Zur Dialektik des Liberalismus

In einigen meiner letzten Artikel („Die Liquidierung der Zivilisation“, „Armin Mohler: Gegen die Liberalen“, „Bei Nacht und Nebel“) habe ich die These vertreten, dass die Krise unserer Zivilisation unter anderem Ergebnis der Eigenlogik liberaler Ideologie ist. Für diese These habe ich in den dazugehörigen Kommentarsträngen heftige Gegenrede von Le Penseur geerntet. Le Penseur führte neben vielen anderen Argumenten an, die Politik einer sich liberal nenndenden Justizministerin, die soeben bei Nacht und Nebel das Meinungsstrafrecht verschärft, könne so wenig als Argument gegen den Liberalismus herhalten wie die Politik von Angela Merkel als Argument gegen das Christentum.

Heute komme ich endlich dazu, ausführlich zu antworten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der folgenden Überlegungen stelle ich meine Replik nicht als Kommentar, sondern als Beitrag ein:

Vielleicht sollt ich einmal noch deutlicher machen, worum es mir bei meiner Liberalismuskritik geht:

Ausgangspunkt ist für mich die Frage, wie es kommt, dass für unsere Gesellschaft die Frage nach ihrer eigenen Erhaltung und ihrer eigenen Zukunft bedeutungslos ist; warum sie systematisch ihre eigenen Grundlagen zerstört; warum nicht der sich rechtfertigen muss, der an der Zerstörung der Zivilisation arbeitet, sondern der, der sie erhalten will.

Eine Teilantwort lautet, dass die Frage, was die Gesellschaft zusammenhält, das Erstaunen darüber, dass sie zusammenhält, die typische Ausgangsfrage konservativen Denkens ist. Das heißt ja nicht, dass man gegen die Freiheit ist, sondern dass man sich bewusst ist, dass Freiheit nur auf der Basis einer sie ermöglichenden Ordnung möglich ist – und damit ist keineswegs nur die Rechtsordnung gemeint. Das Recht kann nur regeln, was einer nicht tun darf. Es kann (und darf) der Gesellschaft nicht die Normen und Werte vorschreiben, die durch Sozialisation verinnerlicht – oder eben nicht verinnerlicht – werden.

Patriotismus – um dieses Beispiel zu verwenden – kann man niemandem vorschreiben, und ein Volk kann auch mit ein paar ganz unpatriotischen Einzelnen gut leben. Es kann aber nicht überleben, wenn niemand mehr Patriot ist, wenn also niemand mehr sich fragt, was er für sein Land tun kann.

Diese Frage nach den strukturellen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen von Zivilisation (und damit nach den notwendigen Voraussetzungen von Freiheit) an den Anfang zu stellen, ist der Ausgangspunkt konservativen Denkens, und genau dadurch unterscheidet es sich von den liberalen und linken Ansätzen, die – explizit oder unausgesprochen – Rechte, Freiheiten und die Emanzipation von vorgefundenen Bindungen an den Anfang stellen und bestenfalls – wenn überhaupt – in einem zweiten Schritt fragen, wieviel Strukturzerstörung man sich praktisch leisten kann, ohne dass der Laden auseinanderfliegt.

Es geht nicht darum zu behaupten, linke oder liberale Ansätze seien a priori „falsch“ – denn keine Ideologie ist von vornherein so blöde, dass sie nicht irgendetwas Richtiges benennen könnte. Wie ich an anderer Stelle schon sagte: Jede Ideologie ist eine Brille, durch die man manches scharf fokussiert sieht, anderes überhaupt nicht.

Es geht darum, dass konservative Ansätze im oben skizzierten Sinne praktisch aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt sind, und dass deswegen das nötige Korrektiv fehlt, das lange Zeit verhindert hat, dass die gemeinsamen Grundannahmen linker und liberaler Ideologie zu Selbstverständlichkeiten werden konnten, die praktisch nicht mehr hinterfragt werden. Es ist diese Selbstverständlichkeit, die das Denken der Gesellschaft blockiert und sie in das Schema unangemessener Begriffe zur Beschreibung ihrer Wirklichkeit zwingt.

Liberale Ansätze werden praktisch nur noch vom marxistischen, marxistische Ansätze nur noch vom liberalen Standpunkt kritisiert. Was nicht kritisiert wird, obwohl es unsere Kultur zerstört, ist die kulturelle Selbstverständlichkeit, dass die Wirklichkeit auf der Basis normativer Gedankensysteme, letztlich vom Standpunkt der Utopie her, zu kritisieren und entsprechend solchen Systemen zu verändern sei.

