Was wir an Trump finden?

Viele Mitbürger fragen sich, was die oppositionelle Rechte auch in Deutschland an Trump findet.

Ist er sympathisch? Nein.

Würde eine US-Präsident, den die Rechte sich selber backen könnte, so aussehen wie Trump? Nein.

Hat er wenigstens ihre Erwartungen erfüllt? Bestenfalls teilweise.

Warum würden sie ihn dann wählen, wenn sie könnten?

Weil Trump der Sand im Getriebe einer Maschinerie ist, deren fortgesetztes Wüten sich gegen die Interessen der großen Mehrheit aller Europäer und Amerikaner richtet.

Ein US-Präsident ist nicht allmächtig, sondern in zahllose Zwänge und ein äußerst komplexes System eingebunden. Schon dadurch sind ihm enge Grenzen gesetzt. Bestenfalls kann er das System bremsen und behindern, das einen so verderblichen Kurs einschlägt. Genau das hat Trump getan, und viel mehr hätte er auch dann nicht erreichen können, wenn er das System besser durchschaute, als er es vermutlich tut.

Sein Gegenkandidat dagegen ist das personifizierte Establishment. Persönlich mag er sympathischer sein, das braucht aber außer seinem persönlichen Umfeld  niemanden zu interessieren, weil es sonst niemanden betrifft.

Ein letztes Wort an die Adresse derjenigen, die immer noch der Mainstreampresse und deren Lesart der aktuellen Ereignisse in den USA auf den Leim gehen:

Trump bezweifelt, dass die Wahl rechtmäßig verläuft. Angesichts

  • der Tatsache, dass Stimmen gewertet werden, die nach Schließung der Wahllokale eingegangen sind,
  • und deren fristgerechte Aufgabe bestenfalls durch einen Poststempel beglaubigt wird, der leicht zu fälschen ist,
  • die aber, einmal ausgezählt, nicht mehr von den unzweifelhaft korrekt abgegebenen Stimmen unterscheidbar sind,
  • deren eventuelle gerichtliche Annullierung daher entweder eine Wiederholung der ganzen Wahl oder die Akzeptanz eines unsauber zustandegekommenen Wahlergebnisses erforderlich machen würde,

ist es nicht nur Trumps gutes Recht, sondern geradezu seine Pflicht, die Wertung dieser Stimmen gerichtlich überprüfen zu lassen und zu erwirken, dass ihre weitere Auszählung bis zu einer gerichtlichen Entscheidung darüber auf Eis gelegt wird.

Durch ein solches Vorgehen wird NIEMAND in seinen Rechten beeinträchtigt – sofern es sich denn wirklich um Rechte handelt und nicht um bloße Machtusurpationen. Auch nicht Joe Biden: Denn vor dem 20. Januar kann Biden das Amt auf gar keinen Fall übernehmen. Eine juristische Klärung abzuwarten, bleibt also genug Zeit – jedenfalls für den, der eine solche Klärung nicht zu fürchten braucht.

Trumps Triumph – das Waterloo des Machtkartells

Noch nie hat es so viel Spaß gemacht, die Elaborate des etablierten Meinungskartells zu konsumieren wie in diesen Tagen, in denen es sein Waterloo erlebt und mitansehen muss, dass der Mann, den es in geschlossener Phalanx zu verhindern suchte, ins Weiße Haus einzieht.

trumps triumph

„Wie konnte es nur so weit kommen?“, fragen sie sich, und wie üblich kratzen ihre Erklärungen bestenfalls an der Oberfläche, meist aber nicht einmal an dieser. Vielmehr demonstriert die Journaille – im Gleichklang mit der etablierten Politik – ihre pathologische Lernunfähigkeit durch „Erklärungen“, von denen die meisten zwischen Dummheit, Lüge und Wahnsinn oszillieren.

