Das Krautkrämertum: Politik nach Gouvernantenart

Felix Krautkrämer schreibt im Blog der Jungen Freiheit:

Was haben der Volkstrauertag und der von einer Gruppe Türken auf dem Alexanderplatz totgetretene Jonny K. miteinander zu tun? Die Antwort ist ebenso simpel wie kurz: Gar nichts.

Ein bisschen mehr Recherche hätte den Autor darüber belehrt, dass die Veranstaltung zum Gedenken an deutsche Opfer von Ausländergewalt am Volkstrauertag schon seit Monaten geplant und keine Reaktion speziell auf den Tod von Jonny K. ist. Erinnert werden soll nicht nur an den einen Toten, sondern an die rund 7500 deutschen Opfer von Ausländerkriminalität seit 1990. Hätte Krautkrämer dieses Thema gleich in der Einleitung zutreffend benannt, so hätte er seine Diffamierung der Veranstaltung und ihrer Teilnehmer freilich schwerer plausibel machen können, zu der er mit diesem Einleitungssatz ansetzt.

Volkstrauertag – ein Tag nur für die Soldaten?

Springen wir nun zum Ende des Artikels, weil erst dort, und zwar nach viel verbaler Schaumschlägerei („Provokation um jeden Preis“, „Erlaubt ist, was Schlagzeilen bringt“, „platt“, „Schnapsidee“, „keinerlei Schmerzgrenze“, „Personen denen nichts, aber auch gar nichts peinlich ist“, „selbsternannte Opferanwälte“, „politisches Süppchen“, „billiger Populismus“) das zentrale Argument auftaucht. Dieses lautet wie folgt:

Die Erinnerung an diejenigen, die ein Opfer brachten, ist sein [des Volkstrauertages] eigentliches Anliegen, nicht an die, die Opfer waren.

Und dieses Argument ist falsch:

Der Volkstrauertag gilt allen deutschen Kriegsopfern, nicht nur denen, die als Soldaten Opfer brachten (und dies durchaus nicht immer freiwillig), sondern sehr wohl auch den zivilen Kriegsopfern: den Bombentoten, den Verhungerten, den Verbrannten, den Vergewaltigten, den Verwaisten, den Vertriebenen. Den Entwurzelten, den Entrechteten, denen, die durch das Grauen um den Verstand gebracht wurden. Ist Krautkrämer allen Ernstes der Meinung, diese Menschen seien nicht gedenkwürdig? Und an welchem Tag würde er ihrer denn gedenken, wenn nicht am Volkstrauertag?

Ein reiner Heldengedenktag, also ein Soldatengedenktag, wäre angemessen gewesen zu einer Zeit, als es Tote fast nur auf dem Schlachtfeld gab. Nach den Opfern, die die Zivilbevölkerung in beiden Weltkriegen brachte, ist die Unterscheidung zwischen Front und Heimat unangebracht. Sie war im Grunde bereits bei der Einführung des Volkstrauertages nach dem Ersten Weltkrieg anachronistisch; sie nach dem Zweiten mit seinen unvorstellbaren Verheerungen der Heimat noch aufrechterhalten zu wollen und ausschließlich den Mann in Uniform als Helden, als Opfer und als Opfernden gelten zu lassen, ist verzopfter Militarismus.

Sind aber die deutschen Opfer fremder Gewalt Opfer eines Krieges?

Krieg der Herrschenden gegen das Volk

Selbstverständlich sind sie das. Sie sind Opfer eines Krieges, der gegen das deutsche Volk von dessen eigenen Eliten geführt wird. Er wird auf vielen Ebenen und an vielen Fronten geführt: Eine dieser vielen Fronten ist die Förderung massenhafter Einwanderung von Menschen aus Kulturen, in denen die Bereitschaft und Fähigkeit zur Gewaltanwendung prestigeträchtig ist, und der Angehörigen einer Religion – des Islam -, der als einziger Weltreligion durch kriminologische Untersuchungen bescheinigt wird, dass bei ihren Anhängern eine positive Korrelation zwischen Frömmigkeit und Gewalttätigkeit besteht (bei allen anderen Religionen ist der Zusammenhang gegenläufig).

