Non, Sire, c’est une révolution!

„C’est une révolte?“ – „Non, Sire, c’est une révolution!“ Dialog zwischen Ludwig XVI. Und dem Herzog von Liancourt am Abend des 14. Juli 1789

In diesen Tagen, wo die revolutionäre Demokratie im Iran so nahe am Sieg ist wie nie zuvor, sollte man sich merken, wer auf welcher Seite steht: Ich weiß nicht, ob es Dummheit oder Verrat ist, wenn der amerikanische Präsident so tut, als wüsste er nicht, worum es geht. Wahrscheinlich haben die iranischen Aufständischen sich Obamas Sympathien auch nur dadurch verscherzt, dass sie zu proamerikanisch sind.

Glaubt Obama allen Ernstes, die Perser wüssten nicht, worauf es ankommt – nämlich darauf, die Bastille namens „Islamische Republik“ zu stürmen, und nicht darauf, wer innerhalb dieser Bastille den zweithöchsten Gefängniswärter macht? Zum Glück für die Iraner (und für den Rest der Welt) kommt es aber auch auf ihn, auf Obama, nicht an.

Was im Iran zu beobachten ist, entspricht in geradezu klassischer Weise dem Bild einer Volksrevolution, wo die zunächst vereinzelten Proteste Weniger eine lawinengleiche Kettenreaktion auslösen, in der die Proteste sich ausbreiten und sich zu einer einzigen großen Welle vereinigen. Es erinnert an den März 1848, an den November 1918, an den Oktober 1989. Es erinnert an den Winter 2004 in Kiew. Vor allem aber erinnert es daran, dass die Iraner vor gerade einmal dreißig Jahren schon einmal eine Diktatur davongejagt haben – und wo das einmal klappt, da klappt es auch zweimal!

Dieses Regime ist nicht das erste, dessen Hochmut vor dem Fall kommt. Es war nach den Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit (z.B. Ukraine) eine Riesendummheit, die Rettung in einer obendrein ziemlich plumpen Wahlfälschung zu suchen. Hätten sie Mussawi als Präsidenten einfach anerkannt, dann hätten sie ihn mit taktischen Spielchen ebenso zermürben und letztlich kaltstellen können wie den „Reformpräsidenten“ Khatami. Es musste aber unbedingt Ahmadinedjad sein – und es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass Khamenei und der Wächterrat über Ahmadinedjads Machenschaften Bescheid wussten und sie deckten. (Warum? Womöglich, weil er der Mann für den Showdown mit Israel sein sollte?)

Warum auch immer: Mit der Wahlfälschung verschaffte das Regime dem Volk eine Losung und brachte es als handelnden Faktor ins Spiel – ein Volk, das schon bisher bei jeder Gelegenheit, die es überhaupt bekam, demonstriert hat, was es von dem Monstrum „Islamische Republik“ hält: nämlich nichts.

Dieses Volk wird sich nicht mit einer bloßen Neuwahl abspeisen lassen, um dann mit Mussawi genauso dazustehen wie acht Jahre lang mit Khatami. Mit der Anerkennung von Mussawis Wahlsieg hätte sich das Regime am Tag unmittelbar nach der Wahl vielleicht noch retten können. Aber heute? Heute liegt seine Schwäche – und die zumindest zahlenmäßige – Stärke der Opposition offen zu Tage. Jetzt ist es in einer Lage, in der jedes Zugeständnis nur neue Forderungen provozieren würde.

Das heißt nicht, dass der Sieg der Opposition sicher wäre. Es muss nicht enden wie 1989 in Leipzig; es kann auch enden wie in Peking.

Wenn ich aber nach meinem Bauchgefühl gehe, dann glaube ich das nicht: Zu unsicher und defensiv agiert das Regime, als dass ich ihm noch zutrauen würde, das täglich größer werdende Risiko einzugehen, das mit dem Kampf gegen das eigene Volk notwendig verbunden ist. Wenn ich „Volk“ sage, dann meine ich relativ junge, gut ausgebildete Menschen, oft Akademiker, deren Berufs- und Lebenschancen das Regime erstickt. Genau die Leute, die nur ungewöhnlich dumme Herrscher sich zu Feinden machen.

Ich habe bekanntlich große Zweifel, ob eine islamische Gesellschaft sich dauerhaft zu liberalisieren vermag. Ich behaupte aber: Falls es überhaupt einen Weg geben sollte, Islam und kulturelle Moderne irgendwo in den Kernländern des Islam miteinander zu verbinden, dann werden die Perser und Schiiten diejenigen sein, die ihn finden.

Im Iran wird wieder einmal Weltgeschichte geschrieben, und wir werden leider nicht sagen können, wir seien dabei gewesen. Wir können nur beten und Daumen drücken.

Ich glaube aber nicht, dass es eine Herausforderung Gottes ist, schon einmal den Champagner kaltzustellen.