Lorenz Jägers Selbstentblößung

Kaum jemand dürfte sich Illusionen darüber machen, dass die wenigen Konservativen (Jürgen Liminski, Michael Klonovsky, Matthias Mattussek) und eigenwilligen Rechtsliberalen (Jan Fleischauer, Henryk M. Broder) unter den deutschen Journalisten, denen gestattet wird, in den Massenmedien die herrschende Ideologie zu kritisieren, damit eine ganz bestimmte Funktion erfüllen: nämlich die Ausnahme zu sein, die die Regel bestätigt, und einen „Pluralismus“ zu fingieren, dessen tatsächliche Absenz dem Publikum sonst allzu schmerzlich auffiele. Das wissen sie, und sie hüten sich daher, ihre Rolle als die von Türöffnern misszuverstehen, die wichtigen Themen, Personen und Ideen den Weg in die vielzitierte „Mitte der Gesellschaft“ ebnen. Sie übernehmen innerhalb des Mediensystems eine Funktion, die sonst aus besagtem System auswandern würde, und üben eine Art virtueller Opposition, damit es nicht zur Entstehung einer realen kommt. Sie sind so etwas wie das moderne Äquivalent des mittelalterlichen Hofnarren, dessen Funktion und Privileg es war, dem Herrscher als Einziger die Wahrheit sagen zu dürfen.

Lorenz Jäger, der sich zehn Jahre lang als „Rechtsaußen“ der FAZ profilieren durfte und sich nun in deren Mittwochsausgabe spektakulär von der Rechten – oder dem, was er dafür hält – losgesagt hat, ist kein solcher Hofnarr.

Der Figur des Hofnarren kommt nämlich eine gewisse Dignität zu: Wenn er sich auch hütet, der Herrschaft, die er kritisiert, wirklich gefährlich zu werden, so ist er doch persönlich aufrichtig. Wenn er auch weiß, dass er ein Privileg ausübt, indem er die Wahrheit sagt, und darüber wacht, dass dieses Privileg als solches erhalten bleibt, so versucht er doch, dieser Wahrheit wenigstens ein Nischenplätzchen in der veröffentlichten Meinung zu sichern; er weiß, wovon er redet, er schreibt gemäß seinen Überzeugungen, und vor allem hat er überhaupt welche – Überzeugungen nämlich. Alles Eigenschaften, die wir Herrn Jäger schon deshalb nicht mehr zugestehen können, weil er selbst ihr Vorhandensein mit eigener Feder dementiert hat.

Er gibt uns ja offenherzig Auskunft darüber, was ihn bewogen hat, zehn Jahre lang den „Rechtsaußen“ zu spielen:

Es war eine schöne Zeit, diese vergangenen zehn Jahre unter Rechten, ich gestehe es. Vor allem aber war sie bequem. Allein schon gegen den Stachel der „Political Correctness“ zu löcken konnte für einen Journalisten die halbe Miete bedeuten. … Aus diesem Biotop gab es ja fast an jedem Tag etwas anderes zu glossieren, ob staatliches Gender-Training auf dem Programm stand oder das offiziöse Herunterreden von Migranten-Kriminalität – lachen konnte man immer.

Fassen wir zusammen: Er hat aus Bequemlichkeit, und weil es „die halbe Miete“ war, und weil die Linken es einem so schön leicht machen, ihre Marotten durch den Kakao zu ziehen, und damit die Leser etwas zu lachen haben (d.h. zu ihrer Unterhaltung, nicht etwa Information), also aus Beweggründen, die mit journalistischem Ethos denkbar wenig zu tun haben, eine Rolle gespielt, die man – eben dieser Beweggründe wegen – nicht mit der ehrwürdigen des Hofnarren verwechseln darf. Er hat den rechten Pausenclown gemacht.

Aber nicht nur, dass solche Pointen irgendwann schal werden:

… was aus der Sicht eines professionellen Pausenclowns zweifellos eine Katastrophe ist…

Mir leuchtet die ganze Richtung nicht mehr ein:

Ich verstehe nicht, warum der Konservative, zum Beispiel, den menschengemachten Klimawandel für Panikmache von Gutmenschen und die Umweltauflagen gegenüber der Industrie für eine sozialistische Erfindung halten muss.