Sie missverstehen meine Kritik, wenn Sie darauf abheben, dass unsere Gesellschaft doch gar nicht in einem strengen Sinne liberal sei, wenn man nur an die vielen Staatseingriffe, Sozialstaatlichkeit etc. denke, wie Sie das an anderer Stelle ausgeführt haben. Ich verweise nochmals auf meinen Artikel zur Liquidierung der Zivilisation: Nicht der Liberalismus allein ist die Grundlage der gesellschaftlich vorherrschenden Ideologie, sondern Marxismus und Liberalismus zusammen, mitsamt dem De-facto-Monopol der ihnen beiden zugrundeliegenden Metaideologie.

Dass den Liberalen die Welt zu marxistisch ist, ist daher kein Argument gegen meine These. Umgekehrt gilt nämlich, dass sie den Marxisten zu liberal ist (in ihrer Terminologie: zu neoliberal). Sozialismus und Liberalismus sind durchaus zwei unterschiedliche Utopien, das ja. Aber sie bilden die beiden Pole einer Skala des gesellschaftlich Akzeptablen, und sie definieren dadurch diese Skala. Chance auf Gehör hat nur, wer sich auf dieser Skala positioniert, nicht wer außerhalb von ihr steht. Die ganze Verleumdung von Konservativen als „rechtsradikal“, „fundamentalistisch“, „reaktionär“ usw. usw. würde niemandem einleuchten, wenn nicht die gesamte Begrifflichkeit, in der der öffentliche Diskurs strattfindet, durch Ideologien definiert würde, die auf emanzipatorischen bzw. utopistischen Grundannahmen basieren.

Und nun sagen Sie, lieber Le Penseur, Ihr Liberalismus sei aber der, der zwischen 1759 und 1968 als solcher gegolten habe. Das freut mich. Er spricht für Sie. Es interessiert mich bloß nicht. Ideologien sind nichts Statisches, sondern werden – entschuldigen Sie bitte mein Soziologenlatein – gesellschaftlich fortlaufend reproduziert und dabei verändert, und diese Veränderung folgt einer inneren Logik. Sie haben Frau L.-S. vorgeworfen, sie sei ja gar keine echte Liberale. Nun, diese Dame hat in den neunziger Jahren ihren Ministersessel zur Verfügung gestellt, weil sie den Großen Lauschangriff nicht mittragen wollte, also in Verfolgung eines geradezu klassisch liberalen Anliegens. Finden Sie es nicht etwas arrogant, ihr den Liberalismus abzusprechen? Wenn sie heute das Gesinnungsstrafrecht verschärft, so reagiert sie auf das Problem ethnischer Spannungen, ohne es freilich so zu nennen. Solche Spannungen können aus ihrer Sicht nur auf „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ beruhen. Würde sie zugeben, dass sie das unvermeidliche Ergebnis einer Politik sind, die verschiedene Völker durcheinander rührt, dann müsste sie zwei liberale Grunddogmen in Frage stellen oder doch wenigstens relativieren:

Erstens müsste sie anerkennen, dass die Verfolgung individueller Freiheitsrechte (das Tragen von Kopftüchern, die Orientierung an einem islamischen Wertesystem etc.), selbst wenn sie völlig legal sind, zu gesellschaftlichen Problemen führen können, die sich nicht „von selbst“ durch individuelle Handlungen über Marktmechanismen oder zivile Aushandlungsprozesse restabilisieren und reharmonisieren.

Zweitens müsste sie anerkennen, dass die individuelle Nutzenmaximierung, die auf dem geduldigen Papier der ökonomischen Fachbücher stets zur optimalen Allokation von Ressourcen führt (zum Beispiel durch freie Arbeitsmigration), in der sozialen Wirklichkeit zu ganz und gar suboptimalen Ergebnissen führen kann. Die Crux liegt darin, dass die Modelle der Ökonomen immer nur ceteris paribus, also unter sonst gleichbleibenden Umständen funktionieren, dass ihre Übertragung auf die Wirklichkeit aber gerade diese Umstände verändert (wenn zum Beispiel aufgrund der Migration die Kriminalität steigt).

Das Problem von Frau LS ist also, dass sie es mit Problemen zu tun hat, die sie in der Sprache ihrer eigenen Ideologie kaum benennen und analysieren, geschweige denn lösen kann. Um der Konsistenz ihrer Ideologie willen muss sie zu einer inadäquaten Problembeschreibung greifen und ethnische Spannungen auf „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ zurückführen, was in der Konsequenz darauf hinausläuft, den „Rassisten und Fremdenfeinden“ mit staatlicher Gewalt das Maul zu stopfen. So schlägt Liberalismus in Totalitarismus um – das ist die Dialektik des Liberalismus.

