Was wählen wir?

Der schleichende Selbstmord der Völker Europas, die Islamisierung ihrer Länder und der Niedergang ihrer Kultur sind kein unabwendbares Schicksal, sondern Ergebnis einer Politik der Entnationalisierung, Entchristlichung, Entstaatlichung, Entgrenzung, Entwaffnung, Entdifferenzierung, Entzivilisierung, kurz: Entstrukturierung der Gesellschaft.

Nicht alle diese Entwicklungen sind primär politisch verursacht: Der Niedergang religiöser Bindungen, die wachsende internationale Verflechtung oder die zunehmende Bedeutung von Selbstentfaltungs- im Gegensatz zu Pflichtwerten, um nur einige der problematischen Entwicklungen zu nennen, sind von der Politik nicht in Gang gesetzt worden. Verantwortlich ist die Politik aber dafür, wie sie sich zu diesen Entwicklungen verhält.

Es ist nämlich alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass die europäischen Funktionseliten (nicht nur die Politik) auf diese Entwicklungen mit einer unkritisch affirmativen Ideologie reagieren, derzufolge die Einebnung der staatlichen Autorität, die Auflösung der christlichen Religion, die Inflationierung von Ansprüchen an die Allgemeinheit, die Unterminierung militärischer Fähigkeiten, die Einebnung sozialer Unterschiede aller Art, die Aufhebung von nationalen Grenzen und die demographische Zerstörung der europäischen Völker Aspekte einer ebenso wünschenswerten wie unabwendbaren Entwicklung darstellten.

Noch weniger ist es selbstverständlich, dass diese Ideologie innerhalb der genannten Funktionseliten den Rang einer unanfechtbaren letzten Wahrheit einnimmt, die man nicht anzweifeln kann, ohne bestenfalls als Sozialromantiker abgestempelt zu werden (oder auch als einer jener „Menschen“, deren „Ängste man ernstnehmen“, und das heißt: als Problem und Hindernis überwinden und beseitigen muss).

Geistiger Fluchtpunkt dieser Ideologie ist die Utopie einer globalen Gesellschaft, in der es solche Dinge wie Völker, Nationen, Kulturen und Religionen, aber auch Familien, nicht mehr geben wird, in der soziale Bindungen nur noch freiwillig und selbst dann noch unverbindlich eingegangen werden, in der alle Grenzen und Unterschiede – und das heißt jegliche Struktur beseitigt sind. Eine Gesellschaft, die es nie geben wird, weil Gesellschaft auf Solidarität basiert, Solidarität auf der Reziprozität von Erwartungen, diese Reziprozität aber auf der Dauerhaftigkeit von Strukturen.

Dabei ist der Unterschied zwischen Liberalen und Sozialisten marginal. Irgendeine Struktur muss man eben doch übriglassen: Die Liberalen lassen diejenigen Differenzierungen bestehen, die bei leistungsgerechter Verteilung entstehen, schaffen dabei aber den Staat weitgehend ab, die Sozialisten nivellieren die Verteilung und lassen zu diesem Zweck Reststrukturen des Staates übrig – freilich nur des Sozial-, nicht etwa des Ordnungs- oder Rechtsstaates. Es ist unerheblich, welche der beiden Katastrophenideologien am Ende die Nase vorn haben wird; einig sind sie in der Destruktion, aber verwirklicht wird weder die eine noch die andere.

Als die Kommunisten die gesellschaftlichen Strukturen – Staat, Eigentum, Nation, Familie, Kirche – zerschlugen, mussten sie den sozialen Zusammenhang auf die denkbar gröbste Weise, nämlich durch Errichtung eines totalitären Gewaltsystems, wiederherstellen. Den Globalisten wird diese Mühe erspart bleiben. Das totalitäre Gewaltsystem, das die globalistische Gesellschaft re-strukturieren wird, steht schon bereit. Es nennt sich Islam und absolviert zur Zeit in den zerstörten Ländern Afrikas und Asiens (Somalia, Irak, Afghanistan) die letzten Probeläufe.

Was kann man tun, um diese Entwicklung aufzuhalten? Da der Globalismus ein Elitenphänomen ist, gilt es, die Eliten zu beeinflussen bzw. auszutauschen. In einer Demokratie geschieht so etwas durch Wahlen. Womit wir beim Thema wären.

Gehen wir realistischerweise davon aus, dass der in Gestalt der Unionsparteien etablierte politische „Konservatismus“ in Zukunft zur Bekämpfung des Globalismus genauso viel leisten wird wie in der Vergangenheit. Nämlich nichts. Es handelt sich bei diesem Konservatismus um genau das, was der amerikanische Essayist James Kalb „Mainstreamkonservatismus“ genannt hat. Der Mainstreamkonservative vertritt nicht etwa religiöse oder patriotische Überzeugungen. Er vertritt diejenigen Überzeugungen, die ihn als Mitglied bzw. potenzielles Mitglied der gesellschaftlichen Funktionseliten ausweisen. Er wird den dort herrschenden ideologischen Comment natürlich nicht mit kühnen Visionen erschüttern – das ist das „Konservative“ an ihm. Er wird aber stets ängstlich darauf achten, „mit der Zeit zu gehen“, um nicht als „rückschrittlich“ zu gelten. Dabei kümmert ihn nicht groß, dass es seine linken Gegner sind, die bestimmen, was die „Zeichen der Zeit“ sind, die er dann nur noch zu „erkennen“ hat. Der Mainstreamkonservative ist in der Kritik so schwach wie in der Apologetik; das Beeindruckendste an ihm ist nicht der Kopf, sondern der Hintern, mit dem er Karrierepositionen im wahrsten Sinne des Wortes „besetzt“.

Die sich verdichtenden Anzeichen für die Kapitulation des Mainstreamkonservatismus vor der Islamisierung setzen nur noch den Punkt aufs i. Wahrscheinlich werden wir auch weiterhin Lippenbekenntisse zum Christentum und zum Patriotismus, auch zu Recht und Ordnung zu hören bekommen – zu den Funktionen des Mainstreamkonservatismus gehört es, von Zeit zu Zeit markige Sprüche zu klopfen, um die vielzitierte „Lufthoheit über den Stammtischen“ nicht zu verlieren und sicherzustellen, dass der hintergangene Normalbürger sich in der Illusion wiegt, „seine“ Partei, also die Union, wolle dasselbe wie er. Zu bedeuten haben diese Sprüche so viel wie die von Roland Koch über kriminelle Ausländer. Derselbe Roland Koch hängt jetzt dem Djihadisten Erdogan einen Orden um.

Da die Union also als Option ausscheidet, führt kein Weg daran vorbei, eine der kleinen rechtsalternativen Parteien ins Rennen um die Macht zu schicken. Welche? Es gibt keine, die sich auf den ersten Blick aufdrängt. Wohl aber gibt es Kriterien, die die Entscheidung erleichtern, und die mich, soviel sage ich jetzt schon, zu einer klaren Empfehlung führen werden:

Die jetzt bevorstehende Wahl ist eine Europawahl, und naturgemäß richtet sich der Fokus auf die Europapolitik. Es scheint naheliegend, eine betont EU-kritische Partei zu wählen. Bei näherer Betrachtung hilft einem dieses Kriterium aber nicht weiter – alle kleinen Rechtsparteien sind gegen die EU in ihrer jetzigen Form -, und es führt sogar in die Irre, weil es dazu verleitet, der Partei den Vorzug zu geben, die sich am stärksten auf EU-Kritik fokussiert.