Das könnte zum Beispiel damit zusammenhängen, dass es Menschen gibt, die über „staatliches Gender-Training … oder das offiziöse Herunterreden von Migranten-Kriminalität“ durchaus nicht „immer lachen“ können, weil sie dergleichen eben nicht als unfreiwillige Vorlagen für gehobene Gagschreiber missverstehen, sondern sie als das durchschauen, was sie sind: als Teil einer ideologischen Agenda, die die Grundlagen der Gesellschaft zu zerstören sucht, weil sie der Verwirklichung einer Utopie im Wege stehen. Genau in diese Agenda passt auch die Legende vom „menschengemachten Klimawandel“. Herr Jäger versteht das nicht? Nun, vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der etwas davon versteht.

Dass eine bestimmte Behauptung, etwa die vom „menschengemachten Klimawandel“ zu einer bestimmten Agenda passt, heißt freilich noch nicht, dass sie deshalb schon falsch sein muss. Bestimmt hätte Herr Jäger, wenn er sich in die Materie vertieft hätte – was er vermutlich nicht getan hat -, eine solche These mit Argumenten stützen können, und dann eben eine Ansicht vertreten, die von den meisten Menschen rechts der Mitte abgelehnt wird. Wie auch im folgenden Punkt:

[Ich verstehe nicht,] warum das Bekenntnis zu Atomkraftwerken den rechten Rechten ausmachen soll.

Dies, Herr Jäger, muss sich schon deshalb Ihrem Verständnis entziehen, weil es nicht so ist. Ich selbst bekenne mich keineswegs zu Atomkraftwerken und verstehe mich dennoch als rechter Rechter. Man muss, um konservativ zu sein, weder den „menschengemachten Klimawandel“ anzweifeln noch für Atomkraftwerke sein; man muss nicht einmal Islamkritiker sein (dazu kommen wir gleich). Wohl aber muss man ernsthaft und aufrichtig sein und Wahrheit nicht für eine Frage der Opportunität halten. Was unter anderem bedeutet, dass man sich einen Dreck darum schert, ob Andere einen für einen „rechten Rechten“ halten. Mich hat man auch schon einen Linken und sogar einen Kommunisten genannt. Na und? Ein Konservatismus, der nicht eine Frage der Überzeugung, sondern der Pose ist, ist keiner.

Zum zweiten muss man, wenn überhaupt irgendetwas, von der Bewahrung der Grundlagen der Zivilisation her denken und nicht von einer Utopie her – ganz gleich, ob diese Utopie nun darin besteht, den Sozialismus zu verwirklichen, oder darin, die Welt, ohne sie zu fragen, „safe for democracy“ zu machen. Wer Letzteres anstrebt, kann ein Liberaler, gerne auch ein Rechtsliberaler sein, aber gewiss kein Konservativer oder Rechter.

Es muss ja auch keiner ein Konservativer oder Rechter sein. Wer aber darüber schreibt, und das noch dazu in der FAZ, sollte wenigstens den Unterschied kennen.

Vor allem will …

will!

… ich nicht verstehen, dass „Islamkritik“ in allen Spielarten, bis hinunter zur offenen Demagogie, fast das einzige Prunk- und Ehrenzeichen konservativer Politik geworden ist.

Dass die von ihm in diesem Zusammenhang ausdrücklich genannten Instanzen, „Die Freiheit“ und PI, liberal sind, entgeht ihm ebenso wie die Tatsache, dass es Konservative gibt, die keine Islamkritiker sind, weil sie den Islam als erfrischenden Kontrapunkt zur westlichen Dekadenz betrachten.

Natürlich verstehe ich es doch.

Natürlich versteht er es eben nicht:

Denn es scheint die einzige Chance neuer rechter, populistischer Parteien und Bewegungen in Europa zu sein, mit diesem Thema einen Wahlerfolg zu landen.

Islamkritik ist also ein taktisches Mittel? Wenn Jäger nicht versteht, warum der Islam kritisiert wird, hätte er vielleicht ein gutes Buch lesen sollen. Zum Beispiel mein „Dschihadsystem“ oder Rainer Glagows „Allahs Weltordnung“ oder Robert Spencers „Religion of Peace“. Oder die gesammelten Werke von Bernard Lewis oder Tilman Nagel. (Im Grunde reicht aber schon der Koran. Wer den liest und nicht zum Islamkritiker wird, dem ist nicht zu helfen.) Wer es freilich nicht verstehen „will“, wird sich der Mühe solcher Lektüre entziehen.

