Der nächste Bundeskanzler heißt Peer Steinbrück

Der linke Sozialdemokrat Albrecht Müller („Meinungsmache“) hat mit seinem feinen Gespür für anhebende Pressekampagnen in seinem Blog NachDenkSeiten schon vor Wochen darauf aufmerksam gemacht, dass offenbar Peer Steinbrück von den Medien als neuer Kanzlerkandidat der SPD ausersehen ist:

Dieser früher schon propagierte Vorschlag ist jetzt wieder aus der Kiste geholt worden. In einer Fülle von Artikeln der letzten Tage taucht der Vorschlag auf. Zum Beispiel … mit breiter Öffentlichkeitswirkung im Heute Journal vom 25. März von Kleber thematisiert.

Absender dieser Kampagne sind verschiedene Personen und Gruppen, deshalb auch die hohe Glaubwürdigkeit, weil der Vorschlag aus verschiedenen Ecken kommt:

  1. Steinbrück selbst und sein Verlag zur Promotion seines letzten Buches
  2. Der rechte Teil der SPD. Es ist bezeichnend, dass der parlamentarische Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion Oppermann, ein ausgewiesener Vertreter des rechten Flügels, Steinbrück als Kanzlerkandidat propagiert.
  3. Die Finanzindustrie und die neoliberale Bewegung. Sie sind von Steinbrück bestens bedient worden. Er war der Agitator der Förderung des „Finanzplatzes Deutschland“ durch Öffnung der Finanzmärkte für „Heuschrecken“ und mittels De-Regulierung. Und er war lange Zeit einer der herausragenden Vertreter der Passivität in der Konjunkturpolitik und hat damit wesentlich zur Vergrößerung der Reservearmee von Arbeitslosen und zur Vergrößerung des Niedriglohnsektors beigetragen. Steinbrück war dann an entscheidender Stelle als Bundesfinanzminister der SPD Vertreter zur Rettung von allerlei Banken und zur Installation des Bankenrettungsschirm von 480 Milliarden. Mit Steinbrücks Hilfe wurde die lächerlich unbedeutende und in den Händen der deutschen Wirtschaft befindliche Industriekreditbank (IKB) zulasten des Steuerzahlers mit mindestens 8 Milliarden gerettet; er ist dafür verantwortlich, dass der Rest der IKB dann an die Heuschrecke Lonestar für den lächerlichen Betrag von 150 Millionen ging. Steinbrück war als Koalitionspartner zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel maßgeblich tätig zur Rettung der Hypo Real Estate mit vermutlich schon bald 100 Milliarden Zahlungen zulasten der Steuerzahler und möglicherweise noch weiterer Verbindlichkeiten zulasten des von Steinbrück und Merkel sozialisierten Bankinstituts. Steinbrücks Versagen haben wir milliardenfach an der Backe. (…)
  4. Dann hat die Union ein beredtes Interesse an einem SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück. Er ist über weite Strecken ein Versager, was man zum gegebenen Zeitpunkt aus der Kiste holen kann. Steinbrück vertritt nur ein Segment der SPD und wird die anderen Teile nicht mobilisieren können. Deshalb ist er der geborene Juniorpartner der Union für eine neue Große Koalition, wenn der andere Wunsch starker Kräfte in der Union, die Realisierung einer schwarz-grünen Koalition auf Bundesebene, nicht zu verwirklichen ist.

Bei diesem letzten Punkt hat dem guten Herrn Müller offenbar seine linke Ideologie einen Streich gespielt. Was es mit den angeblichen Interessen der Union auf sich hat, dazu kommen wir noch. Bei Punkt 3 war Müller jedenfalls sehr nahe an der Wahrheit.

Wenn es noch einer sozusagen offiziellen Bestätigung bedurft hätte, wer „unser“ nächster Kanzler sein wird, so haben ihn jetzt die Bilderberger geliefert, also jene Gruppe, die frappierenderweise immer schon einige Zeit im Voraus weiß, wer der nächste deutsche Kanzler oder amerikanische Präsident sein wird; die also zum Beispiel 1991 erstmals Bill Clinton einlud, der 1992 Präsident wurde, im Juni 2008 Barack Obama (gewählt im November 2008), im Mai 2005 Angela Merkel, die im November Kanzlerin wurde, 1980 Helmut Kohl (Kanzler ab 1982), 1973 Helmut Schmidt (Kanzler ab 1974) usw.

An dem diesjährigen Treffen nehmen fünf Deutsche teil, darunter nur ein einziger Politiker: Peer Steinbrück.