Das wäre dann die irische LIBERTAS bzw. (nachdem die an der Sammlung von ein paar tausend Unterschriften gescheitert ist) ihr deutscher Kooperationspartner AUF (Arbeit, Umwelt, Familie), eine Partei, die erst seit Anfang 2008 existiert. Offensichtlich ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: LIBERTAS braucht einen Partner, der ihr bis zur nächsten Wahl den Platz warmhält, die AUF einen, der wenigstens ein bisschen bekannter ist als sie selbst. Verständlich, aber keine Empfehlung. Wenn LIBERTAS sich wie angekündigt als europäische Partei etablieren will, dann gerät sie in einen Widerspruch zu ihrem eigenen EU-kritischen Programm. Wer die EU bekämpfen will, muss den Nationalstaat verteidigen. Den Nationalstaat verteidigen mit einer europäischen Partei? Das passt doch nicht!

Überhaupt vergisst man leicht vor lauter EU-Kritik dass das EU-Parlament allenfalls ein Nebenkriegsschauplatz ist. Das Problem, das man als Demokrat mit der EU haben muss, ist ja gerade, dass alle wesentlichen Regelungen in den Europäischen Verträgen niedergelegt werden, dort (als internationale Verträge) automatisch Vorrang vor nationalem Recht bekommen, wegen der notwendigen Einstimmigkeit aber praktisch nicht mehr geändert werden können. Dass mit jedem neuen Vertrag Kompetenzen an die EU abgetreten wurden, bedeutet, dass Europa den Nationalstaaten Kompetenzen entzieht, ohne selber die damit verbundenen Funktionen zu erfüllen.

Die EU ist in vieler Hinsicht nicht etwa ein Superstaat, sondern eine Institution zur Beerdigung von Staatlichkeit schlechthin. Die überbordende Bürokratie ändert an diesem Sachverhalt nichts, kaschiert ihn höchstens. Mit anderen Worten: Die globalistische Ideologie wird in europäischen Verträgen unantastbar gemacht. Souverän in Europa sind weder „das“ Volk noch die Völker, souverän sind die Verträge; souverän ist die in ihnen verankerte globalistische Ideologie!

Die einzigen Instanzen, die daran noch etwas ändern können – wenn sie ein hohes Maß an Risiko- und Konfliktbereitschaft an den Tag legen – sind die großen Nationalstaaten, und hier insbesondere Deutschland. Die EU ist eines von zwei Instrumenten, mit denen nach dem Krieg die Macht Deutschlands gebändigt werden sollte (das andere war die Präsenz Amerikas). Mit der Drohung, aus dem System der europäischen Nachkriegsordnung auszubrechen (und wahrscheinlich sogar ohne sie explizit auszusprechen), könnte Deutschland sehr wohl Zugeständnisse in Richtung auf einen Rückbau von EU-Befugnissen erzwingen. Voraussetzung ist der politische Wille in Berlin. Es gilt also, auf der nationalen Ebene eine demokratische rechte Alternative zum Mainstream-Konservatismus zu etablieren, nicht auf der europäischen!

Die Fünf-Prozent-Hürde, die in Deutschland gilt, stellt jeden Wähler vor ein Dilemma, das sich als self-fulfilling prophecy auswirkt. Wer nicht glaubt, dass die von ihm an sich favorisierte Partei eine Chance hat, wählt sie auch nicht. Wer in ein deutsches Parlament einziehen will, muss schon vor der Wahl aussehen, wie einer, der zumindest die reelle Aussicht darauf hat.

Die Europawahl ist, so gesehen, ein Probelauf für die Bundestagswahl. Für kleine Parteien ist es ein Glücksfall, dass Bundestags- und Europawahlen im selben Jahr stattfinden. Europawahlen gelten als nicht so wichtig; da geben die Wähler schon einmal eine Proteststimme ab, und da die Wahlbeteiligung nicht so hoch ist, ist hier auch einmal ein Überraschungserfolg drin. Wenn ich dies berücksichtige, wird das Problem „Wen wähle ich?“ plötzlich sehr übersichtlich:

Die Pro-Parteien und Pax Europa treten nicht an, die AUF kommt aus den genannten Gründen nicht in Betracht, die Freien Wähler haben ein unklares Profil, und dass die DVU keine Option ist, versteht sich von selbst. Selbst wenn man von Erwägungen der Moral und der politischen Hygiene absieht, die allein schon Günde genug liefern, sich von allem fernzuhalten, was braun ist und stinkt, sind rechtsextreme Parteien Stimmenfriedhöfe, gerade gut genug, nützliche Idioten für die Linken abzugeben und die nächste Kampagne „gegen Rechts“ zu legitimieren.

Wenn man außerdem den Wahl-o-Maten zu Rate zieht (es sind erstmals alle zur Wahl stehenden Parteien vertreten) und die Fragen nach der eigenen Präferenz nach den Kriterien

  • nationalstaatliche Orientierung
  • Ablehnung von EU-weiten Regelungen
  • christlich-konservatives Menschen- und Gesellschaftsbild

beantwortet, bleiben nur noch die Republikaner und die Bibeltreuen Christen im Netz hängen, jedenfalls liegen sie dann deutlich vorne.

Persönlich sind mir die letzteren in Zeiten des Papst-Bashing, der atheistischen Propaganda und des synkretistischen Eiapopeia hochsympathisch, erst recht, wenn ich mich daran erinnere, dass sie vor ein paar Jahren – ich weiß nicht mehr genau, wann, aber jedenfalls zu einem Zeitpunkt, als dergleichen höchst unpopulär war – ihre zweifellos knappen Mittel für Plakataktionen zusammengekratzt haben, mit denen sie für „Freundschaft und Solidarität mit Israel“ warben. Außerdem existieren sie schon seit Beginn der neunziger Jahre – man will ja auch keine politischen Eintagsfliegen wählen. Sie wären also keine schlechte Wahl, und wenn es keine anderen Aspekte zu berücksichtigen gäbe als die politische Sympathie, wären sie meine erste.

Trotzdem kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die deutschen Wähler, von denen die meisten sich schwertäten, etwas Substanzielles über die Bibel zu sagen, sich aufraffen können, eine Partei zu wählen, die sich ausgerechnet „Partei Bibeltreuer Christen“ nennt. Diese programmatische Engführung könnte manchen Wähler unnötig abschrecken. Ein breiterer politischer Ansatz wäre also hilfreich.

Wenn man sich die bisherigen Wahlergebisse anschaut, dann zeichnen sich die Bibeltreuen Christen durch bemerkenswerte Konstanz aus, (stets im oberen fünfstelligen Bereich oder sogar knapp über hunderttausend Stimmen), aber es hat nie auch nur einen Achtungserfolg gegeben, während die Republikaner gerade bei Europawahlen immer ordentlich abschnitten:

Bei der Europawahl 1989, auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge, damals noch unter dem Parteivorsitzenden Schönhuber, schafften sie sogar mit über zwei Millionen Stimmen und 7,1 Prozent den Einzug ins Europaparlament. Das ist lange her, aber trotzdem ein psychologischer Faktor: Wer es einmal geschafft hat, dem traut man es wieder zu. Gerade die Erfolge bei Europawahlen und die großen Schwankungen sind außerdem ein Indiz, dass die Republikaner eine Adresse für Protestwähler sind, und ohne Protestwähler wird es zunächst nicht gehen.

Wahlergebnisse seit 1994 (absolute Zahlen und prozentuale Anteile, bei Bundestagswahlen Zweitstimmen)

.                              Republikaner                   PBC

BT 2005:              266101           0,6           108605    0,2
EP 2004:              485662           1,9              98651     0,4
BT 2002:              280 671         0,6            101 645   0,2
EP 1999:               461 038         1,7               68 732   0,3
BT 1998:               906 383         1,8               71 941    0,1
BT 1994:               875 239         1,9               65 651    0,1
EP 1994:           1 387 070        3,9               93 210    0,3

Aufgrund dieser Zahlen kann man der PBC beim besten Willen keine realistische Chance einräumen, die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, wohl aber den Republikanern.