Wer sich mit dem Thema, um das es geht, nicht beschäftigen will, dem bleibt nur: zu schweigen (wenn er redlich ist), oder anderer Leute Redlichkeit anzuzweifeln, wenn er selbst unredlich ist. Lorenz Jäger hat sich für Letzteres entschieden. Wie könnte er auch anders? Einem Herrn Jäger, der sein eigenes instrumentelles Verhältnis zur Wahrheit in so dankenswerter, wenn auch unfreiwilliger Offenheit kundtut, muss es geradezu unvorstellbar sein, dass es Menschen geben könnte, die das, was sie sagen, tatsächlich glauben, weil sie auf dem betreffenden Gebiet kompetent sind.

Im Folgenden, das ich nicht mehr ausführlich zu zitieren brauche, wirft Jäger den Neokonservatismus amerikanischer Prägung (FrontPage Magazine, Fox News), dem in Deutschland die liberale Islamkritik entspricht (PI, Achse des Guten), mit dem Konservatismus und sogar der Rechten in einen Topf und unterstellt dem Konservatismus, der damit gar nichts zu tun hat, kriegstreiberisch zu sein, weil er proisraelisch sei. (Den Nachweis, dass es um seine Kompetenz beim Thema „Israel“ ungefähr so bestellt ist wie um seine Islam-, Klima-, Atom- und politischen Theoriekenntnisse, spare ich mir an dieser Stelle.)

Die Verwechslung von Liberalismus und Konservatismus gehört zu der Sorte Dummheit, die ich einem Linken, der es nicht besser weiß und deshalb die CDU für konservativ hält, ohne Weiteres nachsehe. Ich kann sie aber nicht einem Journalisten nachsehen, der die Junge Freiheit schon deshalb gelesen haben muss, weil er sich ausführlich auf ihre Inhalte bezieht (und weil einer, der die JF nicht kennt, wie besagte Linke, über Konservatismus in Deutschland nichts Sinnvolles aussagen kann), und der sie trotzdem mit dem globalistischen amerikanischen Neo-„konservatismus“ oder der Achse des Guten in einen Topf wirft, und dies unter anderem, weil sie auch René Stadtkewitz interviewt und damit das getan hat, was die etablierten Medien einschließlich der FAZ ängstlich unterlassen: darüber zu berichten, dass es politische Kräfte außerhalb des autistischen etablierten Politzirkus‘ gibt. Um zu sehen, dass dies guter Journalismus ist, müsste man allerdings einen Begriff davon haben, was guter Journalismus eigentlich ist.

Man wird mir gewiss nicht nachsagen, den etablierten Medien unkritisch gegenüberzustehen. Trotzdem kann ich mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Artikel von solch peinlicher Dummheit gelesen habe. Vielleicht hätte irgendein Freund dem Verfasser den Tipp geben sollen, dass der Selbstentblößung tunlichst ein kritischer Blick in den Spiegel vorausgehen sollte.

Contra Pro?

„Politically Incorrect“ hat jüngst ungewöhnlicherweise einen Artikel gegen „Pro Köln“ veröffentlicht, der zu drei Vierteln einen entsprechenden Beitrag von Gudrun Eussner in ihrem Blog zitiert. Eussner hat auch einen guten Grund für diese Kritik, und auf den werde ich noch eingehen. Nur versteckt sich dieses gute Argument zwischen so vielen schlechten, dass man die erst einmal zerpflücken muss, um zum Kern des Problems vorzustoßen. Da erfahren wir zum Beispiel dies:

Der Initiator der beiden Anti-Islamisierungskongresse in Köln ist Markus Beisicht, der Mitbegründer und Vorsitzende von Pro Köln und Pro NRW. Er bestätigt in einem Interview mit der Jungen Freiheit zum Anti-Islamisierungskongreß, daß Islamkritik für Pro-Köln und Pro-NRW Teil eines rechten Parteiprojektes ist: Das Thema Islamisierung drückt die Menschen und es liegt uns politisch nahe, also haben wir es uns ausgesucht. Wir haben nach Inhalten Ausschau gehalten und waren anfangs selbst überrascht, welche außerordentliche Resonanz wir mit dem Thema gefunden haben. Gerade in Großstädten kann man damit punkten! Wir haben die Marktlücke besetzt, und es ist uns der Einbruch in Schichten gelungen, die wir sonst nicht erreicht hätten.

Beim Ausschauen nach geeigneten Themen für ein Parteiprojekt ist die Bürgerbewegung Pro-Köln auf die Islamisierung gestoßen, es hätte demnach auch ein anderes Thema sein können, wenn es den Zweck erfüllt hätte, ihrer Bewegung Zulauf zu verschaffen.

