Mein neues Buch: „Der kalte Staatsstreich“

Manfred Kleine-Hartlage, Der kalte Staatsstreich. Wie Faeser & Co. das Grundgesetz demolieren. Tredition, 148. S. Softcover, 15,90

Ich hatte schon länger vor, ein Buch darüber zu schreiben, mit welchen Methoden die politische Klasse das Grundgesetz so weit entkernt, dass am Ende nur noch eine Potjomkinsche Fassade davon übrigzubleiben droht. Nancy Faesers Verbot der „Compact“, das inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Eilantrags bis zur Entscheidung in der Hauptsache suspendiert wurde, lieferte mir den aktuellen Aufhänger, um endlich zur Tat zu schreiten – zumal die Dame so freundlich war, dem Verbot eine Begründung beizufügen, die, wenngleich unfreiwillig, Wort für Wort und Zeile für Zeile die antidemokratische Ideologie in den Köpfen jener Politiker entlarvt, die sich so gerne als die Retter der Demokratie aufspielen.

Hier ein Appetithäppchen aus meinem Buch:

 

»Ein staatliches oder vom Staat zu hütendes offiziöses Wahrheitsmonopol ist Kennzeichen nicht eines demokratischen, sondern eines totalitären Staates. Nur ein solcher Staat kann die Verbreitung „geschichtsrevisionistischer Thesen“ als Angriff auf die Grundlagen seiner Rechtsordnung betrachten. Genau ein solches Wahrheitsmonopol beansprucht implizit die Ministerin Faeser.

Weiter im Text [der Verbotsverfügung]:

„Dabei lehnt ‚COMPACT‘ ein offenes und pluralistisches Gesellschaftssystem, das die Menschenwürde des Einzelnen achtet und die freie und gleichwertige Teilhabe aller Staatsbürger an der politischen Willensbildung vorsieht, ab und zielt darauf ab, dieses abzuschaffen.“ (Verbotsverfügung vom 16.7.2024, S. 11)

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine solche Unterstellung in einem Text steht, der seinerseits die „Teilhabe aller Staatsbürger an der politischen Willensbildung“ von der politischen Botmäßigkeit des jeweiligen Bürgers abhängig macht, also keineswegs „frei“ und „gleichartig“ allen Bürgern zugestehen möchte.

„Die ‚COMPACT-Magazin GmbH‘ lässt dabei nicht eindeutig erkennen, welche Verfassungsordnung an die Stelle der bestehenden Ordnung treten soll.“ (ebd.)

Wie sollte sie auch? Das Magazin propagiert ja genau die Verfassungsordnung, die offiziell immer noch gilt, indem es ihre fortlaufende Demontage durch die politische Klasse anprangert!

Statt dies aber zuzugeben (und vielleicht selbstkritisch zu prüfen, wie weit ihr eigenes Verhalten mit dieser Ordnung vereinbar ist), verfügt die Ministerin, auf solche Petitessen komme es nicht an:

„Es reicht für die Annahme des Sich-Richtens gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung jedoch aus, dass der Verein die Außerkraftsetzung der bestehenden Verfassungsordnung betreibt.“ (ebd.)

Sehen wir uns nun ein paar „Compact“-Texte an, auf die die Ministerin ihren Behauptungen stützt. Sie hält es nicht für erforderlich, deren jeweilige Fundstellen zu nennen – vielleicht, weil das korrekte Zitieren bei den Politikern unseres Landes außer Mode gekommen ist; wahrscheinlich aber vor allem, damit niemand ohne Weiteres den Kontext der beanstandeten Stellen rekonstruieren und dadurch überprüfen kann, ob sie den unterstellten verfassungsfeindlichen (beziehungsweise, wie die Verfügung behauptet, „rassistischen“, „antisemitischen“, „fremden-, migranten-, muslimen- und minderheitenfeindlichen“) Sinn tatsächlich haben.

