In vier Minuten prägnant auf den Punkt gebracht: Der ESM bedeutet die Versklavung Europas, seiner Völker, jedes Einzelnen von uns und seiner Kinder, Enkel, Urenkel, Ururenkel …
ESM
Eurokrise: die Stunde der Putschisten
Am Freitag soll im Bundestag der ESM-Vertrag verabschiedet werden. Daß er eine Mehrheit, und zwar eine breite Mehrheit, finden wird, steht jetzt schon fest, obwohl das Bundesverfassungsgericht in einer spektakulären und beispiellosen Geste den Bundespräsidenten aufgefordert hat, die Ratifikationsurkunde vorerst nicht zu unterschreiben.
Manfred Kleine-Hartlage auf Sezession im Netz
Kategorie(n): Ereignis, Heute, Krise
Schlagwörter: Bundesverfassungsgericht, ESM, Eurobonds, Eurokrise, Grundgesetz, Putsch, Putschisten, Schäuble, Staatsstreich
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Zum Originalartikel: Eurokrise: die Stunde der Putschisten
Schäuble fordert: Weg mit dem Grundgesetz!
Wolfgang Schäuble gehört zu den Politikern, denen man zuhören sollte, nicht nur, weil er mächtig, sondern vor allem, weil er aufrichtig ist. Selbst seine Täuschungsmanöver folgen dem Gesetz der Taqiya und dienen erkennbar dazu, nur den zu täuschen, der getäuscht werden will. Er hat uns ganz offen gesagt, dass die Politik darauf hinarbeitet, die Deutschen im eigenen Land in die Minderheit zu drängen (s. meinen Artikel „Doktor Schäubles Staatsneurosen“) – und nicht minder offen bereitet er uns nun auf das bevorstehende Ende des Grundgesetzes und der Demokratie vor.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Alles, was zum Verderben der Völker Europas geplant und verwirklicht wird, geschieht vor den Augen eben dieser Völker. Es wird nicht geheimgehalten. Es wird sogar im Voraus angekündigt und steht in jeder Zeitung. Wer den Nebel der PR-Phrasen beiseitepustet, in die die europäischen Eliten ihre Vorhaben hüllen, erfährt, was gespielt wird. Dazu freilich darf man nicht selbst in der Ideologie der Eliten befangen sein, muss man die Triggerwörter kennen, die durch jahrzehntelange Indoktrination in die Köpfe der meisten Menschen gepflanzt wurden, muss man wissen, dass solche Wörter dazu da sind, das Publikum zu manipulieren und Assoziationsketten auszulösen, die mit dem, was tatsächlich gemeint ist, wenig bis nichts zu tun haben.
Wolfgang Schäuble hat jetzt dem „Spiegel“ (26/2012; hier die Vorankündigung in SPON) eines jener Interviews gegeben, aufgrund derer niemand später wird sagen können, er habe nicht gewusst, was bevorsteht; und doch wissen es die meisten nicht, weil sie zwar lesen, aber nicht verstehen.
Spiegel: Herr Minister, die EU steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte, der Euro droht auseinanderzubrechen, was steht auf dem Spiel?
Schäuble: Unser Wohlstand. Die Welt mit ihrer globalisierten Wirtschaft verändert sich rasend schnell. Wer da mithalten will, kann das nicht allein. Das geht nur gemeinsam mit anderen europäischen Ländern und mit einer europäischen Währung. Sonst würden wir stark zurückfallen, und das wäre mit einem erheblichen Verlust an Wohlstand und sozialer Sicherheit verbunden.
Wer da mithalten will, kann das nicht allein? Länder von der Größe Singapurs, Taiwans und Südkorea können es sehr wohl, ohne an einer Währungsunion teilzunehmen. Großbritannien, Schweden und Dänemark können es, ohne den Euro zu haben. Die Schweiz und Norwegen können es, ohne auch nur Mitglied der Union zu sein. Es mag diskutable Gründe geben, einen großen Währungsraum zu haben, etwa um die Abhängigkeit vom Dollar zu verringern, aber die pauschale Behauptung „Sonst würden wir stark zurückfallen, und das wäre mit einem erheblichen Verlust an Wohlstand und sozialer Sicherheit verbunden“ ist offenkundig Unsinn. (Und was die soziale Sicherheit betrifft, so gibt es keinen zweiten Faktor, der deren Finanzierbarkeit so sehr strapaziert wie die von Schäuble befürwortete Masseneinwanderung.) Schäuble spekuliert auf die Angst. Er greift zu Scheinargumenten und Panikmache. Warum er das tut, werden wir noch sehen.
