Euro-Rettung heißt …

… endlich Multimilliardär zu sein,

1 Billion Mark 1923

… sich endlich mit einer 500-Euro-Note den Hintern abwischen zu können,

… endlich das erhabene Gefühl kennenzulernen, mit einem Schein ähnlich dem obigen beim Bäcker Brötchen zu holen,

… und am Ende den gesamten Deutschen Bundestag als Familienbild auf einer Banknote verewigt zu sehen, weil dort eine Zahl mit 600 Nullen steht.

Prof. Markus Kerber zur Eurokrise: „Ein Schwall von Inflation“

Der Deutschlandfunk hat gestern abend aus ein Interview mit Professor Markus Kerber von der TU Berlin ausgestrahlt, der dort über öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik forscht. Anlass war die Herabstufung der Bonität Frankreichs von AAA auf AA+ durch die Ratingagentur Standard & Poors. Es ging um die Auswirkungen auf den Euro. Kerber hat Klartext gesprochen. Er sagte unter anderem:

Insgesamt kann Deutschland in dieser Situation nur eines versuchen: aus dem Euro-Rettungsfonds, zumindest aus dem Euro-Rettungsfonds auszutreten, um sein Rating zu sichern und [sich] selbst zu retten. Anderenfalls wird man sehr deutlich in absehbarer Zeit die Schlussfolgerungen für Deutschlands haftungsauslösende Situation ziehen. Deutschland wird für Alle haften, für Alle haften müssen, und das führt notwendigerweise zu einer gravierenden Herabstufung. Der Rettungsfonds …

Frage: Das bedeutet, wenn ich Sie richtig verstehe, dass der Rettungsschirm damit Geschichte ist?

Das ist der Anfang vom Ende des Rettungsschirms. Der Rettungsschirm kann aufgrund der Haftung von Frankreich jedenfalls mittelfristig sich Geld nicht mehr zu den Konditionen verschaffen, die nötig sind, um die finanznotleidenden Länder ensprechend billig zu finanzieren.

Frage: Aber ist denn die Situation derart brisant, kann man davon ausgehen, dass die Zinsen jetzt dramatisch ansteigen in den Ländern, die herabgestuft worden sind?

Das hängt davon ab, ob in diesen Ländern nunmehr eine radikale Austeritätspolitik angesagt und durchgeführt wird. Bisher haben wir ja im Wesentlichen eine deklaratorische Politik. Aber selbst wenn sie angesagt würde, müsste sie ja noch umgesetzt werden. Wir sind im Strudel eines europaweiten Finanznotstandes, und diesem Strudel kann sich Deutschland nur entziehen, indem es kurzfristig aus dem Euro-Rettungsfonds austritt und deutlich macht, dass es für die völlig maroden Staaten nicht mehr bereit ist zu haften, und endlich das Tabu gebrochen wird, dass die Eurozone als solche überlebensfähig ist; Deutschland braucht heute mehr denn je einen Plan B, um zusammen mit den anderen Handelsüberschussländern wie den Niederlanden, Luxemburg, Finnland und Österreich ruckartig die Eurozone zu verlassen.

Frage: Aus Ihnen spricht deutlich der Euroskeptiker; wie wird denn die EZB, die Europäische Zentralbank …

… nicht der Euroskeptiker, sondern der Europa-Befürworter. Wer Europa heute, die europäische Integration undden europäischen Binnenmarkt nicht länger mit diesem religiös betriebenen Europrojekt belasten will, der zieht aus der Realität Schlüsse: die Schlüsse, die Politiker deshalb nicht bereit sind zu ziehen, weil sie für diese Politik und für diesen Zustand verantworlich sind.

Frage: Trotzdem, wie wird die EZB, die Europäische Zentralbank darauf reagieren? Haben Sie die Befürchtung, dass so etwas wie die Druckerpresse angeworfen werden wird?

Das ist bereits in Gang: Herr Draghi hat zwar gesagt, dass die Europäische Zentralbank durch Anleihenkäufe nicht Fiskalpolitik betreiben kann, aber sie hat in einer Art und Weise die Sicherheitsanforderungen für die Refinanzierung von Banken erleichtert, dass Banken im Euroraum mittlerweile jedwedes Papier – das ist etwas vereinfacht, aber in der Tendenz stimmt es – zur Refinanzierung einreichen können. Das Ergebnis: Von den 489 Milliarden Euro, die Banken abgerufen haben, haben allein italienische Banken 116 Milliarden abgerufen. Aber die Forderung nach dem Einsatz der EZB als fiskalische Feuerwehr wird noch lauter erklingen, und das bedeutet ökonomisch genau was sie eben gesagt haben, dass die Druckerpresse angeworfen wird; dann wird zeitversetzt ein Schwall von Inflation auf uns zukommen.

