Wenn auch mein Vertrauen in die Standfestigkeit des Bundesverfassungsgerichtes beträchtlich gelitten hat: Hin und wieder waltet es doch seines Amtes und legt den inquisitorischen Neigungen von Teilen des Staatsapparates Zügel an.
Im konkreten Fall ging es um einen verurteilten Straftäter aus der extrem rechten Szene, dem im Zuge der Führungsaufsicht auferlegt worden war, fünf Jahre lang kein rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten.
Da in weiten Kreisen die Vorstellung herrscht, die Meinungsfreiheit gelte nicht für Systemgegner, jedenfalls nicht für rechte Systemgegner, halte ich die Kernsätze des Beschlusses für zitierenswert:
Die angegriffene Weisung ist unbestimmt und schon deswegen unverhältnismäßig.
Das dem Beschwerdeführer auferlegte Publikationsverbot erstreckt sich allgemein auf die Verbreitung von nationalsozialistischem oder rechtsextremistischem Gedankengut. Mit dieser Umschreibung ist weder für den Rechtsanwender noch für den Rechtsunterworfenen das künftig verbotene von dem weiterhin erlaubten Verhalten abgrenzbar und damit im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch nicht hinreichend beschränkt. Schon bezüglich des Verbots der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts lässt sich dem Beschluss des Oberlandesgerichts nichts dazu entnehmen, ob damit jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können. Erst Recht fehlt es dem Verbot der Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts an bestimmbaren Konturen. Ob eine Position als rechtsextremistisch – möglicherweise in Abgrenzung zu „rechtsradikal“ oder „rechtsreaktionär“ – einzustufen ist, ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Ihre Beantwortung steht in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen, die Abgrenzungen mit strafrechtlicher Bedeutung (vgl. § 145a StGB), welche in rechtsstaatlicher Distanz aus sich heraus bestimmbar sind, nicht hinreichend erlauben. Die Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts ist damit kein hinreichend bestimmtes Rechtskriterium, mit dem einem Bürger die Verbreitung bestimmter Meinungen verboten werden kann.
Das Gericht hat klar erkannt, dass der Begriff „rechtsextremistisch“ eine Tendenz zur wundersamen Selbstausweitung hat.
Unverhältnismäßig sind jedenfalls an Meinungsinhalte anknüpfende präventive Maßnahmen, die den Bürger für eine gewisse Zeit praktisch gänzlich aufgrund seiner gehegten politischen Überzeugungen von der – die freiheitlich demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierenden – Teilhabe an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ausschließen; … .
Hieran gemessen ist die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Indem sie dem Beschwerdeführer für fünf Jahre uneingeschränkt jede publizistische Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts verbietet, hindert sie ihn unabhängig von besonderen Situationen, in denen eine erhöhte Gefährdung zur Begehung von Straftaten besteht, generell an einer elementaren Form der Meinungsverbreitung zu vielen oder potentiell auch allen den Beschwerdeführer interessierenden politischen Problemen. Im Ergebnis macht sie es damit dem Beschwerdeführer – abhängig von seinen Ansichten – in weitem Umfang unmöglich, überhaupt mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Dies ist mit der Meinungsfreiheit nicht vereinbar.
Sind wir in den Augen unserer Gegner nicht alle „rechtsextrem“? Wisnewski schreibt bei KOPP über die „islamfeindliche“ und „rechte“ Partei „Die Freiheit.“ Ich meine, wenn die in ihrem Distanzierungswahn schon das Prädikat kriegen, was ist dann mit uns, die sich nicht von allem und jedem gleich distanzieren? Das Urteil begrüße ich natürlich. Es bleibt abzuwarten wie das BverfG auf die Ausweitung von § 130 reagiert. Da sehe ich auch die Meinungsfreiheit gefährdet, bzw. noch mehr eingeschränkt als sie das ohnehin schon ist.
Wer Neujahr verschlafen hat, hier klicken:
http://kairostheos.blogspot.com/2011/01/verspatete-neujahrsansprache-von-kairos.html
Ich pinkele ja nicht gerne auf die Hochzeitstafel (wenn man mir die rustikale Ausdrucksweise gestatten möge), aber für Euphorie haben wir trotz allem keinen Grund.
