Regel und Ausnahme: Die Dialektik der Toleranz

Zu den Begriffen, deren systematische Umdeutung das bevorzugte Mittel linker Gesellschaftsklempner darstellt, gehört nicht zuletzt der der „Toleranz“, der in ihrem Munde ungefähr das Gegenteil seiner traditionellen Bedeutung hat. Bereits begrifflich setzt „Toleranz“ ja voraus, dass es etwas zu tolerieren gibt; er setzt eine Abweichung von der Regel voraus, und das heißt: Er setzt eine Regel voraus.

Es hat seine Logik und seine Notwendigkeit, dass Soldaten in der Regel Männer und nur im Ausnahmefall Frauen sind, dass Familien in der Regel aus einem Ehepaar mit dessen leiblichen Kindern bestehen und nur im Ausnahmefall unvollständige oder Patchworkfamilien sind, dass Menschen in der Regel heterosexuell und nur im Ausnahmefall homosexuell sind, dass die Angehörigen eines Volkes in der Regel die Nachkommen derer sind, die schon vor hundert Jahren dazugehörten und nur im Ausnahmefall Einwanderer, dass Europäer in der Regel Weiße und nur im Ausnahmefall Schwarze sind, dass Menschen sich in der Regel von eigener Arbeit ernähren und nur im Ausnahmefall den Sozialstaat in Anspruch nehmen, dass Bürger europäischer Demokratien sich in der Regel am Christentum (und wäre es ein verwässertes) und nur im Ausnahmefall am Islam orientieren, dass Recht in der Regel vor Gnade und nur im Ausnahmefall Gnade vor Recht ergeht.

Toleranz besteht darin, die Ausnahmen zu akzeptieren, nicht aber darin, die Regeln abzuschaffen! Um dies an einigen Beispielenzu konkretisieren:

Eine Patchworkfamilie kann im Einzelfall ebenso gut funktionieren wie eine Regelfamilie, aber sie hat von vornherein die schlechteren Chancen: Erstens, weil genetische Verwandtschaft die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Eltern und Kinder einander wesensähnlich sind, was das gegenseitige Verständnis unter Umständen erheblich erleichtert, zweitens weil Patchworkfamilien durch einen Willensakt zustandegekommen sind und daher nicht als naturwüchsige Selbstverständlichkeiten wahrgenommen werden können; die Gefahr des Scheiterns wird latent immer gesehen, und dieses Bewusstsein ist gerade für Kinder eine seelische Belastung, der sie in einer Normalfamilie nicht ausgesetzt sind. Gewiss können auch Normalfamilien scheitern, aber man rechnet eben nicht damit. Eine Patchworkfamilie ist für Kinder selbstverständlich besser als gar keine, aber sie ist naturgemäß eine Notlösung, und sie ist stärker gefährdet. Wer daher behauptet, es komme nicht darauf an, ob Kinder von ihren miteinander verheirateten leiblichen Eltern großgezogen würden oder nicht, weiß nicht, wovon er redet. Wer sie gar zum Normalfall erklärt, wer also die Regel aufhebt, propagiert den Zerfall der sozialen Institution „Familie“.

Ähnliches gilt für die Einbürgerung von Ausländern: Wer in ein Volk hineingeboren wird, empfindet dieses Volk ganz natürlich als sein eigenes. Was nicht unbedingt bedeutet, dass er es schätzt: Gerade unter Stammdeutschen ist ein staunenerregender nationaler Selbsthass verbreitet; speziell die Geschichte des Dritten Reiches ist für viele unserer Landsleute Grund genug, ein Leben lang in Sack und Asche zu gehen. Sie täten dies aber nicht, wenn sie dieses Volk nicht als ihr eigenes, die Verbrechen Hitlers nicht als die ihres eigenen Volkes ansehen würden. Unter eingebürgerten Ausländern, gleich welcher Herkunft, findet man diese Einstellung nie. Die Einbürgerung ist ein Willensakt, die Identifikation mit der neuen Nation ist es ebenfalls; sie mag im Einzelfall sehr intensiv und sehr ernsthaft gewünscht sein; dass sie aber überhaupt gewünscht werden muss, impliziert, dass sie keine Selbstverständlichkeit ist. Dass eine Nation, die überwiegend aus Eingebürgerten besteht, nicht dieselbe politische Bindekraft erzeugen kann wie eine, in der die Einbürgerung die Ausnahme ist und das Hineingeborenwerden die Regel, liegt auf der Hand. Sie ist sozusagen das politische Äquivalent einer Patchworkfamilie, nur noch gefährdeter.

