DLF über Geert Wilders und PI oder: Wenn man die Falschen lobt.

Nicht, dass es einen noch wundern würde, aber manchmal würde man zur Abwechslung doch gerne einmal angenehm überrascht. Die DLF-Journalistin Dorthea Jung, der ich vor einigen Tagen bescheinigt habe, über den Auftritt von Geert Wilders in Berlin fair berichtet zu haben, hat nun in der Reihe „Hintergrund“ unter dem Titel „Gefahr für die Gesellschaft: Die Islamfeindlichkeit in Deutschland nimmt zu“ einen Bericht veröffentlicht, der genau so ausgefallen ist, wie der Titel andeutet:

Die Grundgedanken, die Geert Wilders nicht müde wird zu variieren, lauten: Europa droht die Islamisierung. Vor dieser Gefahr verschließen die etablierten Parteien die Augen. Sie befördern sogar die Islamisierung, und die Medien lassen sich einen Maulkorb umhängen – sie thematisieren das Problem nicht.

Schreibt sie und leitet damit einen Bericht ein, der just die Richtigkeit dieser Kritik bestätigt.

Die Botschaft des Niederländers: Die einzig wahren Hüter von Freiheits- und Menschenrechten sind Wilders und seine Freunde. Und damit die Welt von dieser „Wahrheit“ erleuchtet werden kann, haben sich Wilders und Co. international gut vernetzt.

Selbstredend macht sie sich nicht die Mühe, diese von ihr in Anführungszeichen gesetzte Wahrheit mit Argumenten zu widerlegen. Es ist ja auch leichter, Geert Wilders als eine Art Sektenguru („erleuchtet“) darzustellen, als sich mit seinen Argumenten auseinanderzusetzen.

„Mit durchschnittlich rund 30.000 Zugriffen am Tag [ist PI] kein unbedeutendes Forum“,
urteilt Yasemin Shooman, die am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin über islamfeindliche Strategien im Internet promoviert:

Die Frage zu stellen, warum ein Zentrum für Antisemitismusforschung über Islamfeindlichkeit forscht, und welche ideologischen Hintergründe das haben könnte, ist wahrscheinlich schon zu viel verlangt.

Die im Blog veröffentlichten Artikel vermeiden direkte islamfeindliche Hetze; im Gegenzug werden die Kommentare der User nur selten redigiert. Damit sind die Kommentarspalten von „pi-news“ das propagandistische Herzstück des Blogs.

Vermutlich beurteilt Frau Jung auch Zeitungen nach deren Leserbriefspalten. Dass die im Blog veröffentlichten Artikel nach ihrem eigenen Eingeständnis keine Hetze enthalten, ist wohl eine Petitesse, auf die es nicht so ankommt. Vor allem passt es natürlich nicht ins Bild, wenn man eine „Gefahr für die Gesellschaft“ ausmalen will.

Was im Kommentarstrang von PI steht, ist für zartbesaitete Gemüter zweifellos gewöhnungsbedürftig, aber es ist genau das, was Frau Jung auch an jedem Kneipentresen zu hören bekäme, wenn sie sich in jene Niederungen begäbe, in denen das Volk sagt, was es denkt. Dieses Volk nicht zu zensieren und ihm nicht den Mund zu verbieten, ist für die Leute, die von unseren Gebühren leben, offenbar der Gipfel der Verwerflichkeit. (Übrigens stimmt es nicht, dass PI keine Kommentare zensiert; ich selbst hätte ihr eine ganze Reihe von klugen Köpfen nennen können, deren Kommentare sehr wohl kassiert wurden.)

Ungehemmt brechen sich hier islamfeindliche Ressentiments Bahn. Nach dem Mord an der schwangeren Ägypterin Marwa el-Sherbini findet sich in dem Kommentarforum von „pi-news“ zum Beispiel …

Dieser Mord ist über ein Jahr her. Da muss Frau Jung ja arg in Argumentationsnot gewesen sein, wenn sie nichts Aktuelleres präsentieren konnte, um ihre Empörung zu füttern.