Da ergeht man sich in psychologisierenden Diffamierungen der Trump-Wähler (und natürlich ihrer europäischen Gesinnungsfreunde), die als schwachsinnige, hasserfüllte Verlierertypen karikiert werden, die aus völlig irrationalen Gründen einem gewissenlosen Demagogen auf den Leim gegangen seien. Nichts könnte falscher sein:

  • Wer gegen TTIP ist, musste Trump wählen.
  • Wer gegen die weitere Entmachtung demokratisch legitimierter Politik zu Gunsten supranationaler Strukturen ist, musste Trump wählen.
  • Wer gegen Masseneinwanderung ist (weil er ihre Folgen zu spüren bekommt), musste Trump wählen.
  • Wer gegen die weitere Eskalation des Konflikts mit Russland ist, musste Trump wählen.
  • Wer gegen die systematische Destabilisierung islamischer Länder, etwa Syriens, ist, musste Trump wählen.
  • Und wer gegen ein Establishment ist, das diesen seinen wahnwitzigen weltweiten Destabilisierungs- und Destruktionskurs gegen jede Kritik abschottet und daher zu einer Selbstkorrektur offensichtlich außerstande ist, musste erst recht Trump wählen.

Zu Trump gab es keine Alternative, weil das Establishment aus sich heraus keine hervorbrachte und vermutlich auch keine mehr hervorbringen wird. Welche seiner Versprechen Trump halten wird, konnte und kann bis jetzt niemand wissen, aber was man von Hillary Clinton zu erwarten hatte, wusste man genau: Sie war die Verkörperung all der Fehlentwicklungen, die der gesamten westlichen Zivilisation das Genick brechen werden, wenn man ihresgleichen nicht in den Arm fällt.hillary-clinton

Dass Clinton als Verkörperung des Establishments möglicherweise die falsche Wahl war, so weit kommen auch die Mainstreamjournalisten bei ihrer Ursachenanalyse. Aus ihrer Feder bedeutet dies aber nur, dass die Demokraten einen „unbelasteten“ Kandidaten hätten präsentieren sollen, also einen, der noch in der Lage gewesen wäre, sich als Anti-Establishment-Kandidat zu präsentieren, ohne einer zu sein. Auf Deutsch: Für die Mainstreampresse lag der Fehler darin, dass man es versäumt hat, die Wähler erfolgreich hinters Licht zu führen.

Das Bemerkenswerte an der Wahl in den USA ist gerade nicht, dass die Wähler irrational entschieden hätten, sondern dass sie die Destruktivität des Establishments durchschaut, dessen unaufhörlich abgefeuerte Nebelkerzen ignoriert und mit einer geradezu trockenen Rationalität den Mann gewählt haben, der versprochen hat, ihre Interessen zu vertreten.

Hätte Trump sich ausschließlich auf die Wähler stützen müssen, die ihn seines polternden Auftretens wegen wählten, so hätte er nicht einmal die Vorwahlen überstanden. Seinen Sieg verdankt er denen, die ihn trotz dieses Auftretens gewählt haben, und zwar aus der völlig vernünftigen Überlegung heraus, lieber einen Präsidenten zu sehen, der bisweilen Machosprüche klopft, als eine Präsidentin, der man zutrauen muss, womöglich einen Atomkrieg mit Russland anzuzetteln. Wenn das nicht politische Reife ist – was dann?

Die Medien beiderseits des Atlantiks haben alles getan, um solche im engeren Sinne politischen Überlegungen, insbesondere die Frage nach Interessen, gar nicht erst zum Thema werden zu lassen und lediglich den Kandidaten zu verteufeln, indem sie seine Political Incorrectness aufs Korn nahmen. Damit sind sie der Trump-Kampagne gleich in doppelter Hinsicht ins offene Messer gelaufen:

Zum einen war der Versuch, die eigentlich relevanten politischen Themen von der Agenda zu verdrängen, so plump und durchsichtig, dass der an die Medien gerichtete Vorwurf, eine Lügenpresse zu sein, die die Menschen zu manipulieren und für dumm zu verkaufen versucht, wieder einmal schlagend bestätigt wurde.

