Erdogan, der böse Wolf?

taksim erdogan

Alle europäischen Medien und alle europäischen Regierungen sind sich einig: Der türkische Ministerpräsident Erdogan ist ein brutaler Diktator, der auf das eigene Volk schießt. So ungefähr, wenn auch mit Abstufungen, lautet der Tenor der politischen Stellungnahmen, mit denen wir seit einer gefühlten Ewigkeit bombardiert werden. Es scheint niemanden zu geben, der diese Auffassung hinterfragt, und niemanden, der gewisse Merkwürdigkeiten sowohl in den Ereignissen selbst als auch in der darauf bezogenen Berichterstattung wahrnimmt.

Da ist zum einen der Ablauf der Ereignisse, genauer das groteske Missverhältnis zwischen dem Anlass der Demonstrationen, der Betonierung eines Istanbuler Parks, und der Dramatik der Entwicklung, bei der aus einem lokalen Funken ein landesweiter Flächenbrand bürgerkriegsähnlicher Unruhen geworden ist und eine kommunalpolitische Streitfrage in die Forderung nach dem Rücktritt der Regierung mündete.

Zwar kennen wir solche Abläufe aus der Geschichte, aber dabei handelte es sich jeweils um Demonstrationen gegen Diktaturen, die politische Opposition grundsätzlich unterdrückten und mundtot machten. Wenn unter solchen Umständen eine Demonstration zustandekommt, egal für welches Anliegen, dann liegt es in der Natur der Sache, dass jede Art von Unzufriedenheit sich in ihr artikuliert, und dass das Volk, das sonst keine Stimme hat, die Gelegenheit beim Schopf packt, gleich das ganze Regime loszuwerden. Dies war etwa der Ablauf am 17. Juni 1953.

Die Türkei aber ist keine Diktatur, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es die DDR war. Sie ist gewiss keine Musterdemokratie wie die Schweiz, aber es kann doch nicht ernsthaft davon die Rede sein, dass Opposition dort nicht möglich oder in Wahlen ohne Erfolgschance wäre. Angesichts der rapiden Eskalation und Ausweitung sowohl der Unruhen als auch der in ihnen artikulierten Forderungen ist die offiziöse Version, dass wir es hier mit einem spontan sich vollziehenden Vorgang zu tun hätten, wenig glaubwürdig. Wenn man bedenkt, wie lange der Machtkampf zwischen islamistischen und im weitesten Sinne kemalistischen Kräften in der Türkei schon andauert und mit wie harten Bandagen er geführt wird, dann liegt die Vermutung zumindest nahe, dass hier ein von langer Hand geplanter und wohlorganisierter Versuch vorliegt, das Land unregierbar zu machen und dadurch, d.h. letztlich durch Gewalt, dessen gewählte Regierung zu stürzen. […]

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Pussy Riot und die deutsche Ochlokratie

Alle deutschen Politiker und Medienschaffenden sind sich einig: Das Urteil gegen die Punkband „Pussy Riot“ sei „rechtsstaatswidrig“, „politisch motiviert“ und „Justizwillkür“, die „die Menschenrechte missachte“; Russland habe damit gezeigt, dass es weder ein Rechtsstaat noch eine Demokratie sei. Irgendwelchen Widerspruch gegen diese Diagnose kann man im Mainstream mit der Lupe suchen.

Medienkampagnen sind in Deutschland an der Tagesordnung, und oft genug haben sie eine erkennbare politische Funktion, wie etwa die Hetzkampagne gegen das syrische Regime, die offenkundig der propagandistischen Kriegsvorbereitung dient, oder die Kampagne „gegen Rechts“, die sich an den angeblichen NSU-Morden entzündet hat, und bei der all den „investigativen“ Journalisten nicht auffällt oder auffallen darf, dass die Nazimörderstory, die die Sicherheitsbehörden uns in diesem Zusammenhang auftischen, durch kaum einen greifbaren Beweis untermauert ist, dafür aber von Ungereimtheiten nur so strotzt.