Spiegel: Würde die EU den Zusammenbruch der Währungsunion überleben?
Schäuble: (…) Aber ein Auseinanderbrechen der EU wäre doch absurd. Die Welt rückt enger zusammen, und in Europa würde jedes Land wieder seine eigenen Wege gehen? Das kann, darf und wird nicht sein.
Die Welt rückt zusammen? Das ist richtig im Hinblick auf internationale Arbeitsteilung, auf globale Kommunikation, auf schnelle Verkehrsverbindungen. Dass Staaten deswegen ihre Souveränität freiwillig aufgeben, gibt es aber nirgends auf der Welt, nur in Europa. Es ist Europa, das einen Sonderweg geht, nicht der Rest der Welt, in dem nach wie vor jedes Land „seine eigenen Wege geht“. „Die Welt rückt zusammen“ ist eine jener Triggerphrasen, die den kritischen Verstand des Lesers umgehen sollen.
Interessant ist auch, in welche Worte Schäuble seine Befürchtungen kleidet: Die „eigenen Wege“ müssten ja nicht zwangsläufig getrennte Wege sein (es gäbe nur keine Handhabe, die Gemeinsamkeit des Weges zu erzwingen) und Schäuble behauptet auch nichts dergleichen; die bloße Tatsache, dass es eben eigene Wege wären: „Das kann, darf und wird nicht sein.“
Spiegel: War es ein Fehler, den Euro einzuführen?
Schäuble: Nein, die Währungsunion war die logische Folge der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration Europas.
Logische Folge? Ich muss wohl eine ganz falsche Vorstellung von Logik haben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Je stärker die internationalen Abhängigkeiten werden, und je mehr dadurch für jedes Land die Gefahr wächst, in den Strudel von Krisen gerissen zu werden, die es weder verursacht hat noch aus eigener Kraft bewältigen kann, desto wichtiger ist es, wenigstens die Steuerungsinstrumente in der Hand zu behalten, die ihm ermöglichen, die Krisen aus eigener Kraft wenigstens zu lindern, und dazu gehört allemal die Währungspolitik. Wenn es ein Land in der Anwendung dieses Instruments übertreibt, etwa mit der Inflationierung seiner Währung, dann bleiben die daraus resultierenden Probleme zumindest auf dieses Land beschränkt, statt, wie jetzt, europäische Krisen auszulösen. Die abenteuerliche Geld- und Fiskalpolitik der Griechen war einzig deren Problem, solange es die Drachme gab. Erst mit dem Euro wurde sie zu unser aller Problem.
Spiegel: Trotz allem war der Euro eine Missgeburt. Weil die notwendige politische Union fehlte.
Schäuble: (…) … klar, wir wollten schon damals gern eine politische Union, aber das war nicht möglich. Deutschland wäre bereit gewesen, Kompetenzen an Brüssel abzugeben, denn wir haben ja nach dem Zweiten Weltkrieg nur durch Europa eine neue Chance bekommen.
