Tabula Rasa

Klaus Schwab, Gründer und geschäftsführender Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums, gilt als einer der einflussreichsten Strippenzieher der globalen Eliten. Wenn ein solcher Mann ein Buch unter dem Titel „COVID-19: Der große Umbruch“ schreibt, kann man getrost davon ausgehen, dass über die darin genannten Ziele elitenintern weitgehend Konsens besteht.

[Diese Kolumne erscheint in der Januarausgabe des Deutschen Nachrichtenmagazins „Zuerst!“ und wird in diesem Blog mit nur geringfügigen Änderungen und freundlicher Genehmigung der Chefredaktion wiedergegeben.]

 

 

 

 

Besonders sprechend ist der englische Originaltitel „The Great Reset“: Ein „Reset“ ist das Zurücksetzen einer Konfiguration, es bedeutet so viel wie „Tabula Rasa“ – ein pauschales „Alles auf Anfang“, bei dem auch Gutes und Bewährtes lieber verschwinden soll als dem Neuanfang im Wege zu stehen. Das ist mehr als ein „Umbruch“, bei dem Erhaltenswertes vielleicht geschont wird: Es ist Abriss und Neubau.

Im Technizismus der Metapher „Reset“ bündelt sich der Größenwahn von Technokraten, die sich fähig und berufen wähnen, die menschliche Gesellschaft gleichsam auf Knopfdruck zu steuern. Es gehört zu den bezeichnenden Widersprüchen von deren Weltbild, wenn Schwab einerseits die Unberechenbarkeit der Wechselwirkungen in modernen Gesellschaften, also ihre Nichtsteuerbarkeit betont, daran aber nicht die naheliegende Forderung nach Dezentralisierung und Autonomie kleinerer Einheiten, sondern nach verstärkten politischen Eingriffen knüpft – selbstredend nur zu unserem Besten.

Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Eingriffe, sofern sie die Reaktion auf Steuerungsprobleme sind, umso drastischer und repressiver ausfallen müssen, je hartnäckiger die Eigenlogik der Dinge dem Gestaltungswillen der Eliten Grenzen setzt.

Eine Dezentralisierung ist bei Schwab allenfalls in dem verqueren Sinne vorgesehen, dass die politische Macht noch mehr als bisher aus rechenschaftspflichtigen und (wenigstens im Prinzip) demokratisch kontrollierbaren Instanzen auswandern soll, hin zu billionenschweren Investorengruppen. Deren Bündnis mit sogenannten „Basisbewegungen“ wird sogar explizit postuliert:

»Klimaaktivisten (werden) ihre Anstrengungen verdoppeln und noch stärkeren Druck auf Unternehmen und Investoren ausüben. Wie wir … sehen werden, wird auch der Aktivismus der Investoren eine Kraft sein … Sie wird die Forderungen der Aktivisten stärken, indem sie ihr eine zusätzliche und mächtige Dimension verleiht. Stellen wir uns zur Veranschaulichung nur einmal folgende Situation vor: Eine Gruppe grüner Aktivisten könnte vor einem Kohlekraftwerk demonstrieren, um eine striktere Durchsetzung der Umweltschutzbestimmungen zu fordern, während eine Gruppe von Investoren im Sitzungssaal dasselbe tut, indem sie dem Werk den Zugang zu Kapital entzieht.«

Das Kartell zwischen Eliten und Mob, ein vertrautes Muster aus deren „Kampf gegen Rechts“, hat sich offenbar als so erfolgreiches Modell der Aushebelung rechtlicher Kontrollen und politischer Gegengewichte erwiesen, dass es auf andere Politikbereiche ausgedehnt werden soll. Die Doppelherrschaft, also die Koexistenz eines formellen und eines informellen Machtsektors unter Dominanz des Letzteren, charakteristisch für totalitäre Staaten, gewinnt zusehends an Kontur.

Was hat das alles mit COVID-19 zu tun? Nichts. Schwab räumt sogar ein, dass Corona, verglichen mit anderen historischen Seuchen, relativ harmlos ist. Umso bezeichnender ist, wie häufig und eindringlich er schreibt, es gelte, die „Gelegenheit“ zu umwälzenden Veränderungen, die „Chance“, den „Weckruf“, den „Koste-es-was-es-wolle-Moment“ zu nutzen und „nicht im Sande verlaufen zu lassen“, weil er „nicht vertan werden darf“.

So greifbar und dreist wie selten zuvor wird uns hier ein Strategem der globalen Eliten vorgestellt, die bestimmte Problemlagen nach Belieben herbeiführen (Migrationsströme durch Angriffskriege), herbeireden („Rassismus“ durch immer uferlosere Ausdehnung des Begriffs), erfinden oder aufbauschen („menschengemachter Klimawandel“, „Fachkräftemangel“, Corona), während sie andere und offensichtliche Probleme beschweigen, leugnen oder kleinreden und Warner als „Verschwörungstheoretiker“ verunglimpfen, nicht ohne sich – nur eben in wohlklingender PR-Sprache – just derjenigen Praktiken öffentlich zu rühmen, die die vermeintlichen Verschwörungstheoretiker ihnen unterstellen.

Dabei werden die sogenannten oder auch Probleme stets so definiert, dass ihre „Lösung“ ein Maximum an Repression, Überwachung, Demokratieabbau, Zensur und Übertragung von Macht an Gruppen zu erfordern scheint, die keiner nennenswerten Kontrolle unterliegen. Bis hin zum Contact Tracing, also der lückenlosen Überwachung der Kontakte jeder einzelnen Person, wird hier der Übergang zum totalitären Staat vorzeichnet, garniert von utopischen Verheißungen eines sozialen und ökologischen Paradieses.

Sage hinterher niemand von denen, die diesen Kurs immer noch bejubeln, er habe nicht wissen können, wohin er führt.