Das linke Boulevardblatt „Berliner Kurier“, nie verlegen um hetzerische Schlagzeilen (z.B. „Sarrazin: Reich durch Hetze“), wenn es der Auflage dient, weiß in ihrer heutigen Druckausgabe gar Erschröckliches zu berichten, und zwar als Schlagzeile auf Seite 1:
Schauspieler, Politiker, Linke, Journalisten …
Nazis führen Hass-Liste gegen 142 Berliner
[und weiter auf Seite 5:]
BERLIN –
Sie sind gewaltbereit, sie sind hasserfüllt und sie sind gut organisiert: Berliner Neonazis. Nach außen hin tarnen sie sich mit unauffälliger Kleidung, doch intern ist die Szene militanter denn je. In Berlins rechtsradikalem Untergrund kursiert eine Liste, auf denen sogenannte „Volksfeinde“ aufgezählt werden: Politiker, Schauspieler, Linke, Journalisten – teils mit Fotos und Adressen.„Recherche und Aktivitäten von Linkskriminellen aus Berlin“, lautet der Titel der Hass-Liste. Erstellt wird sie von einer rechtsradikalen Gruppe, die sich selbst „Nationaler Widerstand“ nennt. Auf ihrer Internetseite präsentieren die Macher Fotos und Adressen von linken Wohnprojekten, alternativen Cafés und Einrichtungen. Dazu der Hinweis: „Die Betreiber freuen sich bestimmt über Gastgeschenke.“
(…)
Zwar ist die Internet-Seite des „Nationalen Widerstands“ seit Anfang Mai offiziell verboten worden. Da die Gruppe jedoch Verbindungen in die USA hat, ist die Seite und damit auch die Hass-Liste über Umwege weiterhin zu erreichen.
Sofern damit die Seite „Chronik Berlin – wir nennen die Täter beim Namen“ gemeint ist, ist sie in der Tat leicht zu erreichen, weil sie bei logr.org, einem öffentlichen Bloganbieter aus den USA, gehostet ist. „Verbindungen in die USA“ (Hilfe, ein internationales Nazi-Netzwerk!) muss man für einen solchen Blog nicht mehr haben, als irgendein wordpress.com- oder blogspot.com-Blogger hat.
Dass der Berliner Kurier tatsächlich von dieser Seite spricht (eine URL gibt er ja nicht an), erschließt sich aus ihrem auch vom Kurier zitierten Untertitel „Recherche und Aktivitäten der Linkskriminellen aus Berlin“.
Das ist aber auch das Einzige, was im Kurier (halbwegs) richtig zitiert ist (sofern es tatsächlich die gemeinte Seite ist): Weder findet sich über die Suchfunktion das Wort „Volksfeinde“, noch „Nationaler Widerstand“, noch „Gastgeschenke“. Adressen von Einzelpersonen, wie vom Kurier behauptet, konnte ich bei der ersten stichprobenartigen Durchsicht auch nicht finden.
Vor allem aber verschwiegt der Kurier eines: Das Wort „Linkskriminelle“ wird von den Betreibern nicht etwa in einem politisch-polemischen Sinne gebraucht (im politischen Sinne wäre „linkskriminell“ im Zeitalter des kalten Genozids am deutschen Volk und des kalten Staatsstreichs gegen die freiheitliche Demokratie geradezu eine Tautologie), sondern exakt im strafrechtlichen Sinne des Wortes.
Alle Einträge, die ich gelesen habe (OK, ich habe nicht alle gelesen), beziehen sich auf gewaltsame bzw. rechtswidrige Aktionen der politischen Linken. Namhaft gemacht werden sowohl direkt Beteiligte als auch Leute, die diese Aktionen politisch unterstützen.
Beim besten Willen: Ich kann nichts Verwerfliches daran finden, diese Leute beim Namen zu nennen und öffentlich anzuprangern, die ihre politischen Ziele mit Gewalt verfolgen (lassen). Und wer den Bürgerkrieg will, darf sich nicht beschweren, wenn er ihn bekommt.
Wohl aber finde ich verwerflich, wenn eine Zeitung, noch dazu bei ihrer Titelstory, diesen Hintergrund verschweigt und so tut, als hätten wir es hier mit Unschuldslämmern zu tun, die bloß ihrer politischen Meinung wegen von „gewaltbereiten, hasserfüllten Nazis“ verfolgt werden.
[Nachtrag 2.7.11.: Prospero weist in untenstehendem Kommentar Nr.1 auf eine andere Webseite hin, die der Berliner Kurier womöglich gemeint haben könnte. Sofern dies der Fall sein sollte, ziehe ich den Vorwurf des Falschzitats zurück – aber nur diesen.]