Des Weiteren ist in der Tat nicht einzusehen, warum es einem Schwarzen nicht möglich sein sollte, Deutscher (oder Franzose, Pole, Norweger etc.) zu werden; die Deutschen sind schließlich ein Volk, keine Rasse.

Nur ist Rasse einer der Hauptkristallisationspunkte spontaner menschlicher Gruppenbildung, und dies nicht deshalb, weil rassistische Ideologen dies fordern. Es handelt sich vielmehr um ein Verhaltensmuster, das sich immer wieder von alleine herausbildet, und es gibt starke Indizien dafür, dass es zumindest als Potenzial angeboren ist. Haben sich aber erst einmal Wir-Gruppen auf der Basis rassischer Gemeinsamkeiten herausgebildet, dann verstärken sich die jeweiligen Wahrnehmungen als Sie-Gruppen wechselseitig. Die Erfahrungen in Ländern wie den USA, wo auch bald hundertfünfzig Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei Weiße und Schwarze einander als Fremdgruppen wahrnehmen und behandeln, lehren, dass die soziale Rassentrennung allen Versuchen einer Integration trotzt. Gewiss kann man versuchen, ein übergreifendes „Wir“ ideologisch zu konstruieren, und dies wird in den USA auch versucht, hat aber einen paradoxen Effekt: Gerade wenn man unaufhörlich davon redet, dass „Rasse“ keine Rolle spiele, redet man eben dadurch ständig von „Rasse“. Es ist ungefähr so, als würde ich Sie auffordern, nicht an einen rosa Elefanten zu denken; woran denken Sie? Natürlich an einen rosa Elefanten, woran sonst?

Wer Rassismus geradezu züchten will, kann zu diesem Zweck nichts Besseres tun als eine vielrassige Gesellschaft zu schaffen, in der die fremde Hautfarbe nicht mehr als individuelle Äußerlichkeit abgetan wird (die als solche nicht bedeutender wäre als die Haar- oder Augenfarbe), sondern die Zugehörigkeit zu einer fremden ethnischen Gruppe markiert.

Der langen Rede kurzer Sinn: So richtig es ist, dass ein Schwarzer Deutscher sein kann, oder dass hunderttausend, meinetwegen auch fünfhunderttausend es werden können: Dies impliziert nicht, dass unbegrenzt viele es werden könnten, weil dadurch das Regel-Ausnahme-Verhältnis suspendiert würde und dies von einem gewissen Schwellwert an – von dem ich empirisch freilich nicht konkret sagen könnte, wie hoch er liegt – schwerwiegende Konsequenzen hätte: Dann setzen nämlich entlang rassischer Grenzen Gruppenbildungsprozesse mit dem Ergebnis ein, dass die Angehörigen unterschiedlicher Gruppen einander eben nicht als Angehörige desselben Volkes sehen, die einander als solche zur politischen Solidarität verpflichtet sind, sondern als Angehörige konkurrierender Stämme, auch wenn sie den Pass desselben Staates in der Tasche haben.

Patchworkfamilien zu akzeptieren, zwischen Eingebürgerten und Einheimischen nicht zu unterscheiden und Einwanderung nicht a priori von der Hautfarbe abhängig zu machen, ist im Einzelfall legitim, wie es auch die übrigen oben geschilderten Ausnahmen von der Regel sind. Solche Ausnahmen aber zur Regel zu machen oder gar jeden Begriff von Normalität über Bord zu werfen, weil das sonst „diskriminierend“ sei, ist Ausdruck einer Denkweise, die grundsätzlich ideologischen Kopfgeburten den Vorrang vor der Erfahrung von Jahrtausenden einräumt; die aufgrund einer abstrakten Idee, wie Gesellschaft funktionieren soll, ignorieren zu dürfen glaubt, wie sie tatsächlich funktioniert.