Angehörige einer archaischen Machokultur auf ein Volk loszulassen, dessen Männer systematisch entheroisiert worden sind, heißt Deutsche gezielt zu Opfern zu machen. Die jugendlichen Schläger „mit Migrationshintergrund“ sind dabei selbstredend nur Fußtruppen; die Generäle sitzen an Kabinettstischen, in Universitäten, Stiftungen, Chefredaktionen, Konzernzentralen und Elitenseilschaften.

Insofern (aber nur insofern!) ist es in der Tat irreführend oder doch zumindest vordergründig, von deutschen Opfern von Ausländergewalt zu sprechen. Es stimmt zwar, aber es stimmt nur, wenn man den Kontext herstellt. Dieser Kontext ist der Krieg der Herrschenden gegen das Volk.

Und dieser Kontext kann nur an diesem einen Tag, dem Volkstrauertag, symbolisch hergestellt werden, gerade weil es an diesem Tag um Kriegsopfer geht!

Die Logik der Provokation und der Kampf um die Symbole

Auszusprechen und symbolisch sichtbar zu machen, dass ein Krieg der Eliten gegen das deutsche Volk stattfindet, ist selbstverständlich eine Provokation, was denn sonst? Es ist aber gerade nicht, wie Krautkrämer unterstellt, eine „billige“, „unnötige“, „platte“ Provokation; es ist kein Schlagzeilenschinden und keine Provokation „um jeden Preis“. Es ist die Kenntlichmachung eines Sachverhaltes, und zwar durch Besetzung eines Symbols! Wenn Krautkrämer fordert, dieses Symbol dürfe niemals einen anderen Inhalt haben, als den, den es vor achtzig Jahren gehabt hat, und dies auch noch damit begründet,

daß die Bundesregierung seit Jahren die Erinnerung an die gefallenen deutschen Soldaten der beiden Weltkriege in ein Gedenken an alle „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ummünzt,

und man doch diesem unappetitlichen Beispiel nicht folgen solle, dann muss ich ob solch bestürzender Naivität ernsthafte Zweifel an seinem politisch-strategischen Urteilsvermögen anmelden: Was glaubt er wohl, warum die Bundesregierung dies tut? Sie tut es aus metapolitischen Gründen: Sie bemächtigt sich eines vorhandenen, wenn auch verblassenden, Symbols und deutet es im Sinne ihrer Ideologie. Sie besetzt das Symbol.

Gewiss, man kann, wie Krautkrämer, diese Besetzung ignorieren und trotzig auf der eigenen Deutung beharren. Man kann sich auch über die bedauerliche Tatsache hinwegsetzen, dass die Anzahl der Menschen im Schwinden begriffen ist, denen die Erinnerung an die gefallenen deutschen Soldaten der Weltkriege noch etwas bedeutet. Man kann sich in der konservativen Wagenburg verschanzen. Aber was immer dies ist: Politik ist es nicht.

Der Kampf um die Symbole ist ein Kampf um die ideologische Deutungshoheit. Wer es schafft, ein vorhandenes Symbol mit einer frischen, einer aktuellen Bedeutung zu versehen, einer Bedeutung, bei der die Menschen das Gefühl haben „Das geht mich etwas an!“, der hat eine Schlacht gewonnen. Wer diesen Kampf nicht führen will, wird zweifellos Gründe finden, sich seinen Rückzug schönzureden. Er sollte nur nicht Anderen in den Rücken fallen, die die Offensive suchen.

Krautkrämer und das politische Gouvernantentum

Im Grunde ist die Kritik an der „Freiheit“ und ihrer Veranstaltung zum Volkstrauertag eine Neuauflage der Kritik an „Pro Deutschland“ und ihrer Ankündigung, den Mohammed-Film zu zeigen. Ich schrieb damals:

Die Kritiker halten sich meist an das Motto: „Das darf man vielleicht, aber das tut man doch nicht.“

Krautkrämer echot nun:

Nicht alles, was erlaubt ist, gehört sich auch.

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass dieselben Rechten, die fast alle schafsmäßig Zustimmung blöken, wenn wieder einmal einer „mehr Provokation“ fordert, bei jeder wirklichen Provokation hektisch das Benimmbüchlein zücken und nachschlagen, ob „sich das denn gehört“. Liebe Leute, schreibt es Euch endlich hinter die Ohren:

Eine Provokation, die sich gehört, ist keine!

