Klassenkeile

Nun gerät Angela Merkel unter Beschuss. Nachdem schon praktisch die gesamte Medienmeute sich auf sie gestürzt und ihre Außenpolitik zerfetzt hat, fassen ihre Vorgänger Kohl und Schmidt nach. Die Regierung Merkel sei international nicht vertrauenswürdig und nicht berechenbar, da sie bei der Euro-Rettung zu zögerlich agiert und den Eindruck erweckt habe, Griechenland nicht helfen zu wollen. Auch die Enthaltung im Weltsicherheitsrat habe das Vertrauen der Verbündeten belastet und so weiter.

Merken die Kritiker eigentlich nicht, was sie über sich selber verraten, wenn sie den Beifall des Auslands – und nur ihn – zum Maßstab für deutsche Politik machen? Nein, sie merken es nicht. Sie können nicht nur selbst nicht anders denken, sie können sich nicht einmal vorstellen, dass ein Anderer anders denken könnte.

Halten wir zunächst fest, dass es bei den diversen Griechenlandhilfen und Euro-Rettungsschirmen wie auch beim Militäreinsatz gegen Libyen um völkerrechtswidirge Akte handelt. Das eine verstößt gegen die No-Bail-Out-Klausel der einschlägigen europäischen Verträge, das andere gegen die Charta der Vereinten Nationen.

Um es noch einmal zu sagen: Der Weltsicherheitsrat hat keineswegs eine Generalvollmacht zu intervenieren, wo er will. Er kann im Falle eines (drohenden) Krieges militärisch Partei gegen den (potenziellen) Angreifer ergreifen; ansonsten kann nur militärisch eingreifen, wenn es einen Völkermord abzuwenden oder zu beenden gilt. Keiner dieser beiden Fälle war gegeben, der Beschluss des Weltsicherheitsrates, militärisch in Libyen intervenieren zu lassen, war ein usurpatorischer Akt der Selbstermächtigung, ein Putsch gegen das Völkerrecht, und wahrlich nicht der erste dieser Art. Es geht um die Schaffung von Präzedenzfällen bei der Beseitigung der staatlicher Souveränität; es geht darum, allen Machthabern, und keineswegs nur den Diktatoren unter ihnen, zu demonstrieren, dass ihre Macht unter dem Vorbehalt des Wohlverhaltens steht und über ihnen allen ein Damoklesschwert schwebt. (Siehe dazu auch meine Artikel „Deutschlands ‚Isolation'“ und „Darf der Internationale Strafgerichtshof Gaddafi verhaften?“)

Wir täten Angela Merkel zu viel der Ehre an, wollten wir unterstellen, dies seien die Beweggründe für ihre bisweilen zögerliche Haltung in der Euro- wie der Libyenkrise gewesen. Sie ist ja in Wirklichkeit gar nicht dagegen, sie ziert sich nur. Sie muss sich auch zieren, weil sie genau weiß, dass die Deutschen weder als Soldaten noch als Steuerzahler bereit sind, für eine Politik zu bluten, die sie nicht wollen und nicht abgesegnet haben, und von der sie genau wissen, dass die deutsche Regierung zu ihr nicht nur nicht verpflichtet, sondern nicht einmal berechtigt ist. Angela Merkel musste, wenn auch nur taktisch und verbal, Rücksicht auf den Willen des deutschen Volkes nehmen. Dass sie dies – und sei es nur ausnahmsweise und gezwungenermaßen – tat, statt sich wie üblich als beflissene Befehlsempfängerin der international herrschenden Klasse zu profilieren, dies, und dies allein, wird ihr jetzt vorgeworfen.

Die Einmütigkeit, mit der Politik und Medien über sie herfallen, beweist klarer als jede theoretische Analyse, dass es in der westlichen Welt weder Medienpluralismus noch Demokratie gibt. Beides wird bestenfalls inszeniert, und dies kaum überzeugender als in der untergegangenen DDR.

Es gibt auch keine Politiker von einigem Gewicht, die dem nationalen Interesse ihres Landes oder auch nur dem Völkerrecht verpflichtet wären. Wir werden von einer selbstherrlich die Spielregeln diktierenden internationalen Klasse von Putschisten regiert, die die Konformität in den eigenen Reihen zu erzwingen und Jeden zu entmachten versteht, der aus der Reihe tanzt.

Deutschlands „Isolation“

Als wäre eine Sprachregelung ausgegeben worden, beklagen nunmehr die meisten politischen Kommentatoren die „Isolation“, in die Deutschland sich begeben habe, weil es gegenüber Frankreich, Großbritannien und den USA im Fall Libyen nicht genügend „Bündnistreue“ bewiesen habe.

Halten wir zunächst fest, dass es keinerlei „Bündnis“ gibt, aufgrund dessen Deutschland verpflichtet gewesen wäre, sich an einem Angriff auf Libyen zu beteiligen. Die NATO, das muss man heutzutage leider betonen ist, ein Verteidigungsbündnis, und keiner der Verbündeten ist angegriffen worden.

Es stimmt zwar, dass die NATO zunehmend für Einsätze eingespannt wird, die mit Selbstverteidigung auch im weitesten Sinne nichts zu tun haben, aber dies bedeutet, dass sie vertragswidrig missbraucht wird, und nicht etwa, dass eine neue Rechtslage eingetreten wäre. Wenn einzelne Bündnispartner entscheiden, irgendwo auf der Welt offensiv zu werden, verpflichtet dies Deutschland zu überhaupt nichts. Das Gerede von der „Bündnistreue“ ist also bewusste Augenwischerei.