Bleibt als letzte zu klärende Frage die nach deren Loyalität gegenüber demokratischen Werten. Nicht, dass diese Frage sich per se aufdrängen würde, aber angesichts der sattsam bekannten Neigung der politischen Linken, alle missliebigen Positionen als rechtsextrem zu verunglimpfen (und in Erinnerung an die groteske Hysterie der Linken und der CDU nach den republikanischen Wahlerfolgen vor rund zwanzig Jahren) sollte man doch ein paar Bemerkungen dazu fallen lassen:

Die Partei „Die Republikaner“ ist von einem abtrünnigen CSU-Abgeordneten gegründet worden, nicht von irgendwelchen Rechtsradikalen; vom Verfassungsschutz beobachtet wurde sie erst nach ihren Wahlerfolgen, und zwar auf Betreiben von Politikern ihres Hauptkonkurrenten CDU; seit zwei Jahren taucht sie in Verfassungsschutzberichten nicht mehr auf (auch nicht, wie zuletzt 2006, als Partei, die selbst nicht rechtsextrem sei, in der es aber rechtsextreme „Tendenzen“ gebe – was immer das konkret sein mag); sie ist auch nicht, wie die NPD, dadurch aufgefallen, dass aus ihrem Dunstkreis politisch motivierte Gewalttaten begangen worden wären; sie hat es explizit und mit Empörung abgelehnt, im Bunde von NPD und DVU der Dritte zu sein; und ihr Grundsatzprogramm von 2002 enthält selbst bei böswilliger Interpretation nicht einmal Spurenelemente von rechtsextremer, verfassungsfeindlicher oder antisemitischer Ideologie – und ich bin da bestimmt empfindlich.

Diesem Programm liegt als Ideologie vielmehr genau das zugrunde, was der Normalbürger traditionell für selbstverständlich hält, weil es schon immer selbstverständlich war, nur in den letzten Jahren durch eine aggressiv auftrumpfende Linke an den Rand der Gesellschaft und aus dem Spektrum des in seriösen Kreisen Sagbaren herausgedrängt wurde. Es handelt sich um ein Programm der Förderung der Familie, des Christentums, des Rechtsstaats und des Nationalstaates. Das impliziert die Bevorzugung der Familien von heterosexuellen Eheleuten gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens, es impliziert die Anerkennung des Christentums als derjenigen Religion, auf der unser Gemeinwesen basiert (bei entsprechend scharfem Vorgehen gegen islamisch motivierte Verfassungsfeinde), die Stärkung der deutschen Nation in vielerlei Hinsicht sowie eine Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität, die Abschiebung von wiederholt oder schwer kriminellen Ausländern und eine Verschärfung der Strafverfolgung („Opferschutz geht vor Täterschutz“).

Das wird den Linken nicht gefallen – und es soll ihnen ja auch gar nicht gefallen – aber es hat nicht das geringste mit „Rechtsextremismus“ zu tun.

Ich selber vermisse an manchen Stellen das Salz in der Suppe, die schöpferische Phantasie und den Mut zu ausgefallenen Lösungen, aber erstens bin ich als politischer Snob auch nicht unbedingt der Maßstab, zweitens überfordert man womöglich ein Grundsatzprogramm, wenn man ihm Lösungen abverlangt, die sich aus der politischen Praxis ergeben müssen.

Jedenfalls empfehle ich guten Gewissens die Wahl der Republikaner.

Verrat mit Ansage

Für CDU und CSU sind der EU-Beitritt der Türkei und die Islamisierung Deutschlands beschlossene Sache.

In meinem Artikel „Demographischer Djihad und der Selbstmord des deutschen Volkes“ habe ich dargelegt, dass der Anteil der Muslime an der Bevölkerung Deutschlands in den kommenden Jahren dramatisch zunehmen wird, und dass sie nach menschlichem Ermessen irgendwann in der zweiten Jahrhunderthälfte die Mehrheit stellen werden, sofern sich weder an der Geburtenrate der Einheimischen noch am Fortgang der Zuwanderung etwas ändert.

Grund genug, sich nach politischen Kräften umzusehen, die die demographische Islamisierung Deutschlands abwenden wollen. Man wird hier keiner Partei allzuviel Kompetenz zubilligen können, aber ein K.O.-Kriterium gibt es:

Wer den EU-Beitritt der Türkei befürwortet, hat es auf die Islamisierung Deutschlands und auf unser Ende als Nation abgesehen!

Dass wir über Linkspartei, SPD, erst recht die Grünen nicht zu diskutieren brauchen, versteht sich von selbst. Auch die FDP dürfen wir abschreiben: Deren Vorsitzender, der nach der Bundestagswahl gerne Deutschlands neuer Außenminister wäre, hat uns schon wissen lassen, dass er den EU-Beitritt der Türkei nicht zu blockieren gedenkt: Wenn er von einer „ergebnisoffenen“ Prüfung spricht, heißt das: Wenn die Türkei die Beitrittskriterien erfüllt, werden die Schleusen geöffnet. Ob sie sie erfüllt, liegt letztlich bei ihr. Das ist nichts, worauf man von Berlin aus Einfluss nehmen könnte.  Bemerkenswert allerdings, dass ein Duzfreund der Kanzlerin so redet. Es könnte die übliche Profilsucht der FDP sein – oder ein Versuchsballon.

Die Frage lautet: Wo stehen CDU und CSU?

Die Unionsparteien haben bisher stets betont, dass sie für eine „privilegierte Partnerschaft“ seien, also gegen einen Beitritt, und sie können ja auch kein Interesse an einem wachsenden türkischen Bevölkerungsanteil haben:

Bisher kamen die Stimmen muslimischer Migranten vor allem den linken Parteien, speziell den Sozialdemokraten zugute, und es besteht Anlass zu der Vermutung, dass die weitere Einwanderung wie auch Einbürgerung von Muslimen vor allem deshalb gerade von diesen Parteien gefördert wird, weil das Anwachsen einer überproportional von Sozialleistungen abhängigen Unterschicht gerade diejenigen Parteien begünstigen muss, die den Ausbau des Sozialstaats propagieren.

Umso bestürzender ist es, dass sich die Anzeichen verdichten, und zwar bis an die Schwelle zur Gewissheit, dass die Unionsparteien sehenden Auges eine Situation herbeiführen, in der ein Widerstand gegen den türkischen EU-Beitritt schon deshalb nicht möglich sein wird, weil die türkische Minderheit bis dahin stark genug sein wird, das Zünglein an der Waage zu bilden und in Deutschland als Königsmacher aufzutreten; und dass die Union den EU-Beitritt der Türkei und die zunehmende Islamisierung Deutschlands bereits nicht mehr als abzuwendendes Unheil, sondern als unabwendbares Faktum einkalkulieren.

Wenn die Bundeskanzlerin mehr Einbürgerungen fordert, wohl wissend, dass sie damit die Zahl potenzieller SPD-Wähler erhöht, dann hat sie eine Vorstellung, wie man diese Leute zu CDU-Wählern macht. Natürlich wird von interessierter Seite geflüstert, dass die Unionsparteien diese Wählergruppe nicht a priori abschreiben müssten. Da die islamische Religion konservativ-autoritäre Wertmuster begünstigt, verwundert es in der Tat nicht, dass etliche türkischstämmige Wähler, die hierzulande die Sozialdemokraten wählen, sich in der Türkei für die islamistische AKP entscheiden würden. Da wird wohl mancher politische Großstratege im Konrad-Adenauer-Haus sich ausrechnen, dass auch die CDU dort punkten könne. Angesichts der Sozialstruktur gerade der türkischen Einwanderer halte ich das zwar für eine Milchmädchenrechnung, aber die Milchmädchen sollen in der Politik ja überrepräsentiert sein.