Die Kampagne für „Pussy Riot“ ist dadurch bemerkenswert, dass ein unmittelbar politisches Motiv nicht erkennbar ist, und dass ein Journalist, der die Musikerinnen kritisieren oder Verständnis für das Urteil äußern würde, dadurch nicht die Grenzen der Political Correctness überschreiten oder seine Karriere riskieren würde. Die Selbstgleichschaltung der Medien im Falle „Pussy Riot“ geschieht offenbar aus Überzeugung und wirft gerade dadurch ein Licht auf die Art der Überzeugungen in den Köpfen jener Menschen, die den politisch-medialen Komplex bilden. Es handelt sich um einen jener Vorgänge, die blitzartig beleuchten, von welcher Art Menschen wir regiert und (des-)informiert werden, und man ist stets aufs Neue verblüfft, dass diesen Menschen offenbar nicht klar ist, was sie mit ihren Stellungnahmen über sich selbst aussagen.

Es ist ja nicht etwa so, dass die in den Medien ausschließlich verbreitete Meinung über die Vorgänge in Russland sich quasi von selbst verstünde, im Gegenteil: Es ist sogar ungewöhnlich schwierig, sie mit Argumenten zu stützen, und es bedarf daher eines ungewöhnlichen Maßes an Voreingenommenheit, ja Verbohrtheit, sie überhaupt vorzutragen. Gewiss gibt es in allen Lebensbereichen Menschen mit fragwürdigen Geistes- und Charaktergaben, wie eben zum Beispiel Voreingenommenheit und Verbohrtheit, und es gibt keinen Grund, warum es sie gerade in Politik und Medien nicht geben sollte. Dass sie aber alle dieselbe Art von Verbohrtheit an den Tag legen: Das ist das Aufschlussreiche!

Rechtsstaatwidrig? Die jungen Frauen haben gegen das russische Strafrecht verstoßen und wussten das. Zum Rechtsstaatsprinzip gehört, dass jede bekanntgewordene Straftat auch verfolgt werden muss. Sie im Einzelfall aus politischen oder sonstigen rechtsfremden Gründen nicht zu verfolgen: Das wäre rechtsstaatswidrig!

Unverhältnismäßig? Das Delikt, um das es geht, kann mit bis zu sieben Jahren Haft geahndet werden; da kann man eine zweijährige Haftstrafe schlecht „unverhältnismäßig“ nennen.

Willkürlich? Was als „verhältnismäßig“ zu gelten hat und was nicht, ist auch eine Frage der jeweiligen Rechtskultur. Wäre die russische Justiz sonst für ihre Milde bekannt und hätte nur in diesem einen Fall eine Freiheitsstrafe verhängt, so könnte man vielleicht von politisch motivierter Willkür sprechen. Da die russische Justiz aber generell härtere Urteile verhängt als zum Beispiel die deutsche, kann von willkürlicher Härte kaum die Rede sein; eher schon muss man dem Gericht eine für russische Verhältnisse ungewöhnliche Milde bescheinigen. Der deutsche Staat dagegen hat sich eine nichtchristliche Staatsreligion zugelegt und setzt sie mit einer Härte und Willkür durch, die der irgendeines autoritären Regimes mindestens gleichkommt:

Ein Staat wie die BRD, die brutalste Schläger mit kleinen Bewährungsstrafen davonkommen lässt, dafür aber bloße Meinungsdelikte, etwa die Holocaustleugnung, also den bloßen Dissens mit der etablierten Geschichtsauffassung, mit mehrjährigen Gefängnisstrafen ahndet – ein solcher Staat muss sich aus solchen Gründen durchaus den Vorwurf gefallen lassen, aus politischen Motiven zu unverhältnismäßiger willkürlicher Härte zu greifen – der russische aber zumindest nicht wegen Pussy Riot.

