Der Islam als Dschihadsystem – Gespräch mit Cassandra Sommer

Das Dschihadsystem. Wie der Islam funktioniert. 2010

Diesmal spreche ich mit der Unternehmerin Cassandra Sommer, die auch als Videobloggerin „Fräulein Freiheit“ bekannt ist.

Es geht um ein Thema, das leider zunehmend aktuell wird, nämlich um den Islam und die fortschreitende Islamisierung Europas. Basis ist mein Buch „Das Dschihadsystem. Wie der Islam funktioniert“, das mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu seinem Erscheinungsjahr 2010 an Aktualität leider nicht einbüßt, sondern gewinnt, weil die darin enthaltenen Prognosen eine nach der anderen eintreffen und zum Teil von der Wirklichkeit sogar noch übertroffen werden.

Zu diesem Thema habe ich auch einen achtteiligen Vortrag für die Gegenuni produziert, den ich jetzt auch auf Youtube veröffentliche. Die ersten beiden Teile sind schon online, die restlichen folgen im Abstand von je 2 Tagen. Hier klicken!

Nun aber zum Gespräch mit Fräulein Freiheit:

 

Mein neues Buch ist da: BRD-Sprech – Worte als Waffe der Umerziehung

Die Sprache der BRD entwickelt sich in dem Tempo weiter, in dem dieser Staat zugrunde gerichtet wird. Beide Phänomene, also die Umgestaltung der Sprache zu einem Neusprech und der Niedergang des Staates vor allem in seiner Eigenschaft als freiheitliche Demokratie, hängen miteinander zusammen. In gewisser Hinsicht ist die Sprache sogar ein Frühwarnsystem.

Manfred Kleine-Hartlage: BRD-Sprech. Worte als Waffe der Umerziehung. Verlag der 300, Berlin. 256 S., 14,90 €

Seit Jahren schreibe ich im Nachrichtenmagazin Compact Monat für Monat meine Kolumne (die die Basis meines neuen Buches bildet), in der ich diesen parallel stattfindenden Staats- und Sprachverfall analysiere. In dieser Hinsicht waren die Jahre seit Ausbruch des Coronawahnsinns im Frühjahr 2020 besonders interessant, wenn auch nicht erfreulich, erst recht nicht nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs.

Mein neues Buch BRD-Sprech: Worte als Waffe der Umerziehung knüpft in mancher Hinsicht an mein Buch „Die Sprache der BRD“ an. Da ich die Stichworte diesmal aber chronologisch statt alphabetisch geordnet habe (nämlich in der Reihenfolge, in der sie auch in der Compact erschienen sind), entsteht so etwas wie eine Chronik des Verfalls: Charakteristisch für diese Entwicklung ist die Zunahme an schamlos offener Bevormundung des Medienkonsumenten (etwa durch die ständige mantra-artige Wiederholung des Wortes „Angriffskrieg“), an Hasssprache („Pandemie der Ungeimpften“) und an unverhohlener Umwertung aller Werte („Friedensschwurbler“). Die betuliche Tantenhaftigkeit früherer Jahre („Ängste der Menschen ernstnehmen“) weicht zusehends einem totalitären Kampfjargon, der politische Minderheiten zum Abschuss freigibt.

Nicht übersehen sollte man freilich auch, wie viel Verzweiflung in einem Establishment herrschen muss, das gezwungen ist, sich einer solchen Sprache zu bedienen. Da dem Kartell zu einer politischen Kurskorrektur die Kraft fehlt, bekämpft es die Opposition mit allen Mitteln außer dem des Arguments. Es mobilisiert das ganze Arsenal staatlicher, parastaatlicher und nichtstaatlicher Repression und Manipulation – mehr Propaganda, mehr Zensur, mehr Political Correctness, mehr Terror, mehr Mobbing, noch repressivere Meinungsgesetze –, um nach jeder neuen Drehung an der Repressionsschraube bestürzt festzustellen, dass sich die Zahl und die Militanz seiner Gegner nicht etwa verringert, sondern vervielfacht hat, zuletzt demonstriert bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Die Sprache wird schriller, weil die Kommandohöhen, auf denen das Kartell mitsamt seinen Lakaien sitzt, längst keine Berge mehr sind, die aus einem Tal, sondern Inseln, die aus einem Meer ragen, dessen Pegel kontinuierlich steigt.

Die ersten haben folglich schon nasse Füße bekommen, und zwar ohne die Aussicht, jemals wieder trocken zu werden.

 

 

 

Querfront – einige Anmerkungen

 

Mein neues Buch „Querfront! Die letzte Chance der deutschen Demokratie“ https://www.compact-shop.de/shop/buec… hat im Netz nicht nur positive Kommentare hervorgerufen. Insbesondere wurde gefragt, wie denn ein Zusammengehen der rechten Opposition mit „den“ Linken funktionieren solle. So reden vor allem die, die das Buch nicht gelesen haben, denn von einer Zusammenarbeit mit „den“ Linken ist dort nirgendwo die Rede, immer nur von Gemeinsamkeiten mit der oppositionellen (!) Linken (vulgo: Wagenknecht-Linke, samt intellektuellem Milieu, also Nachdenkseiten, Reiner Mausfeld, Bernd Stegemann etc.), die sich genau wie wir gegen die totalitären Machtanmaßungen des Establishments wendet.

Die Frage, ob wenigstens mit dieser oppositionellen Linken eine Zusammenarbeit möglich ist, ist allerdings nur von dieser Linken selbst zu beantworten. Wir Rechten können nicht mehr tun, als ihr gute Argumente anzubieten.

In meinem Video mache ich aber darauf aufmerksam, welche theoretischen und vor allem praktischen Implikationen und Konsequenzen es hat, wenn die Antwort „Nein“ lautet.

Mein neues Buch ist da: „Querfront! Die letzte Chance der deutschen Demokratie“

Mein neues Buch

„Querfront! Die letzte Chance der deutschen Demokratie“

kommt soeben aus der Druckerei.

Es erscheint bei Jürgen Elsässers neuem „Verlag der 300“ und ist genau so dringend, wie der Titel andeutet: wahrscheinlich das aktuellste meiner bisher elf Sachbücher.

Eine Querfront, vor der die Hexenjäger des herrschenden Machtkartells nicht genug warnen können – es gibt es schon längst, nämlich als „Querfront von oben“  in Gestalt just dieses Kartells, das in sich die klassischen politischen Richtungen enthält, wenn auch nur in Form verballhornter und pervertierter  Schrumpfformen:

Vom früheren Emanzipationswillen der Linken ist bei Grünen, SPD und der Linkspartei nur der Destruktionswille übriggeblieben, vom Freiheitsdrang der Liberalen die Marktvergötzung, vom konservativen Bewahrungswillen bei der CDU die Anbetung etablierter Macht.

Angesichts der Tatsache, dass das herrschende Kartell unser Land innenpolitisch in ein totalitäres System, außenpolitisch in den Krieg und in Sachen Staatsmanagement in den Systemkollaps führt, dabei aber alle demokratischen Selbstkorrekturmechanismen systematisch blockiert, ist es Zeit, diejenige Kräftekonstellation zu finden, die nach dem selbstverschuldeten politischen Bankrott der BRD die Nachfolge dieser politischen Klasse antritt.

Wenn wir weder dem totalitären System unterworfen werden wollen, mit dem das Kartell vorhersehbarerweise seinen Untergang zu verhindern suchen wird, noch irgendeiner Art „Putinismus“ anheimfallen wollen, dann ist jetzt die Stunde, in der eine in sich pluralistische Opposition aus Linken, Libertären und Rechten – die es ja bereits gibt – sich darüber verständigt, wie eine erneuerte deutsche Demokratie aussehen könnte.