Dann echauffiert sie sich über die Karikatur in der Randleiste von PI, wo Europa dem Islam einen Tritt verpasst, und fährt fort:

Dazu passend der Kommentar eines Users:
„Alle Moslems werden in ihre Herkunftsländer abgeschoben beziehungsweise in die ihrer Eltern oder Großeltern. Der Islam wird in Deutschland verboten. Deutsche, die zum Islam konvertieren, werden ins Arbeitslager eingewiesen, lebenslänglich.“

Merkwürdig nur, dass dieser Kommentar sich über Google nicht verifizieren lässt. [Nachtrag 15.10.2010: Kommentatorin Lilly hat den Kommentar doch ergoogelt: Es handelt sich um Kommentar 21 zu diesem Artikel: http://www.pi-news.net/2010/09/rueckfuehrung-eine-berechtigte-forderung/]

Da verwundert es nicht, dass „Politically Incorrect“ auch den Bundespräsidenten scharf angreift. Christian Wulf hatte in seiner Rede zum 3. Oktober gesagt, auch der Islam gehöre zu Deutschland. Der öffentlichen, auch innerhalb der Union laut gewordenen Kritik an diesem Teil der Rede setzen die User von „PI“ allerdings noch eins drauf:
„Wulff ist der schlimmste Bundespräsident, den wir je hatten. … Er ist intellektuell scheinbar nicht in der Lage die Gefahren durch die Islamisierung zu erkennen. … Dieser Mann gehört ausgewiesen!“

Vielleicht sollte irgendjemand beim DLF anrufen und Frau Jung darauf aufmerksam machen, dass wir in einer Republik leben und der Tatbestand der Majestätsbeleidigung abgeschafft ist und es völlig legal ist, den Bundesmilchbubi zu kritisieren, ja dass es in einer Demokratie sogar üblich ist, Politiker zu kritisieren.

Die Webseite „pi-news“ gibt vor, über Themen zu sprechen, die von den etablierten Medien entweder gar nicht oder nur zensiert aufgegriffen werden.

Die Formulierung „gibt vor“ ist gleich doppelt apart: Zum einen wird PI zum Lügner gestempelt, der Dinge bloß „vorgibt“, die mithin gar nicht stimmen; zum anderen geschieht dies in einem Artikel, der nicht nur bestätigt, dass es sich genau so verhält, wie PI behauptet, sondern obendrein bestätigt, dass man mit fairer Behandlung von Seiten des Gebührenfunks nicht zu rechnen hat, wenn man diese Themen mit anderen Tenor aufgreift als zum Beispiel der DLF.

Und nachdem noch ein so unparteiische Experten wie Aiman Mazyek, der Islamverharmloserwissenschaftler Matthias Rohe und

die Berliner Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan … [, die] zurzeit an der Humboldt-Universität in einem Projekt [forscht], das die Vielschichtigkeit muslimischer Identität in der Einwanderungsgesellschaft untersucht

und

Uli Jentsch, der für das antifaschistische Pressearchiv in Berlin die Szene seit Jahren beobachtet

sich verbreiten dürfen, wartet man mit einer gewissen Selbstverständlichkeit darauf, dass die unvoreingenommene Journalistin Jung nun die Gegenseite mit den von ihr selbst vorgebrachten bzw. per Zitat verbreiteten Vorwürfen konfrontiert und sie zu Wort kommen lässt. Nichts dergleichen geschieht.

Frau Jung spart zwar nicht mit Spekulationen darüber, was Islamkritiker angeblich denken, aber ungeachtet ihrer Freude am wörtlichen Zitat (wörtliche Zitate lassen sich wunderbar unter die ideologiekritische Lupe nehmen, wenn man das denn kann und sich seiner Argumente sicher ist) denkt sie gar nicht daran, irgendeinen Islamkritiker zu der Sache zu befragen, um die es geht, nämlich die drohende Islamisierung Europas.

Lieber lässt sie Foroutan darüber lamentieren, dass das Wort „Islamisierung“ überhaupt öffentlich verwendet wird.

Über weite Strecken ist der Bericht mit Jammereien über die armen Ausgegrenzten gefüllt. Der Interessenstandpunkt der Einheimischen kommt nicht vor. Die Interessen der Masse der Gebührenzahler zu berücksichtigen – das wäre wohl zu viel verlangt.