Das, was der gesunde Menschenverstand immer noch als normal ansieht, hätte nie zur Norm werden können, wenn diese Norm nicht jeweils eine soziale Funktion erfüllen würde, indem sie bestehende Solidaritätsstrukturen stärkt und das Verhalten von Menschen in eine sozial erwünschte Richtung drängt.

Regeln, Normen und Begriffe von Normalität sind die Grundlage geordneten und friedlichen menschlichen Zusammenlebens. Sie schließen das Abweichende nicht etwa aus, sondern stellen überhaupt erst den Rahmen bereit, innerhalb dessen Toleranz möglich ist. Eine stabile Gesellschaft kann sich Toleranz für das Abweichende leisten, eine gefährdete nicht.

Weil dies so ist, wird zum Beispiel Mangel an Patriotismus in Friedenszeiten eher toleriert als in Kriegszeiten, wird der Ruf nach strengeren Gesetzen umso lauter, je intensiver die Bedrohungswahrnehmung ist, nimmt Islamfeindlichkeit in Europa in dem Maße zu, wie die Islamisierung voranschreitet, ist Rassismus umso verbreiteter, je heterogener die Gesellschaft ist, ist die Abneigung gegenüber Sozialhilfebeziehern umso größer, je mehr es davon gibt und je teurer sie den Steuerzahler kommen. Umgekehrt formuliert wird Toleranz umso bereitwilliger geübt, je weniger sie strapaziert wird, und je weniger Anlass es gibt zu vermuten, dass man mit der eigenen Toleranz sich selbst, sein soziales Umfeld und sein eigenes Wohlergehen gefährdet. Toleranz ist kein absoluter Wert; sie ist etwas, was man sich leisten können muss.

Eine Toleranz, um derentwillen ihre Verfechter auch offensichtliche Gefährdungen des gesellschaftlichen Friedens in Kauf zu nehmen bereit sind; die ohne erkennbare Grenze immer weiter und weiter getrieben wird; die umso penetranter eingefordert wird, je mehr sie ohnehin schon strapaziert ist; die irgendwann nur noch mit den Mitteln von Meinungsterror und Zensur durchgesetzt werden kann, weil es zu viele Menschen gibt, die am eigenen Leibe die Konsequenzen einer ideologisch verordneten Regellosigkeit zu spüren bekommen; die bestimmte Gruppen von der Pflicht zur Rücksichtnahme entbindet und zu jeder erdenklichen Unverfrorenheit auf Kosten der Gesellschaft ermutigt (weil es ja „intolerant“ wäre, solche Unverfrorenheiten zurückzuweisen), eine solche Toleranz zerstört mit der Stabilität der Gesellschaft zugleich ihre eigenen Voraussetzungen.

 

Kognitive Dissonanz und Political Correctness

Das Frappierende an der gesellschaftlich dominanten linken Ideologie ist die krasse Diskrepanz zwischen ihren Dogmen und der sichtbaren Wirklichkeit:

Dass Intelligenz erblich ist, dass der Islam alles andere als eine Religion des Friedens ist, dass Männer und Frauen von Natur aus verschieden ticken, dass die westlichen Völker ihren Reichtum vor allem ihrer eigenen Kreativität und Intelligenz verdanken (und nicht etwa der „Ausbeutung der Dritten Welt“), dass multiethnische Gesellschaften ethnische Konflikte hervorbringen, dass Normalfamilien stabiler sind als Patchworkfamilien usw. usf. – das sieht Jeder, weiß Jeder und denkt auch Jeder (wenn er ehrlich ist). Und doch sind all diese Behauptungen als „böse“ markiert. „Gut“ ist nur das Gegenteil von all dem, also der blanke Unsinn.

Wie kann es sein, dass ein Gedankensystem von derart surrealistischer Wirklichkeitsferne, dessen Absurdität auch ein Plattkopf zu durchschauen vermag, nicht unter der Last seiner eigenen Lächerlichkeit zusammenbricht?