Weil aber das Strickmuster der systematischen Irreführung immer dasselbe ist, kann ich mich guten Gewissens darauf beschränken, exemplarisch solche „Compact“-Texte heranzuziehen, deren Herkunft, Fundstelle und vollen Wortlaut ich schon deshalb kenne, weil ich selbst ihr Verfasser bin. Ich werde jeweils diejenigen Abschnitte unterstreichen, die das Ministerium in seiner Verbotsverfügung zitiert, die es also zur Begründung seiner Einschätzung der „Verfassungsfeindlichkeit“ heranzieht.

Beginnen wir mit einem Text, den ich als sprachkritische Kolumne (zum Stichwort „Faktenchecker“) für die „Compact“-Ausgabe 7/2023 geschrieben habe, damit Sie, verehrter Leser, sich einen eigenen Eindruck von meiner darin propagierten ruchlosen Gesinnung verschaffen und sich gebührend über sie entrüsten können:

Faktenchecker

In der Selbstbezeichnung „Faktenchecker“ für eine bestimmte Art von Mainstreamjournalisten liegt eine unfreiwillige Selbstentlarvung: Wenn etwas, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, zum Gegenstand einer Art Gütesiegel wird, so legt eine solche Wortwahl den Verdacht nahe, das Gros der Journalisten checke Fakten wohl eher nicht.

Was in der Tat der Fall sein dürfte und dazu führt, dass Mainstreamjournalisten selbst dreiste Lügen immer wieder voneinander abschreiben, statt einander auf Unwahrheiten zu kontrollieren, wie es der Leser oder Zuschauer von ihnen erwartet. (Ich spreche hier natürlich ausschließlich vom wohlwollenden – man könnte auch sagen: naiven – Leser, dessen Naivität geschäftsnotwendig ist und deshalb unter keinen Umständen erschüttert werden darf.)

„Faktenchecker“ – das klingt neutral und nach einer Art TÜV. Wer allerdings nach Geldgebern und Vernetzungen fragt (was nur Menschen tun, die man noch vor wenigen Jahren als mündige Bürger bezeichnet hätte und heute „Verschwörungstheoretiker“ nennt), kommt ins Grübeln:

So finden sich unter Spendern von „Correctiv“ unter anderem George Soros‘ Open Society Foundation, die regierungsabhängige Bundeszentrale für politische Bildung, Großkonzerne wie Google, wirtschaftsnahe Stiftungen wie die Mercator-Stiftung und mediennahe Institutionen wie die Rudolf Augstein Stiftung.

Und die Faktenchecker-Abteilung von Reuters wurde aufgebaut, als Reuters von Jim Smith geführt wurde, der zugleich im Aufsichtsrat des Pharmagiganten Pfizer saß. Dass Reuters mit Facebook kooperiert und als dessen Zensurdienstleister unter anderem Pfizer-kritische Veröffentlichungen unterbindet, ist selbstredend reiner Zufall, dem nur besagte „Verschwörungstheoretiker“ irgendwelche Bedeutung beimessen. Der Faktenchecker-Filz illustriert das Kartell zwischen Machthabern und Großkapital zur Knebelung kritischer Gegenöffentlichkeit.

Damit sind frühere journalistische Qualitätsmerkmale ins Gegenteil verkehrt worden: Früher war es selbstverständlich, dass Macht- und Kapitalkonzentration in wenigen Händen zum Missbrauch einlädt und dann besonders katastrophale Folgen hat. Selbstverständlich war daher auch, dass die Behauptungen mächtiger und kapitalkräftiger Akteure besonders kritisch hinterfragt (also neudeutsch: einem Faktencheck unterzogen) werden müssen. Genau dies tun „Faktenchecker“ aber so gut wie nie.

Natürlich wäre es nicht verwerflich, wenn sie auch oppositionelle Medien kritisierten. Verwerflich ist, dass sie nichts anderes tun! Dass sie sich dem Publikum als neutrale Instanz andienen, zugleich aber faktisch als Kettenhunde des globalen Machtkartells agieren.

