Linker Antiglobalismus

Claus Wolfschlag hat in der „Sezession“ auf einen bemerkenswerten Artikel hingewiesen, der in dem Online-Magazin „Die Rote Fahne“ erschienen ist. Der Autor Stephan Steins geht unter dem Titel „Quo vadis Antifaschismus“ hart mit der Geistesarmut seiner antifaschistischen Genossen ins Gericht:

Die Krise der Linken (allgemein, nicht nur bezogen auf die sich so nennende Partei), bzw. jenes Spektrums, welches sich heute selbst als „links“ definiert, kommt vor allem in mangelndem Verständnis gegenüber der internationalen historischen Entwicklung zum Ausdruck.

Und weil es in dieser Szene an Analyse und Kritik mangelt, gerät u.a. auch der – von vielen sicher gut gemeinte – Antifaschismus dieses politischen Spektrums zur grotesken Farce. Eine Auseinandersetzung mit der heute real existierenden imperialen und faschistischen Bedrohung findet in der, von imperialen Desinformanten durchsetzten, subjektiven „Linken“ nicht statt. So greift man in der Frage des Antifaschismus auf historische Muster der 1920/30er Jahre als Projektion zurück, ohne dem Wesen nach zu verstehen, mit welcher Herausforderung im Kern man es in der Frage von faschistischer Gefahr und Antifaschismus zu tun hat.
Während man 1933 in Wiederaufführung inszeniert, stolziert der neue, imperiale HighTech-Faschismus ganz ungeniert durchs Hauptportal.

Ausgangspunkt der Argumentation ist eine Demonstration von Angehörigen der äußersten Rechten, die unter dem Motto „Mord bleibt Mord“ an den ungeklärten Tod von Rudolf Hess im Jahr 1987 erinnert. Nach Ansicht des Autors sprechen gewichtige Indizien dafür, dass Rudolf Hess tatsächlich, wie von den Demonstranten behauptet, ermordet worden ist.

Allein dass der Autor die Demonstranten „nationale Rechte“ nennt statt „Neonazis“ oder „Faschisten“ zeugt von einem ungewöhnlichen Maß an Fairness und Objektivität. Dabei geht es ihm freilich auch darum, die „nationale“ von der „imperialen“ Rechten abzugrenzen, zu der er das gesamte etablierte Parteienkartell rechnet, das die globalistische Ideologie verinnerlicht hat und den amerikanischen Imperialismus unterstützt. (Ich selbst würde diese „imperiale Rechte“ ja „globalistische Linke“ nennen, aber ich bin nicht kleinlich; deutlich ist, dass mit beiden Begriffen dasselbe gemeint ist.)

Auf den Demonstrationsaufruf der Rechten hin mobilisierte prompt die Linke:

Den Demonstrationsaufruf „Mord bleibt Mord!“ kontert das Aktionsbündnis (AAKA) mit der Losung: „Ohne Nazis und Rassisten leben, in Karlsruhe und anderswo!“
Bereits hier fällt auf, dass die Losung des Gegenbündnisses rein gar nichts mit Thema und Inhalt der Demonstration der nationalen Rechten zu tun hat. Statt einfach breitenwirksam der These von der Ermordung Rudolf Heß´ durch Fakten zu begegnen und die nationalen Rechten somit argumentativ zu entwaffnen, wird dem eigentlichen Thema völlig ausgewichen und sogar das Recht auf Demonstrationsfreiheit in Frage gestellt.

Nicht neu. Neu ist aber, dass ein Linker diesen reflexhaften „Antifaschismus“ kritisch hinterfragt:

Es wird höchste Zeit, dass Linke beginnen hinter die imperiale Matrix zu schauen und wieder wissenschaftliches und fundiertes Arbeiten zur Grundlage ihres Wirkens zu machen. Was sich da in den vergangenen Jahrzehnten als vermeintliche „Linke“ entwickelt hat, mutet mitunter eher wie ein systemtreuer Popanz zwischen Pisa-Studie und Spassgesellschaft an, denn als revolutionäres politisches Subjekt.
Die Identifikation des international organisierten Kapitals und des Imperiums bedeutet innerhalb der marxistischen Analyse und Kritik die Charakterisierung des kapitalistischen Entwicklungstandes. Dies ist relevant um verstehen zu können, mit welchen agierenden Strukturen und Subjekten – namentlich der imperialen Oligarchie – wir es in der Welt von heute konkret zu tun haben und welche geopolitischen Konsequenzen daraus erwachsen.

(…)

Es ist die imperiale Rechte, welche heute im globalen Maßstab, im Zuge des Ausbaus des Imperiums, konsequent humanistische, demokratische, emanzipatorische und soziale Rechte abbaut. Krieg, Massenmord, Konzentrationslager, Folter, (internationale) Strukturen und Organisationen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, Totalüberwachung, Armutspolitik und soziale Deklassierung sind jene Verbrechen im Klassenkampf, die wir in ihrer Summe dem Faschismus zuschreiben.
Dies alles beschert uns heute aber nicht etwa die nationale Rechte, sondern die imperiale Rechte – was zu begrifflicher Desorientierung bei vielen Zeitgenossen führt. Denn Faschismus à la ZDF-Historie und Hollywood besteht ja vor allem aus „braunen Uniformen, Ledermänteln und Judenfeindlichkeit“ und dies passt so gar nicht zu Parteien, die sich „christlich“, „sozial“, „demokratisch“ oder „grün“ nennen.

(…)
Ein solcher trivialer Hollywood-Antifaschismus, mag dieser auch noch so redlichen Absichten entsprungen sein, gerät zwangsläufig zur reinen Ablenkungsdebatte.

(…)

Für Linke kann es keine Option sein, historische Wahrheiten deswegen unterdrücken zu wollen, weil Neonazis diese für ihre politischen Ziele missbrauchen könnten. Die so denken, begreifen nicht, dass sie dem neuen Faschismus und Totalitarismus in der Konsequenz in die Hände spielen und dessen Geschäft erledigen.

Bezeichnend ist die Formulierung „Faschismus und Totalitarismus„. Dem Autor scheint bewusst zu sein, dass man den heraufziehenden neuen Typ globaler totalitärer Herrschaft nicht ohne weiteres mit dem traditionellen Begriff des „Faschismus“ beschreiben kann – ebenso wie der auf der Rechten in diesem Zusammenhang oft verwendete Begriff des „Kommunismus“ analytisch unbefriedigend ist.

Es wird interessant sein zu sehen, ob eine solche Position innerhalb der Linken an Boden gewinnen wird. In der Tat müsste selbstkritischen Linken allmählich auffallen, dass sie mit ihrem „Antifaschismus“ als die nützlichen Idioten genau der kapitalistischen und imperialistischen Kräfte agieren, die sie zu bekämpfen vorgeben.