Mindestens wird dazu gehören, dass man die Legitimität weltanschaulicher Unterschiede akzeptiert. Hier tut die oppositionelle Linke (vulgo: die Wagenknecht-Linke) sich immer noch schwer und ergeht sich in Distanzierungen, die in der Sache nicht gerechtfertigt sind und entsprechend grobschlächtig daherkommen, etwa wenn Wagenknecht schreibt, „rechts im originären Verständnis“ sei „die Befürwortung von Krieg, Sozialabbau und großer Ungleichheit“. Hier scheint eine Mischung aus taktischem Kalkül und tradierten Vorurteilen in haarsträubender politischer Torheit zu münden.

Denn töricht ist es in der Tat, lieber im Atompilz zum Himmel auffahren zu wollen (an den man nicht einmal glaubt), als über die Stöckchen von Leuten zu springen, denen ihre kriminelle Dummheit und Verlogenheit auf der Stirn geschrieben steht, und vor ihren Verleumdungen einzuknicken.

Sofern hier wirklich Vorurteile eine Rolle spielen (und nicht etwa eine eventuelle Unfähigkeit auch der oppositionellen Linken, nichtlinke weltanschauliche Positionen als legitim anzuerkennen), so habe ich diese Vorurteile in meinem Buch, wie ich glaube, respektvoll, aber gründlich widerlegt und die politische Landschaft der BRD einer Neuvermessung unterzogen.

Die Weimarer Republik ist gescheitert. Die BRD, der man dieses Scheitern noch vor zwanzig Jahren nicht zugetraut hätte, ist es ebenfalls. Wenn die freiheitliche Demokratie in Deutschland überhaupt noch eine Chance haben soll, dann ist jetzt die Stunde, in der die Opposition der verschiedenen Richtungen sich zusammenfinden muss, um die Keimzelle der politischen Klasse einer dritten Republik zu bilden.

Sie kann und muss es tun, nicht, weil es zwischen links und rechts plötzlich keinen Unterschied mehr gäbe, sondern weil diese Unterschiede marginal im Vergleich zu der Gemeinsamkeit sind, kein totalitäres Regime und keinen Atomkrieg zu wollen.

 

Im folgenden drei Auszüge als Kostprobe:

Manfred Kleine-Hartlage: Querfront! Die letzte Chance der deutschen Demokratie
Manfred Kleine-Hartlage: Querfront! Die letzte Chance der deutschen Demokratie. Verlag der 300, € 12,90.

»Die Unterscheidung zwischen links und rechts, so fruchtbar und sinnvoll sie in manchen abstrakten Zusammenhängen nach wie vor ist, verliert unter diesen Umständen immer mehr an realpolitischer Bedeutung. Eine Linke, die diesen Namen verdient, weil sie in Opposition zur herrschenden Klasse steht, gibt es nur außerhalb des politischen Establishments und der sich als links verstehenden Parteien. Entsprechendes gilt für eine genuine Rechte – genuin, insofern sie das Bewahrenswerte gegen den de-struktiven Furor jener Klasse und ihrer politischen Handlanger zu verteidigen entschlossen ist.

Wenn aber auf beiden Seiten des politischen Spektrums nur noch jeweils eine Minderheit links beziehungsweise rechts ist – was sind dann diejenigen nominellen Rechten beziehungsweise Linken, die loyal zum Kartell stehen und dabei immer noch immer eine, wenn auch passive und bröckelnde, Mehrheit hinter sich haben? Wenn ich mir bisher mit Begriffen wie „Mainstreamlinke“ und „Mainstreamkonservative“ beholfen habe, so liegt die Betonung in beiden Fällen auf „Mainstream“: Das sind sie primär; links oder rechts sind sie nur im Sinne einer differenzierenden Sekundärunterscheidung.

Die kartellartige Verflechtung zwischen den beiden Flügeln des Establishments hat mit Notwendigkeit eine Opposition hervorgebracht, die ihrerseits die beiden klassischen Flügel des politischen Spektrums (und dazu einen libertären) in sich enthält; zwei Flügel, deren Positionen natürlich nicht gleich, aber doch in vieler Hinsicht kompatibel sind, weil ihre identitätsstiftenden Herzensprojekte einander nicht widersprechen: Wer den Nationalstaat verteidigt, kann den nationalen Kitt des Sozialstaats schlecht entbehren. Wer umgekehrt vom Nationalstaat nicht reden will, möge vom Sozialstaat schweigen. Die politisch entscheidende Hauptdifferenz ist unter den gegebenen Umständen nicht die zwischen links und rechts, sondern zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Establishment und Opposition, zwischen oben und unten.«

 

»Eine Herrschaft wie die gegenwärtige, die nicht konservativ ist, sondern eine Art Revolution von oben betreibt, wenn auch ausschließlich im destruktiven, repressiven, ja totalitären Sinne, stellt die vertrauten politischen Kategorien auf den Kopf:

Die Linken, die ihr zu Diensten sind, hören auf, eine emanzipatorische Kraft zu sein; die Rechten, die es tun, sind naturgemäß nicht mehr konservativ.

Die Linken, die sich ihr widersetzen, werden notwendigerweise konservativ, insofern sie Dinge bewahren wollen, die die Herrschaft zerstören will; die Rechten, die es tun, werden zu Revolutionären wider Willen.«

 

»Es gibt nur noch eine einzige, winzige Chance, den endgültigen Untergang der Demokratie in Deutschland zu verhindern, und das ist die Zusammenarbeit der linken und der rechten Opposition: nicht, weil die oppositionellen Kräfte sich untereinander ideologisch einig wären, sondern weil sie es genau nicht sind (und gerade deshalb gemeinsam die Breite des politischen Spektrums repräsentieren). Einig dürften sie sich aber in dem Wunsch sein, wieder in einem Land zu leben, in dem politische Konflikte mit Argumenten ausgetragen werden, nicht mit diversen Spielarten der Ausgrenzung und Einschüchterung bis hin zum Terror; in einem Land, das sich nicht als Handlanger einer imperialistischen Großmacht missbrauchen lässt und deshalb zum Frieden in Europa beitragen kann; in dem die Prinzipien des Rechtsstaates wieder gelten; in einem Land, das unter anderem deswegen fähig ist, seine Probleme in Angriff zu nehmen und sich eine Zukunft aufzubauen.«

Eine weitere Leseprobe findet ihr auf der Website des Verlags der 300. Hier klicken, lesen und bestellen!

Albrecht Müller: „Meinungsmache.“ (Rezension)


Wenn die deutsche Politik jemals eine Wahlkampfparole hervorgebracht hat, die den Adressaten zum Mitdenken aufrief, dann war das der 72er SPD-Slogan „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen“. Eine ziemlich faire Parole, weil sie den Leser nicht manipuliert: Er wird zum Nachdenken animiert, und das heißt: Er kann sie auch ablehnen.

Dem linken Sozialdemokraten Albrecht Müller, der als Schöpfer dieses Slogans gilt, wird man also zumindest bescheinigen müssen, dass er die Intelligenz seiner Mitmenschen respektiert. Solcher Respekt gerät bei den meinungsbildenden Eliten bekanntlich immer stärker außer Kurs, und Müller hat ein ganzes Buch genau den Methoden gewidmet, mit denen sie dafür sorgen, dass der vielzitierte Mainstream in eine ganz bestimmte Richtung fließt.

[Diese Rezension wurde schon 2010 auf diesem Blog veröffentlicht, aber alles, was ich damals geschrieben habe, wurde seitdem von der Realität sogar übertroffen, und auch Müllers Buch ist aktueller denn je. Die damaligen Kommentare habe ich stehengelassen, ohne aber den Kommentarstrang nochmals zu öffnen. M. K.-H.]

(Albrecht Müller: 
Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen)

Dabei macht er Erfahrungen, die einem Konservativen merkwürdig vertraut vorkommen, und so mancher Kommentator dieses Blogs wird mit einer Mischung aus Mitgefühl und Schadenfreude Passagen wie diese hier lesen:

Wenn ich … beschreibe, dass die Leistungsfähigkeit des bisherigen Rentensystems systematisch, bewusst und geplant der Erosion preisgegeben worden ist, um [sic!] an diesem Zerstörungswerk zu verdienen, dann kommt der Angriff mit der Behauptung: ‚Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!’“(S.133)

Leider analysiert er nicht die Wirkungsweise gerade des Vorwurfs der „Verschwörungstheorie“; also erlaube ich mir hier einen Exkurs: Wie manchem Leser erinnerlich ist, bin ich höchst kritisch gegenüber Verschwörungstheorien und habe im Einzelfall ausführlich begründet, was ich unter einer Verschwörungstheorie verstehe und warum ich sie für problematisch halte. Wer so argumentiert, erlegt sich selbst die Beweislast auf.