Wenn die Union aber auf türkische Wähler spekuliert, dann ist eine gegen den türkischen Beitritt gerichtete Politik damit selbstredend unvereinbar. Im Gegenteil: Die Union muss es dann besonders darauf anlegen, sich ein islam- und speziell türkeifreundliches Image zu geben.

In diesem Licht müssen wir es wohl interpretieren, wenn der Bundesinnenminister sagt, der Islam sei „in Deutschland angekommen“; wenn der nordrhein-westfälische Integrationsminister beklagt, es würden zu wenige Türken eingebürgert; wenn der bayerische Landtagspräsident sagt, die CSU müsse sich auch für Muslime öffnen (sekundiert von einem Parteifreund, der ein Zahlenverhältnis von 50-50 zwischen Muslimen und Christen als beschlossene Sache behandelt); wenn der hessische Ministerpräsident dem türkischen Premierminister, also einem Islamisten und Djihadisten, den Avicenna-Preis für interkulturelle Verständigung überreicht; wenn der niedersächsische Landesvorsitzende der CDU sagt, man dürfe über türkische Migranten nicht in einer „abgrenzenden“ Sprache sprechen, da die Türken ein „stolzes und starkes Volk“ seien; eine Formulierung übrigens, die gerade in ihrer Widersprüchlichkeit verräterisch ist: Wenn man türkischstämmige Migranten nicht „ausgrenzen“ will, darf man sie nicht a priori der türkischen Nation zurechnen – sie sollen doch Deutsche werden. Oder etwa nicht?

Offenbar stellt sich die Union darauf ein, dass erstens die türkische Wählergruppe ständig anwächst, und dass sie zweitens genau dies auch bleibt: eine türkische Wählergruppe. Das Gerede von der „Integration“ wird damit Lügen gestraft – jedenfalls wenn man unter Integration mehr versteht als die Selbstverständlichkeit, dass auch Muslime das Verbot von Terrorismus akzeptieren.

Der Widerstand der Unionsparteien gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei, von dem bereits jetzt kaum noch die Rede sein kann, wird sich in buchstäblich Nichts auflösen, und zwar in dem Maße, wie die türkische Wählerschaft in Deutschland wächst.

Eines Tages, so lautet meine Prognose, wird eine CDU-geführte Bundesregierung dem EU-Beitritt der Türkei zustimmen und mit Unschuldsmiene darauf bestehen, sie habe nicht etwa ihre Wähler hinters Licht geführt, sondern einem Sachzwang folgen müssen.

Ich erspare es mir, die Argumente darzulegen, mit denen dieser „Sachzwang“ begründet werden wird. Es werden dieselben Argumente sein, gegen die die Union jahrelang gewettert hatte, als sie noch von Rot-Grün vorgetragen wurden.

Der Blog „Counterdjihad“…

…wird erweitert. Sind dort bis jetzt ausschließlich Übersetzungen von Fjordman-Essays erschienen, so haben Thatcher und BeforeDawn mich überzeugt, dass es sinnvoll ist, den Blog auch für Texte anderer Autoren zu öffnen.

Wenn Ihr also in der nicht deutschsprchigen Blogosphäre etwas findet, was thematisch verwandt und dabei übersetzens- und verbreitenswert ist: Immer her mit den Übersetzungen! (Vorher aber tunlichst beim Autor des Originals anfragen, ob  er damit einverstanden ist.)

Der soeben von BeforeDawn übersetzte Text stammt allerdings erneut von Fjordman, der sich darin mit den Thesen Martin van Crevelds und Roger Scrutons zur Zukunft des Nationalstaats auseinandersetzt. Der Text bringt präzise auf den Punkt, warum die Zerstörung des Nationalstaates so gefährlich für die Zivilisation schlechthin ist.  Ich empfehle dringend, ihn zu lesen. Hier nur ein Appetithäppchen:

Demokratien verdanken ihre Existenz den nationalen Loyalitäten – den Loyalitäten, die von der Regierung und der Opposition geteilt werden, von allen politischen Parteien, und von der Wählerschaft als ganzer. Aber überall ist das Konzept der Nation unter Beschuss – entweder verachtet als eine atavistische Form des sozialen Zusammenhalts oder sogar verdammt als die Ursache für Konflikte und Kriege, und deshalb abzuschaffen und durch aufgeklärtere und umfassendere Formen von Rechtssystemen zu ersetzen. Aber was genau soll der Ersatz für die Nation und den Nationalstaat sein?

Europäische „Grundrechtecharta“: der Etikettenschwindel

Die Grundrechtecharta gibt den Bürgern bestenfalls Rechte, die ihnen ohnehin zustehen, aber sie nimmt den Nationen die Souveränität.

Noch vor einem Jahr habe ich die EU-Grundrechtecharta, die Bestandteil des Vertrages von Lissabon ist, für einen bedeutenden Fortschritt gehalten: Bisher klafft ja eine riesige Rechtslücke dort, wo es um den Schutz der Grundrechte von EU-Bürgern geht. Da nämlich das völkerrechtliche Prinzip gilt, dass kein Staat sich unter Berufung auf seine Verfassung seinen Pflichten aus internationalen Verträgen entziehen darf, konnten die Staaten Europas die Rechte ihrer Bürger dadurch umgehen, dass sie deren Verletzung in europäischen Verträgen festschrieben. Waren die erst einmal unter Dach und Fach, standen die Grundrechte nur noch auf dem geduldigen Papier von Verfassungen, die gegenüber den EU-Verträgen niederrangiges Recht darstellten.

Überlegungen dieser Art führten dazu, dass in den neunziger Jahren die Forderung nach einer europäischen Grundrechtecharta laut wurden. In der Tat: Mit der Grundrechtecharta hätten wir Bürger erstmals Abwehrrechte, die wir auch direkt gegen die Union geltend machen könnten. Vor lauter Freude darüber, dass man uns endlich die Rechte zurückgibt, die man uns nie hätte nehmen dürfen, habe ich zwei wichtige Aspekte übersehen:

Erstens bedürfte es dazu überhaupt keiner „europäischen Grundrechte“. Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn die EU-Staaten sich auf eine Regelung geeinigt hätten,

wonach kein Einzelstaat durch EU-Recht gezwungen werden kann, auf seinem Territorium Grundrechtseingriffe der Union zu vollstrecken oder zu dulden, die ihm selbst nach Maßgabe der nationalen Verfassung nicht erlaubt sind.

Das wäre eine Art grundrechtsbezogener Meistbegünstigungsklausel gewesen: Jedes Abwehrrecht, dass den Bürgern irgendeines EU-Staates gegen ihren Staat zusteht, stünde dann automatisch allen EU-Bürgern gegen die Union zu. Eine solche Regelung hätte die verfassungsrechtlichen Widersprüche des bisherigen Rechts elegant aus der Welt geschafft, die Verfassungen der Nationalstaaten nicht tangiert, im Gegenteil die Zuständigkeit für den Grundrechtsschutz eindeutig den Einzelstaaten zugewiesen, ohne die EU an der Verfolgung sinnvoller politischer Projekte, sofern es denn solche sind, zu hindern.

Die Charta wäre also im besten Fall ein umständlicher Weg, Gutes zu tun. Leider ist dieser beste Fall nicht eingetreten.