Was war denn mit dem Hotelier der einem (so weit mir bekannt ist) Privataufenthalt von NPD-Chef Udo Voigt in einem Wellness-Hotel in Brandenburg per Hausverbot einen Riegel vorschob. Wenn ich ein Hotel hätte und das gleiche bei einem bekennenden Schwulen, einer bekennenden Lesbe oder einem Moslem machen würde, dann würde ich verklagt werden das mir Hören und Sehen vergeht.
Daß das BVG hier einmal für einen Rechten entschieden hat ist ein Sonderfall. Doch wir sollten uns nicht täuschen, die übrigen Gerichte werden lustig so weitermachen wie bisher. Und die Richter sind sich des Beifalls der Politik sicher.
Genauso einzuordnen ist die Aktion „Kein Bier für Nazis“. Wie war das noch mit dem Spruch „Wer Jude ist bestimme ich“? Heute heißt es: „Wer Nazi ist bestimmen wir! Ihre freundliche AntiFa aus der Nachbarschaft.“ Und im Gegensatz zu diversen „Randgruppen“ (Schwule, Lesben, Moslems, usw.) stehen wir „Nazis“ nicht unter Schutz.
Vorschlag: Einrahmen, an die Wand hängen – und als Benchmark benutzen, um daran den Verfall der unabhängigen Justiz in den nächsten 10 Jahren zu messen.
Allzuviel ist ungesund
In extremer Form durchgesetzt, führt jedes Prinzip zum Sieg seines Gegenteils;
sogar Mißbrauch wird zum Förderer des Fortschritts;
größter Triumph ist der Beginn der Niederlage.
s. Johann Jakob Bachofen
1815 – 1887
Ausnahmerecht ?
„Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr`s nicht aus, so legt was unter“, schrieb Goethe. Jede seriöse GG-Interpretation findet ihre Grenze am Wortlaut der Norm, so besagt eine Regel der juristischen Methodenlehre. „Contra legem“ zu urteilen wird zwar für möglich gehalten, doch nur in erklärten Ausnahmefällen. Zwingende Gründe, die ein solches Ausnahmerecht rechtfertigen könnten, führte das BVG in seiner letztinstanzlichen Entscheidung vom 4. November 2009 zum Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel, nicht an. Seine These von der immanenten Schranke steht am Ende einer Interpretation, die den Wortlaut von Artikel 5 überspielt. Fortan brauchen gewisse Gesetze, wenn sie nur ordentlich gegen Neonazi gerichtet sind, nicht „allgemein“ zu sein. Das weit in die Entstehungsgeschichte ausholende Argument, das sich in seiner Gesamtbetrachtung über Sinn und Zweck, über Wesen und Identität des GG (der „Verfassung“) ergeht, überzeugt nicht. Aussagen wie die, Artikel 5 wolle die Anwendung von Sonderrecht gegen Volksverhetzung „nicht ausschließen“, sind zirkulär. Mehrfach klingt in der Entscheidung die These von der Singularität der Naziverbrechen an. Das Verbot von meinungsbeschränkenden „Sonderrecht“ könne für diese einzigartige Konstellation, behaupten die Verfassungsrichter, hier „keine Geltungsansprüche“ haben. So und ähnlich lautet das hypermoralisch aufgegipfelte Leitmotiv, der tragende Grund, der Entscheidung. Dieser ist jedoch, weil pauschal und geschichtsideologisch einseitig ausdeutend, alles andere als überzeugend. Man mag die im sog. Historikerstreit von 1986 f in alle Richtungen diskutierte These von der „Singularität der Naziverbrechen“ vetreten, doch rechtfertigt sie nicht den daraus abgeleiteten juristischen Schluß, Konflikte um rechtsextreme Propaganda seien mit herkömmlichen, für die Meinungsfreiheit entwickelten Regeln nicht zu erfassen. Die „gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung“ des NS-Regimes könne „allein auf der Grundlage allgemeingesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden“, heißt es in einer sonderbaren Formulierung des BVG. Soll dies bedeuten, das singuläre NS-Verbrechen gebietet auch die Anwendung singulärer, gleichsam übergesetzlicher Maßstäbe gegen seine nachgeborenen Sympathisanten? Man beginnt zu ahnen, wie heillos sich „Vergangenheitsbewältigung“ und juristisches Handwerk bereits verwirrt haben.