Es greift aber immer mehr um sich, Verschwörungstheorien zu tabuisieren, ohne zu begründen, warum. Auf diesem Wege wird die Ablehnung von Verschwörungstheorien zum bloßen sozialen Vorurteil und das Wort „Verschwörungstheorie“ zum Etikett, das man nahezu beliebigen Meinungen aufpappen kann, die dadurch aus dem seriösen Diskurs ausgegrenzt werden – ähnlich, wie es mit dem Wort „rechtsextrem“ schon geschehen ist. Das Ergebnis ist eine Beweislastumkehr: Wer beweisen will, dass er kein „Verschwörungstheoretiker“ respektive nicht „rechtsextrem“ ist, kann dies nur dadurch tun, dass er sich von allen Meinungen, Personen und Organisationen distanziert, denen das entsprechende Schandmal aufgebrannt wurde. Da die Diffamierung aber nahezu beliebig vorgenommen werden kann, führt diese (wie jede andere) Art von Appeasement keineswegs dazu, die Diffamierer zufriedenzustellen; vielmehr wird die Grenze des gesellschaftlich Tolerablen mit jedem Zugeständnis enger gezogen: Musste man vor dreißig Jahren noch Hakenkreuzfahnen schwenken, um als rechtsextrem eingestuft zu werden, so reicht heute schon der Gebrauch des Wortes „Neger“.

Müller, wie gesagt, interessiert sich dafür weniger. Linke Sozialisten sind zwar aus der Sicht der meinungsbildenden Eliten ebenso Außenseiter wie rechte Konservative, aber sie werden nicht so sehr moralisch diffamiert, eher schon laufen sie Gefahr, als rückständige Sozialromantiker lächerlich gemacht zu werden, die die Zeichen der Zeit – und speziell der Globalisierung – nicht erkannt haben.

Umso bemerkenswerter die Parallelen, die zwischen beiden Arten politischen Denkens bestehen. Vielleicht fallen diese Parallelen einem wie mir besonders ins Auge, der lange Jahre politisch dort stand, wo auch Müller steht, und heute dort ist, wo der rechte Flügel der CDU wäre, wenn es einen solchen noch gäbe. Ich glaube aber, dass die Gemeinsamkeiten von Sozialisten und Konservativen nicht nur meiner speziellen Optik geschuldet, sondern objektiv vorhanden sind:

Einer wie Müller, der den handlungsfähigen Staat, ein breites und tiefes Angebot öffentlicher Dienstleistungen, aktive keynesianische Konjunkturpolitik und eine dichtgeknüpftes soziales Netz will, fasst Gesellschaft offenkundig nicht als eine bloße Masse von Einzelperonen auf, sondern als Solidargemeinschaft. Das ist das Gegenteil von dem, was der neoliberalen Doktrin entspricht, ähnelt aber offenkundig dem klassischen konservativen Programm der Bewahrung von Volk und Familie, das heißt von – Solidaritätsstrukturen!

Diese Programme sind selbstverständlich nicht gleich, aber sie sind miteinander vereinbar, zum Teil sogar voneinander abhängig: Ist Sozialismus schon rein technisch schwer vorstellbar ohne Bezugnahme auf einen Staat, so ist er – als Solidargemeinschaft – erst recht ideell unvorstellbar ohne die Bereitschaft zur wechselseitigen Solidarität im gesellschaftlichen Maßstab. Solche Bereitschaft fällt aber nicht vom Himmel, und sie wird auch nicht vom Sozialstaat erzeugt; vielmehr findet er sie vor! Die Bereitschaft zur materiellen Solidarität setzt die Vorstellung von einem „Wir“ voraus. Zu deutsch: ein Volk.

Freilich wollen die Linken das nicht wahrhaben, weil es sie in ideologische Peinlichkeiten stürzt: Zu den Implikationen dieses Sachverhalts gehört ja unter anderem, dass Sozialismus stets etwas sein muss, das man mit einigem Recht auch „National-Sozialismus“ nennen könnte. Eine Solidargemeinschaft kommt, allein schon um die Gegenseitigkeit zu gewährleisten, ohne die es sinnlos wäre, von „Solidarität“ zu sprechen, gar nicht darum herum zu definieren, wer dazugehört und wer nicht. Aller internationalistischen Rhetorik zum Trotz würde ein Sozialismus, der alle Menschen weltweit beglücken wollte, schnell aufhören zu existieren. Sozialismus wird immer, wie Stalin das nannte, „Sozialismus in einem Lande“ sein.

Aus der Abneigung gegen solche Gedankengänge resultieren bei Sozialisten, auch bei so klugen Köpfen wie Albrecht Müller, ganz bestimmte blinde Flecken: Der Sozialstaat ist zwar in der Tat systematisch von den siebziger Jahren an ideologisch delegitimiert worden, wie er behauptet – wir kommen gleich dazu -, aber zumindest einer der wichtigsten Gründe für seinen Legitimitätsverlust hat nichts mit Ideologie, PR oder Propaganda zu tun, sondern schlicht mit der Masseneinwanderung von Menschen, bei denen von vornherein feststand, dass sie den Sozialstaat in erheblichem Maße in Anspruch nehmen würden, und zwar ohne Gegenleistung – auch ohne diejenigen Gegenleistungen an Loyalität gegenüber dem Gemeinwesen, zu denen auch ein materiell armer Mensch fähig ist. Ein solcher Sozialstaat hat mit Solidarität nichts zu tun, und niemand muss sich wundern, dass die, die ein solches System mit ihrer Arbeit finanzieren sollen, sich davon abwenden.

Ein ganz ähnlicher blinder Fleck zeigt sich beim Thema „Demographie“: Müller behauptet, Deutschlands demographische Krise (mit der der langsame Abschied vom Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wird), werde weit übertrieben, da unser Land nach bisherigen Prognosen auch 2050 noch 75 Milionen Einwohner haben werde. Dass dieser Wert nur durch massive Einwanderung erreicht werden kann, und dass die Masse der Einwanderer nach allen bisherigen Erfahrungen gering qualifiziert und wenig integrationsbereit sein wird, ja dass sogar zu bezweifeln ist, ob Deutschland überhaupt noch regierbar sein wird, wenn sein Staatsvolk – zumindest bei den wirtschaftlich aktiven Bürgern – eine Minderheit im eigenen Land ist: Das sind Themen, die bei Müller nicht zur Sprache kommen. Er verschweigt sie nicht etwa, er hat sie einfach nicht auf dem Radarschirm.

Nun aber genug von den blinden Flecken, ich schreibe diese Rezension ja nicht zum Zwecke kleinlicher Beckmesserei!

Gemeinsam ist Sozialisten und Konservativen die Erfahrung, dass sie selbst ihre Positionen ausführlich begründen müssen, um sich verständlich zu machen, während etablierte „Wahrheiten“ zu Begriffen geronnen sind, die man schon deshalb Schlagworte nennen darf, weil sie nicht dazu da sind, Gegner argumentativ zu widerlegen, sondern ihren Widerspruch niederzuknüppeln. Ein Sozialist, der darauf hinweist, dass neoliberale Zauberworte wie „Flexibilität“ oder „Wettbewerb“ durchaus nicht immer für etwas Positives stehen müssen, bekommt ähnliche Probleme, sich verständlich zu machen wie ein Konservativer, der darauf besteht, dass Feindschaft gegen das eigene Volk hundertmal schlimmer ist als „Fremdenfeindlichkeit“. Eine Ideologie, die sich auf Schlagworte beschränken kann, ist offenkundig gesellschaftlich dominant.