Es ist öffentlich wenig thematisiert worden, leider auch von EU-Skeptikern, dass die Charta Regelungen enthält, die in keiner einzigen einzelstaatlichen Verfassung stehen. Artikel 19 Absatz 1 enthält nämlich die denkwürdige Regelung:

Kollektivausweisungen sind unzulässig.“

Das ist eine Regelung, von der ausschließlich Nicht-EU-Bürger profitieren, und sie ist keine objektivrechtliche Norm, sondern ein subjektivrechtlicher Anspruch. Sie geht damit deutlich über den bisherigen Abschiebeschutz hinaus:

Es ist auch bisher schon so, dass (nach deutschem Recht) bereits das Rechtsstaatsprinzip – Verhältnismäßigkeit, Willkürverbot, Verbot rückwirkender Benachteiligung etc. -, aber auch das Prinzip der Menschenwürde es verbieten, jemanden nur deshalb abzuschieben, weil er einer bestimmten Gruppe angehört. Er muss die Abschiebungsgründe schon durch sein Verhalten selber gesetzt haben.

Wenn aber die Kollektivausweisung als solche bereits ein Verstoß gegen Grundrechte sein soll, dann bedeutet dies, dass, anders als bisher, das Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen Religion oder Ideologie keine ausreichende Voraussetzung für eine Abschiebung mehr darstellt. Jedenfalls müsste der Nationalstaat die Verfassungswidrigkeit politischer oder religiöser Organisationen von Nicht-EU-Bürgern genauso akribisch beweisen wie die von Inländern. In einem Staat wie Deutschland, der nicht einmal in der Lage ist, die NPD zu verbieten, ein aussichtsloses Unterfangen!

Aber selbst, wenn er sie beweisen könnte, müsste er außerdem noch beweisen, dass er keine Kollektivausweisung vornimmt; dass der konkret Auszuweisende also individuell ein aktiver Verfassungsfeind ist. Die bloße Zugehörigkeit zu einer verfassungsfeindlichen Gruppe würde dann nicht reichen.

Das aus seiner Souveränität folgende Recht des Staates zu bestimmen, welche Nicht-Staatsbürger er auf seinem Territorium dulden will, würde nicht, wie bisher, durch die Verpflichtung auf elementare rechtsstaatliche Regeln gebändigt, sondern im Kern vernichtet!

Rein theoretisch binden solche Regelungen nur die Union selbst – was der Grund ist, warum ich sie bis vor einiger Zeit nicht weiter beachtet habe. Warum sollte es mich interessieren, wenn die EU sich selber etwas verbietet, was sie sowieso nicht tut?

Tja – aber warum steht es dann überhaupt in der Charta?

Weil die Grundrechtecharta für die nationalen Gerichte zwar keine unmittelbare, wohl aber eine auslegungsleitende Wirkung hat. Das Verbot der Kollektivausweisung wird dann nachträglich in nationale Regelungen hineininterpretiert, die man bisher ganz anders interpretiert hat und ohne EU-Charta auch weiterhin anders interpretieren würde.

Ich gebe nicht gerne zu, wenn ich meine Meinung geändert habe, aber diese „Grundrechtscharta“ ist in jeder Hinsicht ein Etikettenschwindel. Ihre Existenz ist nicht nur kein Grund, für Lissabon zu sein, sondern ein erstklassiger Grund dagegen!

James Sheehan: „Kontinent der Gewalt. Europas langer Weg zum Frieden“

(Kurzrezension)

James Sheehan beschreibt „Europas langen Weg zum Frieden“ als einen Umweg: Der Zustand eines nach innen und außen weitgehend befriedeten Europa, den wir heute genießen, war nämlich vor 1914 schon einmal erreicht gewesen. Man ist sich heute dessen gar nicht mehr so bewusst, weil man ja weiß, was danach kam. Stefan Zweig hat in seinen Lebenserinnerungen („Die Welt von Gestern“) die Zeit vor 1914 „das Zeitalter der Sicherheit“ genannt.

 

Ich fasse Sheehans Argumentation zusammen:

 

Das Jahrhundert vom Wiener Kongress 1815 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das friedlichste in der Geschichte Europas gewesen; seit 1871 hatte es überhaupt keinen Krieg der Großmächte mehr gegeben, und die Abschaffung des Krieges überhaupt schien erstmals eine reale Möglichkeit zu sein.

 

Freilich war sie auch eine Notwendigkeit: Die hochtechnisierten Massenheere der europäischen Großmächte, das sahen hellsichtige Analytiker schon im 19. Jahrhundert, konnten den Krieg gegeneinander nur als totalen Krieg führen, der eine entsprechend umfassende Zerstörung hinterlassen würde.

 

Genau so kam es. Der Erste Weltkrieg vernichtete nicht nur Menschenleben, Staaten und Kapital. Er zerstörte die friedfertige Zivilität, die bis dahin die Völker Europas ausgezeichnet hatte. Die Gewaltideologien des Faschismus und des Kommunismus verhinderten die Rückkehr Europas zu einer rationalen und friedlichen Politik, die zumindest in den westlichen Staaten angestrebt wurde.

 

Dort erwuchs aus der apokalyptischen Erfahrung des Weltkriegs ein leidenschaftlicher Pazifismus, der die speziell vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr bagatellisieren zu können glaubte. Die daraus resultierende Appeasement-Politik ermöglichte Hitler erst die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs und die Zerstörung Europas.

 

Paradoxerweise war es gerade der Kalte Krieg, der zur Entmilitarisierung der europäischen Politik führte. Unter dem eisernen Panzer der Supermächte verloren die europäischen Staaten de facto die Fähigkeit zur autonomen Kriegführung und zugleich jedes Interesse daran.

 

Die westeuropäischen Staaten der Nachkriegszeit waren und sind zivile Staaten in dem Sinne, dass sie das Ziel maximalen Wohlstands für ihre Völker verfolgen und in Institutionen wie der EU in einem Maße zusammenarbeiten, das vor 1914 unvorstellbar gewesen wäre.

 

Sogar im Ostblock war das Maß an Repression in der Ära nach Stalin bei weitem nicht vergleichbar mit den Gewaltexzessen der Revolution und des Stalinismus, und so erscheint es wie der folgerichtige Abschluss dieser Entwicklung, dass Gorbatschow den sowjetischen Imperialismus kassierte, Osteuropa freigab und auf friedliche innere Reform setzte.

 

Wer freilich die zivile, ja pazifistische Disposition des heutigen Europa zum Modell machen und als solches dem amerikanischen „Militarismus“ polemisch entgegensetzen will, verkennt, dass Europa nach wie vor in einer hochgradig gefährlichen Welt existiert und auf eigene Gewaltanwendung nur deshalb verzichten kann, weil die USA nach wie vor zur Kriegführung fähig und gegebenenfalls auch bereit sind.

 

Europa, das hat sich spätestens beim Zerfall Jugoslawiens gezeigt, ist ein amerikanisches Protektorat, das unfähig ist, seine eigenen vitalen Interessen zu wahren, zumindest dann, wenn dazu die Anwendung militärischer Gewalt erforderlich ist.

 

Dies wird auch so bleiben, sofern Europa sich nicht zu einem Bundesstaat mit eigenem Militär und eigener Außenpolitik mausert. Ein solcher Staat wäre eine Supermacht; aber er wird nicht entstehen, weil es für die Europäer wesentlich bequemer ist, den Schutz Amerikas in Anspruch zu nehmen, an dem festzuhalten, was von der nationalen Souveränität noch übrig ist, und die Abhängigkeit von den USA als notwendiges Übel in Kauf zu nehmen.

 

Soweit Sheehan. Ich kann nicht behaupten, dass mir seine Schlussfolgerung gefällt, aber wenn ich einen größeren Betrag wetten müsste, würde ich seiner Prognose realistischerweise eine größere Chance auf Verwirklichung einräumen als meiner eigenen Hoffnung, dass Europa wieder lernt, seine eigenen Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen und seine eigenen Interessen selbst zu vertreten.