Das sind so die Bemerkungen, an denen man ablesen kann, dass wir von kranken Hirnen regiert werden, in denen Neurosen sich mit ideologischer Verblendung zu Deformationen vereinen, die den Betreffenden von vornherein disqualifizieren, irgend etwas zu leiten, geschweige denn einen Staat. Zur Erinnerung: Deutschland war sogar in dem Zustand, in dem es 1945 war, noch die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und hat den Wiederaufstieg nach dem verlorenen Krieg aus eigener Kraft geschafft; der Marshallplan war, entgegen einer verbreiteten Legende, für ein Land dieser Größe kaum mehr als ein Trinkgeld, das obendrein nicht aus Europa, sondern aus Amerika kam. Wenn Schäuble von einer „Chance“ spricht, die wir nur durch „Europa“ (wer immer das sein mag) bekommen hätten, so kann er damit nur die Chance meinen, die darin bestand, dass man das deutsche Volk 1945 nicht komplett ausgelöscht hat. Für diese Chance nun haben wir so dankbar zu sein, dass wir diesem „Europa“ noch nach einem halben Jahrhundert unsere Souveränität in den Rachen zu werfen haben. Aber weiter in Schäubles Text:
Doch andere Länder haben sich schwergetan, etwa aufgrund besonderer Traditionen…
… die in Wahrheit allgemeine Traditionen sind …
… oder weil sie gerade erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihre nationale Souveränität zurückerlangt hatten. Wir standen also vor der Frage: Führen wir den Euro ein, ohne dass wir die politische Union haben, und gehen davon aus, dass der Euro dazu führt, dass wir uns einander annähern …
… was in diesem Kontext ja nur bedeuten kann, dass die durch den Euro verursachten Probleme die politische Union erzwingen werden …
… oder lassen wir es ganz bleiben.
Spiegel: Und in dieser Situation sind Sie lieber volles Risiko gegangen.
Schäuble: (…) Deshalb wollten wir erst den Euro einführen und dann rasch die notwendigen Entscheidungen zur politische Union treffen.
(…)
Spiegel: Klingt fast so, als hätten Sie die Krise herbeigesehnt, um endlich die Geburtsfehler des Euro auszumerzen.
Schäuble: So schlimm ist es nun auch wieder nicht. (…) Aber je mehr die Menschen sehen, was auf dem Spiel steht, desto mehr sind sie bereit, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Spiegel: Was sind denn die Konsequenzen, die Europa nun ziehen muss?
Schäuble: Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger.
Was Schäuble uns hier sagt, ist nicht mehr und nicht weniger, als dass die politische Klasse Europas sich von Anfang an darüber im Klaren war, dass der Euro nicht funktionieren konnte, aber Krisen und Probleme herbeiführen würde, die dann als Vehikel dienen würden, eine politische Union herbeizuführen, die weder „die Menschen“ noch eine Reihe von Staaten, insbesondere die Osteuropäer, gewollt haben. Die Behauptung, der Euro werde so stark sein wie die D-Mark, war mithin eine zynische Lüge, und die dafür verantwortlichen Politiker haben einen ganzen Kontinent hinters Licht geführt.
Diese selben Politiker, die heute zugeben, dass sie gelogen haben, und sich dessen sogar rühmen, erwarten nun, dass die von ihnen betrogenen Opfer sich ihnen noch einmal anvertrauen, weil sie „sehen, was auf dem Spiel steht“ (nämlich „Wohlstand und soziale Sicherheit“). Die Schamlosigkeit dieser Leute wird fürwahr nur von ihrem Größenwahn übertroffen.
(…)
Spiegel: Die Forderung nach mehr Europa ist fast so ein Klassiker wie der „Faust“.
Schäuble: Mag sein, aber deshalb ist sie ja noch nicht falsch. Europa ist leider kompliziert, und seine Strukturen sorgen bei Bürgern und Finanzmärkten nur in unvollkommenem Maße für Vertrauen.
Was der Euphemismus des Jahres sein dürfte. Ganz nebenbei fragt man sich, wer für Schäuble eigentlich wichtiger ist: die Bürger oder die Finanzmärkte?
Spiegel: Wie wollen Sie dieses Defizit beheben?
Schäuble: (…) Wir müssen in wichtigen Politikbereichen mehr Kompetenzen nach Brüssel verlagern, ohne dass jeder Nationalstaat die Entscheidungen blockieren kann.
Spiegel: Sie wollen nichts weniger [sic!] als die Vereinigten Staaten von Europa.
Schäuble: (…) Nein, das Europa der Zukunft wird kein föderaler Staat nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik sein. Es wird eine eigene Struktur haben…
Diesen Satz merken wir uns, er wird unten noch eine wichtige Rolle spielen.
… Das ist ein hochspannender Versuch.