Zum Anderen haben sie durch ihre ständigen Angriffe, bei denen es fast ausschließlich um seine Sprüche ging, Trumps ideologische Nonkonformität erst richtig in jedermanns Bewusstsein gehämmert. Ein politisierender Milliardär, der gegen das Establishment antritt, zu dem er selber gehört, ist per se nicht besonders glaubwürdig. Es war das Establishment selbst, das ihm durch seinen geifernden Hass diese Glaubwürdigkeit verschafft hat. In diesem Zusammenhang haben Trumps Sprüche allerdings doch eine Rolle gespielt: nicht, weil seine Wähler sie gut fanden, sondern weil das Establishment sie verabscheute und dies an sich schon ein Grund war, ihn zu wählen. Und auch diese Reaktion der Wähler ist alles andere als eine irrationale Trotzreaktion:

Wer, wie das gesamte Establishment, einschließlich dessen ideologieproduzierender Fraktion und vor allem der Medien,  eine Politik betreibt, die sich offenkundig gegen die Interessen einer großen Mehrheit richtet, hat in einer Demokratie naturgemäß ein Problem. Er kann sie nicht durchhalten, sofern die Demokratie ihrer Selbstbeschreibung gemäß funktioniert, wonach sie ein System sei, das – nicht ohne Verzerrungen, aber im Großen und Ganzen eben doch – den Wählerwillen widerspiegele. Er muss vielmehr verhindern, dass sie dies tut. Er muss die Demokratie sabotieren. Er muss den freien Wettbewerb sowohl zwischen Medien als auch zwischen Parteien zu Gunsten kartellartiger Strukturen suspendieren und dafür sorgen, dass niemand zu den politischen und medialen Eliten zugelassen wird, der ihre Ideologie nicht teilt und die Interessen der Mehrheit vertritt. Political Correctness hat nichts mit dem Versuch zu tun, Minderheiten zu schützen, es sei denn in ihrer Eigenschaft als Rammbock gegen die Interessen der Mehrheit. Sie dient dazu, die ideologische Konformität der Eliten zu wahren und oppositionellen Sichtweisen und Interessen von vornherein die Artikulations- und Wirkungsmöglichkeiten zu verbauen. Sie ist eine Waffe, die sich gegen das Volk richtet, und genau dies hat das amerikanische Volk verstanden und die Konsequenzen gezogen. Auf diesen Effekt hat Trump gesetzt. Sein Kalkül war riskant, aber dank der unfreiwilligen Mithilfe der Medien erfolgreich.

Wer um drei Ecken denkt, könnte vielleicht glauben, Trump sei womöglich doch der Kandidat des Establishments und die Kampagne gegen ihn nur Teil einer besonders durchtriebenen Strategie gewesen, einen bloß scheinbar oppositionellen Politiker ins Weiße Haus zu bringen. Nun ist es gewiss möglich, dass Trump die Erwartungen der Rechten ebenso enttäuscht, wie Obama die der Linken enttäuscht hat. Dass die herrschenden Eliten einen solchen Effekt aber eingeplant haben könnten, dagegen spricht ihre Bestürzung und Überraschung, die mit zu vielen psychologischen Elementarfehlern einhergeht, um gespielt zu sein:

In der Politik verliert man bisweilen, aber jeder Anfänger weiß, dass man auf keinen Fall dulden darf, wie ein Verlierer auszusehen; indem das politisch-mediale Machtkartell gerade hier in Europa seine schrille Panik laut hinausschreit, potenziert es den psychologischen Auftrieb noch, den Trumps Sieg den oppositionellen Parteien Europas ohnehin schon gibt. Auch der lächerliche Auftritt Angela Merkels, die dem gewählten Präsidenten der USA allen Ernstes Bedingungen für eine Zusammenarbeit glaubte stellen zu können, kann nur auf einen völligen Nervenzusammenbruch zurückzuführen sein. (Man bedauert geradezu, kein Karikaturist zu sein: Es wäre reizvoll, Merkel als Spitzmaus zu zeichnen, die einem Weißkopfseeadler Bedingungen vorliest, unter denen sie eventuell darauf verzichtet, ihn, den Adler, aufzufressen…). Es setzt das Tüpfelchen aufs i, dass diese „Bedingungen“ überhaupt nichts mit den Interessen Deutschlands zu tun hatten, sondern ausschließlich im ideologischen Bereich lagen, also wiederum unterstrichen, wie sehr das Kartell auf ideologische Konformität angewiesen ist.