 

Es ist nun einmal einfacher, auch bequemer, auch billiger, die eigene Sicherheit einem Anderen anzuvertrauen, und den Preis in Gestalt von Abhängigkeit zu bezahlen. Solange dieser Andere ein freundlicher Hegemon ist wie Amerika, der Europa seine Abhängigkeit nur gelegentlich und nur mäßig spüren lässt, mag das alles angehen.

 

Was aber, wenn Amerika sich zurückzieht? Was, wenn es zum unfreundlichen Hegemon wird? Was, wenn es den Preis erhöht? Was, wenn es nicht mehr stark genug ist, seine Protektorenrolle zu spielen?

Gelesen: Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht

Gunnar Heinsohn ist der Meistignorierte unter den bedeutenden Köpfen unseres Landes, und wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass er gesellschaftswissenschaftliche Fragen aus allen Disziplinen (Geschichte, Soziologie, Politische Wissenschaft, Volkswirtschaft) aus einer ganz ungewohnten Perspektive – der des Demographen – analysiert und dabei obendrein zu wichtigen Erkenntnissen gelangt.

Leuten wie mir, denen eine Idee gar nicht originell genug sein kann, ist er damit sympathisch, den Wissenschaftlern, in deren Fachgebieten er wildert, eher weniger.

Vor über zwanzig Jahren etwa veröffentlichte er seine These (Heinsohn/Steiger, Die Vernichtung der Weisen Frauen, München 1985), die europäische Bevölkerungsexplosion seit Ende des 15.Jahrhunderts sei die geplante und beabsichtigte Folge der zur gleichen Zeit massiv und europaweit einsetzenden Hexenverfolgung gewesen. Mit deren Hilfe habe man das Wissen um die traditionellen Methoden der Geburtenkontrolle ausrotten wollen, um Europa nach den Bevölkerungsverlusten speziell des 14. Jahrhunderts im Sinne des Frühmerkantilismus zu „repeuplieren“.

Der besondere Charme dieser These lag darin, dass sie gleich zweibis dahin ungelöste Fragen der europäischen Geschichte beantwortete: die nach den Ursachen der Bevölkerungsexplosion und die nach den Ursachen der Hexenverfolgung. Als ich das Buch damals las, dachte ich: „Was für eine interessante These; mal sehen, was die Historiker dazu sagen“.

Nun, die Historiker sagten – nichts. Heinsohns Theorie gilt bis heute als Außenseiterhypothese, die weder aufgegriffen noch überzeugend widerlegt, sondern ignoriert wird.

Einfachheit und Originalität sind die Stärken von Heinsohns Denken. Leider sind sie nicht die Stärken des deutschen Wissenschaftsbetriebes. Und so hat auch „Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen“ (Zürich 2003) nicht die gebotenen Aufmerksamkeit erfahren. Was ein Unglück ist, weil es darin um nicht weniger geht als um die weltpolitischen Gefahren mindestens der nächsten zwnzig Jahre und darum, wie man mit ihnen fertig wird.

Wieder vertritt er eine einfache These, nämlich dass Gesellschaften umso gewalttätiger werden, je größer der Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung ist. Die Faustregel lautet, dass mit erheblichen Konflikten zu rechnen ist, sobald der Anteil der 15-24jährigen über 20 Prozent bzw. der 0-15jährigen über 30 Prozent liegt. Bei einem solchen „youth bulge“, wie er im Fachjargon heißt, wächst nämlich die Bevölkerung schneller als die Anzahl der Positionen, die mit Macht und Prestige verbunden sind. Ist aber die Anzahl junger Männer deutlich größer als die Anzahl der Väter, deren Positionen übernommen werden können, dann ist der Kampf um solche Positionen die natürliche Folge.

Dieser Kampf kann in verschiedenen Formen stattfinden, die einander keineswegs ausschließen, sondern oft gleichzeitig und in Verbindung miteinander auftreten: Auswanderung, Eroberungskrieg, Völkermord, politischer Extremismus (Terrorismus, Bürgerkrieg, Revolution), massenhafte Gewaltkriminalität.

Der Autor führt dafür zahlreiche historische Beispiele an. Am Eindrucksvollsten dabei die oben schon erwähnte europäische Bevölkerungsexplosion, in deren Folge Europa die Welt eroberte und sich zugleich unzählige Kriege, Bürgerkriege, Revolutionen und Massenmorde auf dem eigenen Kontinent leistete. Er untermauert seine These, indem er aufzeigt, dass von den aktuell (2003) siebenundsechzig Nationen, die einen „youth bulge“ aufweisen, nicht weniger als sechzig (!) von Massengewalt in wenigstens einer der genannten Formen betroffen sind. Heinsohn geht davon aus, dass dieses Problem bis etwa 2025 die Weltpolitik prägen und auch den Westen mit erheblichen Gefahren konfrontieren wird. Der Höhepunkt des Jugendanteils weltweit ist, so Heinsohn, zur Zeit erreicht. Aufgrund sinkender Geburtenraten ist ab etwa 2025 mit einer zunehmenden Entspannung zu rechnen, und spätestens ab 2050 dürften „youth-bulge“-induzierte Konflikte der Vergangenheit angehören.

Heinsohn wendet sich explizit gegen klassische Überbevölkerungstheorien, die Hunger und Not als Hauptursache von Konflikten benennen, und betont, dass in keinem anderen Punkt Friedens- und Kriegsforscher weiter auseinanderliegen: Hungernde Menschen geben schlechte Krieger ab. Um Brot wird gebettelt, gekämpft wird um Macht und Reichtum!

Die brutale Konsequenz aus dieser Diagnose – die allein schon zur Ablehnung seiner Theorie führen dürfte -, lautet, dass der Kampf gegen Hunger und Armut, wenn er denn erfolgrich sein sollte, in Ländern mit einem Jugendüberschuss nicht zu einem besseren Leben führen wird, sondern dazu, dass Hunger gegen Instabilität getauscht wird. Drastisch ausgedrückt: Dass die Menschen nicht mehr verhungern, sondern gefoltert, vergewaltigt, vertrieben und ermordet werden. (Über den jüngsten Gewaltausbruch in Kenia jedenfalls wäre man im Westen weniger überrascht, wenn Heinsohns Thesen allgemein bekannt gewesen wären und man deshalb der Tatsache Beachtung geschenkt hätte, dass Kenia einen Anteil allein von Kindern (0-15 J.) an der Gesamtbevölkerung von 42% aufweist.)

Dabei können wir im Westen, zynisch aber realistisch gesprochen, noch von Glück reden, wenn die überschüssigen jungen Männer sich gegenseitig umbringen, statt den Westen ins Visier zu nehmen. Heinsohn weist zwar zu Recht darauf hin, dass deren Gewalttätigkeit, sofern sie sich ein spezifisch politisches Ventil sucht, von jeder beliebigen Ideologie oder Religion befeuert werden kann. Er unterliegt aber einer fatalen Fehleinschätzung, wenn er glaubt, deswegen die konkreten ideologischen Inhalte ausblenden, speziell den Faktor „Islam“ ignorieren zu können. Im Hinblick auf die Konsequenzen für uns ist es nämlich ein erheblicher Unterschied, ob Hutu über Tutsi herfallen, oder ob frustrierte junge Ägypter glauben, gegen die „Ungläubigen“ zu Felde ziehen und in westlichen Metropolen Bomben legen zu müssen. Hier gerät Heinsohns rein demographischer Ansatz, der stets Gefahr läuft, Sozialwissenschaft auf Bevölkerungsarithmetik zu reduzieren, an die Grenzen seiner Erklärungs- und Prognosekraft.