Ein Menschenversuch mit 500 Millionen ungefragten menschlichen Versuchskaninchen. Schäuble weiß nicht, ob das, was dabei herauskommen wird, gut oder schlecht sein wird, er will nur – und das hat oberste Priorität – weg vom Nationalstaat. In den Worten seiner Chefin: „koste es, was es wolle“.
Spiegel: (…) … wollen Sie so viel Macht nach Europa verlagern wie möglich?
Schäuble: Nein, … aber es gibt Dinge, die in einer Währungsunion besser auf europäischer Ebene aufgehoben sind.
Spiegel: Was zum Beispiel?
Schäuble: Es geht vor allem darum, dass wir eine Fiskalunion schaffen, in der die Nationalstaaten Kompetenzen in der Haushaltspolitik abtreten. Zudem (…) brauchen [wir] eine europäische Aufsicht … über die größten Geldhäuser.
Im Anschluss geht es um die Eurobonds. Nachdem Schäuble klargestellt hat, dass Eurobonds ohne Fiskalunion für ihn nicht in Frage kommen, hakt der Spiegel nach:
Spiegel: Wie müsste eine Fiskalunion aussehen, damit Deutschland Euro-Bonds akzeptieren könnte?
Schäuble: Im Optimalfall gäbe es einen europäischen Finanzminister. Der hätte ein Vetorecht gegen einen nationalen Haushalt und müsste die Höhe der Neuverschuldung genehmigen. (…)
Und wieder greift ein Rädchen ins andere: Die bewusste Fehlentscheidung, den Euro einzuführen, dient nicht nur als Hebel zur Einführung der politischen Union, sondern sogar einer Union, die im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten mehr Rechte hat als in Deutschland der Bund gegenüber den Ländern. Der Bundesfinanzminister hat jedenfalls kein Vetorecht gegenüber den Haushaltsentwürfen seiner Kollegen in den Bundesländern; allenfalls haben diese selbst solche Kompetenzen gegenüber den Gemeinden. Was Schäuble uns hier sagt, bedeutet mit anderen Worten nichts anderes, als dass er die Staaten Europas in bloße Gebietskörperschaften verwandeln will. Das muss er wohl gemeint haben, als er sagte, „das Europa der Zukunft“ werde „kein föderaler Staat nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik sein“.
(…)
Spiegel: Gibt es außer der Finanzpolitik noch andere Bereiche, die auf die europäische Ebene übertragen werden sollen?
Schäuble: In Zeiten der Globalisierung gehört die Wirtschaftspolitik geradezu zwingend dazu…
Wieder das billige Mätzchen, das uns schon mehrfach begegnet ist: aus der „zusammenrückenden Welt“, der „wirtschaftlichen Integration Europas“, der „globalisierten Wirtschaft“ und nun also schlicht der „Globalisierung“ die Forderung nach Vereinheitlichung von allem Möglichen abzuleiten – als ob das Heil in der Strukturlosigkeit läge und eine globalisierte Welt nicht erst recht differenzierte Strukturen bräuchte, die ihre Komplexität überhaupt erst beherrschbar machen.
… Außerdem existieren noch viele nationale Kompetenzen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Europa sollte in der Welt besser und klarer mit einer Stimme auftreten.
Wieder die apodiktische Pauschalbehauptung als Mittel, dem Beweiszwang zu entgehen: Es mag ja sein, dass Europa hier und da besser „mit einer Stimme auftreten“ würde – was es übrigens in etlichen Bereichen, etwa der Außenwirtschaftspolitik, längst tut. Schäuble geht es aber gar nicht darum, aufzuzeigen, wo vielleicht Verbesserungen erzielt werden könnten, sondern das Thema mit Totschlagbehauptungen zu erledigen, bevor irgendeiner kritisch nachfragt.
Spiegel: Sie schlagen die Übertragung vieler nationaler Kompetenzen vor. Wo bleibt die demokratische Legitimation?
