Heiße Phase

Heiße Phase

Für alle, die es noch nicht bemerkt haben: Wir befinden uns in der heißen Phase eines Bundestagswahlkampfes, und die Schlagzeilen werden beherrscht von Dienstwagen- undPartyaffären. Offenbar gibt es keine politischen Themen, über die zu streiten sich lohnt, und vor allem keine, über die das Politkartell streiten könnte, weil es Meinungsverschiedenheiten, die es in den wichtigen Fragen nicht gibt, nun einmal nicht simulieren kann. Die Parteien unterscheiden sich graduell entlang einer Skala, die von ein bisschen linker Gesellschaftszerstörung (CDU) zu viel linker Gesellschaftszerstörung (SED) reicht. Dass solche Unterschiede buchstäblich nicht der Rede wert sind, beweisen uns die Protagonisten selbst, indem sie nicht darüber reden.

3 Gedanken zu „Heiße Phase“

  1. Schön zusammengefasst. Wenn sogar schon meine doch eher apolitische Freundin zu bemerken gibt, dass „man ja garnichts vom Wahlkampf“ merke, dann ist es wirklich auffällig. Nicht, dass mich das überraschen würde. In den fünfzehn Jahren, in denen ich mich mehr oder minder aktive mit Politik auseinander gesetzt habe, ist das hier mit Abstand der uninspirierteste Wahlkampf, den ich bisher erlebt habe.
    Aus mehreren Gründen: Von den Populisten der LINKEN mal abgesehen sind die kleinen Parteien fast ganz aus der Öffentlichkeit verschwunden bzw. haben kein prägnant formuliertes Wahlprogramm, dass sich medial zündend verkaufen lassen kann. Die Idee des „Grünen Gesellschaftsvertrages“ von B90/GRÜNE ist zwar ganz interessant, aber das sind große programmatische Würfe, die man schon vor dem Beginn des Wahlkampfes in die Diskussion werfen muss (schon alleine darum, weil sie für die Phrasendrescherei in der heißen Phase zu zäh sind). Persönlich halte ich nicht viel von den Grünen, aber immerhin versuchen sie da was.
    FDP & B90/GRÜNE haben explizit ihren Wahlkampf auf starke Internetkampagnen ausgelegt (wie stark die wirklich sind lässt sich mit Recht bezweifeln…), großmäulig angekündigt sie würden „die Philosophie des Obama-Wahlkampfes“ übernehmen. Was von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist, da das Kernfaktoren von Obama’s Erfolg ignoriert: Regierunsgmüdigkeit und seine unglaublich hohe Medialisierung.
    SPD und Union haben bis auf diese beiden Skandälchen auch nichts von sich hören lassen. „Wir haben die Kraft“ döst Angela Merkel von Wahlplakaten, doch wer soll ihr das nach 4 Jahren effektivem Stillstand glauben? Steuererleichterungen nach der Wahl! Wie oft haben die Bürger das schon gehört. 4 Millionen neue Jobs, Vollbeschäftigung bis 2020? Solche Märchen hat man vor zehn Jahren schon weitaus erfahreneren Innenpolitikern wie ihnen nicht abgenommen, Herr Steinmeier.
    Die ganze Situation zeigt doch nur eines: eine systemische Ermüdung der parl. Demokratie. Die Parteien haben kein Profil mehr, haben keine glaubwürdigen Botschaften, haben keine sinnvollen Konzepte – weil ihnen auch eine wirkliche Elite im tatsächlichen Sinne des Wortes nicht nur fehlt, sondern weil ihre Rekrutierungsmechanismen das Aufkommen von selbst denkenden, kantigen Machern überhaupt nicht mehr erlauben. Die Politik kann ganz einfach nicht mehr das qualitative notwendige Führunsgpersonal stellen, weil sie es quasi schon ‚im Mutterleib‘ abtötet. Und wenn doch mal einer durchrutscht, dann wird er von der Partei gemeuchelt.
    Laut einer Umfrage im Kreis Trier hatten 50% der Befragten keine Ahnung, dass am 27.09. überhaupt Wahlen sind. Das ist zwar sicherlich nicht für Deutschland repräsentativ, legt aber einen Negativ-Rekord bei der Wahlbeteiligung nahe. Daraus lernen werden die üblichen Verdächtigen nichts, Schuld sein wird wieder der dumme Michel, der die intelligenten Vorschläge der hoh(l)en Damen und Herren einfach nicht zu würdigen wusste.
    Und ja, das liegt mit Sicherheit an dem was du mMn korrekt festgestellt hast: es existieren keine wirklichen ideologischen, weltanschaulichen Bruchlinien mehr, bzw. falls es sie noch gibt, werden sie schön zugekittet. Ein Wahlkampf, eine Politik, die die Leute nicht mehr bei dem anpackt und mitreißt, an das sie weltanschaulich glauben erreicht die breite Masse nicht mehr. Darin liegt auch der Erfolg der LINKEN mitbegründet, und nicht nur in deren Populismus.

  2. Nur eine kleine denklogische Anmerkung dazu:
     
    Wenn CDU/CSU (landläufig immer noch für „konservativ“ gehalten) und B90/Grüne (der Inbegriff des „Progressiven“) mit Abstrichen dasselbe sagen und wollen und sich nur über die Geschwindigkeit, mit der dieses gemeinsame Ziel angestrebt wird, uneins sind, dann muss das nicht heißen, dass etwa die Grünen faktisch die Meinungsführerschaft haben und ihnen die Mainstream-Konservativen nur hinterhertrotten.
     
    Dieser Gedanke verwechselt eine Korrelation (A und B verhalten sich ähnlich) mit einer Kausalität (das Verhalten von B wird durch A bestimmt oder umgekehrt). Denkbar ist aber auch noch die Figur, bei der es ein unbekanntes C gibt, das das Verhalten sowohl von A als auch von B vorgibt.
     
     

  3. @ Stratomunchkin:
    Dem ist nichts hinzuzufügen.
     
    @Thatcher:
    Es könnte auch sein, dass A und B Vektoren sind, die nur an unterschiedliche Ausgangspunkte angelegt werden.

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