Warum er dazu ausersehen ist, dazu hat Albrecht Müller unter Punkt 3 schon einiges Wesentliche ausgeführt. Was er übersieht ist, dass Steinbrück nicht trotz, sondern wegen seiner gänzlich unsozialdemokratischen Politik der ideale Kandidat ist, wenn auch nicht aus Sicht der Parteibasis (auch nicht aus der des deutschen Volkes). Wenn ein Politiker erst einmal die nötigen Umfragewerte hat, und die wird ihm eine freundliche Presse schon besorgen (Dass diese deutsche Presse selbst zu dem Bilderberg-Treffen wie immer schweigt, rundet das Bild ab), dann wird die Partei ganz von alleine befinden, an ihm führe kein Weg vorbei.

Und dann wird sich zum wiederholten Male jenes merkwürdige Schauspiel entfalten, dessen staunende Zeugen wir in den letzten zwanzig Jahren immer wieder geworden sind: Dass die Union die D-Mark opfert und mit der Pflegeversicherung den Sozialstaat ausbaut, dass die erste Amtshandlung einer Koalition zweier pazifistischer Parteien der erste Kampfeinsatz deutscher Streitkräfte (Kosovo) nach dem Zweiten Weltkrieg ist, dass der größte Einschnitt in den Sozialstaat (Agenda 2010) von einer linken Regierung beschlossen wird, während eine „bürgerliche“ Koalition weder die Steuern senkt noch die Wirtschaft liberalisiert, sondern Multikulti, Gender Mainstreaming und die Abschaffung der Wehrpflicht betreibt, also das Programm der Grünen verwirklicht. Dass also jede Regierung ziemlich genau das Gegenteil von dem tut, was der politischen Farbenlehre nach von ihr zu erwarten wäre.

(Und dieses Phänomen beschränkt sich keineswegs auf Deutschland; die Politik etwa von Nicolas Sarkozy folgt demselben Muster).

Wenn man will, dass eine bestimmte Politik um jeden Preis durchgesetzt wird, dann muss man dafür sorgen, dass sie von der „falschen“ Partei gemacht wird, dass also die Regierung das Programm der Opposition umsetzt. Nennenswerten politischen Widerstand kann es dann nicht geben, weil die Oppositionsparteien dazu ja ihr eigenes Programm torpedieren müssten. Dass die jeweilige Regierungspartei dabei ausgezehrt wird, nimmt man billigend in Kauf, zumal deren maßgebliche Politiker wissen, dass nach ihrer Regierungskarriere lukrative internationale Jobs auf sie warten.

Uns so muss es uns auch nicht wundern, dass wir bei Angela Merkel ein Déjà-vu-Erlebnis haben: Sie wrackt ihre Partei so zielstrebig ab wie Gerhard Schröder zuvor die seine, und sie wird die kommende Bundestagswahl ebenso verlieren wie er (nur wahrscheinlich etwas deutlicher, weil sie nicht seine Fähigkeiten als Wahlkämpfer hat). Ein Fehler ist dies nur, sofern man vom Interessenstandpunkt der jeweiligen Partei ausgeht. Sieht man die tatsächlich betriebene Politik dagegen als Umsetzung einer international abgestimmten Agenda an, so gehört der Niedergang einer Regierung durchaus zum Drehbuch.

Was allerdings nicht unbedingt bedeutet, dass die beteiligten Politiker nicht ernsthaft dagegen ankämpfen würden: Der zaghafte Widerstand gegen militärische Abenteuer unserer sogenannten Verbündeten, den Merkel sich jetzt leistet wie zuvor Schröder, zeigt deutlich an, dass ihre Regierung in ihrer Schwäche Rücksicht auf die Meinung des Volkes zu nehmen gezwungen ist, dass sie sich also im Niedergang befindet; ein Symptom und zugleich ein Grund für ihre bevorstehende Ablösung.

Wenn wir dies wissen, dann wissen wir auch ungefähr, welche Politik für Peer Steinbrück in den kommenden Jahren vorgesehen ist: weitere Raubzüge gegen den Steuerzahler zugunsten privater Banken (der Bankensektor war übrigens auf der Bilderberg-Konferenz wieder einmal machtvoll vertreten), drastische Einschnitte in den Sozialstaat, selbstverständlich nur auf Kosten aktiver Arbeitnehmer, nicht etwa von Hartz-IV-Empfängern, denn dies könnte ja den Zustrom von Migranten drosseln, und militärische Interventionen in fernen Ländern, bei denen die SPD (und wahrscheinlich die Grünen) ihren Pazifismus wieder besonders unorthodox interpretieren werden.