Ins Bild passt auch, dass den Kartellmedien die Peinlichkeit dieses Auftritts offenbar ebenso wenig bewusst war wie der Kanzlerin selbst. Die „Zeit“ – die für die BRD dieselbe Rolle spielt wie „Das Reich“ für das Dritte Reich, nämlich die Rolle eines ideologischen Zentralorgans für die gebildeten Schichten – die „Zeit“ also phantasierte „Europa“, also die EU, zur einzigen „großen Macht“ hoch, „die auf dieser Erde Demokratie und Vernunft verkörpern kann“; natürlich kommt dem Autor nicht in den Sinn, dass es weder Trump noch Le Pen oder die AfD gäbe, wenn das, was er für „Demokratie und Vernunft“ hält, irgendetwas mit Demokratie oder Vernunft zu tun hätte. Im selben Zusammenhang befördert er ausgerechnet Angela Merkel zum „mächtigsten Menschen auf der Erde, der weder autoritär ist noch einen an der Waffel hat“, obwohl sie gerade bewiesen hat, dass sie beide Eigenschaften zu einem ausgewachsenen Größenwahn zu kombinieren fähig ist. Und er erwartet von ihr ein „Erziehungskonzept“ – er schreibt wirklich „Erziehung“! – im Umgang mit dem amerikanischen Präsidenten. Man kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Dieses irrlichternde Schwanken zwischen heller Panik und leerem Auftrumpfen gibt ganz nebenbei einen Einblick in die Geistesverfassung der Leute – Journalisten wie Politiker –, die sich immer noch für die berufenen Vordenker und Führungspersönlichkeiten der Gesellschaft halten. Sie sind nicht nur intellektuell unfähig, ein Ereignis, das in ihrer ideologischen Wahnwelt nicht vorgesehen ist, angemessen zu deuten und zu erklären, sie sind mit seiner Bewältigung auch psychisch völlig überfordert:

Konfrontiert mit einer Niederlage, die sie völlig zu Recht als ihre eigene ansehen, geben sie nicht nur zu, dass es so ist – was an sich bereits ein Fehler ist –, sondern fallen auch völlig aus der Rolle, verlieren jede Souveränität und fangen an, wirres Zeug zu faseln. Man merkt daran, wie wenig eigenes Format diese Leute haben, die ihre gesamte Karriere auf Konformität innerhalb etablierter Machtstrukturen aufgebaut haben, und deren vermeintliche „Siege“ ihnen viel zu leicht gemacht wurden, weil es in Wahrheit Siege eines gut verschanzten Machtkartells gegen versprengte Oppositionelle waren. Zu solchen Siegen gehört weder Geist noch Charakter, eher das Gegenteil. Format zeigt sich – wenn es sich denn zeigt – in der Niederlage. Niederlagen sind aber im Weltbild von Karrieristen nicht vorgesehen, sie glauben ja, sich durch ihre Anbiederung bei den Machteliten dagegen versichert zu haben.

Wenn besagter Autor der „Zeit“ nun vom „Kampf“ schreibt, den es zu führen gelte, so ist dies zwar durchaus als Drohung gemeint. Nur: Mit welchen Mitteln will einer kämpfen, der die Gesellschaft, in der er lebt, aufgrund ideologisch bedingter Lernunfähigkeit nicht versteht? Der deshalb nur schwadronieren kann, wo seine Gegner analysieren? Der mit seinen ideologischen Schlagworten nur diejenigen Menschen überzeugt, die seine Ideologie ohnehin teilen, aber gerade nicht die, um die er werben müsste? Der unter „Kampf“ versteht, Andersdenkenden die Artikulationsmöglichkeiten zu verbauen und sie aus der Gesellschaft auszugrenzen? Dem nicht klar ist, dass der Graben, den er und seinesgleichen auf diese Weise quer durch das Volk ziehen, ein Graben ist, der über kurz oder lang sie selbst aussperrt? Und dem genauso wenig klar ist, dass alle Mittel dieser Art längst ausgereizt sind und die etablierten Machtstrukturen daher auf die Dauer nur noch durch einen offenen Staatsstreich zu verteidigen wären – letzterer aber angesichts der bröckelnden Loyalität von Polizei und Armee und der massiven Präsenz von US-Truppen unter einem Oberbefehlshaber Trump eine zunehmend riskante Angelegenheit wäre.