Es passt ins Bild, dass ihre Argumentationsfiguren mit dem Wort „anrüchig“ meist noch freundlich umschrieben sind und die Halbwertszeit ihrer Ergebnisse blamabel gering ist. Allein der Unsinn, den sie uns als Wiederkäuer amtlicher Propaganda (und eben nicht als „Checker“ von deren Behauptungen) über die Corona-Impfung erzählt haben, widerlegt ihren selbstbeweihräuchernden Mythos, sie hätten irgendwelche „Fakten gecheckt“.

Dies haben vielmehr die Kritiker getan, deren Warnungen sich spektakulär bestätigt haben, die dafür aber von den „Faktencheckern“ diffamiert worden sind. Dass diese Diffamierungen zum Großteil immer noch im Netz stehen, illustriert die Schamlosigkeit, mit der Letztere nach dem Motto verfahren, etwas werde schon hängenbleiben.

(Compact 7/2023, nachgedruckt in meiner Kolumnensammlung: M. K.-H., BRD-Sprech. Worte als Waffe der Umerziehung, Verlag der 300, Berlin 2023; die hier unterstrichenen Stellen sind auf S. 43 der Verbotsverfügung zitiert.)

Na, haben Sie verstanden, was daran verfassungsfeindlich war? Nein? Dann sind Sie wohl ein unsicherer Kantonist, der es an Wachsamkeit im Kampf gegen Rechts fehlen lässt.

Gottlob gibt es unsere Innenministerin, die mit ihrem Adlerblick die Gefahr sofort erkannt hat, in der Sie schweben, und Sie durch das Verbot der „Compact“ energisch davor bewahrt, rechten Rattenfängern auf den Leim zu gehen (und dann womöglich die aus Regierungssicht falsche Partei zu wählen).

Für den Posten eines amtlich bestallten Hexenjägers im Innenministerium wären allerdings nur dann qualifiziert, wenn Sie bemerkt hätten, dass es sich um einen antisemitischen Text handelt!

Woran man das erkennt? Na daran, dass ich George Soros erwähnt habe! Soros ist Jude, und damit ist jede Kritik an ihm automatisch ein Zeichen von Antisemitismus. Dass der Text im selben Zusammenhang noch eine Reihe von anderen Instanzen kritisiert, ist nach Auffassung des BMI nur raffinierte Tarnung:

„Im Zusammenhang mit antisemitischen Verschwörungsnarrativen greift COMPACT zudem wiederholt auf die Darstellungen des über einen jüdischen Hintergrund verfügenden ungarisch-amerikanischen Unternehmers George Soros als vermeintlich lenkenden Hintermann und Repräsentant des ‚Finanzkapitals‘ zurück. Die Narrative suggerieren maßgeblichen Einfluss eines weithin als jüdisch apostrophiert privatwirtschaftlichen Akteurs im Hintergrund wesentlicher politisch Entscheidungsprozesse. Damit bedient sich ‚COMPACT‘ eines im Rechtsextremismus weit verbreiteten Topos. Dieser fußt auf einer im Kern antisemitischen Verschwörungsvorstellung, nach der politische Entscheidungsträger durch einen kleinen Personenkreis aus der ‚jüdischen Finanzwirtschaft‘ in ihrem Handeln maßgeblich beeinflusst würden. Hierbei gilt zu beachten, dass Kritik an Entwicklungen und Personen der Finanzwirtschaft, darunter auch an Soros, für sich genommen noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für Antisemitismus darstellt. In den von ‚COMPACT‘ verbreiteten Narrativen wird Soros jedoch nicht als Individuum kritisiert sondern auf antisemitische Weise als Chiffre für ‚jüdischen Einfluss‘ genutzt.“

(Verbotsverfügung S. 42 f.)

Stellen wir zunächst fest, dass die Anführungszeichen, in die das Ministerium die Ausdrücke „jüdische Finanzwirtschaft“ und „jüdischer Einfluss“ setzt, Zitate suggerieren, wo keine sind!