Schäuble antwortet darauf mit einem Katalog von Forderungen, die ziemlich demokratisch klingen (wenn man von dem Schönheitsfehler absieht, dass Demokratie einen Demos voraussetzt und es einen europäischen Demos nicht gibt), etwa der nach Aufwertung des Europäischen Parlaments mit voller gesetzgeberischer Kompetenz einschließlich des Rechts zur Gesetzesinitiative, einer Senatslösung nach amerikanischem Vorbild für die Repräsentation der Mitgliedsstaaten, der Direktwahl des Kommissionspräsidenten, wobei die Kommission im Gegenzug eine echte Regierung darstellen soll usw., alles Forderungen, deren Verwirklichung die EU in just jenen Bundesstaat „nach dem Vorbild der USA oder der Bundesrepublik“ verwandeln würden (abgesehen von den extremen Befugnissen des Finanzministers), von der Schäuble selbst gesagt hat, dass es ihn nicht geben wird.
Selbstverständlich wird es ihn nicht geben, und Schäuble weiß besser als irgendjemand sonst, dass Deutschland mit Forderungen dieser Art bei seinen Partnern immer wieder auf Granit gebissen hat, und dass das Ergebnis auch heute kein anderes wäre. Warum also stellt er überhaupt diese Forderungen?
Schäuble weiß, dass die Mehrheit der Deutschen einer politischen Union – wenn überhaupt – dann nur unter diesen Bedingungen zustimmen würde, und deshalb spiegelt er dem Publikum vor, dass diese Bedingungen im „neuen Europa“ erfüllt sein würden. Es ist dieselbe Taktik, die die deutschen Politiker schon einmal angewendet haben – als es nämlich um die Einführung des Euro ging, der „so hart wie die D-Mark“ sein sollte. Man hat damals eine ganze Reihe von Bedinungen in den Maastricht-Vertrag eingebaut, von denen man damals schon wissen konnte und musste, dass sie sich bei der ersten Krise in Luft auflösen würden, die man aber brauchte, um den Deutschen die D-Mark ab- und den Euro aufzuschwatzen.
Wozu braucht Schäuble aber die Zustimmung der Deutschen? Wozu dieses Blendwerk, wozu diese Schmierenkomödie vom demokratischen Europa, von dem er weiß, dass es nie kommen wird?
Weil es einen Punkt gibt, bei dem die Regierung auf die Zustimmung des deutschen Volkes angewiesen sein wird:
Spiegel: In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht bdem weiteren Verzicht auf Souveränität enge Grenzen gesetzt. Wie viel europäische Integration ist mit dem Grundgesetz noch möglich?
Und jetzt kommt’s:
Schäuble: Wenn … man … zu dem Schluss kommt, dass die Grenzen des Grundgesetzes erreicht sind, dann sagt das Verfassungsgericht zu Recht: Man kann gern mehr Rechte nach Brüssel übertragen, aber darüber muss das deutsche Volk entscheiden.
Spiegel: Das heißt, es gibt bald eine Volksabstimmung in Deutschland?
Schäuble: … ich gehe davon aus dass es schneller kommen könnte, als ich es noch vor wenigen Monaten gedacht hätte. (…)
Spiegel: Sie glauben, dass die Deutschen spätestens in fünf Jahren über eine neue Verfassung abstimmen werden?
Schäuble: Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Wollen Sie wissen, warum?
Spiegel: Bitte.
Schäuble: (…) Im Frühjahr 1989 war ich gerade neuer Innenminister in Bonn. Da hat sich der neue US-Botschafter bei mir vorgestellt ind prophezeit, die Mauer werde in den nächsten drei Jahren fallen. Ich habe geantwortet: „Vor ein paar Monaten hätte ich das noch bezweifelt, jetzt würde ich sagen, mit viel Glück passiert es in den nächsten zehn Jahren.“ Und wie lange hat es dann wirklich gedauert? Kein halbes Jahr.
(Hochinteressante Information, dass die amerikanische Regierung schon im Frühjahr 1989 wusste, dass der Fall der Mauer kurz bevorstand, aber das ist hier nicht das Thema.)
Was Schäuble, der zweifellos mit Rückendeckung der Kanzlerin handelt und mit seiner „Vorhersage“ eine wachsende Anzahl von Politikern auch anderer Parteien aus der Deckung gezogen hat, hier kaum verklausuliert ankündigt, ist, dass die Regierung den Artikel 146 ziehen wird!
