Überzeugung? Ja, doch. Schon. Auch.

Ein paar politische Gründe hatte ich schon, die dafür sprachen – aber noch mehr sprachen dagegen, und ein Fan von Angela Merkel war ich obendrein, auch damals schon. Aber Rot-Grün – das war die Konstellation, die ich immer gewollt hatte, seit ich Anfang der achtziger Jahre begonnen hatte, an einem erzkonservativen bayerischen Gymnasium als einziger die rote Fahne hochzuhalten. Als rote Insel im Schwarzen Meer sozusagen.

Was habe ich sie gehasst, diese bürgerlichen Milchgesichter. Natürlich hatte ich selbst ein Milchgesicht, aber ich tarnte es mit Stoppelbart und verwegenem Indianerlook. Was habe ich sie gehasst, diese Platitüdendreschmaschinen von der Jungen Union mit ihren nassforschen Sprüchen, ihrem präpotenten Jungmanagergetue, ihren wichtigtuerischen Diplomatenköfferchen, ihrer unerschütterlichen Überzeugung, dass ein Joschka Fischer niemals regieren könne. Und wenn ich 20 Jahre später noch einmal Rot-Grün wählte, dann sicher nicht nur, aber auch nicht zuletzt deswegen, damit meine alten Feinde nichts zu grinsen haben. Obwohl mich rein politisch nicht mehr so sehr viel von ihnen trennte.

Warum erzähle ich das alles? Weil ich in diesen Tagen Nick Cohen’s „What’s Left?“ gelesen habe. Cohen fragt sich, wie es geschehen konnte, dass Teile der Linken die Intervention westlicher Länder gegen den Irak 1991 und 2003, in Bosnien 1995, im Kosovo 1999, in Afghanistan 2001 und im Libanon 2006 reflexartig mit pazifistischen und „anti-imperialistischen“ Sprüchen verurteilten, nicht aber die ihnen zeitlich und kausal vorausgehenden Angriffskriege, Völkermorde und Terroranschläge durch rechtsradikale Regime und Bewegungen. Eine seiner Erklärungen lautet, dass politisch engagierte Menschen dazu neigen, sich wie Sportfans zu verhalten, für die der Gegner der eigenen Mannschaft das fleischgewordene Böse ist, und die hell empört sind, wenn dieser Gegner foult, dopt oder den Schiedsrichter schmiert, aber ziemlich nachsichtig, wenn die eigene Seite das tut.

Ins Politische gewendet: Wer sich einmal, z.B. während des Vietnamkriegs, entschieden hat, in Amerika (oder auch dem Imperialismus) die Wurzel allen Übels zu sehen, womöglich Jahre seines Lebens in den „Kampf gegen den Imperialismus“ investiert hat, der wird sich schwertun zuzugeben, dass Amerika irgendetwas richtig machen oder dass jemand, der gegen Amerika kämpft, im Unrecht sein könnte. Feindschaften können eben langlebig sein. Ich kenne das. Siehe oben.

Es ist aber ein erheblicher Unterschied, ob man solche Feindschaften, wie ich, als eine Art Hobby pflegt, das man sich leistet, solange es politisch, moralisch, intellektuell vertretbar ist, oder ob man alle emanzipatorischen Grundsätze, alle geistige Redlichkeit bis hin zur Formallogik über Bord wirft, wenn sie einen daran hindern, den „Feind“ zu verteufeln. Wenn solche Feindschaft zum Selbstzweck wird, wird Links-Sein zum Nihilismus, und genau das ist der Vorwurf, den Cohen gegen die Linke erhebt und eindrucksvoll untermauert.

Mit der Linken meint Cohen ausdrücklich nicht die alte, sozialdemokratisch-gewerkschaftliche, sondern die neue Linke der akademischen Mittelschichten. Vielleicht ist diese Unterscheidung für den englischen Sprachraum, auf den Cohen sich vor allem bezieht, relevanter als für Kontinentaleuropa. In Deutschland etwa gab es diese Spaltung durchaus auch, politisch repräsentiert durch die Rivalität von SPD und Grünen; aber spätestens seit Letztere sich ihres Fundi-Flügels Ende der achtziger Jahre entledigt haben, war der Gegensatz mehr einer des Habitus als der politischen Inhalte.