Weder in meinem Text noch in irgendeiner anderen der in diesem Kontext zitierten Textpassagen tauchen diese Ausdrücke oder auch nur das Wort „jüdisch“ auf. Wahrscheinlich würde das Ministerium sich darauf herausreden, es handele sich lediglich um distanzierende, nicht um zitierende Anführungszeichen und deshalb auch nicht um in verleumderischer Absicht fingierte Falschzitate. (Hätte es das von vornherein klargestellt, wäre freilich die diffamierende Wirkung auf den unvoreingenommenen Leser, etwa die Richter des Bundesverwaltungsgerichts, geringer gewesen, und wenn es dann noch ordentlich die Fundstelle zitiert oder gar die beanstandeten Texte im ungekürzten Wortlaut beigefügt hätte, hätte sich diese Wirkung in Luft aufgelöst.)

Aus der Sicht des BMI freilich kommt es gar nicht darauf an, ob Juden als solche kritisiert werden – weswegen es sich auch das gönnerhafte Zugeständnis leisten kann, Kritik an einzelnen jüdischen Persönlichkeiten stelle „für sich genommen noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für Antisemitismus“ dar.

Jeder halbwegs geradeaus denkende Mensch versteht zwar unter Antisemitismus den Hass auf Juden (Was denn sonst?) – und wird entsprechend schockiert sein, wenn er in amtlichen Verlautbarungen lesen muss, die „Compact“ verbreite dergleichen. Was er nicht weiß: Das Bundesinnenministerium versteht unter „Antisemitismus“ etwas ganz anderes:

„Der seitens ‚COMPACT‘ verbreitete politische Antisemitismus drückt sich nur vereinzelt offen direkt gegen jüdische Gruppierungen aus. Häufiger nutzt ‚COMPACT‘ Chiffren, die die als Kollektiv verstandene Gruppierung benennt und die Kernbezeichnung ‚die Juden‘ [wiederum ein diffamierendes Scheinzitat wie oben, M. K.-H.] ersetzt. Insbesondere steht dabei eine als Kollektiv gefasste Finanzelite, stellvertretend für das antisemitische Bild eines ‚Finanzjudentums‘ [noch ein solches Scheinzitat] im Zentrum der Erzählungen. Ausdruck findet das ‚Finanzjudentum‘ [Scheinzitat] als antisemitische Chiffre auch in Bezeichnungen wie ‚Hochfinanz‘ oder ‚globale Finanzelite‘. Stellvertretend für ‚die Juden‘ [Scheinzitat] werden auch (vermögende) Einzelpersonen herangezogen und als vermeintliche Verschwörer oder Strippenzieher dargestellt. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass diese Einzelpersonen teilweise keine Juden sind, wie beispielsweise Bill Gates oder die Familie Rockefeller. Sie werden dennoch als Superreiche jüdisch gelesen und spiegeln sinnbildlich das ‚Finanzjudentum‘ [Scheinzitat] wider oder gelten als jüdische Marionetten.“

(Ebd. S. 39 f.)

Aha! Für den Vorwurf des Antisemitismus kommt es also nicht nur nicht darauf an, ob die kritisierten Personen wegen ihres jüdischen Hintergrundes (statt wegen ihrer Taten) kritisiert werden; es kommt nicht einmal darauf an, ob sie diesen Hintergrund überhaupt haben! „Sie werden dennoch als Superreiche jüdisch gelesen …“

Versuchen wir nun, aus diesem Konglomerat aus diffamierenden Unterstellungen und paranoidem Stuss so etwas wie eine regierungsamtliche „Antisemitismustheorie“ herauszudestillieren, dann lautet diese in etwa wie folgt:

„Antisemitismus“ ist die Behauptung, superreiche Privatleute würden entscheidenden Einfluss auf die Politik und allgemein das Schicksal von Gesellschaften auf der ganzen Welt, insbesondere aber von westlichen Gesellschaften nehmen (zum Beispiel indem sie Einzelpersonen oder Organisationen finanziell von sich abhängig machen oder einfach selbst gründen, Medienunternehmen kaufen und auf eine bestimmte Linie verpflichten etc.), dabei das Licht der Öffentlichkeit eher scheuen und so in illegitimer, demokratiewidriger Weise private Finanzmacht in öffentliche politische Macht ummünzen; dies nicht nur in den Ländern, deren Bürger sie sind, sondern weltweit. Weil ähnliche Behauptungen von Antisemiten traditionell auf Juden bezogen werden, sind sie – so die Antisemitismusmustheorie des Ministeriums weiter – auch dann antisemitisch, wenn sie nicht auf Juden bezogen werden. Das Ministerium klebt willkürlich einer bestimmten gesellschaftskritischen Argumentationsstruktur das Etikett „antisemitisch“ auf – nicht weil sie dies in irgendeinem vernünftigen Sinne des Wortes ist, sondern, weil es dem herrschenden Parteienkartell in den Kram passt, sie so zu nennen.

Wir sehen: Was das Ministerium „Antisemitismus“ nennt, ist genau das, was man noch vor wenigen Jahren „Gesellschaftskritik“ genannt hätte, oder „investigativen Journalismus“ oder (in der Politikwissenschaft) „kritische Machtstrukturforschung“ oder „Kapitalismuskritik“. Nach BMI-Definition ist unter anderem der gesamte klassische Marxismus verfassungsfeindlich – aber nicht etwa deswegen, weil er die Diktatur des Proletariats postuliert oder den bürgerlichen Parlamentarismus überwinden will, also nicht wegen seiner Ziele, sondern wegen seiner Gesellschaftsanalyse. Die marxistische Gesellschaftskritik besagt ja, kurz und flapsig formuliert, dass es der herrschenden Klasse egal sei, wer unter ihr Kanzler, Präsident oder Premierminister ist, und dass demokratische Mechanismen mehr oder weniger gelungene Augenwischerei seien.

Wer also als kritischer Journalist danach fragt, wie gesellschaftlich relevante politische Entscheidungen wirklich zustandekommen (und sich dabei nicht einfach auf die affirmativen Systembeschreibungen verlässt, wie man sie im Sozialkundeunterricht der neunten Klasse lernt), der sei Antisemit und – so die Kettenidentifikation des Ministeriums – auch Verfassungsfeind, dem man deswegen getrost von Staats wegen das Maul stopfen dürfe; und zwar auch dann, wenn alles, was er schreibt, auf nachprüfbaren Fakten beruht, wie es bei der „Compact“ der Fall ist.

Es geht einfach darum, bestimmte gesellschaftliche Machtverhältnisse jeder Kritik zu entrücken und zu diesem Zweck die Staatsgewalt zu missbrauchen – und zwar ungeachtet der Tatsache, oder vielmehr genau deswegen, weil die angegriffenen Machtverhältnisse die Demokratie unterminieren und weil demokratisch gewählte Politiker in zunehmendem Maße als Sachwalter lichtscheuer Interessen handeln und als eigene Entscheidungen ausgeben (müssen), was anderswo ersonnen worden ist. Oder, wie es Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer, damals noch Ministerpräsident, in einem seltenen Anfall von Ehrlichkeit einmal auf Punkt brachte:

„Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“

(ARD-Sendung „Pelzig unterhält sich“, ausgestrahlt am 20.5.2010)

Der Ministerin scheint nicht aufzufallen, dass man Kritik – auch und gerade diese Kritik – nur durch Argumente widerlegen kann – vorausgesetzt freilich, man hat welche. Durch Verbote kann man sie nur untermauern.

Sie als „antisemitisch“ zu verteufeln, ist ein für dieses Regime typisches Mätzchen: Man schiebt die angeblichen Interessen einer schutzbedürftigen Minderheit vor, um in Wahrheit Interessen und Machtverhältnisse zu schützen, die alles andere als schützenswert sind und sich direkt gegen demokratische Partizipation, gegen die Grundrechte der Bürger und gegen die Interessen von weit über 99 Prozent aller Menschen auf der Welt richten.