Ja, darf es denn solche Rechtsnormen überhaupt geben? Muss es nicht erlaubt sein, jederzeit und überall Jedem, auch dem, der es nicht hören will, die eigene politische Meinung oder religiöse Doktrin ins Gesicht zu schreien?

Durchaus nicht. Es muss allenfalls im öffentlichen Raum erlaubt sein, etwa auf der Straße, im Internet oder im Parlament – und selbst dort unterliegt es vernünftigerweise Einschränkungen, nicht nur in Russland. Eine Kirche ist aber kein öffentlicher Raum in dem Sinne, das sie zu jedem Unfug benutzt werden dürfte, und die Menschen, die dort hingehen, tun es, um Gott nahe zu sein, nicht aber, um mit dem ordinären Gepöbel von schrillen Gören konfrontiert zu werden, die ihre Gruppe ausgerechnet „Votzenrandale“ nennen.

Dieselben deutschen Journalisten, die nun glauben, es gehöre zu den Menschenrechten, in einer Kathedrale „Die Kirche ist die Scheiße Gottes“ skandieren zu dürfen, konnten sich nur zähneknirschend zu dem Eingeständnis durchringen, dass es wohl – leider, leider – nicht verboten werden könne, auf der Straße Mohammedkarikaturen hochzuhalten, und würden lauthals nach dem Kadi rufen, wenn es Islamkritikern einfiele, dasselbe in einer Moschee zu tun. Und wenn etwa Mitglieder einer rechtsextremen Rockgruppe es wagen würden, in eine Synagoge einzudringen und dort antijüdische Parolen zu rufen, dann würde die Journaille eher über die Einführung der Todesstrafe als über die „Verhältnismäßigkeit“ einer Freiheitsstrafe diskutieren.

„Pussy Riot“ konnten nur dadurch zu Heldinnen der politisch-medialen Klasse werden, dass sie in einem christlichen Gotteshaus randalierten, dass sie das Christentum durch den Schmutz zogen, und dass die Betroffenen Christen und Russen, also Angehörige des Mehrheitsvolkes und der Mehrheitsreligion waren. Was die Votzenrandaliererinnen mit deutschen Meinungsmachern verbindet, ist der Hass auf Christen und das Christentum, der Hass auf das eigene Volk, die eigene Herkunft, die eigene Geschichte.

Identität und geschichtliche Verwurzelung des russischen Volkes werden ja durch nichts so sehr verkörpert wie durch die orthodoxe Kirche. Der Hass, der ihr und dem eigenen Volk gilt, ist der Hass des sich selbst absolut setzenden, des entwurzelten rücksichtlosen Ego auf jede Form von historischer wie sozialer Bindung und Einbindung. Es ist der Hass von Menschen, die kein Gestern, kein Morgen und kein Wir kennen, auf die Institution, deren schiere Existenz sie daran erinnert, dass sie seeliche Krüppel sind. Es ist der Hass von Menschen, die sich nur frei fühlen, wenn sie das, was ihnen unbegreiflich und unerreichbar ist, in jenen Schmutz ziehen dürfen, in dem sie selbst sich suhlen, weil sie ein Teil davon sind. Es ist der Hass des Hässlichen auf das Schöne, des Niedrigen auf das Erhabene, des Nichtigen auf das Ewige. Es ist der Hass des Asozialen auf den Anstand.

Gerade in der zur Schau getragenen Asozialität der jungen Frauen erkennt die westliche Meinungs-„Elite“ sich wieder, deren Mitglieder ihre eigene Unreife und missglückte Sozialisation notdürftig unter Nadelstreifen verstecken. Die Votzenrandale ist genau das, was sie selbst gerne praktizieren würden und auch tatsächlich praktizieren, nur dass sie es nötig haben, ihre ordinäre Destruktivität als „Liberalität“ zu bemänteln, während sie daran arbeiten, die Kloake in ihren Köpfen zuerst als Ideologie durchzusetzen und dann als Zustand der Gesellschaft zu verallgemeinern. Pussy Riot und die deutsche Medien-Ochlokratie sind Brüder und Schwestern im Geiste des Abschaums.