Einen Konsens gibt es freilich zwischen Freund und Feind, nämlich dass mit diesem 9. November 2016 nichts mehr so ist, wie es vorher war. Gewiss spürt man als Oppositioneller schon seit rund zwei Jahren, dass die Tore, gegen die man immer wieder mit dem Rammbock angerannt ist, nachzugeben beginnen und ihre Stabilität mit jedem neuen Stoß geringer wird. Und doch bin ich sicher, dass die Wahl Trumps im Rückblick als Wasserscheide betrachtet werden wird.

War der Brexit noch eine Konzession, zu der das britische Establishment gezwungen war, die aber immerhin dafür gesorgt hat, dass es die Fäden weiterhin in der Hand hält, so hat der Sieg Trumps bewiesen, dass man dieses Kartell in offener Feldschlacht schlagen kann, weil ihm die Kontrolle über die Gesellschaft entgleitet. Und dieses Ergebnis ist, ganz unabhängig davon, was Trump tut oder lässt, nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Amerika, Du hast es besser!

Die Amerikaner gehören zu den faulsten Wahlbürgern der westlichen Welt. Selten übersteigt die Wahlbeteiligung die Sechzig-Prozent-Marke; oft wählt nicht einmal jeder Zweite. Woran auch immer das liegen mag – vielleicht daran, dass die Amerikaner schon immer wählen durften und es deshalb nicht wirklich zu schätzen wissen? – an der Inszenierung liegt es jedenfalls nicht.

Nirgendwo sonst wird Politik, speziell Wahlkampf, so fesselnd, so unterhaltsam, so sehr als sportlicher Wettkampf dargeboten wie gerade in Amerika. Das Duell Clinton-Obama, der Ausscheidungswettkampf McCain-Romney-Huckabee wären selbst dann spannend, wenn sie jedes politischen Inhaltes bar wären, eben wie ein Sportwettkampf, dessen Sieger ja auch kein „Programm“ zu haben braucht.

Und dann die skurrilen Abstimmungsmodi! Man denke nur an diese archaischen Caucuses in Iowa: kein neumodischer Klimbim, keine Wahlmaschinen, nicht einmal Stimmzettel; stattdessen muss man stundenlang anwesend sein, und die Wähler jedes Kandidaten stellen sich gruppenweise auf, werden zum Teil wieder abgeworben, gruppieren sich neu; wählen nicht schriftlich, nicht mündlich, erst recht nicht elektronisch, sondern physisch. So richtig demokratisch ist das alles nicht, wohl aber von einer gewissen erdigen Sinnlichkeit.

Schließlich der eigentliche Wahlabend: Nicht wie bei uns, wo man um fünf nach sechs schon weiß, wer gewonnen hat – wenn denn einer gewonnen hat -, sondern eine richtige Wahlnacht, in deren Verlauf Bundesstaat für Bundesstaat sein Votum abgibt und das Rennen sich über Stunden hinzieht und spannend bleibt. Auch das ist – wegen des rückständigen Wahlmännersystems – nicht so richtig demokratisch, aber prickelnd ist es allemal!

Natürlich muss ein politisches System nicht in erster Linie unterhaltsam sein, ich behaupte aber, dass das amerikanische System das Angenehme, weil Spannende, mit dem Nützlichen verbindet:

Demokratie ist, kurz gesagt, wenn freie Wahlen stattfinden; wenn man sich also zwischen Alternativen entscheiden kann. Das ist bei uns wie in Amerika der Fall. Was die Amerikaner uns aber voraushaben, ist das Recht zu entscheiden, zwischen was sie sich entscheiden dürfen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie um Barack Obama oder um Mike Huckabee beneiden soll; ich beneide sie aber um die effektive Chance, Kandidaten wie eben Obama oder Huckabee auch gegen deren jeweiliges Partei-Establishment durchzusetzen.

Bei uns dagegen entscheidet genau dieses Establishment, wer sich zur Wahl stellen darf; und dieses Establishment existiert auf jeder Ebene: Bereits im Ortsverband sind die einfachen Mitglieder das mehr oder minder bereitwillig akklamierende Publikum für eine Gruppe von Insidern, bei denen die Fäden zusammenlaufen. Diese Insider finden sich auf der nächsthöheren Ebene ihrerseits in der Publikumsrolle gegenüber den dortigen Insidern, die wiederum das Publikum für die nächsthöhere Ebene stellen. Wer in einem solchen System aufsteigen will, kann gar nicht mit Aussicht auf Erfolg an die „Basis“ appellieren; das geht vielleicht einmal gut, aber sicher nicht zweimal.