Es spielt dabei für die Regierung überhaupt keine Rolle, ob das, was jemand behauptet, den Tatsachen entspricht oder nicht; ebenso wenig, ob der Betreffende das, was sie ihm in den Mund legt, überhaupt sagen wollte; und auch nicht, ob es von den Lesern genauso aufgefasst wird wie von den amtlich bestallten Gesinnungsschnüfflern der Frau Faeser; es genügt, dass sein „Narrativ“ eine Struktur hat, die der Regierung missfällt (und die allein schon wegen dieser willkürlichen Zuschreibungsmethode heute diese und morgen jene sein kann). Letztlich maßt sich die Regierung an, aus eigener Machtvollkommenheit darüber zu entscheiden, was legal geäußert werden darf und was nicht.

In den Augen dieses Regimes darf ein verfassungstreuer Bürger also gerade noch dies: Steuern zahlen, auf Kommando jubeln, verdammen oder denunzieren und im Übrigen den Mund halten. Wer nachdenkt, ist verdächtig. Das also versteht die Ministerin unter „Demokratie“.

Wieder einmal genügen bereits wenige Zeilen, hier die, die das Ministerium über den angeblichen „Antisemitismus“ der „Compact“ absondert, um den korrupten, verlogenen und demokratiefeindlichen Charakter des uns beherrschenden Machtkartells zu demaskieren.«

—–

So weit der Auszug aus „Der kalte Staatsstreich. Wie Faeser & Co. das Grundgesetz demolieren“. Wer es übrigens lieber als E-Book liest, kann es für 9,99 € bei Tredition kaufen.

Josef Haslinger: „Opernball“ – Rezension

41DE5BCTFPL._SL210_Als ich neulich Uwe Tellkamps Roman „Der Eisvogel“ rezensierte, fiel mir ein, dass das Thema „Terrorismus von rechts“ schon in den neunziger Jahren in einem Bestseller bearbeitet worden war. Josef Haslingers Thriller „Opernball“, erschienen 1995, war 1998 in einem spektakulären, hochkarätig besetzten und preisgekrönten Zweiteiler auf den Bildschirm gekommen. Ich hatte ihn damals gesehen und habe jetzt die Romanvorlage gelesen, die, wie so oft, weitaus besser, vor allem tiefschürfender ist als die Verfilmung.

Kurz zur Handlung: Auf den Wiener Opernball wird ein Giftgasanschlag verübt, bei dem praktisch die gesamte politische Elite Österreichs (nebst viel sonstiger Prominenz) ausgelöscht wird. Der Journalist Kurt Fraser, der bei diesem Anschlag seinen Sohn verliert, macht sich auf die Suche nach den Hintergründen und interviewt verschiedene Zeugen und Beteiligte. Aus deren Aussagen nebst Frasers eigener Schilderung setzt der Roman sich zusammen; formal hat er damit durchaus Ähnlichkeit mit „Der Eisvogel“, ist aber in seiner Gesellschaftsdiagnose klarer und schärfer und – als Thriller – deutlich unterhaltsamer als „Der Eisvogel“.

Der Journalist kommt auf die Spur einer Art Terrorsekte, die es unter einem messianischen Führer, der sich „der Geringste“ nennt, darauf abgesehen hat, durch einen gigantischen Terroranschlag den Selbstbehauptungswillen der abendländischen Zivilisation zu wecken. Es handelt sich nicht etwa um Neonazis – man erkennt es daran, dass der einzige wirkliche Nazi der Gruppe (namens Feilböck) zum Verräter wird – obwohl der „Geringste“ bei Bedarf bedenkenlos auf nazistisches Gedankengut zurückgreift. Der „Geringste“ ist vielmehr Christ – freilich ein Christ der ganz speziellen Art – und tief fasziniert von der Gestalt des Judas:

Der Leser wird schon ganz zu Beginn mit der überraschenden und für den Roman wegweisenden Idee konfrontiert, dass eigentlich Judas Iskarioth der Begründer des Christentums war, das ohne seinen Verrat nicht hätte entstehen können. Dieser Verrat bedeutete für Judas selbst die ewige Verdammnis durch Gott und die Menschen, aber nur durch Judas wurde Jesus gezwungen, sich für die Menschheit zu opfern: kein Selbstopfer Jesu ohne das des Judas. Dieses Motiv des notwendigen Verrats (Judas‘ an Jesus, Feilböcks an der Gruppe, der Gruppe an der Gesellschaft, deren Selbstheilungskräfte sie stärken will) zieht sich durch den ganzen Roman, in dessen Verlauf immer deutlicher wird, dass die Terroristen Mitwisser und stille Unterstützer in hohen Polizeirängen haben – Verräter aus Not auch sie.

Deren Verhalten wird plausibel durch die Perspektive des von Fraser interviewten Polizisten, der am Abend des Opernballanschlages Dienst hatte, und dessen Erzählungen einen zentralen Beitrag zu Haslingers Panorama einer sich im Verfall befindlichen Gesellschaft beitragen. Die Schilderung eines zerstörungswütigen linken Mobs aus der Sicht des Polizisten gehört für mich zu den beeindruckendsten und gelungensten Teilen des Romans, weil er so zukunftsweisend ist. Das Buch, wie gesagt, erschien 1995, aber ich habe unwillkürlich mehr als einmal nachgesehen, ob ich mich da nicht verguckt habe, so sehr ähnelt das Verhalten dieses Mobs (mitsamt seinen Verbindungen zur Islamistenszene und zur Muslimbruderschaft) dem, was wir heute beobachten.

Es ist dieses seismographische Gespür für die Brüchigkeit des Gesellschaftsgefüges, für seine schleichende Zersetzung, für die Risse im Fundament, mit dem der Autor das Verhalten der Terroristen so plausibel macht. Der Autor erklärt das Verhalten seiner Figuren nicht primär aus ihrem Charakter, sondern deutet es als Reaktion auf den Verfall der sie umgebenden Gesellschaft. Dadurch kann er es sich sparen, sie zu dämonisieren oder zu verurteilen oder verächtlich zu machen. Die religiöse Inbrunst, mit der sie glauben, etwas Unausweichliches zu tun, wirkt vor diesem Hintergrund nicht wie künstlich vom Autor erzeugter Fanatismus – nein, das passt alles.

„Opernball“ ist weit mehr als ein Unterhaltungsschmöker aus der Bahnhofsbuchhandlung. Als reiner Thriller hätte der Roman vielleicht sogar noch unterhaltsamer sein können (er ist aber auch so noch spannend genug); die Präzision, mit der der gesellschaftliche Hintergrund ausgeleuchtet wird, macht ihn zu einem bedeutenden Stück Literatur. Es könnte durchaus sein, dass dieses Werk von künftigen Kulturhistorikern als der Schlüsselroman der Jahrtausendwende eingestuft werden wird.

Uwe Tellkamp: Der Eisvogel – Rezension

41ZghGF3K7L._SL210_Ich sollte vielleicht gleich zugeben, dass ich von Tellkamps Roman ein wenig enttäuscht bin. Gut, der Autor ist ein begnadeter Sprachkünstler mit einem Sinn für Atmosphärenschilderung, Charakterskizzen, stimmige und überraschende Metaphern, ein gelernter Lyriker und bestimmt einer von Rang. Auch die Charaktere die er zeichnet, sind überzeugend, und der Aufbau des Romans – mit einer Tötungsszene einzusteigen und in Rückblenden, den Erzählungen verschiedener Beteiligter, verbunden in einem System kunstvoll verschachtelter Ebenen zu erzählen, wie es dazu gekommen ist – das hat schon was.