Die „Nichtregierungsorganisation“ Avaaz und der Infokrieg um Syrien

Friederike Beck hat schon vor einiger Zeit die Organisation Avaaz.org unter die Lupe genommen und ihre Methoden und ihre Rolle im Informationskrieg um Syrien analysiert. Aus ihrem Artikel:

Avaaz wurde im Januar 2007 in New York gegründet und startete mit einem Kapital von einer Million US-Dollar. Im Januar 2011 konnte die Organisation sich zum ersten Mal in allen Bereichen (Angestelltengehälter, Büromieten, Kosten für die Kampagnen) durch Spenden ihrer Mitglieder finanzieren, so die „Times“2. Begründer sind eine Reihe von Nicht-Regierungsorganisationen (NROs), verschiedene US-Stiftungen sorgten für die Anschubfinanzierung.3 Nachfolgend eine Liste der involvierten Organisationen:

ResPublica, eine US-NRO, die Berufsaktivisten trainiert, die sich für „Good Governance“ und das Gute schlechthin einsetzt. Res Publica startete 2001/2002 als Pilotprojekt in Sierra Leone und wurde offiziell im Dezember 2003 gegründet. Die NRO hat drei Vollzeit-Stipendiaten, unterstützt durch ein größeres Netzwerk der „Freunde der Res Publica“ und ein Global Advisory Board. Ihr Sitz ist in New York. Die Organisation nimmt für sich in Anspruch, Avaaz „erfunden“ zu haben. Verfolgt man die Ursprünge von ResPublica, so finden sich im Hintergrund u. a.

Open Democracy, eine NRO, die gefördert wird vom währungskriminellen, vorbestraften Börsenspekulanten George Soros4, der Rockefeller Foundation, dem Rockefeller Brothers Fund, der Ford-Foundation, Atlantic Philantrophies, eine US-Stiftung, die „strategische Philantrophie“ übt und Politik in ihrem Sinne finanziell unterstützt

sowie die Open Society Foundations, ebenfalls ein Soros-Projekt.5

Weiterhin das Center for American Progress, ein politischer Denktank, welcher der Obama-Administration nahe steht,

das Open Society Institute (gehört zu Open Society Foundations) und

die International Crisis Group6, in deren Vorstand u. a. George Soros und Joschka Fischer sitzen; sie wird von Ölkonzernen wie Chevron und Shell beraten und von einem Mix aus US-Stiftungen, Milliardären und westlichen Regierungen finanziert. Die internationale Krisengruppe mit Hauptquartier in Washington DC unterhält 17 Stützpunkte im Ausland und arbeitet mit „Analysten“ in 50 verschiedenen krisengeplagten Ländern. Die zehn „Forschungsgebiete“ der Organisation sind: Islamismus, Gewalt und Reformen, Energiepolitik, die Doktrin der „Responsibility to Protect“ (als die behauptete Verantwortung, sich in die Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen zu müssen, wenn es um den Schutz der Zivilbevölkerung gehe), Frieden und Gerechtigkeit, Gender, Klimawandel, internationaler Terrorismus, Demokratisierung, die EU und ihre Fähigkeit zum Engreifen in Krisen, HIV/AIDS als Sicherheitsproblem. Diese Themen decken sich ganz auffällig mit dem Interessenspektrum von Avaaz.

George Soros, Open Society Foundations: acht Milliarden Dollar für Transformation

(abgelichtet auf dem World Economic Forum in Davos 2010, Quelle: Wikimedia Commons)

Weitere Avaaz-Mitgründer sind:

MoveOn.org, eine 1998 gegründete, u. a. von George Soros finanzierte US-NRO, die politische Themen nach vorn bringt. Sie erprobte in den USA die Möglichkeit von Internet-Kampagnen, die dann für Avaaz weltweit umgesetzt wurde.