Erleichtert wird diese Dominanz dadurch, dass sowohl Sozialisten als auch Konservative dazu tendieren, je verschiedene Teile dieses neoliberalen Paradigmas für richtig zu halten: die Linken also die Tendenz zu Entgrenzung und Internationalisierung – obwohl das, wie gezeigt, für Traditionssozialisten an sich inkonsequent ist -, die Rechten die Abneigung gegen das, was sie für linken Sozialklimbim halten.

Letzteres ist fast noch erstaunlicher als die linke Inkonsequenz: Es war ein Konservativer – Bismarck -, der den Grundstein für den deutschen Sozialstaat gelegt hat, und wenn Deutschland auch in den vergangenen hundert Jahren praktisch jede Regierungsform erlebt hat, die überhaupt zur Auswahl stand: Alle Regime haben den Sozialstaat unterstützt und, soweit möglich, ausgebaut. Und auch heute noch gibt es eine deutliche Mehrheit für die Idee, dass eine moderne Gesellschaft sich auch durch materielle Solidarität auszeichnen sollte.

(Wie lange es diese Mehrheit unter dem Druck der Masseneinwanderung noch gibt, steht freilich auf einem anderen Blatt: Dass diese Einwanderung die Idee des Sozialstaats schlechthin in Frage stellt, dürfte aus der Sicht der neoloiberalen Eliten nicht der geringste ihrer Vorzüge sein.)

Wir können daraus schließen, dass die Idee sozialer Solidarität zur Selbstbeschreibung des deutschen Volkes, sprich: zu seiner nationalen Identität gehört. Selbstredend müssen auch Konservative nicht vor Allem und Jedem auf die Knie fallen, was zu dieser Identität gehört, aber die Selbstverständlichkeit, mit der die sozialstaatsfeindliche neoliberale Wirtschaftsideologie von vielen Konservativen akzeptiert wird, erstaunt schon deshalb, weil sie damit ja zugleich die ihr zugrundeliegende Meta-Ideologie schlucken, wonach es überhaupt so etwas wie ein universell anwendbares Wirtschafts-(und Politik- und Gesellschafts-)modell geben könne oder gar müsse. Konservatismus, wenn er mehr sein soll als bloß geistige Bequemlichkeit, müsste aber gerade diese Prämisse des Globalismus prinzipiell anfechten und auf dem Eigenwert und der Eigenlogik unterschiedlicher gewachsener Kulturen beharren. Tut er es nicht, hat er bereits die Waffen gestreckt.

Die entscheidende Frage ist nun: Wie kommt die neoliberale Ideologie eigentlich in die Köpfe? Um dies zu erläutern, untersucht Albrecht Müller die taktischen Mittel der Meinungsmache, dann die strategischen Zusammenhänge, in denen sie eingesetzt werden, und benennt dabei auch einige wichtige Akteure. Die taktischen Mittel, mit denen Ideologie gestreut wird, sind:

Wiederholung: „Wenn alle maßgeblichen Personen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien erzählen, die Globalisierung sei ein völlig neues Phänomen …, was soll die Mehrheit der Bevölkerung dann glauben?“ (S.127) Wenn dies nicht bloß einmal geschieht, sondern über Jahre hinweg fortgesetzt wird, dann gehört das, was da verkündet wird, unweigerlich irgendwann zu den Hintergrundannahmen des gesellschaftlichen Diskurses.

Dieselbe Botschaft aus unterschiedlichen Ecken verkünden: „Wenn der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn und der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn
Werner Müller, der zuvor unter Gerhard Schröder Bundeswirtschaftsminister war …, wenn diese beiden das Gleiche sagen wie Norbert Hansen, der … Vorsitzende der größten Eisenbahnergewerkschaft …, dann muss der Börsengang ja gut sein für die Bahn.“ (S.129) Und, möchte man von einem rechten Standpunkt hinzufügen, wenn die CDU sich für Masseneinwanderung stark macht und uns, wie die Grünen, etwas von der damit verbundenen „Bereicherung“ vorschwärmt; wenn obendrein Heerscharen von Wissenschaftlern die vermeintlichen Vorzüge der „Diversität“ anpreisen, dann können nur ungewöhnlich selbstbewusste Menschen sich vorstellen, dass die Alle Unrecht haben sollen.

Vokabeln verwenden, die Urteile und Wertungen beinhalten: „Flexibilität“ klingt doch immer gut, nicht wahr, erst recht „Toleranz“? Müller selbst führt das Wort „Reform“ als Beispiel für einen positiv besetzten Begriff an, der dann umgedeutet wird (in „Reformen“ zugunsten der Oberschicht). (Dass die Umdeutung zentraler politischer Begriffe auch zu den bevorzugten Strategien der EU zu Gesellschaftstransformation gehört, dazu empfehle ich nochmals den Aufsatz von Christian Zeitz)

Einen gruppenspezifischen Jargon sprechen: Ein solcher reduziert ganze Ideologien auf Schlagworte, die für jeweils bestimmte Gruppen gelten und diese Gruppen definieren. Wer ihn nicht spricht – und damit anzeigt, dass er die gruppenspezifische Ideologie nicht teilt – ist draußen. In Kreisen, in denen von „den Märkten“ die Rede ist, sollte man sich Ausdrücke wie „Solidarität“ oder „Gerechtigkeit“ ebenso verkneifen wie „Vaterland“ oder „Abendland“.

Affirmativ auftreten: Menschen neigen dazu, zu glauben, was ihnen erzählt wird. Eine Richtigkeitskontrolle findet höchstens intuitiv statt: Steht der Sprecher hinter dem, was er sagt? Wenn er das vortäuschen kann, glaubt man ihm. Müller zitiert den damaligen Finanzminister Steinbrück: „Schließlich steht außer Zweifel, dass wir einen starken und wettbewerbsfähigen Finanzplatz Deutschland brauchen.“ (S.130) Wer wird sich da schon die Blöße geben, der Hinterwäldler zu sein, der bezweifelt, was doch „außer Zweifel steht“?

Immer im Angriff bleiben: Der Kritiker kann gar nicht Recht haben, und vor allem darf er es nicht. Er kann dumm (links) oder bösartig (rechts) sein; tertium non datur. Ein Rezept, das schon die Nazis praktiziert haben, ebenso wie das folgende:

Keine Diskussionen zulassen: TINA (There is no alternative) bedeutet, die eigentliche Ideologie wird aus jeder Diskussion herausgehalten; so sind die Schlussfolgerungen aus ihr dann tatsächlich ohne Alternative.

Pars pro toto: Einen gesellschaftlichen Missstand dadurch verschwinden lassen (oder dadurch herbeireden), dass man Einzelfälle willkürlich verallgemeinert.

Übertreibung: Wird gerne zur Diffamierung Andersdenkender eingesetzt.

Botschaft B senden, um A zu transportieren: Die explizite Aussage enthält eine Implikation, die als solche unausgesprochen bleibt, aber gerade dadurch umso unauffälliger, d.h. ohne den Filter der kritischen Nachprüfung in die Köpfe gelangt. „Wir verstehen nicht, warum die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister die Banken flehentlich darum bitten, doch endlich unsere 480 Rettungs-Milliarden zu nehmen. Diese Botschaft B wird verständlich, wenn wir die Botschaft A bedenken: Die Banken erweisen uns einen Gefallen, sie erlauben uns gnädig, ihnen unser Geld zu geben, statt ihnen den Staatsanwalt ins Haus zu schicken, was angesichts des millionenfachen Betrugs gerechtfertigt wäre.“ (S.140)

Konflikt: Der inszenierte Konflikt beschäftigt das Publikum so sehr, dass seine Protagonisten die Agenda bestimmen. Müller führt den „Konflikt“ zwischen Schröder und Lafontaine im Vorfeld der Bundestagswahl 1998 an, der entscheidend zum Wahlsieg der SPD beigetragen hat. Auf einer höheren Ebene war die gesamte Zeit des Kalten Krieges so sehr von dem Gegensatz von Liberalismus und Sozialismus, zweier linker Ideologien, beherrscht, dass der Konservatismus aus dem Weltbild des Normalbürgers hinausdefiniert wurde (übrigens so sehr, dass auch Albrecht Müller mit einer gewissen nervtötenden Penetranz „rechtskonservativ“ sagt, wenn er „extrem neoliberal“ meint – das tut dann schon richtig weh.)

