Das abgekartete Spiel

Der italienische Blogger Francesco Colafemmina hat für den Wechsel von Benedikt XVI. zum Anti-Benedikt Bergoglio eine Erklärung. Seine Theorie ist in ihrer Dialektik zugegebenermaßen ausgefallen, aber doch ziemlich logisch; und vor allem: Er hat sie bereits 2009 vorgelegt. 

Der Blog katholisches.info zitiert aus einem vor kurzem veröffentlichten Beitrag Colafemminas unter anderem die folgenden Passagen:

Aber ich verzichte heute lieber auf Opportunität und Klugheit und behaupte, daß mir Papst Franziskus nicht authentisch scheint. Ich sehe in seinen Gesten nicht naiv das Fehlen jeglicher Planung, die andere zu erkennen meinen. Ich denke nicht, daß ein 76 Jahre alter Mann, der bereits Kardinal und Erzbischof war, in seinen Handlungen so naiv und authentisch ist.

Nein, ich glaube vielmehr, daß alles konstruiert und geplant ist, seit Jahren. Und es belustigt mich ein bißchen zu sehen, daß die Kommentatoren, die mit einem Schlag alle Bergoglianer geworden sind, nun plötzlich den „Traditionalisten“ Aufmerksamkeit schenken, die Papst Franziskus kritisieren, sich dabei aber lediglich auf die äußeren Aspekte dieser Kritik, ich würde von vatican-fashion seiner Neuerungen sprechen, beschränken.

Nein, die vatikanische Mode, ich kann es diesen Kommentatoren versichern, interessiert uns überhaupt nicht. Uns interessiert die Kontinuität, eine Kirche die weder aus vielen kleinen unabhängigen Zellen noch aus einem „davor“ und „danach“ besteht. Und im konkreten Fall ist es leider Papst Franziskus, der diese Distanz zwischen einem „vorher“ und einem „danach“ betont. Besser gesagt, es sind seine Wähler, die verschiedenen Sodanos (der jahrelang zum Schaden Benedikts komplottierte), und die verschiedenen Res, Danneels, Lehmanns, Hummes … Alles Leute, die in ihren Köpfen den „Schock Franziskus“ seit Jahren planten.

Das habe ich schon 2009 geschrieben, als ich meinen Roman La Serpe fra gli Ulivi (Die Schlange im Olivenhain) verfaßte, und vielleicht bin ich deshalb gegenüber Papst Franziskus so skeptisch. Heute nahm ich mein damaliges Buch wieder zur Hand und las die Seiten 278-279 nach:

"Der Kardinal mit seinem würdevollen und strengen, wenn auch manchmal schleimigen und hämisch boshaften Gesicht hatte es geschafft, eine beachtliche Gruppe von Bischöfen, Priestern und anderen Mitgliedern des Kollegiums zu sammeln. Ihr Ziel war es, die Kirche in einem dauerhaft schlechten Zustand zu halten: die Rolle des Papstes zu schwächen, die Glaubwürdigkeit der Orthodoxie zu untergraben, eine tiefgreifende, glitschige Widersprüchlichkeit zwischen dem katholischen Anspruch und dem Privatleben der Hierarchien zu fördern.

Diese ständige Schwächung der Kirche konnte nicht offen bewerkstelligt werden. Sonst wären sie Gefahr gelaufen, als die wirklichen Urheber der Apostasie erkannt zu werden. Sie mußten hinter den Kulissen arbeiten. Sie brauchten einen Papst, der wirklich heilig war! Einen orthodoxen, gerechten und aufrechten Papst, im Glauben und in der Lehre. Seiner hätten sie sich bedient, um die Kirche zu zerstören, so wie die Welt sie kannte. Ihr Programm war ja schließlich nicht banal.

Sie haben innerhalb des Vatikans ein beständiges Werk aufgezogen, um den orthodoxen und gerechten Papst zu diskreditieren. Um zu zeigen, daß seine Entscheidungen, seine Sicht der Welt, ja selbst sein Glaube überholt, alt und für den modernen Menschen unvertretbar seien. Sie setzten ihn weltweiten Medienkampagnen aus, indem sie Aufsehen um kleine kirchliche Ereignisse inszenierten, die sie ad hoc aufbliesen.

So bereiteten sie ihr Pontifikat vor. Das, bei dem der wirkliche Apostat gewählt werden sollte, der wirkliche Gegenpapst. Diesen hegten und umschmeichelten sie sorgsam. Sie erfüllten ihm jeden nur denkbaren Wunsch, jede Ambition, nur damit er sich still verhielt: ein Kardinal unter vielen. Zum geeigneten Zeitpunkt, wenn die Kirche diskreditiert, mißhandelt, gedemütigt durch die Staaten und deren freimaurerische und aufklärerische Staatsmänner, wenn der heilige und aufrichtige Papst aus den Herzen der Christen ausgelöscht sein würde, erst dann würden sie ihren Plan umsetzen.

Der neue Papst wird ein Lateinamerikaner sein."

Ich hoffe nicht prophetisch gewesen zu sein.

Ein Schwarzer Tag

Seit 1294 ist kein Papst mehr zurückgetreten, und der erste, der es nun tut, ist ausgerechnet dieser.

In einer Zeit, in der der katholische Glaube selbst von den meisten Katholiken kaum noch verstanden, dafür aber von einem riesigen Kartell von Ignoranten unter Beschuss genommen wird, verlässt ausgerechnet der Mann die Brücke, der wie kein anderer die Einheit von Glaube und Vernunft verkörpert, und der wie kein anderer dem Katholizismus seine Strahlkraft zurückgeben konnte, soweit es unter den obwaltenden Umständen nur menschenmöglich ist. Der vor allem klarstellte, dass ein zeitgeistkonformer pflegeleichter Glaube, dessen religiöser Gehalt sich in abstrakter gefühliger „Spiritualität“ ohne konkreten Inhalt auflöst, nicht mehr als eine oberflächliche Wellnessreligion wäre, die zur Rettung einer heillosen Welt nichts beitragen kann, sondern nur noch tiefer in diese Heillosigkeit hineinführt. Selbst wenn Benedikt XVI. sonst überhaupt nichts mehr geleistet hätte, wäre er allein in dieser Eigenschaft als Kommunikator schon unersetzlich gewesen.

Ausgerechnet der deutsche Papst tritt zurück, der besser als irgendjemand sonst weiß, in welchem Zustand die Kirche hierzulande ist, wo die meisten Bischöfe „vor dem Jüngsten Gericht weniger Angst haben als vor der nächsten Meinungsumfrage“ (Felizitas Küble). Er selbst hat zugegebenermaßen an diesem Zustand wenig Erkennbares geändert, konnte es vielleicht auch nicht. In der Tat ist es normalerweise nicht die Aufgabe eines Papstes, in die Bistümer hineinzuregieren, aber die eine oder andere geharnischte Intervention aus Rom hätte dieser Kirche zweifellos gutgetan. Immerhin war es für den, der sieht, wie die Dinge hierzulande stehen, ein Trost zu wissen, dass wenigstens Rom steht. Steht Rom noch?

Zumindest ist das Amt des Papstes, ist die Institution des Papsttums mit dem Rücktritt geschwächt. Ab jetzt wird es denkbar, einen Papst aus dem Amt zu mobben, was bisher als von vornherein aussichtslos gelten musste, weil es selbstverständlich war, dass niemand einen Auftrag des Heiligen Geistes zurückgibt. Auch dies gilt nicht mehr.

Wir wissen nicht, ob Benedikt noch unter der Hand die Weichen für seine Nachfolge gestellt hat; vielleicht werden wir es noch erfahren. Sollte die Kirche allerdings als Nachfolger tatsächlich einen Nichteuropäer berufen, wie es immer häufiger gefordert wird, so wäre dies ein fatales Signal. Es wäre das Signal, dass die Kirche den Kampf um Europa aufgibt, um sich der scheinbar unverdorbenen Dritten Welt zuzuwenden. Eine Kirche allerdings, die ihr ältestes und stärkstes Bollwerk preisgibt, weil dessen Fundamente zerbröseln, wird gar nichts mehr erobern, auch nicht die Dritte Welt; sie wird nur das nächste Kapitel der Geschichte ihres Niederganges schreiben.