[Die Fragen stellte Oliver Ramme. Das Interview kann noch für einige Zeit unter folgender URL als Tonaufzeichnung abgerufen werden:

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2012/01/13/dlf_20120113_2315_1784255d.mp3]

Die Enteignungs-Union

Als hätten sie offiziell erklären und symbolisch unterstreichen wollen, dass die Europäische Währungsunion (EWU)eine Inflations- und Enteignungs-Union ist, haben sich die führenden Staaten der Eurozone, einschließlich Deutschlands, darauf verständigt, dass der künftige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgerechnet — ein Italiener sein wird, der italienische Zentralbankpräsident Mario Draghi. Klemens Kindermann weist im DLF darauf hin, dass diese Personalie keineswegs eine Ausnahme ist, sondern sich ins Gesamtbild fügt:

Irgendwann wird auffallen, dass in Europas Schlüsselpositionen fast nur noch schuldengeplagte Südländer das Sagen haben: an der Spitze der Brüsseler Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen etwa oder an der des einflussreichen Wirtschafts- und Finanzausschusses. Auch der Chef der Europäischen Bankenaufsicht ist – ein Italiener. Und in der EZB selbst? Gerade erst ist der neue EZB-Vizepräsident ernannt worden. Er kommt aus – Portugal. Wo aber spielt Deutschland noch eine Rolle, wenn es um harte Schnitte bei den Milliardenhilfen für Schuldensünder geht oder um die dringend benötigte Anhebung der Leitzinsen gegen die Inflation – gefürchtet von den Not-Ländern, die neue Kredite brauchen? Mit Ruhm hat sich Deutschland, genauer gesagt: die Bundesregierung, bei der Besetzung der EZB-Spitze nicht bekleckert. Die verpasste Chance – sie könnte sich noch rächen.

(Klemens Kindermann: Italien wird neuen Notenbankchef stellen)

Roland Baader: "Geldsozialismus"

Rezension

Die Finanzkrise und nicht zuletzt die diversen billionenschweren „Rettungspakete“ für staatliche und nichtstaatliche Bankrotteure dürften allseits deutlich gemacht haben, dass ökonomische Theorie zu wichtig ist, um sie den Mainstream-Ökonomen keynesianischer oder neoklassischer Ausrichtung zu überlassen. Je mehr sich zudem herausschält, dass die veröffentlichte Meinung in praktisch allen gesellschaftlich relevanten Bereichen buchstäblich nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, desto unwahrscheinlicher erscheint es, dass ausgerechnet die hochgradig interessenkontaminierte wirtschaftswissenschaftliche Theorie von den Manipulationen korrupter Meinungsoligarchen ausgenommen sein soll.

Die meisten, auch gebildeten, Menschen dürften als ökonomische „Theorie“ etwas im Kopf haben, bei dem neoklassische/neoliberale, marxistische und keynesianische Theoreme in jeweils individueller Mischung kunterbunt durcheinanderpurzeln. Es wird Zeit, aufzuräumen, wenn man sich aus der Abhängigkeit von den meinungsbildenden „Eliten“, sprich vom oligarchischen Machtkartell, lösen will.

Ein erstklassiger Kandidat für eine alternative und zugleich erklärungskräftige Theorie ist die der österreichischen Schule, mit der vor allem die Namen von Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich Augsut von Hayek verbunden sind. Roland Baader gehört zu der kleinen, aber wachsenden Schar von Ökonomen, die seit Jahren unermüdlich daran arbeiten, diesen Ansatz dem breiten Publikum nahezubringen. Mit „Geldsozialismus. Die wirklichen Ursachen der neuen globalen Depression“ hat er nun ein Buch vorgelegt, das in kompakter Form in diese Gedankenwelt einführt:

Historisch ist das Geld überall dort entstanden, wo ein gewisses Kulturniveau überschritten wurde, und zwar als spontane Leistung des Marktes, ohne dass es eines Staates oder einer Zentralbank bedurft hätte. Irgendeine Ware, meist waren es Edelmetalle, setzte sich stets als allgemeiner Wertmaßstab durch. Geld ist im Kern also eine Ware, die getauscht wird wie andere auch.