Verschweigen: Welcher Ideologie die veröffentlichte Meinung folgt, lässt sich daran ablesen, mit welchen Themen sie sich nicht beschäftigt und welche Wahrheiten sie nicht ausspricht. Beispiele erübrigen sich – es gibt sie, vom linken wie vom rechten Standpunkt, zuhauf.

Seit den siebziger Jahren wird massive Propaganda zugunsten der Privatisierung bisher öffentlich erbrachter Dienstleistungen gemacht, werden öffentliche Dienstleistungssysteme bewusst kaputtgespart, um ihre dann notwendig geringere Leistung einem angeblichen „Sozialismus“ in die Schuhe zu schieben, so lange, bis sie tatsächlich privatisiert werden (oder, wo das nicht ohne weiteres möglich ist, wie bei den Universitäten, sie strukturell Privatunternehmen weitgehend angelichen werden). Müller weist, m.E. zu Recht, darauf hin, dass die damit erzielten Verbesserungen bestenfalls zweifelhaft waren, die Schäden aber genau dort eingetreten sind, wo sie zu erwarten waren: bei der Verlässlichkeit, der Nachhaltigkeit, der Langfristperspektive und der Zugangsgleichheit. Das fängt bei Kommunikationsdienstleistungen an, setzt sich fort im Bildungsbereich und im Verkehrswesen und hört bei den Medien noch lange nicht auf. Ich werde diesen Aspekt hier nicht vertiefen (und verweise auf das Buch), weil es mir hier ja nicht darum geht, wo die Neoliberalen Recht oder Unrecht haben, sondern wie sie ihre Ideologie unter die Leute bringen.

In diesem Zusammenhang spielt zum Beispiel die Kommerzialisierung der Medien eine Rolle: zum einen durch die Einführung des kommerziellen Fernsehens in den achtziger Jahren, zum anderen dadurch, dass auch die gedruckten Medien mehr und mehr dem Diktat des Shareholder Value unterworfen werden.

Letzteres – dass also kapitalistische Unternehmen naturgemäß auf Deubel komm raus maximalen Gewinn erwirtschaften müssten – wird zwar vielfach für selbstverständlich gehalten, liegt aber durchaus nicht in der Natur der Sache. In der Natur der Sache liegt lediglich, dass solche Unternehmen um jeden Preis die Pleite vermeiden müssen. Wer freilich Gewinnmaximierung anstrebt, wird im Medienbereich dasselbe tun wie in anderen Branchen, nämlich Stellen streichen und auslagern, Löhne und Honorare drücken, zusätzliche Einnahmequellen erschließen. Für die Redakteure, die unter solchem Druck produzieren müssen, ist es ein zweifelhafter Glücksfall, dass es zu jedem Thema vier oder fünf sogenannte oder auch Experten gibt, auf die man arbeitssparend zurückgreifen kann, und die, weil sie normalerweise alle dieselbe Meinung vertreten, keine irritierenden Dissonanzen aufkommen lassen, stattdessen suggerieren, es könne ohnehin bloß eine vernünftigerweise vertretbare Meinung geben, nämlich ihre eigene.

Und dabei ist das noch eine relativ saubere Form von Journalismus, verglichen mit dem Einsatz von Fertigprodukten aus PR-Abteilungen. Publizistische Unabhängigkeit, auch früher schon wegen der Abhängigkeit von Werbekunden ein heikles Thema, wird in dem Maße zur Fiktion, wie man sich von kapitalstarken PR-Anbietern kaufen lässt: Sich die Spalten und Sendeplätze füllen zu lassen und dafür noch Geld zu kassieren – das ist journalistisch das Allerletzte, aber kommerziell der Königsweg.

Und das betrifft nicht nur private Medien: Im „redaktionellen“ Teil der GEZ-Sender spottet das Maß an Werbung, die man längst nicht mehr „Schleichwerbung“ nennen kann, inzwischen jeder Beschreibung! Dass die Orientierung am kommerziellen Erfolg das Ergebnis einer ideologischen Gehirnwäsche ist, die mit ökonomischen Notwendigkeiten nichts zu tun hat, liegt gerade bei diesen Sendern auf der Hand.

Ganz ähnlich sieht es bei den Universitäten aus. Dort hat die Gehirnwäsche schon so weit gefruchtet, dass kaum noch einem aufzufallen scheint, dass der vielgepriesene „Wettbewerb der Universitäten um Drittmittel“ (der Wirtschaft und des Staates) auf nichts anderes hinausläuft als darauf, die wissenschaftliche Unabhängigkeit an den Meistbietenden zu verhökern. Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich lässt sich vielleicht noch darüber diskutieren, ob die dadurch möglicherweise erzielbare Orientierung an der praktischen Anwendung auch ihr Gutes hat. Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften bedeutet es die Verwandlung von Universitäten in Ideologiefabriken. Wenn zudem noch der Turbo-Master gefordert wird (von Studenten, die bereits das Turbo-Abitur hinter sich haben), dann ist das erwartbare Ergebnis, dass die Bereitschaft und Fähigkeit zu ideologiekritischem Denken (von welchem politischen Ausgangspunkt auch immer) nicht mehr entwickelt wird. Und sie sollen ja auch gar nicht entwickelt werden. (Und nochmal: Neoliberale und linksliberale Ideologien ergänzen einander, sie widersprechen einander nicht! Allenfalls setzen sie unterschiedliche Akzente. Weswegen der Einwand, die Unis seien doch in der Hand der Linken, am springenden Punkt vorbeigeht.)

Kommerzialisierung wirkt also in diesen Bereichen selbstverstärkend: Kommerzialisierte, gewinnmaximierte Medien und Universitäten bringen wie von selbst genau die Ideologie hervor, die ihre eigenen Binnenstrukturen legitimiert; zugleich verlieren sie in dem Maße an Autonomie, wie die Orientierung an nichtwissenschaftlichen bzw. nichtpublizistischen Kriterien zunimmt. Das soziologische Standardmodell einer funktional differenzierten und sich immer weiter differenzierenden Gesellschaft stößt bei der Beschreibung eines solchen Sachverhalts nicht nur an Grenzen: Es führt sogar in die Irre, weil es einen Prozess der systematischen Ent-differenzierung verschleiert, bei dem verschiedene Teilsysteme den Maßgaben derselben leitenden Ideologie unterworfen werden.

Wie aber konnte die neoliberale Ideologie so dominant werden, und wer hat die Kampagnen angeschoben, die eine so nachhaltige ideologische Wirkung gezeitigt haben?

Leider bleibt Müller in seiner Darstellung ganz auf Deutschland fixiert, obwohl die Durchsetzung des neoliberalen Paradigmas ein Prozess war, den man seit den sechziger Jahren in der gesamten westlichen Welt beobachten konnte. Müller erwähnt zwar die „Chicago Boys“, also die Gruppe von Ökonomen um Milton Friedman, aber eine umfassende Darstellung strebt er nicht an.

Umso interessanter ist das, was er über die Rolle der Bertelsmann-Stiftung schreibt, die seit ihrer Gründung in den siebziger Jahren das neoliberale Paradigma verficht. Natürlich ist sie nicht der einzige Akteur auf diesem Gebiet: Wirtschaftsnahe Institute und Lobbyorganisationen mit vergleichbarer Agenda gibt es zuhauf, aber die Bertelsmann-Stiftung liefert – gerade für Politiker als Abnehmer – ganze Fertigpakete: nicht nur eine Ideologie, auch die dazu passenden wissenschaftlichen Studien; nicht nur Studien, sondern auch Handlungsempfehlungen; und zu den Empfehlungen gleich die Strategien zu ihrer Umsetzung; verbunden mit publizistischer Unterstützung für diejenigen Politiker, die sich an diese Empfehlungen des Hauses Bertelsmann halten, das zugleich Eigentümer eines der größten Medienkonzerne der Welt ist. Politiker, die sich darauf konzentrieren wollen, an der Macht zu bleiben, und die zu diesem Zwecke auch politische Inhalte benötigen – als notwendiges Übel sozusagen –, werden bei Bertelsmann zweifellos erstklassig bedient.