Sinnfälligerweise erfolgte der Rücktritt an einem Rosenmontag. Wir überlassen die Welt den Narren. Helau.

Deutsche Katholiken vor dem Schisma?

München-Bonn (kath.net)
In der Printausgabe des neuen „Focus“ werden jetzt mehr Details zum römischen Dossier über das mögliche Schisma in Deutschland veröffentlicht.

(…)

Der „Focus“ verweist in dem Bericht auch auf den Vatikanexperten von „La Stampa“, Andrea Tornielli, der ebenfalls von „vatikanischen Kreisen“ spricht, die hinter den jüngsten deutschen Angriffen auf Papst, Zölibat und Vatikan eine gezielte „Regie“ vermuten. Die Autoren des Dossiers sprechen dabei von einer „konspirativen Hierarchie“, die mit dem „Ticket der Kirche“ gegen diese auftrete. Das Netzwerk verwende dabei Kirchenmittel zur „Durchsetzung der eigenen kirchenpolitischen Vorstellungen“. Diese nähmen den Bruch mit der Weltkirche zumindest in Kauf: Dabei soll das Zölibatsgebot für Deutschland geschliffen werden, die mehrfach für unmöglich erklärte Frauenordination vorangetrieben und der Papst mannigfach „in die Enge gedrängt werden“.

Im Dossier werden verschiedenste Gesprächs- und Gremienzirkel aufgeführt, in denen an einer grundlegend anderen Kirche gearbeitet werde. Zu diesen Kreisen gehören unter anderem das katholischen Cusanuswerk, das katholischen „Foyer für Gespräche zwischen Kirche, Gesellschaft, Politik“ in Berlin. Außerdem werden Personen in der katholischen Bischofskonferenz, in der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, im Jesuitenorden unter Provinzial Stefan Kiechle. Dies haben laut dem „Dossier“ mit einer „professionell aufeinander abgestimmten Kampagne“ Anfang 2011 ihr Meisterstück geliefert.
(…)

[Weiterlesen bei kath.net! LESEBEFEHL!]

Bleibt nur noch die Empfehlung an den Heiligen Vater, den verräterischen Machenschaften dieser häretischen Zirkel mit der einzig angemessenen Antwort zu begegnen: nämlich der Exkommunikation!

Der kleine Unterschied

„Auch die Katholiken missionieren, aber sie bestrafen niemand mit dem Tode, der sich vom Katholizismus abwendet. Es gibt keine katholischen Fatwas und keine Selbstmordattentäter. Man kann als Christ die Unfehlbarkeit des Papstes anzweifeln und als Jude Jesus für den Erlöser halten. Man riskiert den Zorn der Schwiegereltern, aber nicht das eigene Leben. Aber ein Moslem, der nur die Frage stellt, ob der Koran von Gott geschrieben oder nur inspiriert wurde, hört auf ein echter Moslem zu sein.“

Henryk M. Broder

Die Homolobby kräht wieder

„Das Forum Essener Lesben und Schwule (Fels) hat von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck eine Entschuldigung für Äußerungen über Homosexuelle gefordert. Overbeck hatte im April in der ARD-Talkshow bei „Anne Will“ gesagt, Homosexualität widerspreche der Natur und sei eine Sünde.“

Von einer Strafanzeige gegen den lieben Gott haben die Essener Lesben und Schwulen einstweilen noch abgesehen. Auch wurde kein Antrag gestellt, die Bibel wegen deren Unvereinbarkeit mit dem Antidiskriminierungsgesetz auf den Index der jugendgefährdenden Schriften zu setzen.

Mißbrauchsvorwurf gegen Bischof Mixa erweist sich als innerkirchliche Intrige

von Felicitas Küble

[Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht bei European Info Press (www.eip-news.com). Der Originalartikel ist zur Zeit wegen eines Hackerangriffs auf diese Seite nicht aufrufbar. Ich zitiere nach der E-Post der Autorin.]

Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt gab kürzlich „Vorermittlungen“ hinsichtlich Bischof Walter Mixa bekannt und erklärte zugleich, daß in puncto „sexueller Mißbrauch“ bislang kein ausreichender Tatverdacht vorliege, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertige (vgl. hierzu den EIP-Bericht „Derzeit „kein hinreichender Verdacht“ gegen Bischof Mixa“).

Nach jetzigem Kenntnisstand haben sich die Ungereimtheiten betreffs der Anschuldigungen gegen den zurückgetretenen Augsburger Oberhirten in einer Weise vermehrt, daß die merkwürdigen Vorgänge mitunter abenteuerliche Ausmaße annehmen.

So fällt es erheblich aus dem Rahmen juristischer Gepflogenheiten, wenn nicht „nur“ den Medien, sondern auch der Staatsanwaltschaft selbst zwar ein mutmaßlicher Täter  –  eben besagter Bischof Mixa  –  gemeldet wird, nicht jedoch das vermeintliche Opfer. Laut Behördenleiter Helmut Walter hatte das bischöfliche Ordinariat Augsburg in seiner Anzeige gegen den eigenen, damals noch amtierenden Bischof Mixa den Namen des angeblichen Opfers verschwiegen und auch bislang nicht mitzuteilen geruht.

Als ungewöhnlich darf auch gelten, daß die Initiative zur Anzeigenerstattung nicht vom  –  ohnehin bislang anonymen  –  „Opfer“ ausging, sondern vom sog. „Umfeld“ des Betreffenden, was immer dies heißen mag.

Gleichzeitig wurde in zahlreichen Medienberichten behauptet, es handle sich bei dem Mißbrauchten offenbar um einen „minderjährigen Ministranten“. Freilich kennt die Staatsanwaltschaft auch etliche Tage später noch nicht den Namen des angeblichen Meßdieners.

In Mixa-Fankreisen wird daher gewitzelt, es handle sich wohl um einen reichlich kuriosen Krimi, bei dem das übliche Drehbuch auf den Kopf gestellt wird nach dem Motto: „Der Täter ist bekannt, nach dem Opfer wird noch gefahndet.“

Zudem wurde in einigen Gazetten über „Sauna-Besuche“ spekuliert, die Bischof Mixa mit „Seminaristen“ durchgeführt haben soll. Selbst wenn dem so wäre, beweist dies allein keinen „sexuellen Mißbrauch“, zumal Priesteramtskandidaten nie „minderjährig“ sind.

Am 11. Mai 2010 berichtete der „Donaukurier“ sodann, daß die Vorwürfe gegen Mixa aus dem „Mitarbeiterkreis des Bistums Eichstätt“ gekommen seien. Dies wurde durch den bischöflichen Pressesprecher Martin Swientek mittlerweile bestätigt. Dem Vernehmen nach soll es sich um eine Dame handeln, die im Bereich der kirchlichen Weiterbildung tätig sei.

Doch damit der Merkwürdigkeiten nicht genug: Der Eichstätter Bistumssprecher erklärte außerdem, daß die Anschuldigungen gegen Bischof Mixa ans bischöfliche Ordinariat Augsburg weitergeleitet worden seien, ohne die zuständige Bistumsleitung in Eichstätt darüber in Kenntnis zu setzen. Auch das Ordinariat Augsburg hatte es  –  so der Sprecher  –  nicht für nötig befunden, das Eichstätter Ordinariat angemessen und umfassend zu informieren.

Ebenfalls am 11. Mai berichtete der Bayerische Rundfunk, daß die Anzeige der Bistumsleitung Augsburg bislang so wenig Hinweise liefern könne, daß die Staatsanwaltschaft sich bislang außerstande sehe, überhaupt einen konkreten „Straftatbestand“ zu benennen, auf den sich mögliche Ermittlungen beziehen könnten, wie der Leitende Oberstaatsanwalt Helmut Walter bekanntgegeben habe. Daher sei derzeit völlig offen, ob es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens kommt.