Eigentlich sind alle Zutaten für einen großen Roman vorhanden, nur hat Tellkamp den nicht geschrieben. Er deutet nur an, dass er ihn hätte schreiben können, wenn seine Gesellschaftskritik mehr Tiefenschärfe gehabt hätte, und er den Mut, dazu zu stehen.

Ich rekapituliere kurz die Handlung: Der Bankierssohn Wiggo Ritter, der gegen den Willen seines Vaters Philosophie studiert hat und ein brillanter Kopf ist, wird von seinem Professor – wahrscheinlich wegen seiner allzu unkonventionellen Thesen – als „Kryptofaschist“ beschimpft und als Assistent gefeuert, stürzt ab in die Arbeitslosigkeit und kommt nicht mehr auf die Beine. Er begegnet Mauritz Kaltmeister, einem rechten Aktivisten, der eine Terrororganisation aufbaut, um die verlotterte Demokratie zu zerstören und einen Ständestaat zu errichten. Als Ritter sich eines Besseren besinnt, die Sinnlosigkeit von Terrorismus erkennt und sich aus der Organisation zurückziehen möchte, kommt es zum Konflikt mit dem zunehmend fanatischer werdenden Kaltmeister, den Ritter in der Eingangsszene erschießt.

Wie gesagt, die Charakterzeichnungen finde ich überzeugend: Mit dem Protagonisten Ritter kann ich mich geradezu identifizieren: Ein intelligenter Kopf, der erkennt, wie morsch die Gesellschaft ist, in der er lebt, und der die Herrschaft von Dummheit und Lüge als solche durchschaut und darunter leidet – ja, doch, das kommt mir bekannt vor.

Auch die zweite Hauptfigur, der Tatmensch Mauritz, den es um nahezu jeden Preis zur Aktion drängt und dessen Verhältnis zu Wiggo zwischen Respekt und Spott schwankt, finde ich ausgesprochen gelungen. Überhaupt scheint der Konflikt zwischen den aktivistischen Draufgängern und den nachdenklichen Intellektuellen unter Terroristen und solchen, die es werden wollen, ziemlich häufig vorzukommen, man denke an das Verhältnis zwischen Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin.

Tellkamps Problem ist, dass er sich zwar in das Empfinden, aber nicht in das Denken der Hauptfiguren hineinzuversetzen vermag: Die Gesellschaftskritik, die er ihnen in den Mund legt – Materialismus, Oberflächlichkeit, Gier, Angst als Charakteristika des typischen Zeitgenossen – bleibt klischeehaft, flach und unreflektiert, sie passt zu keinem der beiden Charaktere.

Die Strategie, die Mauritz vorschlägt: durch Terror zunächst Verunsicherung zu verbreiten, damit die Menschen sich dann nach starker Autorität sehnen; seine Utopie eines Ständestaats (ein Konzept, das seit Jahrzehnten niemand mehr vertritt, und wäre er noch so reaktionär, und das man deshalb auch keiner Romanfigur andichten kann, ohne unglaubwürdig zu werden) – das wirkt alles hölzern und konstruiert, es wirkt so, wie Linke sich die Rechten vorstellen.

Wenn man dann noch an die völlig unglaubwürdige – und völlig misslungene – Szene denkt, wo Bilderbuch-Glatzennazis mit Baseballschläger und Kampfhund die U-Bahn betreten, um ein arabisches Pärchen zu verprügeln, und daran durch Mauritz‘ heldenhaftes Eingreifen gehindert werden – Tellkamps Figuren müssen offenbar unbedingt noch politisch korrekt am „Kampf gegen Rechts“ teilnehmen – dann ist das nicht nur lächerlich, sondern erschließt dem Leser auch, warum der Autor sich auf genuin konservative Gesellschaftskritik (von faschistischer gar nicht erst zu reden) partout nicht einlassen will, nicht einmal, um sie einer seiner Figuren in den Mund zu legen: weil er Angst hat, als „Rechter“ verdächtigt zu werden – was immer das dann hieße.

So bleibt der Roman l’art pour l’art. Schade eigentlich.