ZDF: Hier lügen sie richtig!

Man sollte sich daran gewöhnt haben. Trotzdem staunt man immer noch stets aufs Neue, mit welcher Dreistigkeit uns die Sender belügen, die von unseren Gebühren leben. (Die anderen sind auch nicht besser, aber denen muss ich kein Geld überweisen.)

Wieder das vertraute Muster: Mit der Überschrift die Lesart vorgeben und die entscheidende Information im Kleingedruckten verbergen. (Siehe auch: „Springer-Blatt relativert Massaker an Christen“ und „Kloakenschreiber„). Diesmal macht sich das ZDF um Propaganda und Volksaufklärung verdient :

Frauen fahren besser als Männer

(…) Mann darf staunen: Frauen fahren wesentlich sicherer Auto als Männer. In einer Studie hat der Auto Club Europa (ACE) Statistiken ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass Fahrerinnen weniger Unfälle mit Verletzten verursachen als Männer.

(…)

Die andere Grundlage für die Studie…

…außer dem Flensburger Zentralregister, in dem nicht Unfälle und Schäden gezählt werden, sondern die Missachtung moderner Geßlerhüte, wie etwa Tempo-30-Zonen auf vierspurigen Straßen in Berlin…

…bildet die Unfallstatistik für das Jahr 2008. Demnach gab es mehr als 320.000 Verkehrsunfälle mit Verletzten. Gut zwei Drittel davon, nämlich 217.843 Unfälle, wurden laut ACE von Männern herbeigeführt. In 37 Prozent waren Frauen am Steuer schuld an den Unfällen mit Personenschaden. Hochgerechnet auf die weibliche Bevölkerung in Deutschland ermittelte die Organisation eine Quote von 216 Unfällen mit Personenschäden pro 100.000 Frauen. Die entsprechende Quote bei Männern liegt bei 413 Unfällen.

Nachdem das Bild vom Mann als dem verantwortungslos rasenden und mordenden Monster, das obendrein nicht autofahren kann, in dieser Weise verfestigt worden ist, kommen erst einmal vier Absätze Blabla, und dann, wenn der Leser schon nichts mehr mitkriegt, die entscheidende Information:

Die Angaben der Studie werden dadurch relativiert, dass Frauen längst nicht so häufig Auto fahren wie Männer. Der ACE verweist auf die vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie „Mobilität in Deutschland“ aus dem Jahr 2002. Demnach legten Männer pro Tag durchschnittlich 30 Kilometer mit dem Auto zurück, Frauen dagegen nur zwölf Kilometer.

Was nichts anderes bedeutet, als dass Frauen, die nur 29 Prozent aller gefahrenen Kilometer zurücklegen, damit 37 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden verursachen. Und dass die Überschrift nicht einfach eine einseitige Interpretation ist und auch kein Irrtum aufgrund mangelnder Information, sondern einfach eine dreckige, männerverleumdende  Lüge!

[Mit Dank an GeistesWelt, durch dessen Artikel ich darauf aufmerksm gemacht wurde.]

Die Null-Nachricht der Nullen

Früher gab es Kriterien dafür, was eine Nachricht ist: Wenn ein Hund einen Mann beißt, ist das keine Nachricht. Eine Nachricht ist, wenn ein Mann einen Hund beißt. Andere Kriterien sind Konflikt, Prominenz etc., in jedem Falle aber: dass überhaupt etwas passiert ist! N-tv hat jetzt stattdessen die Null-Nachricht erfunden:

Schweigen beim Angelus-Gebet: Papst äußert sich nicht

Viele Katholiken warten weiter vergeblich auf eine Stellungnahme des Papstes zum Missbrauchsskandal in Deutschland…

und so weiter bla bla.

Was für eine Unverschämtheit auch vom Heiligen Vater, dem Stellvertreter Christi, dem geistlichen Oberhaupt von einer Milliarde Menschen, dass er die Gelegenheit versäumt, über das Stöckchen zu springen, das irgendwelche lächerlichen halbgebildeten Propagandafuzzis ihm hinhalten, deren herausragendste Fähigkeit die ist, zu lügen, ohne rot zu werden, und deren Projekt offenkundig darin besteht, den Rest der Menschheit auf das Niveau ihrer eigenen intellektuellen Impotenz herabzuzerren, und die es deshalb nötig haben, einen Mann zu verleumden, der in einen einzigen Satz mehr und tiefere Gedanken zu packen weiß, als sie selbst, die bildungsfernen Geisteseunuchen von der stalinistischen Schauprozessjustiz, in ihrem ganzen Leben auch nur ahnen werden.