Für Cohen ist beispielsweise die EU-Freundlichkeit der britischen Linken ein Zeichen für ihre elitäre Mentalität, die sie in Gegensatz zu einer nationalbewussten Arbeiterklasse gebracht habe, und die sie verleitet habe, die europäische Integration als Projekt von Eliten über die Köpfe der einfachen Menschen hinweg zu forcieren – eine Politik, die man bereits wegen ihres antidemokratischen Ansatzes kaum als links bezeichnen könne.

Nun lässt es sich gewiss kaum bestreiten, dass die EU ein Elitenprojekt ist. Das gilt aber für jede Zusammenlegung politischer Einheiten, von der Eingemeindung über die Länderfusion bis eben zur europäischen Integration. Das Volk ist konservativ und hängt am Vertrauten selbst dann, wenn es ihm Nachteile bringt. Dass der Fortbestand nationalstaatlicher Fragmentierung der Politik bei gleichzeitiger Globalisierung der Ökonomie Gift ist für die Fähigkeit demokratisch legitimierter Politik, den gesellschaftlichen Wandel sozialverträglich, also „links“, zu gestalten; dass es deswegen der Stärkung übernationaler Politik bedarf, wenn man sinnvoll „linke“ Politik machen will, sollte offensichtlich sein, und nicht zufällig ist es gerade die rechte Murdoch-Presse, die am entschiedensten gegen die EU Sturm läuft. Für die Linke ist es daher, anders als Cohen meint, durchaus konsequent, europafreundlich zu sein.

Aber diese Gleichsetzung der Linken mit proeuropäischer und der Konservativen mit nationalorientierter Politik, die für England zutreffen mag, gilt für das kontinentale Europa eben nicht. Hier gibt es linke Nationalisten (Lafontaine, Fabius) genauso wie konservative Europafreunde (Kohl, Merkel), rechte Nationalisten (Berlusconi, Kaczynski) ebenso wie linke Berufseuropäer (Fischer, Zapatero). Es geht also querbeet, und die Haltung zur europäischen Integration lässt sich einem Links-rechts-Schema nicht sinnvoll zuordnen.

Cohens Hauptthema ist aber etwas anderes, nämlich der schon erwähnte Nihilismus: Man hat es ja schon fast vergessen, dass es einmal eine Zeit gab, da alle Linken sich einig waren, dass Saddam Hussein ein faschistisches Monster sei, und da die Unterstützung des Westens für den Irak in den achtziger Jahren als Beweis bestenfalls für die Heuchelei, schlimmstenfalls für den „faschistischen“ Charakter der amerikanischen Außenpolitik galt. Diese Zeit endete am 2.August 1990 mit Saddams Einmarsch in Kuweit. Damit schwenkte die amerikanische Irakpolitik um 180 Grad. Und die Linke? Freute sie sich, dass es dem Tyrannen endlich an den Kragen ging? Nein, sie schwenkte ebenfalls um 180 Grad. Es ist eindrucksvoll, wie Cohen die unappetitlichen Einzelheiten dieser Rochade in Erinnerung ruft, und deprimierend, sich zu erinnern, wie einige Zeit später die extreme Linke daranging, angesichts der Balkankriege Milosevic weißzuwaschen – mit Methoden, die sie sich von Holocaustleugnern abgeguckt hat.

Cohens Diagnose lautet, die Linke habe spätestens seit dem Ende der Sowjetunion ihren inneren Kompass verloren. Selbst wenn nur dogmatische Kommunisten das Sowjetsystem wirklich unterstützten, so sorgte doch seine schiere Existenz dafür, dass der Sozialismus eine ernstzunehmende politische, der Marxismus eine ernstzunehmende intellektuelle Alternative zum liberalen Kapitalismus anbot.