Halt, werden Sie jetzt sagen, Frau LS muss doch merken, dass mit diesem „Liberalismus“ etwas defekt ist, dass er sich auf diesem Wege selbst ad absurdum führt, und wenn sie eine richtige Liberale ist, so werden Sie sagen, dann wird sie doch lieber ihren gesunden Menschenverstand einschalten, statt aus bloßer Prinzipienreiterei ihren Liberalismus so weit auf die Spitze zu treiben, dass er seine eigenen Voraussetzungen untergräbt. Schließlich, so werden Sie zu Recht sagen, kann man jegliche Ideologie dadurch ad absurdum führen, dass man sie auf die Spitze treibt. Wohl wahr.

Das ist nun der Punkt, an dem es so wichtig ist, eine Ideologie nicht als theoretisches Ideensystem zu interpretieren, das als solches statisch wäre, sondern als ein in einer sozialen Bewegung objektiviertes Ideensystem.

Nehmen wir also an, Frau LS würde einem ebenso aufgeklärten und in der Wirklichkeit geerdeten Liberalismus anhängen wie Sie selbst.
Sie würde also ihren Parteifreunden mitteilen müssen: Liebe Parteifreunde, so sehr ich für ein Maximum an individueller Freiheit bin, hier müssen wir eine Ausnahmen von der Regel machen (Buuh!); es kann keine freie Arbeitsmigration geben (Buuuuuuh!); und eventuell werden wir unser ganzes Ideensystem korrigieren müssen (Buuuuuuuuuuuuuuuuu!).

Da wird die Dame schlechte Karten haben. Wer einer Ideologiegemeinschaft angehört, also zum Beispiel einer Partei, in der bestimmte Prämissen zum identitätsstiftenden Konsens gehören, wird es schwer haben, eine Position durchzusetzen, wonach die Konsequenzen aus diesen Prämissen ausnahmsweise einmal nicht gezogen werden sollen. (Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe Anfang der achtziger Jahre ein paarmal versucht, orthodox-marxistischen Jusos die Idee nahezubringen, dass die Sowjetunion womöglich nicht nur eine Friendensmacht sei. :D)

Ihr Liberalismus, Le Penseur, von dem Sie zu Recht sagen, dass er dem Liberalismus der Vor-68er-Epoche entspricht, ist gerade deshalb nicht der Liberalismus, weil wir das Jahr 2010 schreiben und der Liberalismus sich mittlerweile mit den von ihm selbt mitverschuldeten Problemen herumschlagen muss. Er steht jetzt als politische Bewegung vor der Wahl, seinen freiheitlichen Ansatz dadurch zu retten, dass er ihn in ein konservatives Paradigma einpasst (also von der Frage nach den Existenzbedingungen von Gesellschaft ausgeht) oder seinen dialektischen Umschlag in totalitäre Ideologie in Kauf zu nehmen. Es gibt kein Drittes.

Ob es politisch klug ist, dass ich gerade den Liberalismus aufs Korn nehme, steht auf einem anderen Blatt. Es spricht politisch zweifellos einiges dafür, gestützt auf den altliberalen Liberalismusbegriff den real existierenden Liberalismus zu attackieren. Nur geht es mir um Erkenntnis der Ursachen der Krise unserer Zivilisation, und vom Standpunkt dieses Erkenntnisinteresses wären taktische Rücksichtnahmen hochgradig störend.

Political Correctness und Schwarze Magie

Dem deutschen Fußballtrainer Winni Schäfer, der damals die Nationalelf Kameruns betreute, kam eines Tages bei einem Turnier in Mali sein Co-Trainer abhanden: Die Polizei hatte ihn unter der Anschuldigung verhaftet, den Stadionrasen verhext zu haben.

Wir aufgeklärten Mitteleuropäer grinsen natürlich, wenn wir solche Anekdoten hören. Wo wir doch über derlei finsteren Aberglauben turmhoch erhaben sind.

Ach ja?