Und um noch einmal mich selbst zu zitieren:

Tatsächlich ist die Provokation aber ein Mittel, Realitäten sichtbar zu machen, und sie ist das einzige verfügbare Mittel einer ausgegrenzten Opposition, deren Argumente totgeschwiegen werden.

Wenn die Junge Freiheit ihre Leserzahl ungefähr verfünfzigfacht haben wird, werden solche Provokationen an Bedeutung verlieren, aber erst dann; und ob das altbackene Gouvernantentum eines Herrn Krautkrämer dazu beitragen wird, wage ich zu bezweifeln. Eine Rechte nämlich, die vor Fräulein Rottenmeiers Stirnrunzeln mehr Angst hat als vor dem drohenden Untergang der Nation, wird sicherlich niemanden beunruhigen, schon gar die Feinde dieser Nation. Warum auch? Sie ist ungefähr so sexy wie eine gepuderte Perücke.

Anmerkung zur Partei „Die Freiheit“

Vielleicht war es die Abneigung gegen die „Freiheit“, die Herrn Krautkrämer die Feder geführt hat – wobei die Weltfremdheit wiederum bezeichnend ist, mit der er einer politischen Partei vorwirft, dass sie sich an den Gesetzmäßigkeiten der Politik orientiert. Diese Partei hat aus dem konservativen Lager – auch von mir und gerade von mir – viel Kritik einstecken müssen, und zwar weil sie sich lange Zeit allzu sehr auf den Islam konzentrierte und diesen vom Standpunkt eines ortlosen, abstrakten Liberalismus kritisierte statt von dem der eigenen Interessen. Auf die Veranstaltung zum Volkstrauertag trifft diese Kritik aber gerade nicht zu: Hier wird nicht in klassischer islamkritischer Diktion zum Beispiel der „weltweiten Opfer von islamischem Terrorismus“ gedacht, sondern der deutschen Opfer fremder Gewalt. Hier wird ein Standort bezogen, und deshalb bin ich dabei. Und nein, Herr Krautkrämer, das ist mir nicht peinlich.

Die Lunte am Pulverfass: Türkei rasselt mit dem Säbel

türkische Luftwaffe F4 Phantom
F4 ("Phantom") der türkischen Luftwaffe

[JB analysiert in Fakten-Fiktionen die politischen Hintergründe der Reaktion der Türkei auf den Vorfall, bei dem ein türkisches Kampfflugzeug von syrischen Streitkräften abgeschossen wurde:]

Der Streit um ein türkisches Kampfflugzeug das letzte Woche in den syrischen Luftraum eindrang und in Folge dessen von Syrien abgeschossen wurde eskaliert weiter:

Kampfjet-Abschuss: Riskieren die Türken eine Intervention in Syrien?
Die Türkei will den Abschuss eines ihrer Kampfjets nutzen, um den Druck auf Syrien zu erhöhen. Der Plan birgt erhebliche Risiken: Zerbricht das Land, würde sich das Kurdenproblem verschärfen.Nach dem Abschuss eines türkischen Kampfflugzeuges vom Typ F4 vor der syrischen Küste am Freitag hat die Türkei am Sonntag einen deutlich schärferen Ton angeschlagen, nachdem die ersten Reaktionen zunächst zurückhaltend geblieben waren. Die Türkei verlangte einKrisentreffen der Nato nach Artikel 4 der Nato-Charta. Dieses findet offenbar am Dienstag statt. Artikel 4 bezieht sich auf “Konsultationen”, sofern ein Nato-Mitglied seine Sicherheit als gefährdet betrachtet.