Passend dazu titelte die „Augsburger Allgemeine“ am 11. Mai: „Mixa entlastet – Verdacht erhärtet sich nicht.“  –  Die Zeitung berichtet sodann:

In den Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft Ingolstadt scheint sich bisher kein Hinweis auf einen Straftatbestand ergeben zu haben, da ein Ermittlungsverfahren gegen Mixa noch nicht eingeleitet wurde…Mixa steht bislang im Verdacht, in seiner Zeit als Bischof von Eichstätt einen minderjährigen Jungen sexuell missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft startete daraufhin Vorermittlungen. Einen entsprechenden Hinweis hatte die Diözese Augsburg an die Generalstaatsanwaltschaft München weitergegeben und sich dabei auf die neuen Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz für solche Verdachtsfälle berufen.“

Was die Berufung des bischöflichen Ordinariats Augsburg auf die „Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz“ in puncto Mißbrauch betrifft, so wurde bereits nachgewiesen, daß diese Leitlinien keine Anzeige gegen Mixa rechtfertigen (vgl. EIP-Bericht „Derzeit „kein hinreichender Verdacht“ gegen Bischof Mixa“).

Nach jetzigem Informationsstand handelt es sich bei den öffentlichen Anti-Mixa-Vorwürfen offenbar um eine systematisch inszenierte Intrige aus dem leitenden Mitarbeiter-Umfeld des zurückgetretenen Bischofs, somit um ein innerkirchliches Komplott.

Dieser Sachverhalt zeichnete sich bereits seit Tagen ab, was einen katholischen Rechtsanwalt, der Bischof Mixa persönlich kennt, zu der bitter-sarkastischen Äußerung veranlaßte: „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!“

Zugleich erinnert sich mancher wackere Christ nicht ohne Ironie an das fromme Lied nach Psalm 132: „Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beisammen sind“.  –  Das gilt sicherlich auch und vor allem für „Mitbrüder“ im priesterlichen Dienste. Vielleicht wäre es insoweit sachdienlich und „zielführend“, wenn sich die Bistumsleitung Augsburg allmorgendlich zu anregenden Betrachtungen über dieses Gebet aus dem Alten Testament versammeln würde?

Dabei könnte auch das Auswendiglernen und Verinnerlichen des folgenden Strafrechts-Paragraphen für die Zukunft durchaus hilfreich sein:

§ 186 StGB („Üble Nachrede“): „Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Charakterschweine im Kardinalsrot

Kardinal Lehmann, derselbe Herr Lehmann, der – damals als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz – erst durch ein Machtwort aus Rom daran gehindert werden musste, die deutsche Abtreibungsindustrie weiterhin mit „Beratungsscheinen“ zu füttern, konnte es jetzt nicht lassen, auf einem Kollegen herumzutrampeln, der schon am Boden liegt.

Er selbst müsse gestehen, von Gerüchten über Mixas Lebenswandel gehört zu haben, aber „die waren in Teilen so unbestimmt und verunglimpfend, dass ich mir selbst kein Bild machen konnte.“

(Spiegel online)

Mit anderen Worten: Seine Informationen entsprechen genau der Sorte von verantwortungslosem Casinotratsch, mit dem deutsche Offiziere in den achtziger Jahren dafür gesorgt haben, dass die haltlosen Anschuldigungen eines Strichjungen gegen General Kießling einen Schein von „Glaubwürdigkeit“ erhielten, mit dem damals die Ehre dieses Menschen zerstört wurde. Und diese Art von „Information“ hinterbringt er nun genau jenen Kloakenschreibern, von der er genau weiß, dass sie damit ihre „Skandal“-Maschinerie füttern.

Sich durch das Weitertragen von Klatsch und Tratsch bei den Medien einzuschleimen auf Kosten eines Kollegen, dessen Positionen einem unbequem sind – das ist genau das, was man Bischöfen dieses Kalibers immer zugetraut hat.

Mit Häretikern, die Größe zeigen („Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.“), konnte die Kirche immer leben. Aber Charakterschweine im Kardinalsrot, die nur deshalb nicht als Häretiker gelten, weil sie geschickt um das herumreden, was sie wirklich glauben, dafür aber durch billige Intriganz demonstrieren, wes Geistes Kind sie sind – damit kann sie nicht leben, und sie sollte es auch gar nicht versuchen.

Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: „Gott und die Welt. Ein Gespräch mit Peter Seewald“

Wenn ich an den Papst denke, fällt mir mitunter die Figur der Kindlichen Kaiserin aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ ein, die noch in ihrem strahlenden Palast sitzt, während sie zusehen muss, wie das Reich um sie herum Stück für Stück vom Nichts gefressen wird.

Martin Mosebach hat das Christentum einmal zutreffend „die unbekannteste Religion der Welt genannt. In der Tat scheint das Wissen, was „Christentum“ eigentlich ist, in zunehmendem Maße sogar den Bischöfen abhanden zu kommen, die eigentlich dazu berufen sind, Hüter und Verkünder christlicher Glaubenswahrheiten zu sein. Gerade in Deutschland scheint deren Ehrgeiz sich darin zu erschöpfen, sich mit der Atheistenpresse gutzustellen und zu diesem Zweck die eigene Kirche so weit zu verweltlichen, dass sie noch in irgendeiner Nische einer gottlosen Gesellschaft ein geduldetes Dasein fristen kann. Nur ja keinen Anstoß erregen, sonst könnte ja jemand aus der Kirche austreten!

Nun, das Christentum ist eine anstößige Religion, sonst wäre deren Stifter nicht gekreuzigt worden. Das Christentum kann zwar nicht das Paradies auf Erden errichten, weil zu seinen Grundlagen das Wissen gehört, dass dergleichen nicht möglich ist; genau dadurch unterscheidet es sich von totalitären Heilslehren. Das Christentum verkörpert die Präsenz des Heiligen in einer unheilen Welt – mehr kann es nicht, weniger darf es nicht. Das setzt freilich voraus, dass es seine eigene Integrität wahrt und nicht jede pseudoreligiöse Gefühlsduselei, nicht jede blauäugige Weltumarmung, nicht jedes „Seid nett zueinander“ als „christlich“ durchgehen lässt.

Was das Christentum aber ist, warum Glaube und Vernunft zusammengehören, warum es ein Weg nicht nur zum Heil, sondern auch zur Erkenntnis ist, das zu definieren dürfte kaum einer berufener sein als der gegenwärtige Papst, und dies nicht kraft seines Amtes, sondern kraft seines Geistes.
Der Journalist Peter Seewald hat schon 2002 mit dem damaligen Kardinal Ratzinger das Gesprch geführt, das unter dem Titel „Gott und die Welt“ seitdem mehrfach aufgelegt worden ist. Anders als Ratzingers ebenfalls lesenswerte „Einführung in das Christentum“ ist „Gott und die Welt“ nicht als systematisch durchgearbeitetes Gedankengebäude konzipiert; vielmehr entsteht durch die dialogische Form gleichsam ein Mosaik des Christlichen. Seewalds Fragen behandeln praktisch alle Aspekte, die für die christliche, speziell die katholische Lehre von Bedeutung sind. Ratzingers Antworten sind dabei in gewissem Sinne nicht abschließend, sie laden zum Weiter- und Tieferdenken ein: ein Buch für intelligente Leute, aber kein theologisches Fachtraktat.

Um dies zu konkretisieren, aber auch weil einige Aspekte unserer Debatte um meinen Artikel „Die Wurzel des Totalitarismus“ darin thematisiert werden, zitiere ich abschließend einige Passagen (nach der Taschenbuchausgabe des Knaur Verlages von 2005; darauf beziehen sich auch die angegebenen Seitenzahlen):

[Seewald:] Andererseits gibt es Bibliotheken von Büchern und gewaltige Theorien, die versuchen, diesen Glauben zu widerlegen. Auch der Glaube gegen den Glauben scheint also prinzipiell vorhanden zu sein, ja sogar etwas Missionarisches zu haben. Die größten Menschheitsexperimente der bisherigen Geschichte, Nationalsozialismus und Kommunismus, waren darauf angelegt, den Glauben an Gott ad absurdum zu führen und aus den Herzen der Menschen herauszureißen. Und das wird nicht der letzte Versuch gewesen sein.

 

[Ratzinger:] Deswegen ist ja der Glaube an Gott nicht ein Wissen, so wie ich Chemie oder Mathematik erlernen kann, sondern bleibt Glaube. Das heißt er hat durchaus eine rationale Struktur … . Er ist nicht einfach irgendeine dunkle Sache, auf die ich mich einlasse. Er gibt mir Einsicht. Und es gibt einsichtige Gründe genug, ihm anzuhängen. Aber er wird nie zu reinem Wissen.  (…) [S. 36f.]