Das hat vor allem damit zu tun, dass es nicht mit dem Wahr/Unwahr-, sondern mit dem Gut/Böse-Code operiert. Die Behauptung, eines der oben genannten Statements sei unwahr, wird gar nicht erst aufgestellt. Dass sie böse sind, wird jedem Menschen beigebracht:

Das lernt er in Kindergarten und Schule, er lernt es aus Zeitungen und Fernsehen, er lernt es in den Diversity-Kampagnen seines Arbeitgebers, den Gender-Studiengängen seiner Universität, aus Richtlinien der Europäischen Union und Resolutionen der UNO, er lernt es von Popstars wie von Sportlern, er hört es von Kirchenkanzeln und liest es auf Propagandaplakaten (die in Berlin schon fast so allgegenwärtig sind wie im Ostteil der Stadt vor 1989); nicht einmal im Fußballstadion bleibt er davon verschont, und er wird nicht mehr frei ein Leben lang.

Freudianisch gesprochen, wird das Über-Ich ideologisch so manipuliert, dass die Bejahung bestimmter dogmatischer Tatsachenbehauptungen als moralische Norm verinnerlicht, ja sogar zum Teil der eigenen Selbstbeschreibung wird, denn selbstredend wird niemand sich selbst als böse beschreiben.

Zugleich wird jeder Mensch täglich mit Informationen konfrontiert, die diesen Dogmen widersprechen, und er ist sogar gezwungen, sein Verhalten danach einzurichten (z.B. sich von lautstarken Halbstarken mit Migrationshintergrund in öffentlichen Verkehrsmitteln vorsichtig fernzuhalten, obwohl es dazu überhaupt keinen Grund gäbe, wenn die Dogmen der Political Correctness in einem empirischen Sinne richtig wären).

Der manipulierte Bürger befindet sich im Zustand des permanenten doublethink. Auf einer bestimmten Ebene seines Bewusstseins weiß er Dinge, die er auf einer anderen Ebene nicht wahrhaben darf. Er lebt im Zustand der kognitiven Dissonanz und muss zu deren Verringerung gegen eine der beiden Komponenten seines Weltbildes ankämpfen: entweder gegen die erlernte und verinnerlichte oder gegen die tatsächlich wahrgenommene.

Diese kognitive Dissonanz bedeutet für die herrschende Ideologie eine latente Gefahr: Der Bürger wird sich nur so lange überreden lassen, seinen Augen nicht zu trauen und sich lieber an die Political Correctness zu halten, wie deren gesellschaftliches Moralmonopol nicht angefochten wird. Je mehr sich herumspricht, dass man durchaus kein „böser“ Mensch sein muss, um das linke Dogmengebäude abzulehnen und eine alternative Wirklichkeitsbeschreibung zu vertreten, desto mehr wächst aus der Sicht der Ideologen die Gefahr, dass die kognitive Dissonanz nach der anderen Seite hin aufgelöst wird: dass also die Dogmen zugunsten der eigenen Wahrnehmung über Bord geworfen werden statt umgekehrt. Dies ist der Grund, warum alternative, insbesondere rechte Wirklichkeitsbeschreibungen gesellschaftlich nicht wirksam artikuliert werden dürfen. Man nimmt sie nur in der entstellten Form zur Kenntnis, in der sie von ihren Gegnern dargestellt werden, die ihnen sogleich den „Böse“-Stempel aufdrücken. Je stärker die Spannung zwischen der sichtbaren Realität und dem linken Dogmengebäude wird, desto verbissener muss dessen Monopol verteidigt werden. Die militante Intoleranz, der wir täglich begegnen, ist Ausdruck der Schwäche, nicht der Stärke unserer Gegner.