„Was haben Harvardpräsident Larry Summers, der Taliban John Walker, die Verantwortlichen bei Delta Airlines und die Herausgeber der New York Times mit Frauen vom Stamm der Yanomamo im Dschungel des Amanzonasgebiets gemeinsam?“

So beginnt ein Aufsatz des konservativen amerikanischen Kolumnisten Jack Wheeler, der unter dem Titel „The Secret to the Suicidal Liberal Mind“ die provozierende These vertritt, dem „Liberal Mind“ – zu deutsch: dem Gutmenschentum – liege ein archaischer Glaube an die Macht der Schwarzen Magie zugrunde, der in Gestalt sozialistischer, pazifistischer und kulturrelativistischer Theorien bloß oberflächlich rationalisiert worden sei. Political Correctness sei der Versuch, durch masochistische Selbsterniedrigung den „Bösen Blick“ potenzieller Neider zu vermeiden.

(Die vollständige deutsche Übersetzung von Wheelers Text, von dem ich hier nur Auszüge verwende, ist bei der Acht der Schwerter erschienen und nach dessen Ende von Deep Roots im Counterjihad eingestellt worden; ich empfehle auch die Lektüre der dortigen Kommentare, speziell Nr.5 von Guggelgobbel.)

„(…) Bei den Yanomamo und anderen Stämmen tief in den Regenwäldern des Amozonas, die immer noch den arachaischen Lebensstil der Jäger und Sammler unserer Vorfahren aus der Altsteinzeit pflegen, ist es ein allgemein anerkannter Brauch, dass eine Frau, nachdem sie ein Kind zur Welt gebracht hat, tränenreich verkündet, ihr Kind sei hässlich.

In einer lauten, selbsterniedrigenden Klage, die der ganze Stamm hören kann, fragt sie, warum die Götter sie mit einem so erbärmlich abstoßenden Kind verflucht haben. Sie tut das, um die neidische schwarze Magie des bösen Blicks, des Mal Ojo, zu bannen, die sie und ihre Stammesmitglieder treffen würde, wenn bekannt wäre, dass sie glücklich über ihr wunderschönes Baby ist.

Anthropologen beobachten in den meisten primitiven und traditionellen Kulturen, dass ‚jedes Individuum in der ständigen Angst vor der magischen Aggression anderer lebt … es gibt nur eine Erklärung für unvorhersehbare Ereignisse: die neidische schwarze Magie eines anderen Dorfmitglieds.'“

Wobei man hinzufügen möchte, dass der Glaube an die Schwarze Magie ein Spezialfall des offenbar allgemeinmenschlichen Glaubens an die Kraft des Wünschens, in diesem Fall des bösen Wünschens ist:

Nicht wenige Menschen haben Schuldgefühle, wenn sie einen Angehörigen verlieren, mit dem sie jahrzehntelang in Fehde gelebt haben. Sie können sich hundertmal sagen, dass ihre feindseligen Gefühle mit dem Tod des Betreffenden nichts zu tun haben – die Schuldgefühle bleiben trotzdem.

Ich bin Biathlon-Fan, und jedesmal, wenn ein deutscher Biathlet an den Schießstand tritt, versuche ich, seine Kugel ins Ziel zu bringen, in dem ich vor meinem geistigen Auge das Bild einer hochklappenden weißen Scheibe beschwöre. Natürlich glaube ich üüüüüüberhaupt nicht, dass das irgendeinen Effekt haben könnte; esoterischer Kokolores ist mir selbstredend völlig fremd, ich bin schließlich Rationalist – verteufelt nur, dass mein wirkliches Verhalten so gar nicht dazu passt.

Und ist eine betende Kirchengemeinde wirklich so unähnlich jenen indigenen Völkern, die ein bestimmtes Ereignis auf magische Weise herbeizuführen suchen, indem sie es kollektiv herbeiwünschen? Gewiss würde jede Kirchengemeinde den Verdacht weit von sich weisen, magischen Praktiken zu frönen; das Gebet richtet sich schließlich an Gott, damit der das Ereignis herbeiführt. Nun ja – auch das ist Magie. Magie per Satellit sozusagen.

Der Glaube an die Magie des Wünschens ist also ziemlich universell; damit aber zwangsläufig auch der an den „Bösen Blick“.

 

 

„Denken Sie einen Augenblick über das Ausmaß nach, zu dem Stammesmitglieder in einer “primitiven” Stammeskultur ihr Leben mit Aberglauben, Hexerei, Voodoo, “schwarzer Magie” und dem “bösen Blick” ausfüllen. Für sie besteht die Welt daraus, Dämonen, Kräfte, Geister und Götter zu zähmen, die alle böswillig und gefährlich – in einem Wort: neidisch – sind.

Ein Großteil wenn nicht die Mehrheit der traditionellen Stammeskulturen, sei es am Amazonas, in Afrika oder auf den pazifischen Inseln, kennt das Konzept des natürlichen Todes nicht. Tod ist immer Mord.

