Nun wird es also doch nicht Ursula von der Leyen, und all die Neuen Männer, die schon ganz gerührt waren von ihrem eigenen Edelmut, eine Frau als Präsidenten zu bejubeln, können die Tränenvase wieder wegpacken. Nun wird es also Christian Wulff.
Bundespräsident wird also ein Politiker, der die politische Kaste aus angejahrten JU-(und Juso- und Juli-)Intriganten verkörpert wie kein zweiter, und dessen Welt seit seinem sechzehnten Lebensjahr im Wesentlichen aus Gremiensitzungen bestand. Ein ehemaliger „Traumschwiegersohn“, weil er genauso stromlinienförmig ist, wie er aussieht, und weil er nie irgendeine Überzeugung vertreten hat, die seine Karriere gefährdet hätte. Sich in der CDU der neunziger Jahre als „Junger Wilder“ aufzuführen (auf Kosten eines Helmut Kohl, dessen politisches Ende absehbar war, und mit einem linksliberalen Image, das damals schon gute cW-Werte im medialen Windkanal verbürgte) – das war genau die Art von Überzeugungssimulation, die zu seinem Gesicht passt. (Zu welchem Gesicht auch einige seiner Titel passen: Wulff ist unter anderem Krawattenmann des Jahres 2006 und Träger des „Närrischen Steckenpferds“ der Prinzengarde Krefeld; außerdem, und das ist politisch wichtiger, wählte ihn das Weltwirtschaftsforum in Davos 1995 zu einem der „100 Global Leaders for Tomorrow“. Außerdem wurde ihm 2005 der Negativpreis Big Brother Award in der Kategorie „Behörden und Verwaltung“ verliehen für die Zerschlagung der Datenschutzaufsicht in Niedersachsen.)
Die liberalen Medien spinnen jetzt eine Dolchstoßlegende um von der Leyen, die angeblich daran gescheitert sein soll, dass sie Konservativen nicht zu vermitteln gewesen sei. Klar doch: Ein Ministerpräsident, der Deutschland die erste türkische Ministerin beschert hat (die sich für ihre Nominierung prompt dadurch revanchierte, dass sie die Verbannung von Kruzifixen aus Klassenzimmern forderte); dem wir die profunde Einsicht verdanken, man dürfe über türkische Migranten nicht in einer „abgrenzenden“ Sprache sprechen, da die Türken ein „stolzes und starkes Volk“ seien; obendrein ein geschiedener Katholik mit Patchworkfamilie – so einer ist Konservativen zweifellos deutlich vermittelbarer als eine Mutter, die sieben Kinder von demselben Mann hat und mit diesem auch noch verheiratet ist.
Nun gehören Familienverhältnisse wie bei Wulffs gerade in Hannover zum guten Ton, wie wir an Gerhard Schröder (vier Ehefrauen) oder Margot Käßmann (nur ein Ehemann, von dem aber geschieden) ablesen können. In einer Stadt, in der selbst Bischöfinnen eher über einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung stolpern als über eine Verletzung der Zehn Gebote ist einer wie Wulff genau dort, wo er immer sein wollte: im Mainstream.
Konnte man bei Schröder noch ein Übermaß an Testosteron vermuten, so sind solche Verdächtigungen bei Christian Wulff sicherlich gegenstandslos. Sollte es jemals eine durch und durch gendergemainstreamte Gesellschaft geben, so werden deren Männer zweifellos große Ähnlichkeit mit Christian Wulff haben. Vermutlich ist von der Leyen auch daran gescheitert. Sie kann GM propagieren, soviel sie will: Mit ihrer femininen Ausstrahlung und ihren sieben Kindern ist sie trotzdem das fleischgewordene Dementi. Die Wahl zwischen ihr und Wulff war die Wahl zwischen einer Ideologin des GM und dessen Personifizierung.
So können also auch die Feministinnen aufatmen: Wenn der neue Präsident schon keine Frau ist, so ist er doch zumindest kein Mann.