Das Thema „Islamisierung“ ist also ein Katalysatorthema, das geeignet ist, einem rechten Parteiprojekt Zulauf zu verschaffen. Das mag so sein, aber wenn die Islamkritik heute für die Rechte das ist, was in den achtziger Jahren die Ökologie für die Linke war, was um alles in der Welt ist daran anrüchig? Zu einem – christlichen, nationalen oder liberalen – Konservatismus passt Islamkritik allemal besser, als Jutetaschen und Technikhass jemals zur Agenda einer vormals fortschrittsgläubigen Linken passten.

Anrüchig ist für daran für Eussner dies:

Sie [die FPÖ, der Front National und die Pro-Parteien, M.] haben nichts gegen ihn [den Islam], die Muslime sollen nur in ihren Ländern bleiben, und erst recht sollen sie bei uns keine Moscheen bauen. Die pro-Bewegung sieht das ebenso, darum heißt ihre Parole „Gegen Islamisierung und Überfremdung“, beide Begriffe werden in ihren Kampagnen meist zusammen genannt. Rechtsextreme haben auf Grund ihrer Affinität zur totalitären Politideologie Islam nichts gegen diesen, im Gegenteil, sie wollen nur keine Überfremdung Europas durch Muslime…

Man guckt irritiert nach, ob man sich wirklich und wahrhaftig im Blog von Frau Dr. Eussner befindet.

Ich stimme vollkommen zu, dass es bestenfalls blauäugig ist, den Islam hier bekämpfen zu wollen, ohne mit seinen Herkunftsländern und deren Völkern in Konflikt zu geraten. (Ebenso wie es auf der anderen Seite blauäugig ist, einen „War on Terror“ zu führen und gleichzeitig zuzusehen, wie sich die Anhänger der totalitären Ideologie des Feindes im eigenen Land breitmachen.). Diese Blauäugigkeit zu kritisieren ist aber etwas vollkommen anderes, als den Andersdenkenden als „Rechtsextremen“ abzustempeln und ihm eine „Affinität zur totalitären Politideologie Islam“ zu bescheinigen.

Es gibt zwar einen Zusammenhang zwischen Islamfreundlichkeit und Rechtsextremismus – logisch, der Islam ist ja eine faschistische Ideologie. Man ist aber noch lange nicht rechtsradikal, wenn man die Kultur des eigenen Landes verteidigt, sich aber um Frauenrechte in Afghanistan nicht schert. Und eine europäische Regierungspartei wie die FPÖ, die stets loyal zur demokratischen Ordnung gestanden hat, darf sich wohl verbitten, als eine Art Wiedergängerin der NSDAP verunglimpft zu werden.

An dieser Stelle geht es nicht darum, ob der FN oder Pro Köln rechtsextrem sind, sondern darum, dass Eussners Argumente verallgemeinerbar sind und der Logik nach auf Jeden angewendet werden können, der ganz bestimmte politische Positionen vertritt.

Wenn ich den zitierten Text richtig verstehe, dann sieht Gudrun Eussner in der Parole „Gegen Islamisierung und Überfremdung“ einen hinreichenden Beleg für den Vorwurf des Rechtsextremismus: Der Kampf gegen Islamisierung wäre demnach bloß ein Alibi für einen Kampf, der in Wahrheit der Überfremdung gilt, und letzterer ist per se ein rechtsradikales Anliegen:

Mit Islamkritik hat weder der für den 9. Mai 2009 geplante Kongreß noch irgendeine andere gegen Muslime gerichtete Aktion zu tun, sondern es geht um den Kampf gegen die „Überfremdung“.

Was für eine Art „Konservatismus“ ist das eigentlich, den Eussner uns hier auftischt? Womöglich derselbe, den ich unlängst an Bernd Dahlenburg feststellen musste?

Ich habe jedenfalls noch nie ein plausibles Argument gehört, warum der Wunsch, sich im eigenen Lande zu Hause zu fühlen, irgendetwas mit „Rechtsextremismus“ zu tun haben soll. Ich selbst halte ihn für eine blanke Selbstverständlichkeit. Und nichts ist in einer Demokratie natürlicher, als wenn eine Partei diesen Wunsch aufgreift und dieses völlig legitime Interesse vertritt. Zumal der Anteil derer, die sich im eigenen Land nicht zu Hause fühlen, sich der Vierzig-Prozent-Marke nähert.