 

[Seewald:] Gerade Naturwissenschaftler haben Gott und Glauben immer wieder zum Thema gemacht. (…) Isaac Newton zum Beispiel, der Begründer der theoretischen Physik, sagte: „Die wunderbare Einrichtung und Harmonie des Weltalls kann nur nach dem Plane eines allmächtigen und allwissenden Wesens zustandegekommen sein. Dies ist und bleibt meine letzte und höchste Erkenntnis. (…)  Und der Italiener Guglielmo Marconi … sagte es so: „Ich erkläre mit Stolz, dass ich gläubig bin. Ich glaube an die Macht des Gebetes. Ich glaube nicht nur als gläubiger Katholik daran, sondern auch als Wissenschaftler.“

 

[Ratzinger:] Sicher, wir stürzen uns nicht in ein abergläubiges Abenteuer, wenn wir Christen werden. Nur würde ich zwei Vorbehalte anbringen: Der Glaube ist nicht in dem Sinne verstehbar, dass er wie eine mathematische Formel vollständig für mich durchschaubar wäre, sondern greift in immer tiefere Schichten, in das Unendliche Gottes hinein, in das Mysterium der Liebe. In diesem Bereich gibt es dann eine Grenze dessen, was man bloß denkend verstehen kann. Vor allem, was man als begrenzter Mensch verstehen und verständlich vollkommen aufarbeiten kann.

 

Wir können schon einer den anderen Menschen nicht ganz verstehen, weil das in tiefere Gründe hinabgeht, als wir sie verständlich nachrechnen können. Wir können letztlich auch die Struktur der Materie nicht verstehen, sondern immer nur bis zu einem bestimmten Punkt kommen. Umso mehr ist einsichtig, dass wir das, was uns in Gott und im Wort Gottes entgegentritt, letztlich nicht dem Verstand unterwerfen können, weil es weit darüber hinausgeht.

 

In diesem Sinne lässt sich Glauben eigentlich auch nicht beweisen. Ich kann nicht sagen, wer das nicht annimmt, der ist eben blöd. Zum Glauben gehört ein Lebensweg, in dem sich das Geglaubte allmählich durch Experiment bewährt und in seiner Ganzheit als sinnvoll erweist. Es gibt also vom Verstand her Annäherungen, die mir das Recht geben, mich darauf einzulassen. Sie geben mir die Gewissheit, dass ich mich nicht irgendeinem Aberglauben überantworte. Aber eine erschöpfende Beweisbarkeit, wie ich sie für die Naturgesetze haben kann, die gibt es nicht. [S. 53f.]

 

[Seewald:] Aber dieser jüdisch-christliche Gott zeigt sich doch auch zornig.

 

[Ratzinger:] Der Zorn Gottes ist Ausdruck dafür, dass ich der Liebe, die Gott ist, entgegengelebt habe. Wer von Gott weg lebt, wer vom Guten weg lebt, lebt damit in den Zorn hinein. Wer aus der Liebe herausfällt, begibt sich ins Negative. Es ist also nicht etwas, was irgendein herrschsüchtiger Diktator einem draufschlägt, sondern es ist lediglich der Ausdruck für die innere Logik eines Handelns. Wenn ich aus dem, was meiner Schöpfungsidee gemäß ist, wenn ich aus der Liebe, die mich trägt, herausgehe, na ja, dann falle ich halt ins Leere, ins Dunkle hinein. Dann bin ich sozusagen nicht mehr im Raum der Liebe, sondern in einem Raum, den man als den Raum des Zornes ansehen kann.

 

(…) „Strafe Gottes“ ist in Wirklichkeit ein Ausdruck dafür, den richtigen Weg zu verfehlen und damit dann die Konsequenzen zu spüren zu bekommen, die sich ergeben, wenn ich auf die falsche Spur trete und damit aus dem richtigen Leben herauslebe. [S. 113]

 

[Seewald:] Sind diese „Urevidenzen des Alls“, diese „Grundgesetze des Lebens“, die wir offensichtlich immer wieder ignorieren oder vergessen, in den uralten Mythen von Sintflut, Turmbau zu Babel oder Sodom und Gomorrha enthalten? Ist die Botschaft dieser Geschichten in Wahrheit eine Art Überlebenswissen für die ganze Menschheit?

 

[Ratzinger:] (…) In diesen Erzählungen werden uns sehr spezifische Botschaften entschlüsselt. Denken wir zum Beispiel an den babylonischen Turmbau, mit dem sich der Mensch durch die Technik eine Einheitszivilisation verschaffen will. Er will den an sich ja richtigen Traum der einen Welt, der einen Menschheit, durch die Macht des eigenen Könnens und Bauens herbeiführen und versucht über den Turm, der zum Himmel reicht, selber die Macht zu ergreifen und zum Göttlichen vorzustoßen. Im Grunde ist es das Gleiche, was auch der Traum der modernen Technik ist: göttliche Macht zu haben, an die Schaltstellen der Welt zu kommen. Insofern liegen in diesen Bildern wirklich Warnungen aus einem Urwissen heraus, die uns anreden.

 

[Seewald:] Bleiben wir beim Turm von Babylon. Die Bibel gibt hier eine merkwürdige Auskunft: „Der Herr sprach, siehe, sie sind ein Volk, und nur eine Sprache haben sie alle. Das ist aber erst der Anfang ihres Tuns. Nichts von dem, was sie vorhaben, wird ihnen unmöglich sein. Wohlan, lasst uns hinabsteigen! Wir wollen dort ihre Sprache verwirren, dass keiner mehr die Rede des anderen versteht.“ Hört sich eigentlich nach Willkür an.

 

[Ratzinger:] Ja, fast nach dem Neid Gottes, der den Menschen nicht hochkommen lassen will. Natürlich finden wir hier eine Bildsprache, die aus dem Material schöpft, das Israel damals verfügbar gewesen ist. Gewisse heidnische Elemente sind darin nicht vollkommen ausgetrieben, sie konnten erst im Lauf der Auslegungsgeschichte ganz überwunden werden. Worauf es freilich ankommt, ist nicht, dass Gott Angst hat, der Mensch könnte zu groß werden und ihm seinen Thron streitig machen, sondern dass er sieht, wie der Mensch, indem er sich eine falsche Höhe zulegt, sich selber zerstört.

 

Wir können dieses Bild vielleicht so entschlüsseln: In Babel ist die Einheit der Menschheit und der Versuch, selber Gott zu werden und dessen Höhe zu erreichen, ausschließlich an das technische Können gebunden. Eine Einheit auf dieser Basis aber, wird uns nun gesagt, die trägt nicht, die wird zur Verwirrung.

 

Wir können diese Lehre in der heutigen Welt gut nachvollziehen. Einerseits gibt es diese Einheit. Die Stadtkerne sehen in Südafrika so aus wie in Südamerika, wie in Japan, wie in Nordamerika und in Europa. Es werden überall die gleichen Jeans getragen, die gleichen Schlager gesungen, die gleichen Fernsehbilder angesehen und die gleichen Stars bewundert. Insofern gibt es so etwas wie eine Einheitszivilisation bis hin zu McDonalds als dem Einheitsfutter der Menschheit.

Während nun diese Uniformierung im ersten Augenblick wie eine Art Versöhnungskraft richtig und gut zu sein scheint – genau wie die Einheitssprche im babylonischen Turmbau -, wächst gleichzeitig die Entfremdung der Menschen voneinander. Sie kommen sich nicht wirklich näher. Wir erleben stattdessen eine Zunahme der Regionalismen, den Aufstand der verschiedenen Zivilisationen, die jede nur noch sie selber sein wollen, oder sich von den anderen unterdrückt fühlen.

[Seewald:] Ist das ein Plädoyer gegen die Einheitszivilisation?