Die einzige Null-Nachricht, die ich sehnlichst erwarte, lautet:

Schweigen im Blätterwald und auf der Mattscheibe: Medienpack hält endlich die Schnauze!

Kloakenschreiber

Ich gehe nicht wirklich davon aus, dass unter meinen Lesern noch einer ist, der sich unter „Massenmedien“ etwas anderes vorstellt als gigantische Desinformationsapparate. Für den Fall aber, dass sich vielleicht doch noch irgendjemand hierher verirrt, der sich für „informiert“ hält, weil er diese Medien nutzt, erlaube ich mir einige Anmerkungen zur aktuellen Schmuddelkampagne gegen die katholische Kirche:

Man hätte schon stutzig werden sollen, als es mit der Berichterstattung zu den Fällen von Kindesmissbrauch am Berliner Canisius-Kolleg losging. Es handelte sich um Vorfälle aus den achtziger Jahren, bei denen man sich demgemäß fragen musste, wie und warum sie es im Jahr 2010 in die Medien schaffen konnten. Etwa ihrer Aktualität wegen?

Seitdem vergeht praktisch kein Tag ohne neue einschlägige Schlagzeilen. Der Eindruck, der offenkundig erweckt werden soll, lautet, dass katholische Priester Leute seien, die sich ständig an kleinen Jungs vergreifen. Nehmen wir einen Bericht von n24:

Prügel „noch und noch“

Erschütternde Details im Missbrauchsskandal

Die katholische Kirche steht wegen zahlreicher Missbrauchsfälle im Visier der Öffentlichkeit. Dabei sickern immer neue, entsetzliche Details ans Licht.

Damit wird der Leser auf ganz bestimmte Lesart eingestimmt: Er soll glauben, es gebe – erstens – aktuelle Fälle von – zweitens – sexuellen Übergriffen (das Wort „Missbrauch“ wird mit Kinderschänderei assoziiert; die „Prügel“, von denen die Rede ist, werden deutlich kleiner gedruckt, nach dem Motto: „Die gab’s auch noch“), und die Kirche versuche dies – drittens – zu vertuschen („sickern ans Licht“).

Solche Einleitungen setzen einen Kontext und suggerieren ein bestimmtes Vorverständnis. So setzt man dem Medienkonsumenten eine ganz bestimmte Brille auf die Nase und kann sich darauf verlassen, dass neunzig Prozent aller Leser, nämlich die, die immer noch Vertrauen zu den Medien haben, die nun folgenden Informationen genau entlang dieser Vorgabe interpretieren werden.

Der Schreiber kann es sich jetzt sogar leisten, gegenläufige Fakten zu nennen: Der Leser wird es nicht merken! Er wird jeden Widerspruch zwischen dem vorgegebenen Tenor und den anschließend referierten Fakten zugunsten der Vorgabe auflösen. Sogar Informationen, die die vorgegebene Interpretation eindeutig widerlegen, werden so aufgefasst, als hätten sie sie bestätigt.

Dass so etwas funktioniert, ist bereits 1938 von Orson Welles spektakulär bewiesen worden, als er mit seinem Hörspiel „Krieg der Welten“ eine Massenpanik unter Radiohörern auslöste, die glaubten, die Außerirdischen griffen an: Der Clou ist, dass während des Hörspiels sehr wohl mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass es sich lediglich um Fiktion handelte! Die Hörer merkten es nicht, weil die vorgegebene Story vom „Angriff der Außerirdischen“ jede widersprechende Information verdrängte!

In diesem Sachverhalt liegt auch der Grund für das regelmäßig wiederkehrende Phänomen, dass Zeitungsartikel, in denen über friedliche Demonstrationen von Rechtsextremisten und deren gewalttätige Störung durch Linksautonome die Rede ist, unter Überschriften und Einleitungen veröffentlicht werden, die das Klischee von der „rechten Gewalt“ transportieren. Der Leser, der einen ganzen Artikel über linken Vandalismus gelesen hat, wird am Ende, allein aufgrund der Überschrift, überzeugt sein, es sei von gewalttätigen Neonazis die Rede gewesen – dies jedenfalls wird hängenbleiben.

Um bei dem Bericht von n24 zu bleiben: Auf die Einleitung folgen vier (ziemlich allgemein gehaltene)  Absätze, die die Vorgabe scheinbar bestätigen (wobei nichts „gesickert“ ist: Was an Fakten drinsteht, hat die Kirche selbst auf den Tisch gelegt.). Erst dann wird es konkret. Und ziemlich dünn:

Kloster Ettal zum Beispiel:

Im aktuellen Fall geht es um einen suspendierten Ettaler Pater, der Fotos von halbnackten Klosterschülern auf Homosexuellen-Seiten im Internet veröffentlicht haben soll. Der Pater habe die Fotos der Jungen mit freiem Oberkörper bei Bergwanderungen gemacht.