In dem Moment, wo der Staat, gestützt auf sein Gewaltmonopol, sich des Geldmonopols bemächtigt, und dies ist in der Geschichte immer wieder geschehen, ist er auch der Versuchung ausgesetzt, es zur eigenen Machtausdehnung zu missbrauchen. Dies war in Antike und Mittelalter zum Beispiel der Fall, wenn der Staat Münzverschlechterung betrieb, also Gold- und Silbermünzen minderwertige Metalle beimischte, um seine Finanzen aufzubessern. Das bedeutete, er blähte die Geldmenge künstlich auf. Man nennt dies „Inflation“. (Baader legt Wert auf die Feststellung, dass man unter „Inflation“ nichts anderes als die Aufblähung der Geldmenge versteht. Der populäre Gebrauch des Wortes „Inflation“ im Sinne von „Teuerung“ ist unkorrekt. Teuerung ist die Folge von Inflation und nicht etwa mit ihr identisch.)

Nichts Anderes geschieht in unserem heutigen Geldsystem, nachdem im Zuge des Ersten Weltkriegs praktisch alle Staaten vom Goldstandard abgegangen waren, um den Krieg durch den Druck von Papiergeld zu finanzieren. Es entstand das fiat money, das analog zum göttlichen „fiat lux“ („Es werde Licht!“) durch selbstherrliche Verfügung des allmächtigen Staates respektive der Zentralbank entsteht. Oder aber durch den staatlich legalisierten Betrug der Geschäftsbanken, die von den Einlagen ihrer Kunden nur eine Mindestreserve zurückbehalten (In der EU 2%), den Rest aber wieder und wieder verleihen; auf diese Weise vervielfacht sich die umlaufende Geldmenge sozusagen „von allein“.

Inflation ist nicht etwa eine notwendige Begleiterscheinung von Kapitalismus schlechthin. Systemimmanent ist im Kapitalismus nur der stetige Produktivitätszuwachs: dass also mit immer geringerem Aufwand immer mehr hergestellt werden kann und hergestellt wird. Wer sich jemals darüber gewundert hat, dass es trotzdem nicht auf breiter Front zu ständigen Preissenkungen kommt, sondern stattdessen das Gegenteil stattfindet, bekommt hier die Antwort: Selbst Währungen, die als „stabil“ gelten, sind Inflationswährungen, weil die Aufblähung der Geldmenge den systemimmanenten Preisverfall wettmacht.

Die Geldschöpfung aus dem Nichts, die in allen Ländern stattfindet, läuft ungeachtet der technischen Details darauf hinaus, dass Geld einfach gedruckt wird. Das Ergebnis ist, wie Baader in einem treffenden Vergleich feststellt, dasselbe, als wenn bei einer Versteigerung Falschgelddrucker mitbieten würden. Wer Geld druckt, statt es zu verdienen, enteignet die, die kein Geld drucken können. Die Währungssysteme aller Länder bedeuten die fortlaufende Enteignung der Bürger zugunsten des Staates (und der Banken, aber Baader konzentriert sich vor allem auf den Staat).

Kurz gesagt: Der Staat kidnappt das Geld. Aus dem Gewaltmonopol wird ein Geldmonopol und ein Verschuldungsregime (als Inhaber des Gewaltmonopols ist der Staat ein Schuldner höchster Bonität), mit dem die Bürger ein weiteres Mal enteignet werden. Da der Staat dieses Geld durch sozialistische Umverteilung im Sinne eines panem et circenses wieder unter die Leute bringt, gefährdet dies nicht etwa seine Macht, sondern stärkt sie sogar noch, weil die dadurch „Begünstigten“ eine solche Politik unterstützen und schließlich sogar fordern.

Mit dem grundsätzlich unbegrenzten Zugriff auf das Geld wächst dem Staat eine ungeheure Macht zu. Nicht zufällig wurde der Goldstandard zur Kriegsfinanzierung aufgegeben, und nicht zufällig wurde das System des fiat money nach dem Krieg beibehalten. Durch die so finanzierte Umverteilung wird zugleich die im Kapitalismus an sich eingebaute Koppelung von Leistung und Erfolg außer Kraft gesetzt, der Bürger zum Kostgänger und Klienten des Staates gemacht und das Gefühl für individuelle Verantwortlichkeit zerstört. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses System per se schon die Ursache für Totalitarismus ist, wie Baader suggeriert, aber dass es eine Voraussetzung dafür darstellt, scheint mir offenkundig zu sein.