[Ratzinger:] Ja, weil man in ihr das Eigentliche und Eigene verliert. Hier geht die tiefere Kommunikation der Menschen untereinander verloren, die nicht durch diese oberflächlichen, äußeren Verhaltensformen und durch die Beherrschung der gleichen technischen Apparaturen geschaffen werden kann. Der Mensch reicht eben viel tiefer. Wenn er sich nur in dieser Oberfläche vereinigt, rebelliert zugleich das Tiefe in ihm gegen die Uniformierung, in der er sich dann doch selber als versklavt erkennt.

Man kann sagen, dass im Bild des babylonischen Turmbaus eine Form von Vereinigung von Welt- und Lbensverfügung des Menschen kritisch betrachtet wird, die nur scheinbar Einheit stiftet und nur scheinbar den Menschen erhöht. In Wirklichkeit beraubt sie ihn seiner Tiefe und seiner Höhe. Sie macht ihn zudem auch gefährlich, weil er einerseits sehr viel kann, andererseits aber sein moralisches Vermögen seinem technischen Vermögen nicht standhält. Die moralische Kraft ist nicht mitgewachsen mit den Fähigkeiten des Machens und des Zerstörens, die der Mensch entwickelt hat. Das ist der Grund, warum Gott gegen diese Art von Vereinigung einschreitet … [S. 152 ff.]

Zu den neuen Vorwürfen gegen Bischof Mixa

Nun soll sich Walter Mixa also auch noch sexuell an einem Minderjährigen vergangen haben. Wer traut ihm das zu? Ich nicht.

Dass er Kinder geschlagen haben soll, ist eine Sache, und zwar eine, die durchaus zu einem altmodischen Verständnis von „Erziehung“ passt. Sexueller Missbrauch ist etwas vollkommen anderes, und es lohnt sich, die bekannten Fakten genauer unter die Lupe zu nehmen:

Die Vorwürfe stammen, nach allem, was man bisher weiß, nicht von dem mutmaßlichen Opfer selbst, sondern sind von dessen „Umfeld“ – was immer das heißen mag – dem Missbrauchsbeauftragten des Bistums Augsburg gemeldet worden. Das Bistum hat daraufhin die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, ganz so, wie die Kirche das auch für künftige Verdachtsfälle versprochen hat.

Die verkürzte Medienversion lautet freilich „Bistum zeigt Bischof an“ und verleiht der Anschuldigung damit eine Glaubwürdigkeit und ein Gewicht, die sie per se nicht hat. Die Staatsanwaltschaft führt pflichtgemäß Vorermittlungen – das Rechtsstaatsprinzip lässt ihr da gar keinen Spielraum. Was konkret auf dem Tisch liegt, ist also die Behauptung einer unbekannten Person, ein Dritter habe gesagt, Mixa habe ihn missbraucht. Allein dies ist schon Grund genug, an die Unschuldsvermutung zu erinnern.

Weiter: Dieser Missbrauch soll zwischen 1996 und 2005 stattgefunden haben, als Mixa bereits Bischof war. Das ist doch merkwürdig: Aus seiner Zeit als Stadtpfarrer liegen Anschuldigungen ehemaliger Heimzöglinge vor, Mixa habe sie geschlagen, und obwohl die Presse offenkundig gezielt nach Material gegen den Bischof gesucht hat, war von sexuellem Missbrauch im Hinblick auf diese Zeit niemals die Rede – was nur bedeuten kann, dass dergleichen damals nicht stattgefunden hat.

Wenn wir nun hypothetisch annehmen, Mixa sei pädophil – ist es dann vorstellbar, dass er diese Neigung bei den Heimzöglingen unterdrückt hat, als er ihr relativ unauffällig hätte frönen können, später als Bischof aber nicht, als er damit einen Skandal riskiert hätte? Das passt doch nicht. Der Umkehrschluss lautet, dass die hypothetische Prämisse falsch und Mixa eben nicht pädophil ist.

Nun rächt sich freilich, dass Mixa nicht sofort die Wahrheit gesagt hat, als es „nur“ um den Vorwurf der Prügelpädagogik ging. Wäre er von Anfang an aufrichtig gewesen, dann könnte er die jetzt erhobenen Vorwürfe mit einem einfachen Dementi locker vom Tisch fegen. Indem er seine eigene Glaubwürdigkeit erschüttert hat, hat er sich angreifbar gemacht, und hat jetzt seine liebe Not, auch solche Vorwürfe abzuwehren, die an sich in hohem Maße unglaubwürdig und wahrscheinlich auf bloße Trittbrettfahrerei zurückzuführen sind. Der Fluch der bösen Tat.

Hans Küng und die Freimaurer

Hans Küng ist allem Anschein nach nur deshalb noch nicht aus der Kirche ausgetreten, weil ein nichtkatholischer „Kirchenkritiker“ bei weitem nicht so viel Aufmerksamkeit erfährt wie ein katholischer. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, ob Küngs Theologie katholisch, sondern ob sie überhaupt christlich ist.

Sein von ihm vielgelobtes „Projekt Weltethos“ weist jedenfalls eine so deutliche Tendenz zur Entkernung von Religion auf, dass ich mich gestern veranlasst sah, spaßeshalber die Worte „Küng Freimaurer“ zu gugeln. Und siehe da: 2007 erhielt er den Kulturpreis der Freimaurer und hielt bei dieser Gelegenheit eine in jeder Hinsicht denkwürdige Rede:

Sehr herzlich danke ich Ihnen, lieber Fritz Pleitgen…

Schon der Anfang ist interessant, nicht wahr?

…und verehrter Großmeister Oberheide…

– der heißt wirklich so –

…für das hohe Lob, das Sie mir zukommen lassen. Da kommt mir unwillkürlich jener schwäbische Pfarrer in den Sinn, der in einer solchen Feierstunde sagte:

„Verzeih‘ Ihnen, Herr, daß Sie so sehr übertreiben; und verzeihe mir, Herr, daß ich so sehr Wohlgefallen daran finde.“

Aber Sie brauchen sich, meine sehr geehrten Freimaurer, meine Damen und Herren, um meine bleibende Nüchternheit und Bescheidenheit keine Sorge zu machen. Denn Sie können sich denken: Ihr Lob wird von anderer Seite sicher mit entsprechendem Mißverständnis und Tadel beantwortet. Jahrzehntelang mußte ich das Mißverständnis dementieren, daß ich Jesuit sei. Zwar bin ich an der Päpstlichen Universität Gregoriana und im Collegium Germanicum von Jesuiten ausgebildet worden und bin bis heute dankbar dafür. Aber ich bin niemals Jesuit geworden. Ich mußte sogar einen feierlichen Eid ablegen, nicht in die Gesellschaft Jesu einzutreten, sondern in meine Heimatdiözese Basel zurückzukehren. Aber nun werde ich wohl noch Jahre dementieren müssen, ich sei Freimaurer geworden, was nun einmal für manche konservative Katholiken noch immer eine höchst verdächtige Angelegenheit ist und Munition für ihre gelegentlichen Attacken zu sein verspricht.

Warum erinnert mich diese rhetorische Figur („Ich werde dementieren müssen, ich sei Freimaurer geworden“) so sehr an jene Columbo-Krimis, in denen der Mörder kunstvoll Verdachtsmomente gegen sich selbst fingiert, um sie dann effektvoll zu zerstreuen? Am Ende wird er dann freilich doch überführt. Machen wir also den Columbo:

Ob Küng Mitglied einer Freimaurerloge ist, ist in Wahrheit ebenso irrelevant wie die Frage, ob sein „Dialog“-Partner Yussuf al-Qaradawi Mitglied der Muslimbruderschaft ist. Er selbst behauptet, er habe die Bruderschaft verlassen, aber seine Bücher werden sowohl im Dunstkreis der Muslimbrüder selbst als auch anderer strenggläubiger Moslems als wegweisend gepriesen. Ob der Chefideologe selbst Mitglied ist – wen kümmert das?