Nein, wer aufsteigen will, ist darauf angewiesen, von der je nächsthöheren Insidergruppe kooptiert zu werden, und zwar auf jeder Ebene von Neuem. Was juristisch als innerparteiliche Demokratie daherkommt, ist politsoziologisch ein System der Selbstrekrutierung von Parteieliten: Wer aufsteigt, bestimmen die, die schon oben sind. Da liegt es auf der Hand, dass im Zweifel Derjenige Karriere macht, der den oben bestehenden Erwartungen entgegenkommt, der die dortigen Dogmen respektiert, der kalkulierbar ist.

Der berühmte „Stallgeruch“, den ein Parteipolitiker tunlichst haben sollte, ist nichts anderes als die Übereinstimmung mit einem bestimmten in der Partei vorherrschenden Habitus, der sich durch Selbstrekrutierung auch selbst verewigt. Dieses System begünstigt den fleißigen, aber unkreativen Konformisten (der freilich nicht mit der Gesellschaft konform geht, der er dienen soll, sondern mit einem Paralleluniversum namens „Partei“).

Auf die Eigenschaften, die ein Politiker haben muss, um Wähler an sich zu ziehen, womöglich gar zur nationalen Führungsfigur zu taugen, kommt es dabei bestenfalls sekundär an, weil die politische Karriere bei uns über die Parlamente führt. Da die nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden, da man also Parteien und nicht Personen wählt, benötigen die Parteien keine starken Individualisten. Im Gegenteil: Gerade solche Persönlichkeiten sind schwer zu dirigieren und stellen, wenn sie erst einmal im Parlament sitzen, für ihre Fraktionsspitze eine unkalkulierbare Gefahr dar.

Unsere Parlamente bestehen nämlich nicht aus Abgeordneten, sondern aus Fraktionen, und wenn es in Amerika gang und gäbe ist, die Wähler darüber zu informieren, wofür und wogegen der einzelne Angeordnete gestimmt hat, so wäre das bei uns hochgradig sinnlos: Man weiß ja, dass er mit der Fraktion votiert hat.

Er selbst übernimmt dabei nur formal die Verantwortung für Entscheidungen, die Andere für ihn getroffen haben. In der Logik unseres politischen Systems kann das auch nicht anders sein, weil der Mandatsträger, der gegen die Fraktion stimmte, die Regierungsfähigkeit seiner eigenen Partei aufs Spiel setzen würde – ein Problem, das der amerikanische Abgeordnete so nicht kennt, weil dort das Volk, nicht das Parlament den Regierungschef wählt. Natürlich tut sich auch ein amerikanischer Präsident oder Gouverneur leichter, wenn die Abgeordneten mehrheitlich aus seiner eigenen Partei kommen, aber angewiesen ist er darauf nicht.

Es ist dort sogar eher die Regel als die Ausnahme, dass Regierungschef und Parlamentsmehrheit aus unterschiedlichen Parteien kommen. Na und? Ein – sagen wir – republikanischer Präsident braucht nicht die Demokraten zu überzeugen, um seine Vorlagen durchzubringen, es genügt ihm, Einige zu sich herüberzuziehen; und die können sich das leisten, weil ihr Abstimmungsverhalten ihren Wählern gefallen muss, nicht ihrer Partei.

Was das amerikanische System so überlegen macht, ist die Tatsache, dass der Wähler jedes Amt und Mandat vom Präsidenten bis hinunter – in einigen Bundesstaaten – zum städtischen Hundefänger einzeln und direkt statt indirekt und nach Liste besetzt. Wer mit dem Gouverneur unzufrieden ist, kann ihn abwählen und muss sich keine Gedanken um die „Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat“ machen – den gibt es nämlich nicht. Wer von seinem Senator die Nase voll hat, stimmt für dessen Gegenkandidaten und muss sich nicht wirklich darum scheren, wie der Präsident damit zurechtkommt usw. – alles Rücksichten, die ein deutscher Wähler nehmen muss. Die Amerikaner können den Besten für die jeweilige Aufgabe wählen. Wir nicht.