„Erschütternde Details“ fürwahr! Fotos von Jungs mit freiem Oberkörper(!) fallen jetzt wohl auch schon unter „Kinderpornographie“.

Alle anderen Vorwürfe beziehen sich offenbar auf verbotene Körperstrafen (und nicht auf sexuellen Missbrauch). Schlimm genug, aber es handelt sich um

Vorgänge in vergangenen Jahrzehnten

also gerade nicht, wie suggeriert, um aktuelle Fälle, weswegen sie auch

verjährt

sind.

Noch dreister wird es bei der Berichterstattung über die Übergriffe bei den Regensburger Domspatzen. Es geht um Fälle aus den fünfziger und sechziger Jahren! Und auch hier weit überwiegend um Körperstrafen, die damals zwar schon verboten, aber bei altmodischen Paukern durchaus noch üblich waren, übrigens nicht nur im kirchlichen Bereich. Die gesellschaftliche Ächtung pädagogisch motivierter Gewalt steckte damals noch in den Anfängen.

Wenn offenkundig sämtliche linken und „liberalen“ Journalisten der Republik wochenlang im Umkreis der Kirche jedes Steinchen umdrehen und so gut wie keine aktuellen Fälle von Kindesmissbrauch oder -misshandlung finden; wenn sie deswegen auf Vorfälle zurückgreifen, die zwanzig bis sechzig Jahre zurückliegen, dies aber in einem Tenor, als seien sie aktuell: Was schließen wir daraus?

Wir schließen daraus erstens, dass in den Einrichtungen der katholische Kirche im Großen und Ganzen genau die anständigen Menschen arbeiten, die wir legitimerweise dort vermuten durften; und zweitens, dass in den Redaktionen unseres Landes genau das verlogene und verkommene Pack von Kloakenschreibern sein Unwesen treibt, das wir dort vermutet haben.

Zum Prozess gegen Radovan Karadzic

„Karadzic geriert sich als Opfer und Friedensengel“ (Welt online)

„Radovan Karadzic: Der Massenmörder von Bosnien bereut nichts“ (bild.de)

Nachdem wir in den neunziger Jahren die Selbstgleichschaltung der deutschen Medien erleben mussten, von denen keines einen Zweifel daran gelassen hat, dass die Serben an allem Unglück auf dem Balkan schuld sind (allein ein Peter Handke durfte mit seinen „andersgelben Nudelnestern“ den serbophilen Pausenclown machen), brauchen wir uns nicht zu wundern, dass damit auch der Tenor der Berichterstattung über den Karadzic-Prozess gesetzt ist.

Während aber etwa der „Focus“ sich um kritische Distanz wenigstens bemüht, hat der Springer-Konzern offenbar eine Meute von besonders hasserfüllten Propagandaschreibern – pardon: ich meinte natürlich: vom besonders engagierten Journalisten – auf den Fall angesetzt. Nun ja – er hat ja auch einen Ruf zu verlieren.

Wer schon auf die Unschuldsvermutung  pfeift, dem ist naturgemäß auch sonst jedes Mittel recht, den Leser zu verhetzen. Welt online:

Munira hofft noch immer, 15 Jahre nach Srebrenica, die Knochen ihres Sohnes zu finden. Er war damals 18. „Karadzic bleibt ein Lügner“, sagt sie. „Und er ist stolz darauf. Er hat mich heute genauso gedemütigt wie vor 15 Jahren.“

Was hat sie denn erwartet? Dass er auf die Knie fällt?

Ich wünschte, die Leser würden sich endlich diese Form von Journalismus verbitten, die die Gefühle der Opfer zum Maßstab für die Gerechtigkeit eines Prozesses macht (vgl. auch meinen Artikel über den Scheungraber-Prozess). Opfer zu sein ist Schicksal, nicht Verdienst. Es macht aus niemandem einen besseren Menschen, schon gar nicht einen weiseren oder gerechteren, dessen Meinung deshalb gesteigerten Informationswert hätte.

Dass der ehemalige Führer der bosnischen Serben irgendwann doch noch die Wahrheit über seine mutmaßlichen Verbrechen sagen werde, glaubt die 62-Jährige nicht mehr.

Was für eine Frechheit von Karadzic, dass er sich verteidigt, statt sich diskussionslos für den Rest seines Lebens einlochen zu lassen!