Küngs „Projekt Weltethos“ jedenfalls geht von dem Dogma aus „Kein Weltfriede ohne Religionsfriede“. Dieser Satz, der sich in den Ohren zu vieler Zeitgenossen so „weise“ anhört, ist vom politikwissenschaftlichen Standpunkt ausgemachter Unfug: Sofern Kriege heutzutage überhaupt noch von der Religion verursacht werden, handelt es sich ausnahmslos um Kriege des Islam gegen Andersgläubige, was auch in der Natur der Sache liegt, weil der Islam die einzige Religion ist, die ihre gewaltsame Verbreitung nicht nur gutheißt, sondern fordert. Diese Eigenschaft des Islam zu einer Eigenschaft von Religion überhaupt zu erklären, ist empirisch unhaltbar, enthält aber ein religionspolitisches Programm:

Wenn Religion schlechthin nämlich den „Weltfrieden“ untergräbt, dann kann die Lösung nur darin liegen, sie, die Religion, erstens jeder gesellschaftlichen Verbindlichkeit zu berauben, und sie zweitens zum Verzicht auf alle Wahrheitsansprüche zu nötigen, die mit denen anderer Religionen konkurrieren. Der „Weltfriede“, also ein politisches Programm, wird dann zum Maßstab für die Gültigkeit theologischer Aussagen. Die „Toleranz“, die aus einer solchen Entkernung von Religion folgt, findet ihre natürliche Grenze dort, wo das traditionelle Religionsverständnis anfängt, das auf der Wahrheit einer bestimmten Religion unter Ausschluss aller anderen beharren muss.

Da die drei großen monotheistischen Religionen aber auf solchen miteinander konkurrierenden Wahrheiten aufbauen, sind Worte wie „Weltethos“ und „Religionsfriede“ nichts anderes als Chiffren für die Zerstörung ihrer theologischen Integrität. Christentum, Judentum und Islam könnten dann ihre hergebrachten Riten und Symbole, also die Form, beibehalten; der Inhalt wäre bei allen dreien derselbe und hätte mit dem, was jahrtausendelang überliefert wurde, kaum noch etwas zu tun. Es handelte sich dann um unterschiedliche Benutzeroberflächen für dasselbe Programm.

Es liegt daher eine gewisse Doppelbödigkeit darin, wenn die Freimaurer auf ihrer Website verkünden: „Der Widerspruch, einen Kulturpreis der Freimaurer ausgerechnet an einen katholischen Theologen zu vergeben, besteht nur vordergründig. Die Freimaurer verhalten sich zu religiösen Einstellungen vollkommen neutral; in Hans Küng ehrten sie einen Mann, der sich in ähnlicher Weise wie die Freimaurer für die Verständigung zwischen den Völkern und Kulturen einsetzt.“

Die Freimaurer, die bekanntlich jede gesellschaftliche Geltung religiöser Wahrheiten ablehnen, verhalten sich „neutral“ nur gegenüber Religionen, die ihrerseits „neutral“ sind. Jeder soll glauben, was er will: Das klingt wunderbar aufgeklärt, modern und neutral, impliziert aber, dass Gott nur noch toleriert wird, sofern er als Eigenfabrikation des Einzelnen erkennbar und es daher um seine moralische Autorität nicht besser bestellt ist als um die eines handgeschnitzten Götzen. Sie ehren Küng, weil er unter Religion genau dasselbe versteht wie sie selbst – ob er nun Mitglied ist oder nicht.

Er kann selbstredend nicht zugeben, dass er eine nichtchristliche Theologie vertritt, und dies bereits auf der Meta-Ebene, also da, wo es um die Frage geht, was Theologie eigentlich sein soll. Umso trefflicher lässt sich dann über jene „konservativen Katholiken“ die Nase rümpfen, die – offenbar aus reiner Böswilligkeit – „Munition“ für ihre „Attacken“ sammeln.

Umgekehrt hatten auch Sie als Freimaurer unter Verschwörungstheorien … zu leiden.

Ja, das ist freilich hochgradig unfair, eine Organisation, die sich seit dreihundert Jahren ihrer konspirativen Praktiken rühmt, der Konspiration zu verdächtigen.

Und Sie haben noch so viel dementieren können, daß Sie keine Religion und keine Antikirche sein wollen:

– was womöglich mit der Glaubwürdigkeit solcher Dementis zu tun hat, wenn sie die Religions- und Krichenfeindlichkeit eines bereits im Ansatz religionsfeindlichen Kultes dementieren sollen –

In bestimmten Kreisen wird man die alten Vorurteile und Legenden wiederholen. Authentische Freimaurer-Veröffentlichungen sind da oft so wenig gefragt wie die authentischen Evangelien, wenn es um Jesus von Nazaret und die Ursprünge des Christentums geht; auch da orientieren sich manche Zeitgenossen lieber an Phantastereien, wie sie jüngst noch der Roman „Da Vinci Code“ populistisch verbreitet hat.

Womit Küng nicht nur die entscheidenden Fragen elegant umgangen, sondern seinen Kritikern auch noch das geistige Niveau von Thrillergläubigen unterstellt hat, mit deren Kritik sich auseinanderzusetzen dann selbstverständlich unter seiner Würde ist.

Doch die noch immer bestehenden Vorurteile, meine Damen und Herren, kommen natürlich nicht von ungefähr, sondern haben einen ernsthaften historischen Hintergrund. Und das ist die lange Konfliktgeschichte zwischen dem Freimaurertum und besonders der römisch-katholischen Kirche. Eine unbestreitbare Tatsache ist erstens: Das moderne Freimaurertum hat, bei allen Symbolen und Riten aus den mittelalterlichen Bauhütten, seinen eigentlichen Ursprung in der Aufklärung des 18. Jh. (Gründung der Großloge von London 1717) und ist den aufklärerischen Idealen der Humanität und Toleranz verpflichtet.

Langsam und zum Mitschreiben: Die „Vorurteile“ haben einen Hintergrund, und der besteht darin, dass die Kirche sich mit der „Humanität und Toleranz“ der Freimaurer nicht anfreunden konnte. Es liegt also an der Inhumanität und Intoleranz der Kirche, dass es „Vorurteile“ gegen Freimaurer gibt.

Und eine unbestreitbare Tatsache ist zweitens: Gerade die römisch-katholische Kirche – wiewohl viele frühmoderne Naturwissenschaftler, Philosophen und auch Aufklärer keineswegs unchristlich waren – steht vom 17. Jh. an in einer systematischen Opposition zur Aufklärung:

Zur modernen Philosophie: die Fälle Giordano Brunos (1600 verbrannt) und René Descartes;

zur modernen Naturwissenschaft: der Fall Galilei (1633 verurteilt) und später der Fall Darwin;

zur modernen Staats- und Gesellschaftstheorie mit den Folgen, die zur Französischen Revolution (1789) führten.

Die Französische Revolution ließ sich an Humanität und Toleranz bekanntlich von niemandem übertreffen.

(…) Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß bereits 21 Jahre nach der Gründung der englischen Großloge, im Jahre 1738, Papst Klemens XII. in der Bulle „In eminenti“ die Freimaurerei verurteilte, was durch mehrere päpstliche Verurteilungen durch die nächsten 200 Jahre bestätigt wird. Die moderne Welt war nun einmal weitgehend ohne und gegen die Kirche Roms entstanden. Und die Freimaurer stehen selbstverständlich überall auf der Seite der Moderne.

Und damit sozusagen automatisch auf der richtigen, der schlechthin guten Seite. Dass keine Religion der Weltgeschichte, nicht einmal der Islam, so blutgierige Götzen hervorgebracht hat wie die hier en passant selbst zum Götzen erhobene Moderne; dass im Namen keiner Gottheit so hemmungslos gemordet wurde wie im Namen des Götzen „Fortschritt“; und dass die Kirche dies von Anfang an klarer gesehen hat als die von ihren eigenen Theorien besoffenen Aufklärer und Revolutionäre (unter denen nicht wenige Freimaurer waren), ist offenkundig nicht weiter erwähnenswert.

Der dramatische Konflikt erreicht seinen politischen Höhepunkt in der Französischen Revolution, deren Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ samt der Menschenrechtserklärung von 1789 von Rom von Anfang an radikal verworfen wird. In der Zeit der Restauration meint man, das mittelalterlich-gegenreformatorische Lehr- und Machtgefüge wieder herstellen zu können. Der 1864 von Pius IX. veröffentlichte „Syllabus (Sammlung)“ der modernen Irrtümer wird allenthalben als eine generelle Kampfansage an die Moderne angesehen. Mit Pantheismus und Rationalismus, Liberalismus und Sozialismus werden als Feinde auch die Geheimbünde genannt, (womit, liebe Kölner, selbstverständlich nicht etwa das hier besonders geförderte Opus Dei gemeint war, ein wirklicher Geheimbund, der ja erst im Dunstkreis des Franco-Faschismus gegründet wurde).