Was der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor einigen Tagen beschlossen hat, als er die Angriffe auf Libyen absegnete, war ein weiterer Schritt zur Schaffung eines in der UN-Charta nicht vorgesehenen und von ihr nicht gedeckten Gewohnheitsrechts zur Beseitigung missliebiger Regime.

Dabei ist selbstverständlich nicht jedes diktatorische Regime in diesem Sinne missliebig; die Diktaturen von Bahrain oder Saudi-Arabien sind es zum Beispiel nicht.

Gaddafi, mit dem man jahrzehntelang gute Geschäfte gemacht hat, und dessen jetziger Hauptfeind Sarkozy nicht zuletzt durch libysche Wahlkampfspenden ins Amt gekommen ist, ist Frankreich und Großbritannien vor allem deshalb ein Dorn im Auge, weil die Fortexistenz seines Regimes der „Mittelmeerunion“, also dem Projekt Eurabia, im Weg steht, dem sich durch die Revolutionen in Ägypten und Tunesien plötzlich so unerwartete Perspektiven öffnen. Was die beiden westlichen Gernegroßmächte – unter wohlwollender Schirmherrschaft der USA – anstreben, läuft ja auf die Verschmelzung Europas mit Nordafrika und dem Nahen Osten hinaus, und dies nicht trotz, sondern wegen der damit zwangsläufig verbundenen Masseneinwanderung. Die EU-Pläne, eben diese Masseneinwanderung in bisher ungekanntem Ausmaß zu fördern, liegen bekanntlich bereits auf dem Tisch, und nichts kommt ihnen mehr zupass als das Argument, man müsse „die jungen Demokratien unterstützen“ und „den Menschen eine Perspektive geben“, und schließlich gelte es, die Ströme von Flüchtlingen (die vor der „Freiheit“ offenbar in größeren Zahlen fliehen als jemals vor der Unterdrückung) zu kanalisieren.

Dies ist der Hintergrund, ohne den die Intervention der Westmächte ganz unverständlich wäre. Dass Deutschland sich gegenüber einer solchen Politik „isoliert“, also sie wenigstens nicht mitmacht, wenn es sie schon nicht verhindert, ist fürwahr nichts, was irgendjemandem schlaflose Nächte bereiten sollte, übrigens auch nicht im Hinblick auf den angestrebten ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Dass Deutschland durch die Nichtbeteiligung an der Libyen-Intervention die Chancen auf diesen Sitz verspielt habe, ist nicht nur Unfug (diese Chancen hat es nie gegeben für einen Staat, der nach wie vor unter die Feindstaatenklausel fällt), sondern wäre auch dann kein Argument, wenn es stimmen würde. Was hieße das denn (wenn es stimmen würde), dass der Preis für einen solchen Sitz die Beteiligung an westlichen Angriffskriegen wäre? Das hieße, dass dieser Sitz von Deutschlands Beteiligung an einer Politik abhinge, die Andere auch ohne deutsche Zustimmung ohnehin schon betreiben. Ich glaube nicht, dass man für diese Art „Großmacht“-Stellung (kicher!) die gesunden Knochen eines vorpommerschen Piloten riskieren sollte. Oder, um es mit Wilhelm I. zu sagen: Was soll mir der Charaktermajor?

Ein Alptraum

Bei der Debatte über die drohende Islamisierung Europas wird ein Aspekt häufig übersehen:

Dieser Prozess findet in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich schnell statt, und zu den Ländern, wo er am rasantesten voranschreitet, gehören ausgerechnet Großbritannien (das man praktisch schon abschreiben kann) und Frankreich: also die beiden europäischen Atommäche, beide mit einem Sitz im Weltsicherheitsrat.

Bereits vor dem Erreichen einer numerischen muslimischen Mehrheit in diesen Ländern, allein schon aufgrund der Kollaboration der Linken, werden sie unter islamische Herrschaft fallen. Die islamische Atombombe, von der wir heute im Zusammenhang mit Pakistan, schlimmstenfalls dem Iran sprechen, wird es dann mitten in Europa geben, und zwar gleich doppelt.

Sie wären dann in der Lage, jedes andere europäische Land bei Bedarf notfalls nuklear zu erpressen, das sich – durch restriktive Immigrationspolitik, durch Widerstand gegen die EU-Mitgliedschaft weiterer islamischer Länder, durch Austritt aus der EU – der weiteren Islamisierung widersetzte. (Insbesondere Deutschland und Italien hätten dann schlechte Karten, weil sie unter die Feindstaatenklauseln der UN-Charta fallen, mithin selbst den zweifelhaften Schutz dieser Charta nur höchst eingeschänkt genießen.)

Darüberhinaus wären Frankreich und Großbritannien imstande, auch jede außereuropäische Macht von einem Eingreifen zugunsten dieser anderen europäischen Staaten abzuschrecken.

Und schließlich würden zumindest die USA, wie ihr Verhalten gegenüber dem Iran beweist, in einem solchen Fall den Weg des geringsten Widerstandes gehen und es vorziehen, die Hegemonie der (vermutlich immer noch mit Amerika verbündeten) islamischen Atommächte England und Frankreich über Europa anzuerkennen und zu dulden und in ihr eigenes strategisches Konzept einzubauen.