Solange diese Spannung allerdings nicht auf breiter Front zum Zusammenbruch der Political Correctness führt, ist deren Absurdität aus der Sicht der Ideologen durchaus funktional:

Es zwingt die Menschen, gegen ihre eigene bessere Einsicht anzukämpfen. Manchmal macht sie sich zwar Luft: Spätestens nach dem dritten Bier, wenn sie unter sich sind und glauben, dass keiner zuhört, schimpfen auch GEW-gestählte Gesamtschullehrer über die „Scheißkanaken, die nix raffen“, und im kleinen Kreis äußert eine grüne Spitzenpolitikerin, sie würde „am liebsten eine Atombombe auf Neukölln werfen“. (Beide Zitate sind mir aus zuverlässigen Quellen hinterbracht worden.) Solche Durchbrüche der Wirklichkeit führen aber nicht zu einer Einstellungsänderung, sondern (wegen des schlechten Gewissens darüber, dass man solche Wirklichkeiten überhaupt wahrnimmt) zu verstärkten Bußübungen (auf Kosten Dritter), also zu einem verstärkten „Kampf gegen Rechts“. Der hysterische Fanatismus, mit dem der fremdgesteuerte Gutmensch „gegen Rechts“ kämpft, ist psychologisch unschwer als Kampf gegen die eigene Anfechtung durch die Wirklichkeit zu dechiffrieren. Im „Rechten“ bekämpft man das, was man im eigenen Innern fürchtet.

Zum anderen ermöglicht gerade die Absurdität der linken Ideologie eine klare Freund-Feind-Unterscheidung: Da sie sich nicht auf Argumente stützt, sondern auf a priori gesetzte Moralansprüche, kann sie nicht diskutiert werden. Man kann sich ihr unterwerfen oder nicht. Wer die Ideologie bejaht, kann dies durch entsprechendes Verhalten kundtun: gendergerechte Sprache, Distanzierung von als „rechts“, d.h. von als böse markierten Personen und Meinungen, Vermeidung von Wörtern, die auf dem Index stehen, wie z.B. „Neger“, Benutzung ideologischen Vokabulars. Solche Unterwerfungsrituale leisten dasselbe wie der Gesslerhut oder der Hitlergruß oder das islamische Kopftuchgebot: Sie unterscheiden den sich Unterwerfenden vom Nonkonformisten und geben Letzteren zum Abschuss frei.

Und schließlich ermöglicht erst die Wirklichkeitsferne der Ideologie ihre Verwendung als Mittel der Manipulation:

Da Fakten keine Rolle spielen, die ideologisch begründete Wirklichkeitsbeschreibung also nicht unter Berufung auf Tatsachen angefochten werden kann, gibt es auch keinen Maßstab für individuelle Urteilsbildung. Menschen, die konditioniert wurden, wahr/unwahr mit gut/böse zu vermengen, sind buchstäblich unfähig, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

Der solchermaßen verwirrte Bürger ist auf die wechselnden provisorischen Erklärungsmuster angewiesen, die ihm von diversen „Autoritäten“ – Medien, Politikern, Wissenschaftlern – angeboten werden. Er greift nach diesen Erklärungsmustern, hält sie gar für seine eigenen, weil ihm sonst die Welt entgleitet. Er ist etwa in der Situation eines verirrten Wanderers, dem eine (falsche) Landkarte angeboten wird. Selbst wenn ihm die Karte merkwürdig vorkommt, wird er seine Zweifel unterdrücken, weil die Karte ihm das trügerische Gefühl von „Sicherheit“ vermittelt, das er verlieren würde, wenn er sich nüchtern klarmachte, dass sie eine ganz andere Gegend zeigt als die, in der er sich befindet. Die menschliche Psyche ist so konstruiert, dass ihr jedes Deutungsmuster, und wäre es absurd, lieber ist als keines.

Er wird zum Beispiel lieber glauben, dass ein Terroranschlag, bei dem der Täter „Allahu Akbar“ ruft, nichts mit dem Islam zu tun habe (sondern mit Armut, psychischer Krankheit, Diskriminierung, speziellen lokalen Stammesbräuchen in der Wüste Sowieso oder welche ihrer Ad-hoc-Erklärung die Medien im aktuellen Fall gerade heranziehen), als die als „böse“ markierte Erklärung zu akzeptieren, dass der Islam womöglich ein Dschihadsystem sei.

Aber nicht vergessen: So sehr die Wirklichkeitsferne der linken Ideologie zu ihrer Betonierung beiträgt, so sehr liegt darin auch ihre Achillesferse. Auf diese Achillesferse gilt es zu zielen.