Es ist übrigens bezeichnend, dass dieser Befund, erhoben von der Forschungsgruppe um Wilhelm Heitmeyer, in der öffentlichen Wahrnehmung nur dessen Klagen über „Fremdenfeindlichkeit“ bzw. „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ untermauert hat. Man kommt in unserem Lande offenbar schon gar nicht mehr auf die Idee, dass der Skandal womöglich nicht in sogenannter „Fremdenfeindlichkeit“ liegen könnte, sondern vielmehr in einer Immigrationspolitik, die die Lebenswelt von Millionen Menschen systematisch umkrempelt, ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen!

Es gibt in einem Teil der islamkritischen Szene offenbar den Wunsch nach einer Art aseptischer politisch korrekter Islamkritik, und damit einhergehend die Furcht, diese könnte durch so etwas wie „Fremdenfeindlichkeit“ kontaminiert werden. Danach darf der Islam zwar kritisiert werden, aber sonst doch bitte niemand!

Ich aber kann es beim besten Willen nicht konsequent finden, sich gegen die Einführung türkischer oder arabischer, nicht aber russischer oder kongolesischer Sitten zu wehren. Die prinzipielle Missachtung des Verbots privater Gewaltanwendung, überhaupt die Illoyalität gegenüber säkularem Recht, die Abneigung gegen zivilisertes Benehmen, der Hang zum Antisemitismus (um nur einige der Unsitten zu nennen, die mit Überfremdung verbunden sind) sind zwar in der islamischen Kultur besonders ausgeprägt – weil sie nur dort mit der Autorität Gottes zur Tugend erklärt worden sind – das bedeutet aber doch nicht, dass sie nur dann bekämpfenswert wären, wenn sie von Muslimen ausgehen, oder dass letztere ein Monopol darauf hätten.

Man sollte zudem gerade als Islamkritikerin nicht darüber hinwegsehen, dass die Überfremdung, die zu erwähnen oder gar aktiv zu bekämpfen ihrer Meinung nach bäbäh ist, zu den zentralen Djihadstrategien gehört (und schon immer gehört hat). Die Zerstörung der Kollektividentitäten der europäischen Völker – bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen islamischen – ist die notwendige Voraussetzung für die Islamisierung Europas und wird demgemäß von der Gegenseite zielstrebig vorangetrieben. Was ihr dabei in die Hände spielt, ist die gesellschaftliche Dominanz einer Idologie, die Wir-Gruppen-Identitäten grundsätzlich nur auf der Basis ideologischer, allenfalls auch religiöser Übereinstimmung zulassen will und alles andere, insbesondere Begriffe wie „Volk“ und „Nation“ unter Generalverdacht stellt – um dieses Lieblingswort des Gutmenschentums einmal zweckzuentfremden.

Ich habe schon in anderem Zusammenhang geschrieben, dass die Geschichte unzählige Beispiele für Gesellschaften kennt, die am Mangel an innerem Zusammenhalt zerbrochen sind, aber keine einzige, die an so etwas wie „Fremdenfeindlichkeit“ gescheitert wäre. Letztere sollte gerade für denjenigen ein drittrangiges Problem sein, dem es darum geht, die liberale Demokratie tatsächlich zu erhalten und nicht darum, in Schönheit zu sterben.

Breiten Raum nimmt in Eussners Argumentation die Einladung zweier FN-Abtrünnger, Carl Lang und Robert Spieler, zum geplanten Anti-Islamisierungskongress ein. (Beide haben den FN – das muss ich Eussner jetzt einfach glauben – nicht aus politisch-ideologischen Gründen verlassen, sondern aufgrund persönlicher Machtkämpfe.) Um es noch einmal zu sagen: Nicht, dass Eussner die Einladung französischer Rechtsextremisten kritisiert, ist das Problem, sondern mit welchen Argumenten sie es tut:

Carl Lang zum Beispiel wird mit den Worten zitiert:

Indem er sich den geostrategischen Interessen der Amerikaner anpaßt und diese Unterstellung unter die Vormundschaft akzeptiert, bricht Nicolas Sarkozy mit der klassischen Doktrin aller Staatschefs der Fünften Republik.

Was schlicht und einfach eine zutreffende Feststellung ist. Man kann für Sarkozys prononciert pro-amerikanischen Kurs viel sagen, insbesondere, dass er „eine Anpassung an die Realität“ darstellt, wie Eussner richtig feststellt. Wer aber die Kritik an diesem Kurs, die sich tatsächlich auf die Traditionen der Fünften Republik stützen kann, in die antidemokratische Schmuddelecke stellen will, kann in besagter Ecke auch gleich alle französischen Präsidenten von de Gaulle bis Chirac entsorgen.