Will sagen: Die Türkei fühlt sich gefährdet weil ein von türkischen Verbündeten mit Militärintervention bedrohtes Nachbarland ein Kampfflugzeug abschiesst, das unbestritten in den Luftraum des Nachbarn eingedrungen ist. Dass viele Türken gerne mal schnell beleidgt sind und auch das “dicke Hose” machen keinesfalls unüblich für Türken ist kein Geheimnis, diesmal scheint aber mehr dahinter zu stecken:

Die Entwicklung ist insofern brisant, als die Staatengemeinschaft schon lange nach Wegen sucht, einen Sturz des syrischen Regimes von Diktator Baschir al-Assad herbeizuführen. Seit mehr als einem Jahr herrscht ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Aufständischen und Regierungstruppen.Die Türkei hatte bereits vor einigen Monaten, nachdem syrische Truppen Schüsse auf türkisches Staatsgebiet abgefeuert hatten, für den Wiederholungsfall eine Intervention angedroht. Die Türkei hat für die syrischen Rebellen Rückzugsgebiete auf türkischem Boden bereit gestellt.

Will sagen: Die Türkei bieten vorsätzlich den syrischen Rebellen einen Rückzugsraum und beschwert sich wenn beim Grenzübertritt der Rebellen ein paar Kugeln die Staatsgrenze überschreitet. Als Syrer könnte man das durchaus als Provokation auffassen.

Zwei Tage waren zwischen dem Vorfall und der Verschärfung der türkischen Reaktion verstrichen; der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte das damit, man habe erst einmal “alle Informationen” sammeln wollen.

Will sagen: Man stellt es so dar dass man in Ankara nicht vorbereitet war und dies somit keine bewusste Aktion war. Wenn das der Warheit entspricht stellt sich die Frage wie das türkische Militär auf die Schnapsidee kommt einen potentiell provozierenden “Radartest” an der syrischen Grenze durchzuführend während man genau weiss dass die Nerven beim Nachbarn ohnehin schon blank liegen. Gute Nachbarn verhalten sich im Bewusstsein der Situation vorsichtiger, zumal ein Land das sich gerade in einem Bürgerkrieg befindet als Kanidat für einen plötzlichen für Angriffkrieg einen Totalausfall darstellt, es demnach also gerade keine erhöhte Bedrohungslage gibt sondern in Hinblick auf feindliche miltärische Aktionen eher eine besonders niedrige. […]

Weiterlesen: Lunte am Pulverfass | Fakten-Fiktionen.

Götz Kubitschek: „Provokation“ (Rezension)

Götz Kubitscheks „Provokation“ ist ein typisches Kaplaken-Bändchen: so komplex, dass man es auch dreimal hintereinander lesen kann, ohne sich zu langweilen, und so dicht in der Gedankenführung, dass man am liebsten das ganze Buch zitieren möchte.

Es handelt sich gewissermaßen um einen Ratgeber für Rechte und solche, die es werden wollen: die also das Lügensystem durchschaut haben, das uns an der Erkenntnis hindern soll, dass unser Land auf einen Abgrund zusteuert; die wissen, dass wir uns dem Vorbürgerkrieg nähern; die voll Verzweiflung spüren, dass der Abgrund näher kommt, ohne das der Kurs unseres Landes sich auch nur um eine Gradminute ändert; und die auch die Illusionen über die selbstmörderische Trägheit unseres Volkes verloren haben:

Gegenwehr oder Verschwinden: Das sind die beiden Möglichkeiten, die wir haben. Wie man verschwindet, hat Jean Raspail im Heerlager der Heiligen beschrieben. Der Kampf um die Vorherrschaft im eigenen Raum ist ein Kampf, keine Diskussion. Wenn eine Seite die Kraft für die Auseinandersetzung nicht aufbringt, verschwindet sie einfach. Oder mit anderen Worten: Wenn wir Deutschen zu zivilisiert für die Notwendigkeiten des Vorbürgerkriegs bleiben, ist die Auseinandersetzung bereits entschieden. ‚Nur Barbaren können sich verteidigen‘, sagt Nietzsche.

Allgemein gewendet: Wem sein Vaterland lieb ist, muß den Vorbürgerkrieg gewinnen, bevor er unbeherrschbar wird. Und da dieser Krieg neben dem handfesten, den die Polizei und jeder Angegriffene auf der Straße und in seinem Viertel auszufechten hat, vor allem ein geistiger Bürgerkrieg gegen die Lobbyisten der Zersetzung ist, müssen wir die eine, traurige Wahrheit predigen, wo wir zu Wort kommen: Es sind die Deutschen selbst, die gegen ihr Land und gegen ihr Volk arbeiten. Es sind die Deutschen selbst, die das Experiment einer neuen Gesellschaft nicht und auch nach der zwanzigsten Lektion noch immer nicht beenden wollen. Es sind die Deutschen selbst, die ihre Zukunft abtreiben oder gar nicht erst zeugen und sie so in fremde Hände geben.