Der Zusammenbruch des realen Sozialismus stellte die Linke vor die Wahl, entweder das bestehende System im Großen und Ganzen zu akzeptieren und nur noch graduelle Verbesserungen anzustreben – oder mit jedem ins Bett zu gehen, der den Westen zu bekämpfen versprach: auch mit Saddam, Milosevic und Bin Laden. Er zitiert Antonio Negris und Michael Hardts Anti-Globalisierungsbibel „Empire“, wo über den Fundamentalismus steht:

„It is more accurate and more useful … to understand the various fundamentalism [sic] not as the re-creation of a pre-modern world, but rather as a powerful refusal of the contemporary historical passage in course.“

Tja, das mag wohl stimmen. Den Autoren scheint nur nicht aufzufallen, dass sie dasselbe über die NSDAP hätten schreiben können.

Zu einem bestimmten „linken“ Persönlichkeitstypus, auch darauf weist Cohen hin, hat dieser „revolutionäre“ Nihilismus freilich schon immer gepasst: Zu denen, die sich von der Revolution gerade deswegen angezogen fühlten, weil sie ein chaotischer, blutiger, apokalyptischer Vorgang war oder zu werden versprach. Zu denen also, denen Demokratie und Reform schlicht zu langweilig sind.

Denen, die sich als Revolutionäre verstanden, war das revolutionäre Subjekt, die Arbeiterklasse, allerdings schon lange vor dem Kollaps des Sozialismus abhanden gekommen. Je konservativer die Arbeiter wurden, desto mehr suchte sich die akademische Linke „Ersatzproletariate“ und fand sie in Frauen, Schwulen, ethnischen und religiösen Minderheiten; der Diskurs, der sich bis dahin um Gleichheit gedreht hatte, wandte sich nun Fragen der „Identität“ zu. Es begann die Karriere der „political correctness“, eines Codes, innerhalb dessen selbst Wahrheiten nicht mehr ausgesprochen werden können, wenn sie dem Selbstbild einer der geschützten Minderheiten widersprechen. Wer dabei aber zu den „falschen“ Minderheiten gehörte, hatte es schwer. Juden zum Beispiel gehören zumindest im englischen Sprachraum nicht dazu, und man liest einigermaßen fassungslos, wie die skrupulöse Beachtung der „political correctness“ mit krassem Antisemitismus einhergehen kann:

„The moment when my bewilderment settled into a steady scorn came when the Guardian’s online talkboards carried a discussion about me and another supporter of the war [im Irak] from the Left with a Jewish name, which was entitled: ‚David Aaronovitch and Nick Cohen Are Enough to Make a Good Man Anti-Semitic.‘ The political incorrectness was too much for one contributor. Rightly, she protested that naked bigotry infused the debate. The Guardian reader should have headlined it ‚David Aaronovitch and Nick Cohen Are Enough to Make a Good, Man, or Woman, Anti-Semitic.'“

Juden sind offenbar die einzige Minderheit, auf der man als Linker ungestraft, d.h. ohne von der Linken exkommuniziert zu werden, herumtrampeln darf. Natürlich rein verbal. Vorerst.

Cohens Buch ist äußerst informativ und detailreich – für meinen Geschmack zu detailreich, wenn etwa die Balkanpolitik der konservativen Major-Regierung ausführlich dargestellt wird, oder die Wirrungen der WRP, einer britischen K-Gruppe der siebziger Jahre mit ihrer Irak-Connection, in einem ganzen Kapitel abgehandelt wird. Was mir fehlt, ist die Moral von der Geschicht‘: die Antwort auf die Frage, warum die Linke auf solchen Abwegen wandelt. Cohen begnügt sich mit den oben genannten pragmatischen Antworten. Am Ende drückt er seine Hoffnung aus, dass die Linke irgendwann ihre demokratischen und emanzipatorischen Werte wiederentdecken wird. Ich fürchte, das wird ein frommer Wunsch bleiben. Ich glaube nicht, dass „Liberals lost their way“, wie der Untertitel des Buches lautet. Ich glaube, der scheinbare Irrweg der letzten Jahrzehnte ist genau und sehr folgerichtig „their way“. Die Begründung liefere ich aber erst beim nächsten Mal; für heute ist meine Zeit um.