Warum Eussner gerade um den Antiamerikanismus von Lang und Spieler so viel Wind macht, erschließt sich aus dieser Bemerkung:

…wo der Anti-Amerikanismus blüht, ist der Judenhaß nicht weit.

Da ist schon etwas dran. Es ist aber ein grundlegender Unterschied, ob man richtig sagt, dass Antiamerikanismus und Antisemitismus häufig zusammen auftreten, oder ob man das eine als Indikator des anderen betrachtet. So eng ist der Zusammenhang zwischen Antiamerikanismus und Antisemitismus nun auch wieder nicht, dass man jeden, der gegen die Bindung Europas an Amerika polemisiert, deswegen schon als Antisemiten ansehen könnte.

Wahrscheinlich würde Gudrun Eussner sagen, sie habe das auch nicht so gemeint. Das mag schon sein; ich kann aber nur ihren Text beurteilen, und dessen Logik läuft auf eine Art neokonservativer Version von Political Correctness hinaus. Diese Kettenidentifikationen, also der Schluss vom Kampf gegen Überfremdung auf Rechtsextremismus, von Antiamerikanismus auf Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit: Das ist genau die Denkweise, mit der man das freie Denken erstickt und eine offene Gesellschaft zerstört.

Kommen wir nun zu dem schon angekündigten guten Grund, die Pro-Bewegung zu kritisieren und sich ganz ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie glaubwürdig deren Anspruch auf Zugehörigkeit zum konservativen Spektrum ist:

Natürlich ist es genau die wiederholte Einladung des Front National bzw. von Vertretern seiner Ableger, die einen ins Grübeln bringt. Bei denen ist der konservative Schleier doch arg fadenscheinig. Es mag sein oder auch nicht, dass sie zu Unrecht des Rechtsextremismus bezichtigt werden (und unseren Medien traue ich mittlerweile jede Verzerrung zu), doch spielt dies im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle: Es geht schließlich um die Pro-Bewegung, nicht um den Front National, und den Pros muss man mindestens ein haarsträubendes Maß an Dilettantismus bescheinigen, wenn sie Vertreter einer derart übel beleumdeten Partei nicht nur einmal einladen, sondern ungeachtet des verheerenden öffentlichen Echos gleich ein zweites Mal.

Beim ersten Mal konnte ich die Fehlkalulation – Hauptsache prominent, Hauptsache international, Hauptsache Publicity – noch irgendwie nachvollziehen, jedenfalls hat sie mich nicht gehindert, Pro Köln zu verteidigen. Wenn dieser Fehler aber wiederholt wird, dann stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt um einen Fehler handelt oder um Strategie.

Eine Strategie gibt es mindestens, in deren Kontext die demonstrative Verbrüderung mit der extremen französischen Rechten einen Sinn ergäbe: Die wirkt nämlich wie ein Filter, der stark genug ist, konservative Aktivisten abzuschrecken (Wer will sich schon mit Le Pen blicken lassen?), nicht aber konservative Protestwähler. Die Strategie bestünde dann darin, den Gegensatz zwischen der konservativen und der extremen Rechten systematisch zu verwischen, um zu verhindern, dass die Partei auf eine dauerhaft gemäßigte Politik festgelegt werden kann. Es wäre eine Variante der klassischen (und für Nazis alternativlosen) Nazistrategie, konservative Kräfte für sich zu vereinnahmen, ohne eine konservative Politik zu machen. Einmal eine israelische Flagge zur Demo mitzubringen genügt jedenfalls noch nicht, diesen Verdacht zu entkräften.

Ich sage nicht, dass es so ist, wohl aber, dass man von der Pro-Bewegung eine Erklärung erwarten kann und muss, ob mit solchem Unfug wie der Verbrüderung mit Rechtsradikalen weiterhin zu rechnen ist. Ich bin sicher, dass die Gründung einer rechtskonservativen Partei bloß eine Frage der Zeit ist, aber es ist nicht ausgemacht, welche der existierenden Kleinparteien sich am Ende als deren Keimzelle herausstellen wird. Das können, aber müssen nicht die Pros sein. Und ich hielte nichts davon, wenn die islamkritische Szene sich auf die Unterstützung einer Partei festlegen würde, die einen bestenfalls aus purem Dilettantismus von einer Peinlichkeit in die nächste stürzt, schlimmstenfalls aber einer versteckten Agenda folgt.