Freilich sägen sich Volkswirtschaften, die so funktionieren, auf die Dauer den Ast ab, auf dem sie sitzen. Das Problem, so Baader, liegt nämlich nicht nur in der fröhlichen Geldschöpfung aus dem Nichts, sondern auch in der Tatsache, dass die Zentralbank den jeweils gültigen Leitzins festsetzt. Der Zins, als Preis des Geldes, wird also nicht am Markt gebildet, sondern par ordre du mufti dekretiert. Da alle Beteiligten – die Wirtschaft, die Arbeitnehmer, die Konsumenten, die Politiker – ein Interesse an niedrigen Zinsen zu haben glauben, liegt der Leitzins normalerweise unter dem Satz, der sich unter Marktbedingungen einstellen würde. Dies bedeutet, dass auch unrentable Investitionen getätigt werden, dass notwendige Ersparnisse unterbleiben, und dass der so verzerrte und künstlich in den Boom getriebene Markt über kurz oder lang in der Rezession landet. Konjunkturzyklen sind nicht notwendiger Bestandteil kapitalistischen Wirtschaftens, sondern Ergebnis der falschen Signale, die von politisch befohlenen Zinssätzen ausgehen.

Das Problem ist nun, dass praktisch alle Regierungen (und Zentralbanken), ob sie sich nun explizit auf Keynes berufen oder nicht, versuchen, Konjunkturdellen durch Staatsausgaben, höhere Verschuldung und Liquiditätsspritzen auszugleichen und dadurch die notwendige Anpassung des Marktes verhindern. Die inflationsinduzierte Krise wird also mit noch mehr Inflation bekämpft. Kurzfristig kann so etwas funktionieren, freilich nur um den Preis, dass immer höhere Schuldenberge aufgetürmt werden, die ihrerseits immer neue Inflationsschübe erforderlich machen. Am Ende treibt das System in die Hyperinflation, das heißt in die völlige Enteignung aller Geldbesitzer, in den Ruin des Mittelstandes und in die Zerstörung der Grundlagen der Gesellschaft.

Man wird mich nicht verdächtigen, ein unkritischer Anhänger der reinen Marktwirtschaft zu sein. Deren Grenzen sind mir durchaus bewusst, und selbstverständlich habe ich Baaders Argumentation ideologiekritisch beschnuppert:

Sie ist von einer ausgesprochen appetitlichen Sauberkeit; so einleuchtend, dass man sich fragt, wie man jemals etwas Anderes glauben konnte. Auch wenn sie nicht einfach „die Wahrheit“ ist, so ist sie doch eine Wahrheit, und zwar eine, an der man schwer vorbeikommt.

Gewiss bleiben Fragen offen: In dem Maße, wie Baader sich auf den Staat als Übeltäter konzentriert, bleibt die Frage nach der Verantwortung privater oder halbstaatlicher Machtkomplexe eher unterbelichtet. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass der Staat, der das Geld kidnappt, seinerseits von privaten Interessengruppen gekidnappt wird (man vergleiche etwa die Argumentation von Krysmanski). Baader deutet auch an, dass er diese Problematik durchaus sieht – sie ist nur nicht sein Thema. Diese Selbstbeschränkung, keine „Theorie für alles“ vorlegen zu wollen, kommt der Stringenz des Buches zugute. (Mancher erinnert sich vielleicht, dass ich Oliver Janichs „Kapitalismus-Komplott“, das dieselbe Geldtheorie entwickelt wie Baaders „Geldsozialismus“, genau wegen seines allzu ehrgeizigen Ansatzes kritisiert habe.)

Baaders Zukunftsausblick fällt leider ziemlich düster aus: Er sieht keinen Weg, wie die westlichen Gesellschaften von der Droge immer rasanterer Inflation und Verschuldung wegkommen sollten, und er prophezeit demgemäß einen dramatischen gesellschaftlichen Kollaps. Eine gewisse Hoffnung scheint er auf die ersten zarten Ansätze eines private banking zu setzen, z.B. in Gestalt kleiner Zahlungsgemeinschaften auf der Basis hinterlegten Goldes, in denen sich möglicherweise eine Zukunft nach dem Schein-Geld vorbereitet. An der pessimistischen Gesamtdiagnose ändert dies freilich nichts.