Wer so schreibt, informiert seine Leser nicht, sondern stachelt ihre Gefühle auf: Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens wird dann geradezu zum Argument gegen seine Legitimität. Diese Gleichsetzung von Rachedurst mit Gerechtigkeit ist ein Atavismus; sie zu propagieren ein Verbrechen.

„Schneekatastrophe“

Früher hieß es „Winter“, heute heißt es „Schneekatastrophe“ (und man empfiehlt uns allen Ernstes, wegen des Tiefs „Daisy“ Wasserflaschen, Konserven, Kerzen und Streichhölzer zu hamstern).

Früher hieß es „Sommer“, heute heißt es „Erderwärmung“.

Früher hieß es „Bankenpleite“, heute heißt es „Finanzkrise“.

Früher hieß es höchstens „Schnupfen“, heute heißt es „Schweinegrippe“ (und wird als „die größte Pandemie seit 1918“ bejubelt, so wie die „Finanzkrise“ die größte Krise seit 1932 sein sollte).

Wenn man sieht, wie die Journaille in Ermangelung von Säuen anfängt, Meerschweinchen durchs Dorf zu treiben, dann fällt es schwer, sich nicht an den alten Witz aus der DDR erinnert zu fühlen, wo die Stasi-Leute auf der Jagd sind und haben nur ein Kaninchen erlegt; daraufhin prügeln und treten sie auf das Kaninchen ein: „Geben Sie endlich zu, dass Sie ein Wildschwein sind!“

Was lernen wir daraus? Erstens, dass der Kampf um Quote und Auflage bei der Journaille alle Schamschwellen eingeebnet hat; zweitens, dass sie ihr Publikum abgrundtief verachtet; drittens, dass zum hysterischen Geschrei der Medien in aller Regel außer ihnen selbst noch ein Anderer gehört, der daran verdient (z.B. drittmittelgeile Klimaforscher, Banken, Pharmaunternehmen); viertens, dass diese Hysterie bei den wirklich wichtigen Themen ausbleibt (Wenn die Bedrohung des Eisbären wichtiger ist als die des eigenen Volkes, dann werden nicht nur Nationalisten diese Prioritätensetzung eigenartig finden); fünftens, dass man aus alldem nur eine Konsequenz ziehen kann: Abschalten, abbestellen, ignorieren! Und sich im (immer noch) anarchischen Netz informieren.

Subtile Umerziehung

EU will neues Fortschrittsbarometer schaffen – Yahoo! Nachrichten Deutschland. [Der ursprünglich hier stehende Link ist nicht mehr gültig. M.K.-H., 29.01.2011]

(AFP) In Europa soll es bald ein neuartiges Fortschrittsbarometer geben. Die Europäische Kommission will nach einem in Brüssel veröffentlichten Strategiepapier das Monopol des Bruttoinlandsproduktes (BIP) brechen, das die Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaften misst. Zur Wohlstandsberechnung sollen ab dem kommenden Jahr auch die Umwelt- und Lebensqualität herangezogen werden.

In der Kommissionsmitteilung heißt es, das aus den 1930er Jahren stammende BIP habe im 21. Jahrhundert seine Grenzen erreicht. „Um die Welt zu verändern, müssen wir die Art und Weise ändern, wie wir die Welt verstehen“, erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel: „Dafür müssen wir über das BIP hinausgehen.“

Auch wenn es nicht zum Thema gehört, erlaube ich mir den Hinweis, dass man offenbar weder sachlich kompetent sein noch Deutsch können muss, um für AFP zu schreiben: Die Metapher vom „Barometer“ passt denkbar schlecht zu der vom „Fortschritt“, weil man mithilfe eines Luftdruckmessgerätes nun einmal nicht das Voranschreiten von irgendetwas messen kann. Des weiteren hat die EU-Kommission nicht vor, die „Wirtschaftsleistung der Volkswirtschaften“ anders als mit dem BIP zu messen, sondern den „Wohlstand“ – das ist aber nicht dasselbe. Außerdem stammt nicht das Bruttoinlandsprodukt aus den dreißiger Jahren, sondern der Begriff „Bruttoinlandsprodukt“ und seine Definition. Dass das BIP „seine Grenzen erreicht“ hätte, würde bedeuten, dass es nicht mehr wachsen könnte; gemeint ist aber, dass der Begriff die Grenzen seiner Erklärungskraft und Relevanz erreicht habe, also etwas ganz anderes.