Westliche Staaten, die in Ländern mit einem Jugendüberschuss militärisch intervenieren, tun gut daran, sich über ihre Chancen keine Illusionen zu machen:

„Youth-bulge“-befeuerte Völker sind ungemein konfliktbereit und -fähig, weil sie über ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Kriegern verfügen, die als zweite, dritte und vierte Söhne ihrer Familien entbehrlich sind, während stagnierende oder schrumpfende Nationen (also nahezu alle westlichen) mit dem Leben ihrer Soldaten so schonend wie möglich umgehen müssen. Im direkten Konflikt drohen kriegführende westliche Staaten die Unterstützung der eigenen Bevölkerung zu verlieren, weil sie vor dem Dilemma stehen, entweder zu viele eigene Soldaten opfern oder, um dem zu entgehen, zu viele Zivilisten der Gegenseite töten zu müssen.

Die Israelis zum Beispiel haben 2006 den Libanonkrieg verloren, weil sie nicht bereit waren, gegen die in Ortschaften gut verschanzten, fanatisch entschlossenen Kämpfer der Hisbollah die einzige Strategie anzuwenden, die in solchen Fällen dem Angreifer einen Erfolg ohne untragbare Eigenverluste verspricht, nämlich diese Ortschaften mit überwältigender Feuerkraft dem Erdboden gleichzumachen und dabei den Tod von möglicherweise einigen Zehntausend Zivilisten in Kauf zu nehmen.

Aus ähnlichen Gründen kann der Westen die Taliban nicht besiegen: Auch die Paschtunenstämme beiderseits der afghanisch-pakistanischen Grenze haben einen der größten Youth-bulges der Welt. Zieht man die jungen Männer ab, die bei Polizei und Armee beider Staaten unterkommen oder sich sonst eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können, so bleibt immer noch ein Reservoir von rund dreihunderttausend Mann jährlich(!!!), die den Taliban als potenzielle Rekruten zur Verfügung stehen, und die gegen die bloß 38.000 Mann starken westlichen Truppen ins Feld gestellt werden können. Der Westen hat keine Chance, diesen Krieg zu gewinnen, weil er nicht bereit ist, seine überlegene Technologie in die Waagschale zu werfen; denn das hieße: die Taliban aus der Luft in ihrem pakistanischen Hinterland anzugreifen. Sie und die Zivilisten, zwischen denen sie sich bewegen. Welcher westliche Staatsmann wollte wohl dafür die Verantwortung übernehmen – und würde es politisch überleben, wenn er es täte?

Eine realistische westliche Strategie besteht nach Heinsohn unter diesen Umständen darin, sich erstens auf Konflikte mit „Youth-bulge“-Nationen dann – aber nur dann! dann aber unbedingt! – einzulassen, wenn es zwingend (!) erforderlich ist; zweitens darauf zu setzen, gegebenenfalls auch dafür zu sorgen, dass die überzähligen Krieger dieser Länder sich in internen Konflikten gegenseitig töten, statt die westliche Welt zu bedrohen. Das klassische Instrument sind dabei diktatorische Regime, in deren Sicherheitskräften ein kleinerer Teil des Jugendüberschusses unterkommt, während der große Rest bei der mehr oder minder revolutionären Opposition landet, die von ersterer Fraktion unterdrückt wird, notfalls blutig.

Solche Konflikte durch Errichtung demokratischer Strukturen zu entschärfen, ist eine Möglichkeit, die Heinsohn nicht erörtert. Er verweist darauf, dass etwa in Lateinamerika die meisten Dktaturen just zu der Zeit errichtet wurden, als der dortige Youth-bulge seinen Höhepunkt erreichte, und vermutet wahrscheinlich, dass eine Demokratie unter den Bedingungen eines Jugendüberschusses Kräfte entfesselt, die nur siegreich sein oder unterdrückt werden können, in beiden Fällen aber in eine Diktatur münden. So richtig es ist, dass Demokratie ein Regelwerk für die Austragung von Konflikten bereitstellt (und daher zu deren Entschärfung beitragen kann), so zahlreich sind doch die Beispiele von Demokratien, die bloß die Bühne für die Machtkämpfe waren, nach deren Entscheidung die Bühne selbst abgebaut wurde. Demokratie in Ländern wie Saudi-Arabien oder Ägypten würde nach dem dann unvermeidlichen Wahlsieg von Islamisten wahrscheinlich flugs wieder abgeschafft. Für ein solches Demokratie-Experiment die Sicherheit der bereits bestehenden (westlichen) Demokratien aufs Spiel zu setzen, schiene mir abenteuerlich; da ist mir das Hemd doch näher als der Rock. Ich respektiere jeden, der es aus demokratischem Idealismus trotzdem befürwortet, gebe aber zu bedenken, dass es vom Idealismus zu Illusionismus oft nur ein Schritt ist. (Zumal man in diesem Zusammenhang bedenken muss, dass gerade islamistische Politik darauf abzielt, den Jugendüberschuss durch Versklavung von Frauen auf Dauer zu stellen. In diesem Fall könnte man sich nicht einmal mit Heinsohns optimistischer Prognose für die Zeit nach 2025 trösten; die stimmt dann nämlich nicht mehr.)

Am Beispiel Israels, also desjenigen westlichen Staates, der überhaupt keine Chance hat, dem Konflikt zu entgehen, lassen sich die Probleme und Dilemmata besonders deutlich aufzeigen, in die westliche Politik in solchen Konflikten zu geraten droht. (Überhaupt scheint der Nahostkonflikt wie kein zweiter dazu zu taugen, die Brauchbarkeit von Heinsohns Ansatz zu illustrieren.)

Israel steht bekanntlich einem Feind gegenüber, dessen Jugendüberschuss gewaltig ist (im Gazastreifen ist er sogar der höchste weltweit), und das von Heinsohn zitierte Wort Arafats, wonach die Gebärmütter der Frauen den Krieg entscheiden würden, ist nur eines von unzähligen Zeugnissen dafür, dass die palästinensischen Führer sich vollkommen darüber im Klaren sind, dass die Kampfbereitschaft eines Volkes von der Anzahl an überschüssigen Söhnen abhängt – und vermutlich wissen sie umgekehrt auch, dass solche überschüssigen Söhne, wenn sie einmal da sind, zu kaum etwas anderem taugen als dazu, sich zu prügeln. Die Prognose, zu der man gelangt, wenn man Heinsohns Theorie anwendet, ist umso überzeugender, als sie sich in nichts von der unterscheidet, zu der man auch aufgrund einer im engeren Sinne politischen Analyse gelangen würde (sofern diese nicht auf Illusionen aufbaut), nämlich, dass es einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern in absehbarer Zeit nicht geben wird – wohl kann es ein Abkommen geben, das wird aber dann nicht eingehalten werden -, und zwar weil der Youth-bulge fortbesteht, die bisher sein Zustandekommen letztlich verhindert hat. Es gibt grundsätzlich vier mögliche Szenarien, wie dieser Konflikt enden kann:

1. Er schleppt sich mit der gegenwärtigen geringen Intensität noch Jahrzehnte hin, bis die palästinensischen Geburtenraten – wodurch auch immer – so weit zurückgehen, dass der Jugendüberschuss verschwindet.

2. Wie 1, nur verschwindet der Jugendüberschuss durch innerpalästinensischen Bürgerkrieg, wirtschaftlichen Zusammenbruch, Hungersnot und Flucht großer Bevölkerungsteile ins Ausland.

3. Israel massakriert bzw. vertreibt eine sechs- oder siebenstellige Anzahl palästinensischer Zivilisten. (Diese Lösung entspräche in etwa Heinsohns Analyse des Konflikts zwischen Serben und Kosovaren; ihr zufolge hätten die Serben aufgrund der Befürchtung, den Kosovaren in absehbarer Zeit aufgrund von deren Jugendüberschuss nicht mehr gewachsen zu sein, gleichsam präventiv den Völkermord versucht. Es spricht offensichtlich für die Israelis, dass sie eine solche Lösung nicht einmal in Erwägung ziehen, obwohl sie stärker bedroht sind, als die Serben es jemals waren.)