Aber nicht alle Deutschen sind so. Und diejenigen, die nicht so sind, müssen die Lage erfassen.

Und Konsequenzen daraus ziehen. Aber welche?

Die Zuspitzung der Begriffe und die Kennzeichnung der Gegner: Das sind unsere Aufgaben.

Aber:

Verbrämen wir niemals unsere lehrreichen Versammlungen und Gespräche: Sie gleichen einem Museum, wenn sie nicht zum Bekenntnis und zur Tat beflügeln. … Jeder muß doch dort, wo er steht, davon zeugen, daß es auch einen anderen Blick auf die Dinge gibt, eine rechte Sicht, und eine Art, sich zu bewegen und überhaupt zu leben, die dazu paßt.

Dieses Zeugnis ist an und für sich eine Provokation, bekennendes Leben ist provozierendes Leben. Provokation, kluge, arrogante, witzige, schockierende, plötzliche, stete, situative Provokation ist für unseren Zweck das unausweichliche und das geeignete Mittel.

(…)

Provokationen leben von der Wahrnehmung, denn ihr Ziel ist, eine Reaktion (und sei es nur die Verblüffung) hervorzurufen.

Wahrgenommen wird das Unerwartete, wahrgenommen wird der gezielte Regelverstoß, wahrgenommen, zwingend wahrgenommen wird die bewußte oder unbewußte Verletzung des Regelwerks der Harmlosigkeit, das die derzeitige deutsche, nur scheinbar nach allen Seiten offene Herrschaftsstruktur absichert und bewehrt.

(…)

Solange es keinen wirkungsvolleren Schock gibt, als jenen, des Denkens mächtig und rechts zu sein, solange wird sich jede Party von selbst auflösen, wenn einer von uns zu ungebetener Stunde sein Bekenntnis ablegt oder bloß unmißverständlich seine Meinung sagt und die Herkunft dieser Meinung preisgibt.

Damit macht man sich freilich nicht beliebt, und nicht Jeder kann überall provozieren. Nicht nur liegt es nicht in jedermanns Charakter. Viele von uns waren, wie ich, früher links, und Viele stecken deswegen auch heute noch in linksdominierten Strukturen, bis hinein in Sozialarbeit, Uni-Milieu und Gewerkschaften. (Am Tag des Gezeitenwechsels, und der wird kommen, werden die Linken sich wundern, wer alles zu uns gehört. Ich freue mich jetzt schon auf die dummen Gesichter.). Solche Leute leben davon (und zwar ganz buchstäblich), dass man sie nicht für rechts hält. Aber auch die können in ihrem Bereich, und sei es nur durch das Beharren auf elementaren Anstandsregeln, dafür sorgen, dass die linke Jauche nicht überall hinschwappt.

Überhaupt muss Jeder erst einmal an sich selbst und seinem Umfeld arbeiten. Er muss sich vor allem klar sein, dass es keine Utopie oder Ideologie geben wird, die ihm das Denken abnimmt. Das Beharren auf der eigenen geistigen und sittlichen Unbestechlichkeit ist die erste Bürgerpflicht (gerade für die, die zu praktischen Kompromissen gezwungen sind). Zur Unbestechlichkeit gehört, gar nicht erst nach einer Ideologie zu suchen, zu der man nur „Ja“ sagen muss; wer das versucht, ist bereits ein Mitläufer.