(…)

Neid ist die Quelle für den Glauben der traditionellen Kulturen an schwarze Magie, die Furcht vor dem neidischen bösen Blick.

Der grundlegende Ursache dafür, dass gewisse Kulturen statisch bleiben und sich nie weiterentwickeln (zum Beispiel Dörfer in Ägypten und Indien, die über Jahrtausende hinweg bis heute ungefähr gleich geblieben sind) ist das überwältigende Ausmaß, in dem die Menschen dieser Kulturen von Neid und Neidvermeidung beherrscht sind: Anthropologen nennen das die Neidbarriere.

Die Mambwe in Sambia zum Beispiel betrachten ‚erfolgreiche Menschen als düster, übernatürlich und gefährlich.‘ In mexikanischen Dörfern ‚bestimmt die Furcht vor dem Neid anderer Leute jedes Alltagsdetail und jedes Vorhaben.‘

(…)

Es ist die ultimative Ironie moderner Zeiten, dass linke Intellektuelle des marxistischen Typus sich selbst für die progressive Avantgarde des aufgeklärten zeitgenössischen Denkens halten – wobei in Wirklichkeit ihre Denkweise nichts als Atavismus ist, die Rückentwicklung zu einer primitiven Stammesmentalität. Was die Linke ‚Ausbeutung‘ nennt, nennen Anthropologen ’schwarze Magie‘.

Der Soziologe Helmut Schoeck (der auch die oben erwähnten anthropologischen Beobachtungen zusammengetragen hat) fasst in seinem bahnbrechenden Werk ‚Envy: A Theory of Human Behavior‘ zusammen:

Eine selbstmitleidige Neigung, über die Überlegenheit oder Vorteile anderer nachzusinnen, kombiniert mit einem vagen Glauben daran, er sei die Ursache für die eigene Entbehrung, findet sich auch unter gebildeten Mitgliedern unserer modernen Gesellschaften, die es eigentlich besser wissen müssten. Der Glaube der primitiven Völker an schwarze Magie unterscheidet sich nur wenig von modernen Ideen. Während der Sozialist sich vom Arbeitgeber ausgeraubt sieht oder der Politiker in einem Entwicklungsland sich von den Industrieländern ausgeraubt sieht, sieht sich der primitive Mensch von seinem Nachbarn ausgeraubt, und zwar dadurch, dass es dem letzteren geglückt ist, mittels schwarzer Magie einen Teil der Ernte des ersteren auf sein eigenes Feld zu zaubern.

Der primitive Atavismus linker Binsenweisheiten wie “die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer” illustriert am besten das Argument, dass man nur auf Kosten anderer gesund sein kann. Dass man, um eine gute Gesundheit zu haben und vor Energie und Vitalität zu strotzen, jemand anderen krank machen oder zu schwacher Gesundheit bringen muss – gerade so wie man, um reich zu sein, andere arm machen muss.

Die Gesunden sind gesund, weil sie unrechtmäßig die Kranken ausgebeutet und ausgesaugt haben, indem sie den gerechten Gesundheitsanteil des Kranken mit Hilfe von schwarzer Magie an sich gezogen haben. Also sind die Kranken krank, weil die Gesunden gesund sind. Wenn das absurd ist, dann ist es gleichermaßen absurd, dass die Armen arm sind, weil sie von den Reichen ausgebeutet wurden.“

Hier macht Wheeler es sich doch etwas leicht: Die Linken reden wahrlich viel Stuss, wenn der Tag lang ist, aber bisher haben sie noch nicht behauptet, die Gesunden seien schuld, dass die Kranken krank sind. Außerdem kann es im Einzelfall durchaus sein, dass der Reichtum von Wenigen auf der Armut von Vielen beruht. (Wenn Plantagen von Sklaven bewirtschaftet werden oder Drittweltpotentaten knappe Steuermittel und Hilfsgelder auf ihre Privatkonten umleiten, ist der kausale Zusammenhang zwischen Reichtum und Armut kaum von der Hand zu weisen.) Irrational und daher aberglaubeverdächtig – das macht Wheelers Argumentation so spannend – ist aber die Selbstverständlichkeit, mit der das Gutmenschentum auch dort davon ausgeht, dass ein solcher Zusammenhang bestehen müsse, wo das offensichtlich absurd ist:

Der Gutmensch ist fest überzeugt, dass der Westen reich ist, weil er die Dritte Welt ausbeute, an deren Armut er mithin ein Interesse habe. Wenn das richtig wäre, dann dürfte der Westen (das Kapital, die Konzerne) nichts so sehr fürchten wie Drittweltländer, die es zu Wohlstand bringen. Was aber geschieht wirklich in den Chefetagen besagter Konzerne, wenn sich ein armes Land – etwa China – tatsächlich auf den Weg zum Wohlstand macht? Da knallen die Korken! Da pilgern Delegationen von Managern in das neue Gelobte Land und liefern sich einen Wettlauf darum, wer zuerst investieren und den neuen Markt erschließen darf!