4. Der Staat Israel verliert den Konflikt und hört auf zu existieren.

In meinem Beitrag „Christlicher Fundamentalismus“ hatte ich noch argumentiert, größter Hemmschuh für die militärische Konfliktfähigkeit des Westens sei die Tatsache, dass sein Gesellschaftsmodell religiös zu wenig aufgeladen sei, als dass allzu viele Menschen bereit wären, ihr Leben dafür zu riskieren. Ich halte das weiterhin für richtig, aber zwei von Heinsohn beleuchtete Aspekte dürften mindestens ebenso wichtig sein:

Erstens, dass wir schlicht zu wenig junge Männer haben, als dass wir uns verlustreiche Kriege leisten könnten.

Zweitens, dass wir diesen Mangel nicht einfach durch Technologie ausgleichen können, weil dabei zu viele Zivilisten der Gegenseite getötet würden. Anders ausgedrückt: Was dem Westen das Genick brechen könnte, ist womöglich weniger unsere mangelnde Bereitschaft zu sterben als unsere mangelnde Bereitschaft zu töten!

Militärgeschichtlich ist dies ein Novum: Noch im Zweiten Weltkrieg wäre es allen Kriegführenden, einschließlich der Westmächte, absurd erschienen, eine Niederlage bloß deshalb in Kauf zu nehmen, weil man für einen Sieg zu viele feindliche Zivilisten hätte töten müssen. Heute dagegen gehört es zum guten Ton, beispielsweise den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki für ein Kriegsverbrechen zu halten.

Macht sich eigentlich jemand klar, dass der Westen in seiner heutigen moralischen Verfassung nicht mehr in der Lage wäre, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen? Dass ein US-Präsident, der (wie Truman im August 1945) vor der Wahl stünde, mehrere hunderttausend eigene Soldaten zu opfern oder per Atombombe mehrere hunderttausend feindliche Zivilisten zu töten, heute weder das eine noch das andere tun, sondern nur noch den Krieg abbrechen könnte? (Was 1945 bedeutet hätte, die riesigen japanisch besetzten Gebiete Asiens unter der Peitsche Japans zu belassen.)

Dies ist kein Plädoyer für brutalstmögliche Kriegführung. Selbstverständlich kann im Einzelfall die Option gegeben sein, den Krieg überhaupt zu vermeiden – bei den meisten politischen Konflikten ist dies gottlob so, weil sie nicht existenzieller Natur sind -; oder ihn, wenn man ihn schon nicht vermeiden kann, als Stellvetrteterkrieg zu führen, sprich eine dritte Partei gegen den Feind in Stellung zu bringen; oder, wenn auch das nicht geht, den dann unvermeidlichen Konflikt bei niedriger Hitze vor sich hin köcheln zu lassen (wie es die Israelis in ihrem Konflikt mit den Palästinensern tun und wie wie es wohl auch der westlichen Afghanistanstrategie entsprechen wird).

Wofür ich aber plädiere, ist Illusionslosigkeit: Es gibt Fälle, in denen eine Politik der Konfliktvermeidung, – ablenkung oder -begrenzung nicht möglich ist, wo aber zugleich die Akzeptanz einer Niederlage der Selbstaufgabe, ja dem Selbstmord gleichkäme. Was wäre denn, um nur dieses Beispiel zu nennen, wenn tatsächlich Terroristen in den Besitz von Atomwaffen gelangen würden? Hätte irgendein westlicher Staatsmann in einer solchen Situation das Recht zu spekulieren, es werde schon alles nicht so heiß gegessen wie gekocht? Würden wir akzeptieren, dass er in einer solchen Situation unser Leben seinen moralischen Skrupeln opfern würde? Zumal gegenüber einem Gegner, der solche Skrupel gar nicht kennt?

Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, dass in existenziellen Konflikten im Zweifel Sieg vor Humanität geht. Eine Binsenweisheit, die aber in unserer Gesellschaft nicht mehr akzeptiert wird. Für deren Dekadenz ist vielmehr kennzeichnend, dass zwar ein kleiner Blogger wie ich dergleichen noch schreiben kann, ein Politiker aber, der es ausspräche, noch am selben Tag seinen Hut nehmen müsste.

Heinsohn ist ein Aufklärer; ein Mann, der Illusionen zerstört und sich wie Anderen jegliches Wunschdenken verbietet. Damit hat er wenig Aussicht auf Gehör in einer Gesellschaft, die zwar ironischerweise jede Form von individueller Sucht bekämpft (Nikotinsucht, Alkoholsucht, Tabletten-, Rauschgift-, Mager-, Fress-, Sex-, Spielsucht) aber kollektiv von ihrem eigenen Wunschdenken abhängig ist wie nur irgendein Heroinsüchtiger von seiner Spritze, und die dadurch an der kollektiven Selbstzerstörung kaum weniger konsequent arbeitet als der Fixer an der individuellen.

Wenn ich sage, Heinsohn sei ein Aufklärer, dann ist damit natürlich nicht gesagt, dass seine Thesen die Wahrheit schlechthin seien. Er entwickelt eine These von weitreichender Erklärungskraft auf erfrischenderweise weniger als 160 Textseiten und verschafft seinem Leser eine Fülle von Aha-Erlebnissen gerade dadurch, dass er sich konsequent auf eine einzige Erklärungsvariable – die Altersstruktur von Bevölkerungen – konzentriert.

Zu warnen ist aber vor der Verführungskraft solch monokausaler Theorien: Wer durch die Brille des Demographen blickt, erkennt zweifellos vieles, was ihm sonst entgangen wäre; er sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, alles andere sei deswegen irrelevant. Wo alles Demographie ist – und das ist bei Heinsohn der Fall, ungefähr so, wie bei Marx alles Klassenkampf war – schrumpft Soziologie schnell zur bloßen Rechenaufgabe. Welche geistigen Stolperdrähte hier gespannt sind, merkt man spätestens dort, wo der Autor empfiehlt, der Westen solle einen Teil des Jugendüberschusses afrikanischer und arabischer (!) Länder aufnehmen, also die Einwanderung von dort noch forcieren. Das Rezept für den kulturellen Selbstmord.

Wenn man seine Theorie aber nicht monokausal als „Erlärung für Alles“ und auch nicht deterministisch-fatalistisch missversteht, als seien Gewalt und Chaos immer, überall und zwangsläufig die Folge eines Jugendüberschusses, dann kommt man an seiner Theorie nicht vorbei. Heinsohn benennt ein Risikopotenzial, das von den gängigen politikwissenschaftlichen und soziologischen Theorien vernachlässigt wird, das man aber unbedingt berücksichtigen muss, wenn man aktuelle und historische Konflikte verstehen und erklären will, und erst recht, wenn es künftige Krisen zu meistern gilt.

So viel zum Thema „Islamophobie“:

Salzburger Nachrichten, 5. Dezember 2007:

Der „Rat der Religionsgelehrten“ der Kairoer Al-Azhar-Universität, einer der wichtigsten Bildungsinstitutionen der islamischen Gesellschaft, hat jenen Moslems, die als Wirtschaftsflüchtlinge bei der illegalen Einreise nach Europa ums Leben kommen, den Status von „Märtyrern“ für die Ausbreitung des islamischen Weltreichs verliehen. Da dieses Gremium eine kollegiale Lehrautorität für alle Moslems ist, wiegt diese Lehrmeinung schwer als grundsätzliche und über Ägypten hinaus verbindliche Anerkennung der Unterwanderung des „christlichen Abendlandes“ durch Moslem-Immigranten zum Zweck der Islamisierung Europas. …“

[Zum Rest dieses Artikels der „Salzburger Nachrichten“]

 

 

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Djihad“