Dass man von einem solchen Universalkretin keine kritischen Anmerkungen zu dem von ihm beschriebenen Vorhaben der EU-Kommission erwarten kann, versteht sich von selbst:

Es ist ja zutreffend, dass ins BIP nur einfließt, was am Markt gehandelt wird. Es enthält weder positiv die unbezahlte Arbeit der Hausfrau noch negativ die Folgen von Umweltverschmutzung, Islamisierung und sonstigen unerwünschten Entwicklungen. Auch die Leistungen miteinander konkurrierender Werbestrategen oder Anwaltskanzleien werden nicht etwa miteinander verrechnet (obwohl jede die Anstrengungen des Gegners zunichte macht), sondern addiert. Ein Wohlstandsmaß ist dass BIP also nicht, kann es auch nicht sein, weil es objektive Größen misst, während es „Wohlstand“ nur als gefühlten gibt.

Wer das Bruttoinlandsprodukt misst, erhält als Ergebnis ebensowenig das Maß des Wohlstandes wie der, der den Kohlendioxidgehalt der Luft, den Moslemanteil an der Bevölkerung oder die Anzahl der Haare auf dem eigenen Kopf misst! Dem Wohlstand kommt man nicht dadurch auf die Spur, dass man das Indexsystem perfektioniert.  Wer den Wohlstand einer Gesellschaft messen will, braucht im Grunde nur einen Meinungsforscher mit der Frage „Wie geht es Ihnen?“ loszuschicken. Zwar wäre auch dieses Vorgehen methodisch problematisch, aber die Ergebnisse würden allemal mehr über den Wohlstand aussagen als irgendein noch so ausgefeilter, objektive Größen messender Index.

Jeder derartige Index setzt unweigerlich eine Vorentscheidung darüber voraus, was als „Wohlstand“ betrachtet werden soll und was nicht – und eine Entscheidung darüber, wer diese Vorentscheidung trifft. Wenn wir uns dies bewusst machen, wundern wir uns nicht darüber, dass die EU-Kommission nicht etwa besagten Meinungsforscher losgeschickt hat: Die Bürger könnten ja ein falsches Bewusstsein haben – sprich: anderer Meinung sein als die EU-Kommission. Da geht man doch lieber auf Nummer sicher:

Neben dem Wachstumsbarometer will die Kommission ab 2010 einen Umweltindex schaffen, der Aufschluss über die Luft- oder Wasserreinheit geben soll. Zudem sollen Faktoren wie die soziale Gleichstellung und die Lebensqualität in Städten einbezogen werden.

Die „soziale Gleichstellung“ als Wohlstandsmaß: Wer arm ist, dies die dahinterstehende Ideologie, soll es als zusätzliche Schmälerung seiner Lebensqualität empfinden, dass Andere reich sind. Wer dagegen reich ist, soll es als Minderung seiner Lebensqualität ansehen, dass Andere es nicht sind. Da ein derart verqueres Gefühlsleben bei den wenigsten Menschen empirisch anzutreffen sein dürfte (außer bei verwöhnten Gutmenschen oben und asozialen Neidhammeln unten), kann die EU-Kommission die Bürger nicht nach ihrer Meinung fragen, sondern muss von Amts wegen verordnen, was unter „Wohlstand“ zu verstehen und dass er dann am größten ist, wenn Alle unter Brücken schlafen.

Man fragt sich, warum die Beamten, die sich das ausgedacht haben, nicht einfach nach Nordkorea auswandern, wo ihr Wohlstandsbegriff zweifellos den Beifall von Partei und Staat finden wird. Wahrscheinlich, weil sie von dem Alptraum gequält werden, wir Europäer könnten dann womöglich nicht in den Genuss solch bahnbrechender sozialistischer Errungenschaften wie zum Beispiel des „Fortschrittsbarometers“ kommen.

Da lehrt man unsereinen lieber das „richtige“ Bewusstsein, und zwar in der bewährten Manier, „Neusprech“ zu verbreiten:

Wenn es  nun einmal nicht möglich ist, sinnvoll zu begründen, was Verteilungsgleichheit mit Wohlstand zu tun hat, dann liegt es nahe, sich des lästigen Zwangs zum Argument dadurch zu entledigen, dass man den Sozialismus von vonherein in den Begriff „Wohlstand“ hineindefiniert.  Ist erst einmal ein „Fortschrittsbarometer“ amtlich definiert und arbeitet man damit (oder mit einem Lebensqualitätsindex oder wie immer man das sozio-ökonometrische Monstrum nennen will, das Brüssel sich gerade ausdenkt), dann wird nach einer gewissen Eingewöhnungsphase niemand mehr daran denken oder danach fragen, dass in dieses Maß sozialistische Ideologie eingangen ist. Man wird nicht einmal mehr verstehen, was an einer solchen Selbstverständlichkeit wie der, dass Gleichheit etwas Erstrebenswertes sei, eigentlich sozialistisch sein soll.