Service Employees International Union, eine US-Gewerkschaft, die 28 Millionen US-Dollar für Obamas Wahlkampf spendete und

GetUp!, eine australische Kampagnen-Organisation ähnlich Avaaz.

Neben NROs standen jedoch auch Einzelpersonen als Gründer von Avaaz bereit (Es finden sich interessante personelle Überschneidungen mit einigen zuvor genannten Organisationen):

Da wäre als erstes Ricken Patel, der Avaaz-Präsident, ein Kanadier, russisch-englisch-indischer Herkunft,

Tom Pravda von Integrity, eine Gruppe, die Analysen aus Krisenregionen liefert,

der ehemalige US-Kongressabgeordnete Tom Perriello, Präsident des Center for American Progress Action Fund,

MoveOn.org-Direktor Eli Pariser,

der australische Unternehmer David Madden, Mitbegründer von GetUp!, arbeitete für die Weltbank,

Jeremy Heimans, Mitgründer von Purpose.com, Berufsweltverbesserer und McKinsey-Berater und

Andrea Woodhouse, Weltbank-Mitarbeiterin sowie

Ben Brandzel7, ehemaliger Kampagnendirektor bei Avaaz, heute dort im Vorstand, als „Progressive Online Organizer“ tätig. Lebt in Washington DC und Berkeley.

Der Avaaz-Vorstand besteht zurzeit aus dem Präsidenten Ricken Patel sowie Eli Pariser und Ben Brandzel. Weiterhin gibt es 52 festangestellte „Avaazer“.

Schon an diesem Punkt lässt sich sagen, dass es sich bei Avaaz wohl kaum um eine „Graswurzelbewegung“ junger Idealisten handeln kann

Schon an diesem Punkt lässt sich sagen, dass es sich bei Avaaz wohl kaum um eine „Graswurzelbewegung“ junger Idealisten handeln kann, sondern um eine von äußerst mächtigen und extrem reichen US-Eliten gegründete Organisation.

[…]

Weiterlesen bei zeitgeist-online. Der Artikel enthält eine Reihe von interesanten Details und weiteren Quellen zum Syrienkonflikt.

Friedensbewegung: Dr. Sabine Schiffer und das “Institut für Medienverantwortung”

[Übernahme (mit freundlicher Genehmigung des Autors) vom Weblog Sicherheitspolitik. Erstveröffentlichung dort am 18.07.2009.]

Vergangenes Jahr erlebten wir auf einer Demonstration gegen den Afghanistan-Einsatz in Berlin einen Vortrag von Dr. Sabine Schiffer, die das “Institut für Medienverantwortung” betreibt. Sie trat zuletzt verstärkt im Umfeld der Friedensbewegung auf, wo sie aufgrund des wissenschaftlichen Anstrichs ihrer Arbeit als Expertin betrachtet wird. Frau Schiffer wird auch außerhalb der Friedensbewegung wahrgenommen und ist u.a. Mitglied der Islamkonferenz der Bundesregierung.

Sie lehnt ihre Arbeit an die des Literaturwissenschaftlers Edward Said an, der allen Diskussionen westlicher Gesellschaften über den Nahen Osten und den Islam pauschal Rassismus und niedere Motive unterstellte. Er vermutete eine Verschwörung, die gezielt Feindbilder konstruiere, um damit Interventionen oder andere Einflussnahme zu begründen. Wissenschaftlich sind die Thesen Saids fragwürdig, und er selbst verfolgte eher politische als wissenschaftliche Motive bei der Aufstellung seiner Thesen (Kritik siehe z.B. hier und hier). Innerhalb der Friedensforschung und der Friedenbewegung sind Saids Gedanken dennoch bis heute einflussreich.