Dieser besagt, dass das Grundgesetz seine Gültigkeit an dem Tage verliert, an dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung eine neue Verfassung verabschiedet. (Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes selbst konnte von „freier Selbstbestimmung“ bekanntlich nicht die Rede sein.)
Artikel 146 ist sozusagen der Joker des Grundgesetzes, mit dessen Anwendung dessen „Ewigkeitsgarantien“ automatisch gegenstandslos werden. Eine Verfassung, die gemäß Artikel 146 verabschiedet wird, muss daher nicht die Staatsstrukturprinzipien des Grundgesetzes (Republik, Rechtsstaat, Bundesstaat, Sozialsstaat, vor allem aber: Demokratie!) beachten und ist nicht einmal an das Prinzip der Menschenwürde gebunden.
Die Regierung ist sich also vollkommen darüber im Klaren, dass ihre Pläne mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, und es dürfte kein Zufall sein, dass Schäuble dieses Interview gerade jetzt gibt: kurz nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Appell an den Bundespräsidenten, den ESM-Vertrag vorerst nicht zu unterschreiben, signalisiert hat, dass es die Regierungsstrategie, die Grenzen der Verfassung gezielt immer weiter auszudehnen, nicht mehr länger hinzunehmen gedenkt. Ob dieser Ankündigung Taten folgen, wird man abwarten müssen, aber die Regierung rechnet offenbar damit.
Statt aus diesem spektakulären Vorgang die naheliegende Konsequenz zu ziehen, auf den Boden des Grundgesetzes zurückzukehren, tut die Regierung das Gegenteil: Sie versucht, den Boden aufzulösen und sich einen neuen zu schaffen. Nicht die aberwitzigen Pläne werden revidiert, sondern die Verfassung beseitigt und durch eine neue ersetzt; eine, deren Inhalt wir uns alle lebhaft vorstellen können.
Vermutlich wird die Regierung bereits den ESM-Vertrag auf diese Weise durchpeitschen wollen, sollte er am Bundesverfassungsgericht scheitern.
Populär ist dies nicht. Um mit einer solchen Strategie Erfolg zu haben, braucht die Regierung nicht nur den Konsens der Opposition (den hat sie) und einer gleichgeschalteten Presse (auch den hat sie). Sie braucht vor allem einen noch einmal verstärkten „Kampf gegen Rechts“, damit wirklich überhaupt kein Kritiker mehr öffentlich zu Wort kommt, sie braucht eine verängstigte Bevölkerung (daher Schäubles Strategie der Panikmache), und sie braucht eine extreme Krisensituation, damit das eingeschüchterte Volk sich hinter ihr und ihrem Kurs schart.
Sie wird Mittel und Wege finden, eine solche Situation herbeizuführen.
Das Bundesverfassungsgericht interveniert: ein Akt der Verzweiflung
Das Bundesverfassungsgericht hat Bundespräsident Gauck aufgefordert, das Ratifizierungsgesetz zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nicht zu unterzeichnen. Ein solcher Schritt ist in der Geschichte der BRD noch nie dagewesen und wäre unter normalen Umständen völlig undenkbar; allein, die Umstände sind alles Andere als normal.
Der ESM wäre im Falle der Ratifizierung ermächtigt, jederzeit unter Fristsetzung von sieben Tagen von den Mitgliedsstaaten Finanzmittel in praktisch unbegrenzter Höhe anzufordern. Das vorgesehene Leitungsgremium ist nicht nur – da nicht gewählt – bar jeder demokratischen Legitimität, es unterliegt nicht einmal rechtlicher Kontrolle und kann für seine Entscheidungen so wenig zur Rechenschaft gezogen werden wie der ESM selbst. Zudem sollte diese Ermächtigung, die jeder Rechtsordnung hohnspricht, unwiderruflich sein, d.h. für alle Ewigkeit gelten.
Der Kalte Staatsstreich, der seit vielen Jahren mit einer Politik der kleinen Schritte und der vollendeten Tatsachen vorangetrieben wird, würde mit diesem Gesetz mit einem Ruck vollendet.
