Ich lege mich fest: Der vierundvierzigste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird Barack Hussein Obama heißen. Obama hat drei Schwächen, auf die die Republikaner sich einschießen werden: Seine Unerfahrenheit, sein Gutmenschentum und seine Hautfarbe.
Letztere ist zwar nicht an sich eine Schwäche – wenn die Republikaner Colin Powell oder Condoleezza Rice nominiert hätten, hätten wohl nur eingefleischte Rassisten ein Problem damit gehabt -, sie wird aber zur Schwäche durch seine Herkunft aus einem politischen Milieu, in dem Rassismus gegen Weiße und Hass gegen das eigene Land zum guten Ton gehören. Die Predigten seines väterlichen Freundes Jeremiah Wright sprachen Bände, zumal Obama solchen Reden Jahre um Jahre zugehört haben muss, ohne zu protestieren oder sich abzuwenden. Allein Wrights letzter Auftritt in Washington hätte Obama das Genick brechen müssen. Hat er aber nicht. Ähnlich wie Ronald Reagan scheint Obama teflonbeschichtet zu sein – alles gleitet an ihm ab.
Das Gutmenschentum – also die Neigung zu Dialog, Diplomatie, Multilateralismus: Kann so jemand ein Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte sein? Ich fürchte, nach acht Jahren Bush lässt sich aus solchen Überlegungen kein Wahlkampfknüller mehr gewinnen.
Seine Unerfahrenheit: Die hat schon Hillary Clinton auszuschlachten versucht („Nachts um drei im Weißen Haus klingelt das Telefon. Irgendwo auf der Welt braut sich eine bedrohliche Krise zusammen. Wer, meinen Sie, sollte jetzt im Weißen Haus den Hörer abnehmen?“), mit einem gewissen Erfolg, der aber nicht durchschlagend war.
Schwächen also hat er, aber sie scheinen seine Stärken nicht aufzuwiegen: Obama ist ein phantastischer Redner, einer, dem durchaus so etwas wie eine Gettysburg address zuzutrauen ist; er hat das Charisma eines Messias; und seine Botschaften – change! Yes, we can! – sind so uramerikanisch, dass sie auf eine Nation wie die amerikanische mit ihrer unerschöpflichen Bereitschaft, Neues zu wagen und sich selbst neu zu erfinden, einfach unwiderstehlich wirken müssen. McCain sieht dagegen buchstäblich alt aus.
Der vierundvierzigste Präsident der Vereinigten Staaten wird also Barack Obama heißen. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?
Zunächst wird dem Antiamerikanismus eine Weile das Maul gestopft werden: Ein Amerika, das von einem Schwarzen regiert wird, genießt allein deshalb schon den Schutz der Political Correctness, wenigstens eine Zeitlang. Und wahrscheinlich haben auch die Kommentatoren Recht, die glauben, dass Amerika unter den Bewohnern der Dritten Welt ebenso an Sympathien gewinnen wird wie in Europa. In der Dritten Welt, weil der US-Präsident dann aussieht „wie wir“ und vielleicht weniger „imperialistisch“ sein könnte. In Europa, weil man dort genau das erwähnte Gutmenschentum schätzt.
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder enttäuscht er diese Erwartungen, dann wird die Sympathie schnell dahin sein. Oder er erfüllt sie. Dann wäre das die schlechte Nachricht.
Den meisten Europäern ist nicht bewusst, dass sie sich ihren eigenen Pazifismus nur deshalb leisten können, weil Amerika eben nicht pazifistisch ist. Obama will mit Allen reden: mit dem Iran, mit Syrien, wahrscheinlich auch mit der Hamas und der Hisbollah. Ist er sich wirklich bewusst, dass diese Leute Feinde seines Landes sind? Ist er sich darüber im Klaren, dass Israel die Zwölf auf deren Zielscheibe ist? Dass es die exponierte weiche Kinnspitze des Westens ist, ungefähr das, was im Kalten Krieg West-Berlin war? Weiß er, dass der, der eine Politik des „Wandels durch Annäherung“ versucht – etwa gegenüber dem Iran -, an einem Abgrund namens „Appeasement“ balanciert, und dass es großer Staatskunst bedarf, da nicht abzustürzen? Und verfügt er über diese Staatskunst – Stichwort „Unerfahrenheit“? Eine Annäherung an den Iran liegt im Bereich des Möglichen, aber nicht in dem des Erfreulichen. (Siehe auch meinen Artikel „Wie vertrauenswürdig ist Amerika?“)
Barack Obama ist bisher nicht mehr als eine Projektionsfläche. Wir wissen nicht, was er tun wird, wir wissen nur, was er symbolisiert: Antirassismus, Multilateralismus, Multikulturalismus, multireligiösen Hintergrund. Ich gebe zu, dass mir nicht wirklich wohl bei dem Gedanken ist, dass der mächtigste Mann der Welt ausgerechnet Hussein heißt und in seiner Kindheit in Indonesien eine islamische Schule besucht hat. In der islamischen Welt wird ihm das Sympathien einbringen – wahrscheinlich wird in Kürze irgendwo eine Fatwa auftauchen, die ihn zum Muslim erklärt, wie Goethe und Wilhelm II. -; hoffen wir, dass er nichts tut, sich diese Sympathien zu verdienen.
Antirassismus ist auch so ein Punkt, bei dem ich nachdenklich werde: Der „Kampf gegen den Rassismus“ wird mittlerweile zur Parole, unter der in Wirklichkeit ein Kampf gegen die westliche Demokratie geführt wird. (Und wieder verweise ich auf einen meiner Artikel: „Ist das schon rassistisch?“). Was, wenn nicht mehr die Ohnmacht der UNO, sondern die Macht der USA hinter Kampagnen steht, mit denen europäische Staaten eingeschüchtert werden sollen?
Obama ist ein ungewöhnlich sympathischer Politiker, und er ist Idealist. Ein Mann, der das gute Amerika verkörpert. Wie Woodrow Wilson. Wie Jimmy Carter. Es könnte sein, dass ein weniger sympathischer US-Präsident besser für die Welt wäre.
Natürlich kann es sein, dass ich Gespenster sehe. Vielleicht hält Obama wirklich die Balance zwischen Idealismus und Realismus. Vielleicht schwächt er wirklich die antiwestliche Feindschaft weltweit, und damit auch die Feinde des Westens. Vielleicht verändert er wirklich die Welt zum Guten.
Ich meine das gar nicht so hypothetisch, wie es vielleicht klingt. Er ist ein Politiker von außergewöhnlichem Format. Er hat die Chance, der beste Präsident zu werden, den die USA jemals hatten.
Oder der schlechteste.