Der inzwischen verstorbene Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn hat hier eine Struktur geschaffen, die ganz auf die Verbreitung und gesellschaftliche Durchsetzung seiner Ideologie programmiert ist. Ich weiß nicht, und Müller schreibt nichts darüber, aber ich vermute, dass Springer, Murdoch und Berlusconi in ähnlicher Weise für ihr Nachleben vorgesorgt haben. In jedem Fall ist es auffällig, wie gering die Anzahl der Großakteure ist, die hier eine Rolle spielen.

Wenn man mit so viel Medienmacht erst einmal eine ganz bestimmte Sicht der Welt als dominant etabliert hat, kommt es wie von alleine zur Selbstgleichschaltung der nicht konzerngebundenen Medien und von Politikern, die eigentlich für die Unterstützung einer anderen, z.B. linken oder konservativen Agenda gewählt wurden. Wer möchte sich schon nachsagen lassen, die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben. Wenn die Bejahung einer bestimmten Ideologie – sprich: die Bereitschaft und Fähigkeit, mit einer gewissen urbanen Lässigkeit alles abzulehnen, was der Normalbürger für selbstverständlich hält – über die Zugehörigkeit zur Elite entscheidet, dann werden anderslautende Prinzipien schnell zu etwas Lästigem, das man höchstens noch zur Täuschung der Wähler benötigt.

(Ob man wirklich dazugehört, steht freilich auf einem anderen Blatt. Gerhard Schröder jedenfalls erfuhr erst im Frühjahr 2005 durch den plötzlichen Schwenk jener Blätter, die ihn bis dahin unterstützt hatten, dass er bloß der nützliche Idiot gewesen war, der den Boden für eine neoliberale Reformpolitik hatte bereiten sollen. Nachdem das erledigt war, war er plötzlich jener Mohr, der seine Arbeit getan hatte. Der Mohr konnte gehen.)

Und man glaube nicht, das diese Form von Korruption durch Eitelkeit nur auf der Linken funktioniert. Der linke Politiker, der sich nicht dabei erwischen lassen möchte, von Klasseninteressen oder Solidarität zu sprechen, weil das rückständig wäre, findet seine rechten Gegenstücke in gewissen Leuten, die sich nicht dabei erwischen lassen möchten, noch an die Existenz von Völkern zu glauben, und die uns deshalb in der „Sezession“ oder der „Jungen Freiheit“ die neoliberale „Wahrheit“ unterzujubeln versuchen, dass Masseneinwanderung unvermeidlich sei.

Ich bin mit Müller selbstredend nicht in jedem Punkt einverstanden; mir scheint auch, dass er die Möglichkeiten eines spezifisch sozialistischen Politikansatzes deutlich überschätzt – aber wer weiß? Ich bin im Gegensatz zu ihm kein Makroökonom, und vielleicht bin ich selbst ein Opfer neoliberaler Meinungsmache? Ich finde jedenfalls, man sollte seine eigenen Meinungen von Zeit zu Zeit darauf abklopfen, ob sie auch wirklich die eigenen sind. Womöglich vertritt man sie nur, weil „Alle“ sie vertreten, insbesondere die „Eliten“, und die müssen es ja wissen, nicht wahr?

Müller empfiehlt, wie ich selbst auch, die Übermacht der Meinungsmacher durch Nutzung des Netzes zu konterkarieren, und unterhält zu diesem Zweck die NachDenkSeiten. Sein Buch ist ungeachtet einiger Schwächen gerade für Konservative lesenswert: weil man manche Sachverhalte klarer sieht, wenn sie einmal nicht anhand der eigenen Lieblingsthemen erläutert werden; und weil man gerade an der Auseinandersetzung mit sozialistischen Positionen merken kann, wie sehr man unter Umständen selber auf der Basis von neoliberalen Annahmen argumentiert, die man nicht wirklich kritisch überprüft hat.

 

 

 

 

Martin Sellner und Manfred Kleine-Hartlage im Gespräch über die Lage der Nation

Martin Sellner und ich sprechen über den aktuellen Stand des Ukrainekrieges, die möglichen weiteren innen- und außenpolitischen Entwicklungen und die strategischen Optionen der Opposition. Reinhören, es lohnt sich:

Lerne vom Genossen Lenin, Sahra!

Die Kartellpresse schäumte, als Sahra Wagenknecht 2016 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Doppelinterview mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry gab und es dabei versäumte, Petry in jedem nur erdenklichen Punkt zu widersprechen.

Es wäre auch schwer möglich gewesen: Realitäten wie etwa die, dass supranationale Organisationen wie die EU von unten nicht kontrollierbar sind, Abkommen wie TTIP die demokratische Selbstbestimmung untergraben und Masseneinwanderung von einer bestimmten Größenordnung an jedes Staatswesen ruinieren muss, kann man nicht mit ideologischen Phrasen aus der Welt schaffen.

Insofern gab es in der Tat eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen Petry und Wagenknecht, nämlich dass beide sich darüber im Klaren waren, dass politische Programme etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben müssen, und genau diese Ansicht (obgleich eine Selbstverständlichkeit) stempelte jeden, der sie vertrat, zum ideologischen Abweichler in Merkels Wir-schaffen-das-Republik, in der die blinde Bejahung kindischer Illusionen als staatstragende Tugend propagiert wurde.

[Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels, der erstmals in der Compact 12/2016 erschien. Angesichts der Ausladung Sahra Wagenknechts von einer Kundgebung ihrer eigenen Partei (siehe diesen offenen Brief von Jürgen Elsässer) ist er aktueller denn je.]

Erwartungsgemäß hat sich daran unter dem neuen Bundeskanzler Scholz nicht nur nichts geändert. Vielmehr wird all das, was die BRD unter Merkel zur Katastrophenrepublik machte, unter Scholz in atemberaubender Weise auf die Spitze getrieben.

Die öffentliche Verbreitung dieser Illusionen hat allein den Zweck, die neoliberale Politik des Establishments gegen Kritik abzuschirmen. Dazu drischt man gern auch linke Phrasen. Wir sollen glauben, der Nationalstaat werde nicht etwa zu Gunsten winziger Interessengruppen entmachtet, damit diese hinter den verschlossenen Türen der EU, des IWF, der WTO etc. ungestört ihren lichtscheuen Machenschaften nachgehen können, sondern weil es „nationalistisch“ wäre, ihnen gegenüber das Recht auf demokratische Selbstbestimmung einzufordern. Die diversen Euro- und Bankenrettungen, auch auf Kosten ganzer Volkswirtschaften, dienen nicht etwa der Bereicherung einer Handvoll Kapitaleigner von Großbanken, sondern dem „Frieden in Europa“. Die Überflutung Europas mit Einwanderern dient nicht etwa dazu, das neoliberale Programm umzusetzen, zu dem – und zwar zentral – die uneingeschränkte Mobilität aller Produktionsfaktoren einschließlich des Faktors „Arbeitskraft“ gehört, um die Löhne zu drücken und den Sozialstaat bis zu dessen Zusammenbruch zu überlasten; sondern dazu, „Schutzsuchenden zu helfen“ – deren Schutzbedürftigkeit, sofern im Einzelfall vorhanden, von Angriffskriegen derselben Politiker herbeigeführt wurde, die sich nun zu Anwälten der „Schutzsuchenden“ aufschwingen. Ein Schuft, wer da einen Zusammenhang sieht.