Der Gutmensch ist fest überzeugt, dass „wir den Arabern das Öl rauben“, und selbst der Hunderter, den er an der Tankstelle lassen muss, überzeugt ihn nicht davon, dass wir dieses Öl kaufen. Und dass die Araber ein Interesse daran haben, es uns zu verkaufen. (Was sollen sie denn sonst aus ihrem Öl machen? Einen Milchshake?)

Wenn Migranten selbst in der zweiten und dritten Generation es überwiegend nicht schaffen, in kostenfreien öffentlichen Schulen mehr als einen Hauptschulabschluss zu erwerben – und oft nicht einmal den -, dann ist der deutsche Staat schuld. Wenn sie daraufhin arbeitslos sind – wer ist daran schuld? Natürlich die Politik, die „die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht“.

Mit anderen Worten: Der Gutmensch geht davon aus, dass es zwischen Leistung und Erfolg keinen Zusammenhang gibt, wohl aber zwischen dem Erfolg des Einen und dem Misserfolg des Anderen. Für diese Vermutung sprechen keinerlei ökonomischen Argumente, übrigens auch keine marxistischen:

Es ist schon richtig, dass Kapitalismus nicht „gerecht“ ist, auch nicht im Sinne von Chancengleichheit; denn es liegt auf der Hand, dass der, der Kapital einsetzen kann – egal woher er es hat -, größere Chancen hat als der, der das nicht kann. Nichtsdestoweniger ist das Vorhandensein von Kapital die Voraussetzung dafür, dass der Faktor Arbeit produktiv eingesetzt und entsprechend entlohnt werden kann. Dass es sich um ein Positivsummenspiel handelt, bei dem beide gewinnen, wenn auch der Eine mehr, der Andere weniger, ja dass eine Wirtschaft, die auf Tausch beruht, mit logischer Zwangsläufigkeit ein Positivsummenspiel sein muss, ist so offensichtlich, dass die gegenteilige Auffassung unter ernsthaften Menschen keiner Diskussion würdig ist. Wird sie dennoch vertreten, so handelt es sich offenkundig um einen Aberglauben, dessen massenhafte Verbreitung allein schon ein Indiz für seinen voraufklärerischen Ursprung ist.

Und hier beginnt das Spiel von Neid und Neidabwehr:

„Die Angst vor dem Neid

Die Begünstigung der Neidischen und die Einschüchterung derer, die vor ihnen Angst haben, war und ist der Weg zur Macht aller modernen Demagogen, von Lenin und Hitler bis zu Jasir Arafat und Osama bin Laden.

Die drei großen politischen Pathologien des 20. Jahrhunderts sind alles Neidreligionen: Nationalsozialismus, der den Rassenneid gegenüber “den reichen, ausbeuterischen Juden” predigt; Kommunismus, der den Klassenneid gegenüber “der reichen, ausbeuterischen Bourgeoisie” predigt; und Moslemterrorismus, der den Kulturneid gegenüber “dem reichen, ausbeuterischen Westen” predigt.

(…)

Und hier erkennen wir auch die geheime Furcht an der Quelle des selbstmörderischen gutmenschlichen Denkens. Es ist der Neid, der einen Nazi, einen Kommunisten oder einen Terroristen ausmacht. Es ist die Angst vor dem Neid, die einen Gutmenschen ausmacht und die die Quelle seiner “Schuld” ist.

Das kann man am einfachsten an den Kindern wohlhabender Eltern erkennen. Erfolgreiche Geschäftsleute zum Beispiel, die ihren Wohlstand selbst erarbeitet haben, haben normalerweise einen gewissen Respekt für ihre eigenen Anstrengungen und das Wirtschaftssystem, das Erfolg ermöglicht.

Ihre Kinder, die nicht dafür arbeiten mussten, sind einfachere Zielscheiben für die Schuldeinredereien der Neidischen. Somit nehmen sie eine Haltung gutmenschlichen Mitgefühls als Neidabwehrschild ein: “Bitte beneidet mich nicht wegen des Geldes meines Vaters – schaut doch all die linken Anliegen und sozialen Regierungsprogramme an, die ich unterstütze!”