Man könnte auch sagen: im Dunstkreis der radikalsten und blutigsten Welle von Rotem Terror gegen Christen seit der Französischen Revolution.

Nein, da war natürlich in erster Linie das Freimaurertum gemeint, das kein Geheimbund ist, freilich auf Verschwiegenheit Wert legt.

Was ja ein grundlegender Unterschied ist.

Und das war nun im 19. Jh. besonders in Frankreich und Italien verständlicherweise radikal antiklerikal. Der nach einer systematischen „antimodernistischen“ Kampagne 1917 veröffentlichte Codex Iuris Canonici, das Gesetzbuch der katholischen Kirche, belegt denn auch die Mitgliedschaft in einer freimaurerischen Vereinigung mit der Strafe der Exkommunikation.

Verständlicherweise“ waren die Freimaurer „radikal antiklerikal“, aber verwerflicherweise hat die Kirche praktizierten Antiklerikalismus mit Exkommunikation geahndet.

Nun liegt es mir natürlich ferne, durch diese kurz skizzierte Konfliktgeschichte eine einseitige Schuldzuwendung vorzunehmen. Auch die Aufklärung hat ihre Schatten. Die katholische Kirche war Hauptopfer der Französischen Revolution: Verlust nicht nur ihres gesamten Grundbesitzes, sondern auch eines erheblichen Teils ihres Klerus.

Im Klartext: Die Kirche war nur aus Habgier und Rachsucht gegen die Freimaurer.

Und es bilden sich in Frankreich mehr als anderswo zwei gegensätzliche verfeindete Kulturen aus. Auf der einen Seite eine militante republikanisch-laizistische Kultur der liberalen, später auch sozialistischen freidenkerischen Anhänger von Aufklärung und Fortschritt. Auf der anderen Seite eine tief eingewurzelte katholisch-konservative, klerikale Gegen- oder Subkultur. Die Gegensätze dieser beiden Kulturen flackern an politischen Streitpunkten auch heute immer wieder auf: etwa im Schulstreit, oder im Streit um die Erwähnung des Gottesnamens und des Christentums in der Präambel der europäischen Verfassung. Aber im 20. Jh. ist man sich nach den zwei Weltkriegen immer mehr der „Dialektik der Aufklärung“ bewußt geworden, und man hat die fatale Kehrseite moderner Leitbegriffe wie Vernunft, Fortschritt und Nation erkannt. Und insofern hat sich sowohl in der katholischen Kirche als auch in der Freimaurerei ein Wandel vollzogen.

Das ist beides gelogen: Die Kirche hat „die fatale Kehrseite moderner Leitbegriffe wie Vernunft, Fortschritt und Nation“ schon immer erkannt, nicht erst nach zwei Weltkriegen. Und die Freimaurerei hat sie bis heute nicht erkannt. Der „Wandel“ ist höchst einseitig und besteht im Wesentlichen darin, dass weite Teile der Kirche unter dem Einfluss freimaurerisch orientierter Ideologen wie Küng ihre vollkommen zutreffenden früheren Einsichten über Bord geworfen haben und um keinen Preis bei der Peinlichkeit erwischt werden wollen, nicht hinreichend „modern“ zu sein.

Erfreulich ist deshalb: in den 1960er Jahren hat die katholische Kirche unter dem Impuls von Papst Johannes XXIII. und dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Joseph Ratzinger und ich haben als die beiden jüngsten Konzilstheologen daran teilgenommen) die beiden Paradigmenwechsel, den der Reformation und den der Aufklärung, weithin nachgeholt – wenn auch nicht konsequent, vielmehr mit zahlreichen Halbheiten und faulen Kompromissen.

Selbstverständlich, denn Küng und andere „Modernisierer“ mussten den Traditionalisten vorgaukeln, es werde lediglich das Vokabular ein wenig modernisiert, nicht aber ein Paradigmenwechsel vorgenommen. Nur um diesen Paradigmenwechsel in Richtung freimaurerischen Gedankenguts hinterher umso lautstärker einzufordern. Ändere die Worte, so könnte man diese Taktik zusammenfassen, dann ändert sich das Paradigma ganz von allein; und wenn nicht, kann man sich immer noch als „Kirchenkritiker“ profilieren.

Doch immerhin bekennt sich nun auch die katholische Kirche gegen alle früheren päpstlichen Lehräußerungen in aller Form zu Religionsfreiheit und Toleranz, zu den Menschenrechten, zur Ökumene der christlichen Kirchen, zu einer neuen Einstellung zum Judentum, zum Islam und den anderen Weltreligionen, ja zur säkularen Welt überhaupt.

Kein Wunder, daß diese positive Entwicklung auch die Einstellung zum Freimaurertum verändert hat. Zwar wurde den Konzilsvätern schon in der Ersten Konzilssession mehr als eine Hetzschrift über die sogenannte „jüdisch-freimaurerische Verschwörung“ in Haus geschickt. Doch konnte dies alles die Verabschiedung der Dekrete über die Religionsfreiheit und über die Juden nicht verhindern. Ja, es gab sogar eine Konzilsintervention zugunsten des Freimaurertums – durch einen mexikanischen Freund von mir, den Bischof von Guernavaca Sergio Méndez Arceo. Sie fand zwar keinen Niederschlag in den Konzilsdokumenten, doch wurde faktisch das Tor geöffnet für erste offizielle Gespräche zwischen dem Freimaurerbund und dem römischen „Sekretariat für die Nichtglaubenden“. Die Ergebnisse sind in der „Lichtenauer Erklärung“ (Schloß Lichtenau in Oberösterreich) vom 5. Juli 1970 festgehalten. Manche Mißverständnisse werden ausgeräumt und es wird klargestellt: der Bund der Freimaurer sei keine neue Religion und keine Antikirche, vielmehr eine dogmenfreie ethische Gemeinschaft, der Glaubens- und Gewissensfreiheit verpflichtet; die päpstlichen Bullen gegen die Freimaurer hätten nur historische Bedeutung, ebenso die Verurteilungen durch das Kirchenrecht.

Zehn Jahre später aber meint die Deutsche Bischofskonferenz so etwas wie eine „Unvereinbarkeitserklärung“ abgeben zu müssen: wegen Relativismus und Subjektivismus im Religionsverständnis der Freimaurer, deistischem Gottesbild, Ritualen mit sakramentsähnlichem Charakter …

Ja, wie kommt sie nur dazu, die Deutsche Bischofskonferenz, dergleichen für unvereinbar mit dem Christentum zu halten? Küng muss sich gefühlt haben wie ein Aufreißer, dem die spröde Schöne in letzter Minute von der Bettkante hüpft.

Doch beachten Sie, meine Herren Freimaurer, das Datum: der 12. Mai 1980: das war ziemlich genau ein Monat nach dem Abschluß der viermonatigen Auseinandersetzungen um die Lehrbefugnis des von Ihnen Ausgezeichneten an der Universität Tübingen, die zwischen der Woche vor Weihnachten 1979 und der Osterwoche 1980 zweifellos ein ungünstiges Klima schufen für die zur selben Zeit tagende Dialoggruppe der Bischofskonferenz und der Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD).

Es ist per se unerfindlich, was die Lehrbefugnis von Herrn Küng mit der Abgrenzung zur Freimaurerei zu tun haben soll. Indem Küng diesen Zusammenhang selbst herstellt, sagt er mit eigenem Munde, wie nahe er den Freimaurern und ihrem Religionsverständnis tatsächlich steht.