Die politische Linke sieht ihn nicht oder hält ihn für zweitrangig. Ich glaube nicht, dass es jemals zuvor eine Generation von „Linken“ gegeben hat, um deren Kritik- und Analysefähigkeit es so schlecht bestellt war wie um die der heutigen, die sich von der herrschenden Klasse am Nasenring sentimentaler Phrasen durch die Manege führen lässt, die mit der forcierten Masseneinwanderung das wichtigste Einzelprojekt des neoliberalen Programms bejubelt und das Lob und die Unterstützung durch das gesamte Establishment – von deutschen Arbeitgeberverbänden bis hin zum Weißen Haus – wie eine Selbstverständlichkeit entgegennimmt, ohne darüber nachzugrübeln, wie man als „Kapitalismuskritiker“, „Antiimperialist“ oder gar „Revolutionär“ eigentlich zu so komischen Freunden kommt. In einer solchen politischen Umgebung muss eine Sahra Wagenknecht ihren Genossen schon deshalb peinlich sein, weil sie deren Unbedarftheit und geistige Korruption durch ihr bloßes Format unfreiwillig, aber gnadenlos offenlegt.

Damit soll selbstverständlich nicht behauptet werden, die Mitläufer des Mainstreamkonservatismus, politisch repräsentiert durch die Unionsparteien, seien irgendwie klüger. Die Phrasen, mit denen man sie einfängt, sind andere, aber sie sind nicht weniger plump. Die „Querfront“ von Links und Rechts, vor der die denunziationsfreudigen Schreibkreaturen des Establishments nicht genug warnen können – es gibt sie schon längst, nämlich innerhalb dieses Establishments selbst. In der politischen Klasse sind in der Tat alle klassischen politischen Richtungen vertreten, aber in einer seltsam kastrierten Form: Alles, was an sozialistischer, an liberaler, an konservativer Ideologie irgendwie fruchtbar war, wurde abgeschnitten und nur das Fragwürdigste übriggelassen – der linke Hang zu destruktivem Revoluzzertum um seiner selbst willen, die liberale Vergötzung des Marktes, die Unterwürfigkeit Konservativer gegenüber etablierter Macht. Alles andere und vor allem das Wertvolle, nämlich der Emanzipationswille der Linken, der Freiheitsdrang der Liberalen, der Bewahrungswille der Konservativen wird mitsamt seinen Trägern aus dem politisch-medialen Komplex hinausgedrängt, damit das dort verbleibende Kartell serviler Palasteunuchen ungestört seinen Auftrag erfüllen kann.

Dieser Auftrag, darüber lässt man uns keineswegs im Unklaren, man kleidet es nur in gefälligere Worte, besteht darin, alle Hindernisse zu beseitigen, die einem ungehemmten Globalkapitalismus, letztlich also der uneingeschränkten Herrschaft einer winzigen Oligarchie im Weltmaßstab, entgegenstehen. Zu diesen Hindernissen gehören alle solidaritätsstiftenden Strukturen, insbesondere sofern sie stark genug zu politischem Widerstand sind, in erster Linie also der Nationalstaat. Dessen Auflösung – von oben durch Kompetenzentzug zugunsten supranationaler Organisationen, von unten durch Untergrabung der ethnischen und kulturellen Basis – gehört mithin zentral zum neoliberalen Programm, und Linke, die dies nicht sehen, sind die besten Pferde im Stall ihrer vermeintlichen Gegner.

Der Scheinpluralismus innerhalb der politischen Klasse dient ausschließlich dazu, mit einer auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichteten Phraseologie Akzeptanz für diese Politik zu schaffen, eine grundsätzliche Opposition dagegen aus dem politischen Betrieb herauszuhalten. Diese politische Klasse hat sich also so positioniert, dass sie zu etwas anderem als dem organisierten Betrug an Wählern aller Richtungen grundsätzlich unfähig ist. Ein Machtkartell, dessen Ideologie ihm geradezu verbietet, die Interessen der eigenen Nation wahrzunehmen, kann gar nicht anders, als das eigene Land zu zerstören, um der globalen Oligarchie seine Überreste als Verfügungsmasse zu apportieren.

Die Perversion jeder politischen Ideologie und die Ausgrenzung ihrer genuinen Anhänger führt ganz von selbst dazu, dass diese echten Sozialisten, Liberalen und Konservativen, an die politische Peripherie gedrängt, dort über kurz oder lang oppositionell werden. Sie führt ferner dazu, dass diese Opposition – spiegelbildlich zum Establishment – in sich das gesamte politische Spektrum enthält und sich damit, zumindest dem Potenzial nach, bereits in der Oppositionsphase als Keimform einer Gegenrepublik konstituieren kann – nicht, um das Grundgesetz auszutauschen, sondern um das regierende Kartell durch alternative politische Eliten zu ersetzen.
Eine solche Koalition in der Opposition bedeutet nicht die Suspendierung des politischen Streits. Sie bedeutet lediglich, sich darauf zu besinnen, dass Demokratie im Kern auf einem Burgfrieden zwischen Links und Rechts beruht, bei dem über die Hausordnung in der Burg gestritten wird, aber Konsens darüber besteht, dass die Burg stehenbleibt. Es schadet dabei nicht, dass Rechte und Linke unterschiedliche Akzente setzen: Um bei diesem Bild zu bleiben, werden Rechte um der Existenz der Burg willen notfalls eine linke Hausordnung, Linke um der Chance auf eine emanzipatorische Hausordnung willen die Existenz der Burg in Kauf nehmen.

Eine solche Entwicklung liegt in der Logik der Situation. Sie wird aber nicht zwangsläufig (und vor allem: nicht zwangsläufig rechtzeitig!) eintreten. Sie setzt voraus, dass jede der oppositionellen Fraktionen zwischen sich und der jeweils „eigenen“ Fraktion des Establishments das Tischtuch zerschneidet und die entscheidende Frontlinie nicht zwischen Rechts und Links, sondern zwischen Kartell und Opposition zieht.

Die rechte Opposition hat es längst getan. Wann endlich tut es die linke?

Die Ergebnisse von Sahra Wagenknechts Vorstößen stimmen leider wenig zuversichtlich: Ihre Partei wird ihr nicht folgen. Der Typus des degenerierten BRD-Linken, der repressive Strukturen lieber in der deutschen Grammatik als in der Politischen Ökonomie des globalen Kapitalismus sucht und lieber gefahrlos „gegen Rechts“ als gegen die herrschende Klasse kämpft, stellt auch in der Linkspartei die Mehrheit dar und sorgt dafür, dass die Partei – nicht ohne Murren, aber letztlich doch folgsam – den Kartellparteien hinterhertrottet.

Wenn Wagenknecht in unserem Land wirklich etwas ändern und der politischen Klasse auf deren Wahnsinnskurs in den Arm fallen will, dann sollte sich der politisch nicht mehr zu rechtfertigenden Bindung an diese Leute entledigen und sich, wie der Genosse Lenin, von allem trennen, was ihr nicht folgt. Auch von ihrer Partei.

 

Bücherbann in Großbritannien

Wie Tichys Einblick schreibt, haben zehn britische Universitäten, damit begonnen, Ihre Bibliotheken von Büchern zu säubern, die „verstörend“ wirken könnten:

Zu den zehn Universitäten gehören auch drei der „Russell-Group“, die 60 Prozent aller Promotionen im Königreich vergibt und führend im Bereich der Exzellenz-Universitäten ist. Ein Buch kann auf die schwarze Liste geraten, wenn es die Themen Sklaverei oder Selbstmord darstellt. Aber auch vor Sex bewahren die Professoren ihre Studenten – gründlicher als die Sittenwächter der 50er Jahre.

Die Universitäten entfernen die Bücher von den Leselisten oder versehen sie mit „Triggerwarnungen“.

Es passt ins Bild, dass die meisten Universität versuchten, die Berichterstattung nach Kräften zu behindern. Die Zensur soll stattfinden, aber merken soll es keiner, damit man die wenigen, die es doch bemerken, als „Verschwörungstheoretiker“ lächerllich machen kann.