Teddy Kennedy ist der Archetypus dieses Phänomens

Das ist auch der Grund, warum Hollywood so gutmenschlich ist. Die riesigen Geldmassen, die Filmstars verdienen, stehen in einem so groben Missverhältnis zu dem Aufwand, der dafür notwendig ist, dass sie das Gefühl haben, es wäre unverdient. Und deshalb entschuldigen sie sich dafür. Die Strategie der Gutmenschen ist es, sich für ihren Erfolg zu entschuldigen, um die Neidischen zu besänftigen.

Gutmenschentum ist damit keine politische Ideologie oder ein Glaubenskonzept. Es ist ein Neidabwehrschild, eine psychologische Strategie zur Vermeidung, beneidet zu werden.

Ein definitives Charakteristikum sowohl von Neid als auch von Neidangst ist Masochismus. Neid ist nicht nur Hass gegenüber jemanden, der etwas hat, was man selber nicht hat – er ist die Bereitschaft, in masochistischer Weise jegliche Chance darauf, dieses Etwas jemals zu bekommen, aufzugeben, solange es nur die Person, auf die man neidisch ist, auch nicht hat.“

Dass den typisch linken politischen Programmen der Neid und dessen Mobilisierung zugrundeliegt – und nicht etwa das Klasseninteresse von Arbeitern oder gar Arbeitslosen – erkennt man, wenn man sich klarmacht, wie eine rationale Interessenpolitik aussehen müsste: Sie dürfte nicht in Kauf nehmen, dass der zu verteilende Kuchen kleiner wird, weil sie in diesem Fall wenig Aussicht darauf hätte, den Anteil der Arbeiter im gleichen Maße zu vergrößern, wie das Gesamtprodukt sich verkleinerte. Tatsächlich sehen linke Programme aber anders aus: „Verteilungsgerechtigkeit“ ist alles – Wachstum ist nichts. Nach dem Motto: Wenn Alle hungern, ist das wenigstens gerecht.

„Man kann die Leidenschaften der Linken als masochistische Verrücktheiten sehen. Was könnte idiotischer und masochistischer sein als gegen einen Raketenabwehrschild zu sein? Diese Opposition ist unverständlich, wenn man sich nicht von Rhetorik und rationalen Erklärungen frei macht und erkennt, dass dieses Volk in seinem emotionalen Kern nicht möchte, dass das Land verteidigt wird.

Der Irrsinn des Schwindels “Globale Erwärmung” kann nicht anders verstanden werden, als dass seine masochistischen Befürworter nicht wollen, dass ihre Zivilisation floriert [Nun ja, ein paar andere Erklärungen würden mir schon einfallen, M.]. Die kulturzerstörende Einwanderungspolitik, vor der Pat Buchanan warnt, sie würde “den Tod des Westens” bedeuten, wurde von denjenigen eingeführt, die nicht wollen, dass ihre Kultur überlebt.

Die Tödlichkeit gutmenschlichen Neidappeasements ist, dass persönlich empfundene Schuldgefühle auf die verschiedenen Gesellschafts- oder Stammeskollektive projiziert werden, denen der Gutmensch angehört und die Teil seines Selbstbildes sind. Selbsthass wird zu Hass auf die eigene Gesellschaft oder Rasse transformiert.

Weiße männliche Gutmenschen werden zu Autorassisten und Autosexisten: rassistsisch gegen ihre eigene Rasse und sexistisch gegen ihr eigenes Geschlecht. Billige Demagogen wie ökofaschistische Umweltbewegte, Feminazis, Tier- und Homosexuellenrechtler, penetrante Rassenbewegte wie Jesse Jackson und Al Sharpton beziehen all ihre Stärke aus der Angst der Gutmenschen vor dem bösen Blick.

Gerade so wie die Frau aus dem Stamm im Amazonasgebiet sagt, ihr Baby sei hässlich, sagt der weiße männliche Gutmensch, sein Geschlecht, seine Rasse, sein Land, seine Zivilisation oder sogar seine ganze Spezies sei hässlich.

Eine Spielart der Angst vor dem Bösen Blick, die Wheeler nicht behandelt, die aber in denselben Kontext gehört, ist neben der Angst vor dem Neid die Angst vor dem Bösen Blick des Rachsüchtigen, auch diese darstellbar anhand typischer Gutmenschenphrasen, etwa dem von der „Natur“, die „sich rächen wird“. Das dahinterstehende Weltbild ist unschwer als steinzeitlicher Animismus zu dechiffrieren: Als Weltbild von Bärenjägern, die nach erfolgter Jagd umfangreiche Beschwichtigungsrituale vollführen, um die gekränkte Seele des Bären zu versöhnen und von seiner Rache verschont zu bleiben.