Offenbar hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass seine seit Jahren verfolgte Politik des Räusperns und Zähneknirschens, zugleich aber des weitestmöglichen Nachgebens die politische Klasse dieses Staates nicht etwa dazu bringt, vom Hochverrat abzulassen und sich auf die verfassungsmäßige Ordnung zu besinnen.
Vielmehr hat diese Klasse in ihrer utopistischen Verblendung, ihrer Arroganz und ihrem Größenwahn auch noch den letzten Rest von Gespür für Recht, Gesetz und Moral eingebüßt und fasst jedes Nachgeben aus Karlsruhe lediglich als Ermutigung auf, mit einer Politik fortzufahren, für die die Verantwortlichen in jedem bekannten Staatswesen der Geschichte, seit es überhaupt so etwas wie Staatlichkeit gibt, ohne weiteres als Hoch- und Landesverräter aufgehängt worden wären – mit oder ohne Prozess.
Dass das Verfassungsgericht den Bundespräsidenten auffordert, einem Gesetz die Unterschrift zu verweigern, das bisher weder dem Präsidenten noch dem Gericht vorliegt, ist mehr als nur eine Ohrfeige. Nicht nur die politische Kultur, sondern auch die Rechtsordnung der BRD statuiert die Vermutung, dass die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht und Bundespräsident die Vermutung der Rechtmäßigkeit ihres Handelns auf ihrer Seite haben und deshalb im Verhältnis zueinander verpflichtet sind, von dieser Vermutung auszugehen. Indem das Gericht in einem offenkundigen Akt von Verzweiflung dem Bundespräsidenten in den Arm fällt, hat es offiziell zu Protokoll gegeben, dass es den übrigen Verfassungsorganen eben den Staatsstreich zutraut, den sie tatsächlich im Begriff stehen zu begehen.
Sollte der Bundespräsident diesen Wink missachten und das Gesetz gegen die dringende Bitte des Bundesverfassungsgerichts doch noch unmittelbar nach Verabschiedung unterzeichnen, sodass vollendete Tatsachen geschaffen und der einstweilige Rechtsschutz durch Karlsruhe ausgehebelt würden, so wäre dies die Vollendung des Staatsstreiches:
Da völkerrechtliche Verträge im Außenverhältnis Vorrang vor den Bestimmungen der nationalen Verfassung genießen, der ESM-Vertrag zudem unkündbar ist, hätte die politische Klasse eine unheilbar verfassungswidrige Situation herbeigeführt. „Unheilbar“ heißt, dass die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechtsordnung dieses Staates mit den im Grundgesetz vorgesehenen und erlaubten Mitteln – mithin „andere Abhilfe“ im Sinne von Art.20 Abs.4 GG – nicht mehr möglich wäre.
Vor einem Jahr schrieb ich in „Ist Widerstand legal?“ (den nochmal zu lesen ich eindringlich empfehle):
Ob ein Widerstandsrecht gegeben ist oder nicht, hängt am seidenen Faden der politischen Einschätzung, ob die Unterbindung des Staatsstreiches, ob gegebenenfalls eine Entmachtung der Putschisten mit gesetzeskonformen Mitteln noch möglich ist oder nicht.
Diese Frage müsste endgültig verneint werden, wenn der ESM-Vertrag rechtswirksam würde, weil in diesem Falle selbst die Entmachtung der Putschisten an den von ihnen vollendeten Tatsachen nichts mehr ändern könnte. Die Prozeduren des Grundgesetzes lassen es schlicht nicht zu, dass der Staat einen völkerrechtlichen Vertrag einfach missachtet – selbst wenn dessen Zustandekommen verfassungswidrig war. Die Verabschiedung des ESM-Vertrages würde jeden verfassungstreuen Bürger in die Konfrontation mit einem Staat zwingen, der den Boden seiner eigenen Rechtsordnung verlassen, dadurch die Rechte und Ansprüche seiner Bürger verraten und damit seinen Anspruch auf deren Loyalität verwirkt hat.
Putschisten über die Verfassung aufzuklären dürfte so sinnlos sein wie einem Bankräuber das Strafgesetzbuch zu erläutern – beide, der Putschist wie der Bankräuber, gehen ja davon aus, dass sie straffrei davonkommen.