(…) Drei Jahre später zeichnet sich in der römisch-katholischen Kirche eine veränderte Position ab. Die 1983 veröffentlichte nachkonziliare Neufassung des Codex Iuris Canonici erwähnt die Freimaurerei nicht mehr. Damit ist auch die 1917 angedrohte Exkommunikation aufgehoben. Ein moralisch begründetes Verbot einer Mitgliedschaft im Freimaurerbund freilich bleibt bestehen und wird in der „Declaratio de associationibus massonicis“ (26.11.1983) der römischen Glaubenskongregation unter dem Vorsitz von Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI., für die Weltkirche bekräftigt. Aber, so hatte der Jesuit Richard Sebott schon 1981 in der katholischen Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ geschrieben „Es könnte durchaus sein, daß der Katholik, der in eine Freimaurerloge eintritt, ›bona fide‹ handelt, also der Meinung ist, mit seinem Eintritt in die Loge nichts Böses zu tun.“

Nun, es soll auch Katholiken geben, die „bona fide“ der Meinung sind, mit einer Abtreibung nichts Böses zu tun. Aber vermutlich soll die Kirche sich nach Meinung Küngs auch aus solchen Fragen heraushalten.

Katholische Autoritäten, die das Freimaurertum aburteilen, sollten bedenken, daß katholische Kirche und Freimaurertum ähnliche Probleme der Modernisierung haben: Hier wie dort die Diskussion, ob den hohen Idealen die real existierende Gemeinschaft genügend entspricht;

ob man mehr den mystischen oder mehr den aufklärerischen Aspekt der eigenen Gemeinschaft betonen soll;

ob man in den Riten mehr das Geheimnis oder die Öffentlichkeit pflegen soll,

ob man mehr die gleiche Würde der Mitglieder oder mehr die Hierarchie betonen soll.

Ich bin ganz sicher, dass auch mancher Satanskult mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat; vermutlich soll die Kirche deswegen auch den Satanismus nicht vorschnell „aburteilen“.

Dazu natürlich die Rolle der Frauen, die nicht nur in der Kirche, sondern auch im Freimaurertum ein Problem ist. Doch ob eine als Männerbund gegründete Gemeinschaft Frauen aufnehmen soll oder ein Frauenklub Männer, darüber läßt sich füglich und trefflich diskutieren. Undiskutabel aber erscheint mir, daß eine Kirche, die von Anfang an als eine Glaubensgemeinschaft von Männern und Frauen gegründet war, in der auch Frauen leitende Funktionen wahrnahmen, die Frau in den kirchlichen Diensten immer mehr zurückdrängte und schließlich von allen höheren Ämtern ausschloß.

Je mehr ich mir die jüngeren Entwicklungen in den protestantischen Kirchen vergegenwärtige, die Küngs Fortschrittsideale verwirklicht haben, desto weniger komme ich an der Vermutung vorbei, dass der Ausschluss von Frauen aus den höheren Ämtern eine gute Idee gewesen sein könnte.

In einem Punkt hat das Freimaurertum freilich notorisch weniger Schwierigkeiten: die Zölibatsfrage stellt sich nicht; auch die hohen Grade dürfen verheiratet sein.

Das ist freilich die Hauptsache; insbesondere wenn man bedenkt, dass der Zölibat eine hohe Hürde ist, die nach menschlichem Ermessen nur von Männern genommen wird, die von ihrer religiösen Mission überzeugt sind. Durch den Zölibat ist das Priestertum nicht ein Job wie jeder andere; er verlangt ein schweres Opfer. Eine solche Kirche lässt sich nicht ohne Weiteres unterwandern und verweltlichen.

Mit vielen anderen in allen christlichen Kirchen teile ich die Überzeugung, daß ein Christ Freimaurer sein kann und ein Freimaurer Christ. Besonders in den USA, in Italien und Österreich sind die Zugehörigkeit zu Kirche und Freimaurertum alltägliche Praxis. Hier und da gehören auch herausragende Vertreter der römisch-katholischen Kirche dem Bund an.

Man wüsste doch zu gerne, wer das ist

Und gerade daß der Freimaurerbund als solcher dogmenfrei sein will, ermöglicht die Mitgliedschaft ja sowohl Angehörigen eines religiösen Glaubens als auch Vertretern anderer Weltanschauungen, solange sie tolerant und den Idealen der Menschlichkeit verpflichtet sind.

Aber tunlichst nicht irgendwelchen Glaubenswahrheiten.

Und so freue ich mich denn aufrichtig über diesen Kulturpreis, der noch mehr als meiner Person der Sache gilt, der ich diene. Ich bin mir wohlbewußt, in einer Reihe sehr honoriger Preisträger zu stehen, von denen ich neben Fritz Pleitgen besonders Golo Mann, Siegfried Lenz und Karl-Heinz Böhm, Yehudi Menuhin und Lew Kopelew persönlich kennenlernen und hochschätzen durfte. Menuhin hat sich von Anfang an mehr als jede andere internationale Persönlichkeit für ein Weltethos eingesetzt und Kopelew ebenfalls die Idee tatkräftig unterstützt: Bewußtmachung gemeinsamer ethischer Standards in der einen Menschheit.

Anders ausgedrückt: der Ersetzung alter ethischer Standards durch neue und der alten Religionen durch eine Einheitsreligion mit bloß noch folkloristischen Varianten.

(…) Er bedeutet zugleich eine Bestätigung für die von mir geleitete Stiftung Weltethos, die Sie ja nun auch noch eigens bedacht haben: Wir sind ein kleines, aber hochmotiviertes und hocheffizientes Team, das in verschiedener Weise doch, mit der Unterstützung vieler, zu so etwas wie einem kleinen „global player“ geworden ist.

Klingt beunruhigend.

Vor allem aber macht der Preis deutlich, daß die elementaren Standards eines gemeinsamen Menschheitsethos, eines globalen Ethos, eines Weltethos, nicht nur von den Religionen, sondern auch von Nichtglaubenden und Angehörigen verschiedener Weltanschauungen mitgetragen werden kann und soll.

Schließlich waren es nicht zuletzt die Freimaurer selber, die bereits in den „Alten Pflichten“ von 1723, dem bis heute gültigen, aus den Bauhütten der Werkleute entlehnten Grundsatz der Freimaurer, es als ihre Aufgabe bezeichnen, „Menschen zusammenzuführen, die ansonsten einander immer fremd geblieben wären“.

Zu deutsch: Küngismus und Freimaurerei teilen dieselben Ziele.

(…) Spero unitatem ecclesiarum: Trotz aller römischen Restaurationsversuche und protestantischen Reaktionen hoffe ich nach wie vor auf eine Einheit (in Vielfalt!) der Kirchen.

Da das katholische Kirchenverständnis nur eine Kirche Jesu Christi zulässt, bedeutet diese Forderung, dass die katholische eine protestantische Kirche werden soll.

Spero pacem religionum: Trotz aller von beiden Seiten provozierten Spannungen und Auseinandersetzungen vor allem zwischen Christentum und Islam hoffe ich im Großen und Kleinen auf einen Frieden (nicht eine Einheit!) der Religionen.

Es wird sein Geheimnis bleiben, inwiefern „von beiden Seiten Spannungen provoziert“ worden sind.

Spero communitatem nationum: Trotz allen Rückfalls der verbliebenen Supermacht in das alte Paradigma politischer wie militärischer Konfrontation und kontraproduktiver Raketenpläne für Europa hoffe ich beständig auf eine wahre Gemeinschaft der Nationen (und nicht nur der EU).

Zu deutsch: Die EU, also institutionalisierte Ent-Demokratisierung Europas, ist eine gute Sache, und Küng träumt von einer EU im XXL-Format, die die ganze Welt umfassen soll. Deutlicher kann man die innere Logik des Zusammenhangs zwischen einer Entgrenzung, sprich: Zerstörung, der Religionen, und der Entgrenzung, sprich: Zerstörung, der Völker nicht hervorheben. Der negativen Theologie, wonach nur die Entleerung der Religionen um alles, was sie überhaupt erst zu Religionen macht, ihren Aufeinanderprall verhindern könne, entspricht eine negative Soziologie, wonach der Weg zum „Weltfrieden“ über die Zerstörung der vorhandenen Solidargemeinschaften führt.

Die Hoffnung, sagt man, stirbt zuletzt. Die Hoffnung, sage ich, steht an jedem neuen großen Anfang.

Und deswegen versuchen wir frohgemut immer aufs Neue solche „großen Anfänge“ wie 1789 in Frankreich, 1917 in Russland, 1949 in China, 1976 in Kambodscha …

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