In dieselbe Kerbe haut „Gewalt erzeugt nur Gegengewalt“ – wobei dem Gutmenschen gar nicht auffällt, dass dieser Spruch, sofern er richtig ist, nichts weiter besagt als dass Gegengewalt die erwartbare, weil vernünftige Reaktion auf einen Angriff ist, und dass er deshalb gerade kein Argument dafür liefert, auf Gegengewalt zu verzichten, wenn man angegriffen wird. Was gemeint ist, erschließt sich aus der dazugehörigen zweiten Phrase: „Gewalt erzeugt nur Hass.“

Ja, das wird wohl so sein. Na und? Der Hass als solcher schadet doch niemandem, es sei denn…

Es sei denn, man unterstellt, dass bereits dem Hass an sich die Kraft innewohnt, den Gehassten zu schädigen. Das ist aber nichts anderes als der Glaube an den bösen Blick. Was den Gutmenschen also treibt, ist die Furcht davor, gehasst zu werden; was er als „Politik“ ausgibt, ist ein animistisches Beschwörungsritual. Solange der Gutmensch in der Minderheit ist, versucht er den Bösen Blick von sich abzulenken, indem er sich von dem Kollektiv distanziert, dem der Hass gilt.

Haben die Gutmenschen es aber zur Mehrheit gebracht, dann schlägt die Stunde der Political Correctness: Der private Aberglaube mutiert dann zu einer heidnischen Stammesreligion, die auf einem Abwehrzauber basiert: Das Gemeinwesen distanziert sich von sich selbst, beschimpft und schädigt sich, um gleichsam einen magischen Kreis aufzubauen, der vor dem Bösen Blick schützt.

Damit kennen wir auch die Ursache der eigentümlichen exorzistischen Rituale, die stets einsetzen, wenn die Political Correctness verletzt wird: Der Übeltäter wird dann als böse gebrandmarkt und aus dem Kreis der Guten verbannt.

Wenn etwa die Wahlniederlage Roland Kochs voll Erleichterung und Genugtuung mit dem Kommentar quittiert wird, nun sei „die politische Kultur wiederhergestellt“, so bedeutet dies, übertragen aus der Sprache der politischen Kommentatoren in das wesentlich angemessenere Idiom indianischer Medizinmänner, dass der den Stamm vor dem Bösen Blick schützende magische Kreis „wiederhergestellt“ ist, indem der Frevler, der ihn durch seinen blasphemischen Schadenzauber zu beschädigen drohte, aus der Mitte des Stammes verstoßen ist.

„Angst vor dem Neid ist in der menschlichen Psyche sehr tief eingegraben. Sie kann eine Kultur über Tausende von Jahren hinweg von der Weiterentwicklung abhalten. Nur eine jugendliche Kultur voller Elan und Selbstvertrauen kann sie abschütteln, was diese Kultur dann florieren lässt.

(…)

Und doch sind diese Reserven aufgezehrt. Amerikas höchste Eliteuniversitäten sind zu faschistischen Jauchegruben des Neidappeasements degeneriert. Ihr Überleben liegt nur noch an der Trägheit ihres Prestiges. Delta und andere Fluglinien gefährden die Sicherheit ihrer Passagiere, indem sie Zufallskontrollen machen anstatt rassische Rasterkontrollen bei arabischen und anderen moslemischen Männern.

In der Tat ist das ganze Phänomen der political Correctness … nichts weiter als eine großangelegte Übung in Neidappeasement.

(…)

Den Neid zurückweisen ist der Schlüssel dazu, “den Tod des Westens” zu verhindern, der Schlüssel für Amerikas weitergehendes Wohlergehen. Ich schlage vor, dass diese Zurückweisung mit Ihnen anfängt.

Angst vor dem bösen Blick ist das einzige, was dem bösen Blick seine Macht verleiht. Ohne Angst vor ihm ist der böse Blick machtlos. Also: Wenn sich das nächste Mal der böse Blick auf Sie richtet und von Ihnen fordert, sich für Ihre Existenz zu entschuldigen, dann sollten Sie vorschlagen, dass sich die Forderer selbst mit Sadomaso-Spielchen befassen und Sie dabei rauslassen sollten.“