Streng der Tradition Saids folgend sieht Frau Schiffer jede Darstellung des Islams oder islambezogener Themen, die von positiven Selbstbildern der beschriebenen Akteure abweicht, als Fälle von “Islamophobie” oder “Kriegspropaganda” an. Ein Beispiel ist ihre Besprechung von Khaled Hosseinis “Drachenläufer”[Text war ursprünglich verlinkt. Link ist nicht mehr gültig, M.K.-H., 29.01.2011] . Weil Hosseini sich kritisch mit den Taliban auseinandersetzt, wirft sie ihm “Kriegspropaganda” vor, die Teil einer Verschwörung sei, “um uns auf den Krieg einzuschwören”. Damit ihre Argumentation überhaupt in Ansätzen funktioniert, behauptet sie entgegen der Fakten , dass die humanitäre Situation in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban besser gewesen sei.[Text war ursprünglich verlinkt. Link ist nicht mehr gültig, M.K.-H., 29.01.2011]

Einem antiwissenschaftlichen, postmodernen Wahrheitsbegriff folgend ist es für Frau Schiffer ansonsten unerheblich, welche Situation in Afghanistan tatsächlich vorliegt und ob ein von ihr kritisiertes Medienprodukt diese Situation akkurat beschreibt oder nicht. Entscheidend für sie ist, ob das Produkt ihrer politischen Sichtweise folgt. Ist dies nicht der Fall, wird es als “islamophob” eingestuft oder bezeichtigt, “Feindbilder” zu propagieren. Wissenschaftlich ist die Arbeit nicht haltbar, denn sie macht subjektive Wahrnehmungen zum einzigen Kriterium der Untersuchungen. Es werden keine falsifizierbaren Thesen auf der Grundlage empirischer Beobachtungen aufgestellt, sondern nur Behauptungen geäussert, deren Grundlage Gefühle sind. Es handelt sich um Aktivismus mit schwacher argumentativer Grundlage und mit fragwürdiger politischer Zielrichtung.

Frau Schiffers Arbeit ist im antiimperialistischen Spektrum einzuordnen, welches die Friedensbewegung allgemein stark prägt. Dieses Spektrum unterscheidet sich von der klassischen Linken dadurch, dass es für Inhalte wie Frauenrechte, Säkularismus, Religionsfreiheit und Minderheitenschutz nur dann eintritt, wenn sie als Anklage gegen den Westen verwendet werden können. Als zentrales Problem der Gegenwart wird von Antiimperialisten die starke politische Rolle des Westens angesehen, der als Träger negativer Eigenschaften betrachtet wird. Man unterstützt daher Bewegungen, welche als Herausforderer des Westens wahrgenommen werden. Den meisten Antiimperialisten ist zumindest indirekt bewusst, dass diese Bewegungen nur in Ausnahmefällen tatsächlich Träger sozialen Fortschritts sind. Die Aktivisten versuchen diesem Widerspruch zu begegnen, indem sie unschöne Fakten als “Feindbilder” abtun.

Wie weit Frau Schiffer in ihrer Unterstützung antiwestlicher Akteure zu gehen bereit ist, unterstreicht ein Interview, dass sie aktuell dem staatlichen iranischen Propagandasender IRIB [Text war ursprünglich verlinkt. Der Link ist nicht mehr gültig, M.K.-H., 29.01.2011] gegeben hat. Dort liefert sie der laufenden islamistischen Kampagne gegen Deutschland bzgl. des Tods von Marwa al-Sherbini rhetorische Munition und kritisiert mit nicht einem Wort die Rolle der iranischen Regierung in dieser Kampagne.

Die iranische Führung verfolgt mit der Kampagne gegen Deutschland die Absicht, sich international als islamische Führungsmacht darzustellen und Muslime gegen den Westen zu radikalisieren. Von einer Aufhetzung gegen den Westen verspricht man sich auch positive innenpolitische Effekte. Frau Schiffer dient sich dieser Kampagne als willige Helferin an.