„Nationalsozialistische Gewaltherrschaft“: Stammt aus dem kanonischen Vokabular der deutschen Gedenkkultur, wird aber auch von Journalisten immer gerne genommen. Eine semantische Lüge ist es nicht deshalb, weil es die Nazis als gewalttätig beschreibt; natürlich haben die Nazis Gewalt in einem bis dahin in Europa unvorstellbaren Ausmaß angewendet. Die Lüge aber besteht darin, dass der Begriff der „Gewaltherrschaft“ suggeriert, ihre Herrschaft habe im Wesentlichen auf Gewaltanwendung beruht; so kann man sich daran vorbeimogeln, dass Hitler durch Wahlen an die Macht gekommen ist und Neuwahlen, wenn er sie denn zugelassen hätte, noch bis ins Jahr 1945 hinein spielend gewonnen hätte. Die Rede von der „nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ ist die Ausrede einer Gesellschaft, die bis heute nicht wahrhaben will, dass sie selbst den Nationalsozialismus hervorgebracht und Hitler vorbehaltlos unterstützt hat.
„Unrechtsstaat“ (Unrechtssystem, Unrechtsregime) DDR: Sagt nicht einfach aus, dass die DDR kein Rechtsstaat war – das war sie ja in der Tat nicht -, sondern, dass sie von vornherein auf Unrecht basiert und auf die Verwirklichung von Unrecht abgezielt habe. Nun wird das Begriffspaar Recht/Unrecht in zwei Kontexten verwendet: Einmal in einem positivistischen Sinne („Recht ist, was Gesetz ist“) im Hinblick auf die Frage der Legalität. In diesem Kontext von einem „Unrechtsstaat“ zu sprechen, ist blanker Unsinn. Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 war die Souveränität über Deutschland auf die Siegermächte übergegangen, und die übten sie in ihrer jeweiligen Besatzungszone aus. Die Gründung der DDR wie auch ihre innere Struktur als kommunistische Diktatur entsprach dem Willen der Besatzungsmacht und war damit legal. Von „Unrecht“ im Sinne von „Illegalität“ kann daher nur dort gesprochen werden, wo die DDR ihr eigenes Recht verletzte. Der zweite Bezugsrahmen im Gegensatz zur Legalität ist die politisch-moralische Frage nach der Legitimität. Die DDR war ein Staat, dessen bloße Existenz von seiner Bevölkerung abgelehnt wurde, erst recht seine diktatorische Ordnung; vom demokratischen Standpunkt der Volkssouveränität war er damit ein Unrechtsstaat. Schon wahr. Nur ist das Volk, von dessen Souveränität hier die Rede ist, das deutsche Volk. Zum Zeitpunkt der Gründung der DDR war es gerade vier Jahre her, dass das deutsche Volk von seiner Souveränität so verheerenden Gebrauch gemacht hatte, dass ganz Europa in Schutt und Asche lag. War es vor diesem Hintergrund wirklich „Unrecht“, Deutschland zu teilen? Außerhalb Deutschlands sah man das jedenfalls nicht so (sah es selbst 1989 nicht so), und mit dem Kalten Krieg wurde die Aufrechterhaltung dieser Teilung sogar die Voraussetzung für die Stabilität Europas. Und die Voraussetzung für die Teilung war der Fortbestand der Diktatur in der DDR. Kann man da wirklich ohne Einschränkung von einem „Unrecht“ sprechen, zumal wenn man berücksichtigt, dass Instabilität in Europa möglicherweise in einen Atomkrieg geführt hätte? Ja, das kann man, wenn man sich auf den Standpunkt stellt: „Demokratie – um jeden Preis“! Nur sollte man dann nicht beanspruchen, nüchtern und objektiv zu urteilen.
„Irakische Aufständische“: Wer gegen den irakischen Staat und die ihn kontrollierende Besatzungsmacht kämpft, ist im technischen Sinne ein „Aufständischer“. So weit, so gut. Der Ausdruck wird aber auch in Bezug auf Terroristen verwendet, die sich auf Marktplätzen in die Luft jagen. Gegen wen stehen denn die auf? Gegen Marktfrauen und Schuhputzer?
Rechts: Demagogischer Kampfbegriff der Linken, bei dem auf den Zusatz „-radikal“ oder „-extremistisch“ bewusst verzichtet wird, um den Unterschied zwischen Konservativen und Faschisten unter den Tisch fallen zu lassen. Dürfte dafür verantwortlich sein, dass sich nur noch 11 % der deutschen Bevölkerung als „rechts“ bezeichnen; das sind sogar weniger, als nach sozialwissenschaftlichen Analysen rechtsextrem eingestellt sind. Die Mehrheit ordnet sich der „Mitte“ zu, als wenn das irgendetwas aussagen würde. Dass es eine demokratische Rechte geben könnte, scheint niemandem mehr in den Sinn zu kommen. Wieder ein Begriff, der analytisch nicht mehr brauchbar ist, weil er zum politischen Kampfbegriff gemacht wurde. Siehe auch „What’s Left II“.
„Internationale Gemeinschaft“: Sinnentstellende Scheinübersetzung von „international community„, was soviel bedeutet wie „Gesamtheit“ (der Staaten), (internationale) „Allgemeinheit“. Das deutsche Wort „Gemeinschaft“ bezeichnet aber eine Gruppe, deren Mitglieder einander zu einem hohen Maß an Solidarität verpflichtet sind: vom Rechtsbegriff der „Versichertengemeinschaft“ über „verschworene Gemeinschaft“, „Gemeinschaft der Gläubigen“ bis hin zur „Volksgemeinschaft“. Besonders akzentuiert wird der Begriff in der deutschen Geistesgeschichte durch die Gegenüberstellung von „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“, wobei der Begriff der „Gemeinschaft“ einen romantischen Beiklang hat: Der „Gemeinschaft“ zu dienen gilt traditionell als erhabener und edler als bloß in der „Gesellschaft“ seine schnöden Interessen zu verfolgen. Eine „Internationale Gemeinschaft“ in diesem Sinne existiert nicht, der Begriff ist durch und durch verlogen, passt aber natürlich hervorragend zu einer deutschen Außenpolitik, die sich grundsätzlich hinter dieser „Gemeinschaft“ versteckt, und enthält ein unausgesprochenes „Pfui“ gegenüber allen Staaten, die das nicht tun.
„Kriegsgefangenenlager“ Guantanamo: Guantanamo ist ein Gefangenenlager, aber seine Insassen, und daran entzündet sich die Kritik, sind gerade keine Kriegsgefangenen, jedenfalls nicht im rechtlichen Sinne. Rechtlich sind sie „feindliche Kämpfer“ – eine völlig willkürliche Konstruktion, die einzig und allein darauf abzielt, sie rechtlos zu stellen. Was die Verteidiger des amerikanischen Vorgehens aber nicht daran hindert, scheinheilig zu fragen, warum man denn – vor Ende der Kampfhandlungen – die Auflösung dieses „Kriegsgefangenenlagers“ fordere…
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