Kubitschek zitiert Armin Mohler:

„Ein Rechter wird man durch eine Art von ‚zweiter Geburt‘. Man hat sie durchlebt, wenn man sich – der eine früher, der ander später – der Einsicht öffnet, daß kein Mensch je die Wirklichkeit als Ganzes zu verstehen, zu erfassen und zu beherrschen vermag. Diese Einsicht stimmt manchen melancholisch, vielen andern aber eröffnet sie eine wunderbare Welt. Jedem dieser Typen erspart sie, sein Leben mit Utopien, diesen Verschiebebahnhöfen in die Zukunft, zu verplempern.“

Und weiter Kubitschek:

Das Gebrochene ist die Erkenntnis, daß die Welt nicht aufgeht, das heißt: „daß Wirklichkeit und menschliches Denken nie zur Deckung zu bringen sind“ (Armin Mohler). Es gibt keine Formel, es gibt keine Gleichung, kein Funktionsmodell, das den Lauf der Dinge abbilden könnte. Dies liegt daran, daß es in dem besagten Lauf der Dinge kaum eine Entwicklung gibt, keine allgemeingültige Stoßrichtung, allenfalls Wellenbewegungen, Pendelausschläge. Es gibt kluge Deutungen, entlang gewisser Strukturen vielleicht, die … immer nur einen Teil erfassen, sozusagen die halbe Wahrheit, und dringend ihrer Ergänzung durch eine andere Perspektive bedürfen. Wohl stammt von diesem Umstand her die strukturelle Benachteiligung einer rechten, konservativen, gegenüber einer linken Geschichtsdeutung und Gesellschaftstheorie. Während der Rechte das Perspektivische, das Vielschichtige immer mitdenken und argumentativ vertreten wird, bügelt der Linke die ganze Weltgeschichte über einen Leisten und extrapoliert eine saubere Utopie daraus, die betörend stringent klingt und aus der vermeintlichen Unordnung des Lebens eine höchst einfache Angelegenheit macht.

Um es an einem Beispiel zu sagen: Mir ist vollkommen klar, dass der rechte Antiglobalismus, von dem ich ausgehe, keineswegs das einzige Paradigma ist, das mir Wirklichkeit erschließen kann. Es ist nur dasjenige, das mir die meisten und klarsten Antworten auf die Frage liefert, wie unsere Zivilisation, wie unser Volk in eine existenzielle Krise geraten konnte. Deswegen arbeite ich bevorzugt an und mit den Begriffen dieses Paradigmas und entwickle sie weiter; dabei bleibt die Möglichkeit einer alternativen Wirklichkeitsbeschreibung immer mitgedacht.

Wartet nicht darauf, dass eine Fahne des Weges kommt, der Ihr hinterherlaufen könnt. Wer passiv wartet, dem wird eine solche Fahne nie begegnen, und wenn, ist es die falsche. Wenn aber genügend von uns an ihrer eigenen Haltung arbeiten und den

Kampf um die eigene Unversehrtheit

gewinnen, erreichen wir die kritische Masse, und dann kommt die zu solchen Menschen passende Fahne ganz von selbst. (In diesem Zusammenhang verweise ich auf einen Kommentar von Deep Roots bei As der Schwerter. Deep Roots zitiert eine amerikanische Untersuchung, die einen Fingerzeig liefert, wie aus Minderheiten Mehrheiten werden können, sofern sie zum Nonkonformismus entschlossen sind. Dass ich Deep Roots‘ eigene Schlussfolgerungen höchst problematisch finde, steht auf einem anderen Blatt.)

Es gäbe noch allerhand zu sagen, aber Ihr könnt das Buch ja auch selbst lesen. Ich beschränke mich darauf, Kubitschek das Schlusswort zu lassen:

Rekrutiere Unentschlossene und Suchende. Wenn das politische Angebot der Bundesrepublik eine Messehalle ist, dann hat die Präsentation nationaler Ware jenseits des Diskurskonsenses derzeit ihren Platz hinter einer Klotür: Anderswo war – nach Auskunft der Betreiber – kein Stand mehr frei. Provokation bedeutet in diesem Fall, den Stand zu verlassen und als lebende Wegweiser die Halle zu durchkämmen. Dort stehen junge Männer und Frauen fremd vor den Prachtbuden der Parteien, Meinungsmacher, Lobbyisten und BRD-Säulenheiligen und versuchen, ihre Fragen mit den unernsten Antworten des Diskurskonsens-Milieus abzusättigen. Aber stets bleibt ein Gefühl von Unterernährung. Und wenn dieser Hunger dazu führt, daß einer den Blick hinter die Kulissen wirft (wie Du), ist Dein Moment gekommen. Zeige ihm, was dahinter steckt.