Deswegen können sie auch jeden Einzelnen für sein eigenes Versagen und seine Misserfolge verantwortlich machen, während in Deutschland die Ausreden und Sündenböcke institutionalisiert sind: die Partei (hat dort bei weitem nicht den Einfluss wie hier), der Koalitionspartner (gibt es dort nicht), der Bundesrat (dito), die EU (dito).

Der direkte Einfluss des amerikanischen Wählers reicht bis in die Programmatik hinein: keine langwierige und fruchtlose Arbeit an Programmdebatten, deren Ergebnisse in der Praxis dann doch ignoriert werden, wie bei uns: Jenseits des Ozeans entscheidet der Wähler über Programme, indem er bereits in den Vorwahlen über Personen entscheidet.

Ich will das amerikanische System nicht idealisieren – es hat durchaus seine Schattenseiten, etwa die enorme Spendenabhängigkeit jedes Kandidaten und damit verbunden der Einfluss von Großspendern.

Mir geht es darum zu zeigen, warum so viele Menschen bei uns das Gefühl haben, „die da oben machen ja doch, was sie wollen“. Dieses Gefühl haben sie, weil es sich genau so tatsächlich verhält! Man kann sich wohl zwischen verschiedenen Parteien entscheiden, aber was einem die Parteien anbieten – personell und programmatisch – entscheiden deren Spitzen allein. Unsere Demokratie krankt daran, dass sie eine Parteiendemokratie ist, in der alle wesentlichen Entscheidungen von winzigen Eliten getroffen, werden, die ihren „Elite“-Status obendrein weniger ihrer Kompetenz als ihrer Fähigkeit zur Kungelei verdanken.

Wer hier Abhilfe schaffen will, tut gut daran, den üblichen Vorschlägen – mehr Volksabstimmungen, Direktwahl des Bundespräsidenten etc. – zu misstrauen, zumal wenn solche Vorschläge aus der politischen Klasse selbst stammen.

Die Schweizer haben dieses System bis an seine Grenzen ausgereizt: Dort gibt es eine geschlossene politische Klasse, die intern kungelt, aber vom Volk regelmäßig per Abstimmung in die Schranken gewiesen wird. Zwei Dinge missfallen mir daran:

Erstens, dass über die Frage, wer regieren soll, noch stärker als bei uns die Parteieliten entscheiden. Die Macht des Establishments ist dort eher noch größer als bei uns; das Volk übt eine Kontrollfunktion aus, nicht unähnlich der einer parlamentarischen Opposition bei uns. Was aber ist das für eine Demokratie, in der das Volk Opposition ist?

Zweitens glaube ich nicht, dass politische Entscheidungen sich dadurch qualitativ verbessern, dass sie vom Volk getroffen werden. (Hier in Berlin zum Beispiel wird wohl demnächst ein Volksentscheid – eigentlich eher eine Volksbefragung, aber gut – zum Schicksal des alten Flughafens Tempelhof stattfinden. Ich neige dazu, für Tempelhof zu stimmen, schon aus Nostalgie, aber wenn man mich fragen würde, mit welchen Argumenten ich den Standpunkt des Senats erschüttern wollte, wonach Tempelhof geschlossen werden müsse, weil sich der neue Großflughafen sonst nicht rechne, der aber seinerseits eine wirtschaftliche Notwendigkeit sei, dann könnten diese Argumente aus meinem Munde nur lauten: „Äh…“
Also besonders kompetent im Detail bin ich nicht, genauso wie die Mehrheit meiner Mitbürger. Viel leichter ist es, Personen zu beurteilen.)

Wer mehr Demokratie will, darf sich also nicht mit Placebos wie „Volksentscheiden“ abspeisen lassen, sondern muss darauf bestehen, dass das Volk über die Frage entscheidet, auf die es einzig und allein ankommt, nämlich: Wer soll regieren?

Das läuft auf die radikale Entmachtung der Parteien hinaus: auf die Abschaffung des Verhältniswahlrechts, die Direktwahl des Regierungschefs durch das Volk und die Kandidatennominierung durch Vorwahlen (an denen nicht nur Parteimitglieder beteiligt sein dürfen). Das zu erwartende Ergebnis wäre nicht nur eine demokratischere Politik, sondern auch eine bessere, und sogar eine unterhaltsamere. Wie in Amerika.