Dennoch könnte es durch einen unwahrscheinlichen Zufall sein, dass der eine oder andere verantwortliche Politiker sich auf diesen Blog verirrt, und dann möchte ich mir nicht den Vorwurf machen müssen, ihn nicht nach bestem Wissen und Gewissen über die Rechtslage aufgeklärt zu haben. Zwei Punkte sollten Sie bedenken, falls Sie zu den Angesprochenen gehören:
Erstens: § 81 Abs.1 StGB lautet:
Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt
1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder
2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
Der Missbrauch der Staatsgewalt zum Zwecke der Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung ist Gewalt im Sinne von § 81 StGB, die Tatbestandsmerkmale des Hochverrates können also auch von Verfassungsorganen erfüllt werden, sofern diese ihre Kompetenzen zu Entscheidungen missbrauchen, die verfassungswidrig im Sinne eines gegen die Ordnung des Grundgesetzes gerichteten Staatsstreiches sind. Übrigens ist gemäß § 83 Abs.1 StGB bereits die Vorbereitung strafbar.
Zweitens: Ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Widerstandsrechts gemäß Art.20 Abs.4 gegeben sind, ist eine materiellrechtliche Frage, die von der Frage nach der Verfügbarkeit von effektivem Rechtsschutz ganz und gar unabhängig ist. Das Widerstandsrecht ist also nicht erst dann gegeben, wenn das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestätigt, sondern bereits dann, wenn diese Voraussetzungen objektiv erfüllt sind. Sind sie erfüllt, dann deckt das Widerstandsrecht nach herrschender Meinung alle Mittel, auch militärische und terroristische Gewalt, sofern sie geeignet sind, den Staatsstreich zu vereiteln, und dabei nicht evident unverhältnismäßig sind. Da mit der Auslösung des Widerstandsrechts die Legalitätsvermutung vom Staat auf den Widerstand übergeht, hat der Widerstand leistende Bürger bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit seines Handelns einen ähnlich weiten Ermessensspielraum, wie ihn normalerweise der Staat hat. Im Klartext: Unter den genannten Voraussetzungen ist die Tötung von Putschisten nach dem Grundgesetz legal, zumindest aber straffrei.
Falls Sie zu den Verantwortlichen gehören, machen Sie um Himmels willen nicht den Fehler, den so viele Machthaber vor Ihnen begangen haben: zu glauben, im Besitz der Macht könne man ungestraft das Recht brechen!
Aufruf zur Demo gegen den ESM morgen in Berlin
Die Junge Freiheit erinnert noch einmal daran:
Die Zeit drängt: Kommen Sie morgen zur ESM-Demo nach Berlin!
Die Zivile Koalition lädt ein:
Morgen, Freitag, den 08.06. um 15 Uhr,
geht ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf die Straße. Die Demo findet vor demReichstag (Platz der Republik) statt!
Es wird zudem ein Rahmenprogramm mit Musik geben.
Ab 14.45 Uhr können Demonstrationsschilder der Zivilen Koaltion an der Bühne abgeholt werden.
Für die Sicherheit der Teilnehmer ist gesorgt! Alles Weitere erfahren Siehier.
Bereits am 02.06. hatte die Zivile Koalition mit ihrer Vorsitzenden Beatrix von Storch eine gut besuchte Demo in München organisiert.
BERLIN. Die Sprecherin der Zivilen Koalition, Beatrix von Storch, hat sich kurz vor der Kundgebung gegen den Euro-Rettungsmechanismus am Freitag in einer Videobotschaft an die Anhänger des Anti-ESM-Bündnisses gewandt. Sie forderte die „Freunde der Zivilen Koalition“ auf, am Freitagnachmittag um 15 Uhr vor dem Reichstag zu erscheinen.
Warum gehen die Deutschen nicht gegen die Euro-Rettung auf die Straße? Mit dem Rettungsschirm ESM soll eine Art Notstandsregime über die Euro-Zone verhängt werden, bei der die Nationalstaaten entmachtet und finanzielle Risiken in unkontrollierbarer Größe an eine intransparente EU-Behörde abgetreten werden sollen.
JUNGE FREIHEIT – Wochenzeitung aus Berlin: Anti-ESM-Protest erreicht Berlin.