Der Unparteiische

Der brasilianische Schiedsrichter Carlos Simon, genannt „der Sheriff“, weil er die Karten schneller zieht als John Wayne seinen Revolver, soll morgen das Spiel Deutschlands gegen Ghana leiten. Man muss wissen, dass dieser Mann schon einmal wegen Manipulationsverdachts gesperrt war.

Ob die Brasilianer sich wohl gefreut hätten, wenn der DFB Robert Hoyzer geschickt hätte, damit er ihre Spiele pfeift?

Fankultur

Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die WM in Deutschland würde nach der in Südafrika stattfinden. Dann hätten wir jetzt ein Druckmittel: Wenn wir uns eure Terrortröten anhören müssen, weil das angeblich afrikanische Kultur ist, dann dröhnen wir euch in Deutschland vier Wochen lang ununterbrochen mit dem Badenweilermarsch zu. Und wer wollte bezweifeln, dass dies ein Ausdruck deutscher Kultur wäre?

Zweierlei Neutralität

Junge Freiheit, 7. Juni 2010:

BERLIN. Während des sogenannten Christopher-Street-Day in Berlin darf auch in diesem Jahr wieder die Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden gehißt werden. (…)

In der Vergangenheit hatten die meisten Berliner Behörden ihre Gebäude am Christopher-Street-Day mit dem Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung beflaggt.

2008 hatte Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch anläßlich des Homosexuellentags die Regenbogenflagge vor dem Berliner Polizeipräsidium hissen lassen. Der Vorgang hatte bei der CDU für Kritik gesorgt, die darin einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht der Polizei sah.

Tagesspiegel, 10. Juni 2010:

Während der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika ist es Berliner Polizisten nicht erlaubt, Deutschland-Flaggen zu tragen oder an ihren Dienstfahrzeugen anzubringen. Grund dafür sei das Neutralitätsgebot für Beamte, wie eine Polizeisprecherin am Donnerstag mitteilte.

Und die Moral von der Geschicht‘:

Der Staat ist schwul. Deutsch ist er nicht.

WM!

Entspannen wir uns. Sprechen wir über ein Thema, bei dem es nicht so wichtig ist, ob man Recht hat oder nicht. Sprechen wir über Fußball.

Ich weiß, dass es nicht besonders originell ist, auf Brasilien als den kommenden Weltmeister zu tippen, aber die Brasilianer haben nun einmal alle ewigen Wahrheiten des WM-Fußballs auf ihrer Seite. Es gibt ja bestimmte Dinge, die bei Weltmeisterschaften immer gleich bleiben, und damit meine ich nicht nur die Frisur von Günter Netzer:

Der Weltmeister ist immer eine europäische oder eine lateinamerikanische Mannschaft, und er kommt immer vom Kontinent des Gastgeberlandes. Einzige Ausnahme sind die Brasilianer, die 1958 in Schweden und 2002 in Japan und Südkorea den Titel holten, bei der bislang einzigen WM; die außerhalb Europas und Amerikas stattfand.

Außerdem wollen die Brasilianer ihren blamablen Auftritt von 2006 vergessen machen, als sie auf ihrer eigenen Pomade ausgerutscht sind. Motivationsprobleme wird es diesmal nicht geben.

Was unsere eigene Mannschaft angeht, so hat sie bei vierzehn der sechzehn Weltmeisterschaften, an denen sie teilgenommen hat, das Viertelfinale erreicht (bzw. eine Plazierung, die dem Viertelfinale entspricht). Sie hat ein paar Probleme – das Fehlen Ballacks, die kurze Vorbereitung speziell für die Bayern-Spieler, die Formschwäche einiger bewährter Akteure -, aber das bedeutet nicht, dass sie das Viertelfinale nicht schafft, sondern nur, dass wir in den kommenden Wochen ziemlich häufig das Wort „Turniermannschaft“ werden bemühen müssen.

Traditionell tut sich unsere Mannschaft schwer gegen Gegner, die eine Tendenz zum destruktiven Fußball haben, sieht aber gut aus gegen spielfreudige Mannschaften. Wenn wir den Gruppengegner Australien mal als Pflichtsieg beiseite lassen, dann folgt daraus eine gute Prognose für das Spiel gegen Ghana; gegen Serbien könnte es wackelig werden:

Diese ganzen Balkanmannschaften sind für Deutschland immer unangenehme Gegner: 1994 Ausscheiden gegen Bulgarien, 1996 (EM) mit Ach und Krach ein 1-0-Sieg gegen Kroatien, 1998 in der Gruppenphase mehr Glück als Verstand beim Unentschieden gegen Jugoslawien in der Gruppenphase und das Aus gegen Kroatien im Viertelfinale; bei der EM 2008 eine Niederlage wieder gegen Kroatien. Das Spiel gegen Serbien wird keine Feinkost.

Dabei wäre, wenn ich etwas derart Ketzerisches sagen darf, ein Unentschieden und sogar eine Niederlage gegen Serbien keine Katastrophe (so wie auch die Niederlage gegen die DDR 1974 den Titel nicht verhindert hat), wenn man sich anschaut, wie es dann weitergeht:

Nehmen wir an, alle gesetzten Mannschaften (also Frankreich, England, Argentinien, Brasilien, Holland, Italien und Spanien) gewinnen ihre Gruppe und auch das anschließende Achtelfinale gegen einen Gruppenzweiten. Dann würde Deutschland als Gruppensieger im Viertelfinale auf Argentinien und im Halbfinale auf Italien treffen, wie 2006. Ganz ehrlich – so etwas muss ich nicht noch einmal haben! Das sind Mannschaften, deren Fußball unseren Jungs so gar nicht liegt.

Als Gruppenzweiter dagegen würde Deutschland – ceteris paribus – im Achtelfinale auf England treffen, im Viertelfinale auf Frankreich, im Halbfinale auf Brasilien oder Holland. Bei solchen Aussichten lacht einem doch das Herz im Leibe! Selbstverständlich kann man gegen diese Mannschaften verlieren, aber dann wenigstens in einem schönen Spiel.

Nun gut, das ist alles Kaffeesatzleserei, aber die gehört im Vorfeld einer WM einfach dazu. Am Ende gelten nur zwei ewige Wahrheiten, nämlich „Der Ball ist rund“ und „Entscheidend ist aufm Platz“. Und wenn ich auch auf Brasilien tippe, weil der Kopf mir das sagt: Vor meinem geistigen Auge sehe ich eben doch Philipp Lahm, wie er den WM-Pokal in die Höhe reckt, und glaube daran.