In meinem Buch „Systemfrage“ schrieb ich zu diesem Thema:

Zensur als Norm

Systemfrage. Vom Scheitern der Republik und dem Tag danach. Verlag Antaios.
Broschur, 240 Seiten
18,00 € *

Es trifft zu, daß das Grundgesetz bereits in seiner ursprünglichen Version und korrekten Auslegung von einem gewissen Mißtrauen gegenüber der politischen Urteilsfähigkeit des Volkes geprägt ist – nach den Erfahrungen der vorangegangenen dreißig Jahre hatte man dazu sicherlich auch Gründe. Dieses Mißtrauen schlug sich nieder in der Ausgestaltung der Demokratie als strikt repräsentativer Demokratie unter weitgehendem Verzicht auf plebiszitäre Elemente. Auch der Aspekt der „wehrhaften Demokratie“ mit all seinen bedenklichen Seiten gehört in diesen Kontext.

Was aber nicht dazu gehört, ist die paternalistische Bevormundung jedes einzelnen Bürgers, ist die Ausdehnung der Prinzipien des Jugendschutzes auf den Umgang mit Erwachsenen. In einer demokratischen politischen Kultur muß der Staat hohe Hürden überwinden, wenn er publizistische Angebote unterbinden, sprich Zensur üben will, weil eine Bürgerschaft, die ihre Rechte zu wahren entschlossen ist, darauf achtet, daß er nicht unter diesen Hürden hindurchschlüpft. In einer solchen Kultur käme es auch niemandem in den Sinn, privaten Akteuren eine Zensorenrolle zuzuschreiben oder dies zu dulden.

In der politischen Kultur der BRD aber ist die Frage, was der Staat (ausnahmsweise) zu verbieten verpflichtet ist, von der entgegengesetzten Frage verdrängt worden, was der Bürger überhaupt veröffentlichen darf. Weit über den politisch-ideologischen Bereich hinaus hat sich eine Mentalität breitgemacht, wonach nicht die Zensur, sondern die Freiheit unter Rechtfertigungszwang steht. In einer solchen Kultur sind auch und gerade Künstler und Intellektuelle bereit, Zensur nicht nur zu dulden, sondern auch gutzuheißen und sogar von sich und anderen Selbstzensur zu fordern.

Wie tief dieser Ungeist schon verbreitet ist, kann man am Umsichgreifen sogenannter „Triggerwarnungen“ in belletristischen Texten ablesen, zum Beispiel: „Dieses Buch kann auf Menschen verstörend wirken, die in ihrem Leben Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen machen mußten.“ Es klingt ein bisschen wie die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln („Rauchen gefährdet ihre Gesundheit!“), nur daß diesmal keine staatliche Instanz dazu aufgefordert hat, sondern die Autoren von sich aus vor ihren eigenen Büchern warnen. Solche Autoren trauen dem Leser offenbar nicht einmal das bisschen Mündigkeit zu, nach traumatischen Gewalterfahrungen nicht ausgerechnet zu einem Horrorthriller zu greifen!

Das Problem dabei ist, daß hier das Prinzip eingeübt wird, die Freiheit der Kunst unter den Vorbehalt zu stellen, daß niemandem wehgetan werden darf. Nach diesem Maßstab hätte praktisch kein auch nur halbwegs bedeutendes Werk der Literaturgeschichte ohne Triggerwarnung erscheinen können. Was bedeutet es, wenn dies erst einmal auf breiter Front praktiziert wird?

Erstens: Literatur und Kunst werden auf die Dauer vorrangig unter dem Aspekt ihrer möglichen verstörenden Wirkung betrachtet und letztere von vornherein negativ bewertet. Es wirkt wie ein großes Warnetikett „Lesen gefährdet ihre seelische Gesundheit!“. Nun wohnt aber jeder Kunst, die mehr als seichte Unterhaltung und oberflächliche Affirmation bieten will, ein gewisses „verstörendes“ Potential inne, das macht geradezu ihr Wesen aus. Den Leser davor zu warnen, heißt ihn zu verleiten, der Auseinandersetzung gerade mit unbequemer Kunst und der damit verbundenen Chance auf persönliche Reifung aus dem Weg zu gehen. Im obigen Beispiel etwa wäre allein das Wort „Diskriminierung“ wegen seiner mutmaßlichen ideologischen Schlagseite für mich ein Grund, das Buch nicht zu lesen, mir damit aber auch die darin möglicherweise enthaltenen literarischen Qualitäten und neuen Gesichtspunkte entgehen zu lassen, und die meisten Leser dürften solche oder andere Vorurteile hegen. Am Ende liest jeder nur noch, was ihn nicht aus seiner Komfortzone zwingt.

Zweitens: Irgendwann wird diese Art von Selbstzensur, wenn sie nur häufig und allgemein genug praktiziert wird, auch allgemein erwartet werden, und folglich wird sich das vermeintliche moralische Gebot in ein gesetzliches verwandeln. Wer nicht bereit ist, vor seinen eigenen Büchern zu warnen, oder es dabei an Pedanterie fehlen läßt, wird sie wieder einstampfen müssen oder gar nicht erst drucken lassen können.

Drittens: Um solchen Konsequenzen zu entgehen, werden Autoren und Verlage zur Selbstzensur greifen und alles vermeiden, was irgendwie „verstörend“ sein könnte, oder von vornherein „Triggerwarnungen“ als komplette Inhaltsangaben anlegen, nach deren Lektüre man sich die des jeweiligen Buches eigentlich sparen kann.

Zuerst will man also dem Leser die Freiheit der Wahl geben, am Ende hat man die des Autors geopfert. Zuerst will man nur ein bisschen Rücksicht nehmen: und zwar auf die verschwindend kleine Minderheit von Lesern, die wegen einer bloßen literarischen Darstellung eine Re-Traumatisierung zu erleiden drohen; am Ende steht für alle Leser eine bedeutungslose Literatur.

Entsprechendes gilt für das sogenannte „Sensitivity Reading“, und wer die Sprache der BRD und ihren speziellen Umgang mit Anglizismen kennt, wird jetzt zu Recht stutzen:

Wie beim „Gender Mainstreaming“, also der Geschlechtergleichmacherei, und beim „Diversity Management“, also beim Durchwursteln durch selbsterzeugte multikulturell bedingte Probleme hört sich „Sensitivity Reading“ irgendwie besser an als das, was gemeint ist: nämlich Texte so lange durchzukämmen, bis alles aus ihnen entfernt ist, was die angeblichen oder auch Empfindlichkeiten von Berufsbetroffenen tangieren und sie zu einem Kesseltreiben (neudeutsch: Shitstorm) gegen Autor und Verlag veranlassen könnte.

Mancher wird jetzt fragen, ob dieses Thema denn so wichtig sei, daß es so ausführlich behandelt werden müsse. Ja, es ist in der Tat so wichtig:

Zum einen sind Künstler und Intellektuelle, einschließlich Literaten, Multiplikatoren, deren Mentalität die der Gesellschaft wesentlich mitprägt. Es sollte daher niemanden kaltlassen, wenn eine Autorin, explizit angesprochen auf drohende Zensurgefahren, antwortet „Ich bin sehr für eine verpflichtende Triggerwarnung. Gute Idee!“ – und damit möglicherweise eine Mehrheit ihres Berufsstandes repräsentiert. Muß ich ausführlich begründen, daß und warum eine Gesellschaft, die solche Künstler und Literaten hat, auf die Dauer keine freie Gesellschaft bleiben kann?

Zum anderen ist die Bevormundung des Lesers – selbstredend nur zu dessen eigenem Besten – Teil eines Trends, der das Prinzip der Selbstverantwortung durch das Prinzip des gegenseitigen Betüddelns ersetzt; durch eine „Solidarität“, die gegen die Freiheit ausgespielt wird und ihr am Ende des Garaus machen wird.

 

(Bildquelle für Kopfbild: StockSnap auf Pixabay)