Gregor Hochreiter: "Krankes Geld – kranke Welt"

Rezension

Man mag es inkonsequent finden, dass ich nach all meiner Liberalismuskritik nun zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit (nach den Werken von Oliver Janich und Roland Baader) ein Buch positiv rezensiere, das die Thesen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie referiert. Lohnt sich das denn überhaupt?

Nun, in der rein ökonomischen Analyse entspricht Hochreiters Ansatz exakt dem von Roland Baader (ich verweise auf meine Rezension): Demnach basiert unser Finanzsystem auf inflationärem fiat money, das nicht durch reale Werte gedeckt ist, immer wieder zu zyklischen Booms mit anschließender Rezession tendiert, zu exzessiver Staatsverschuldung einlädt, mit deren Hilfe der Umverteilungsstaat die Bürger von sich abhängig macht. Da inflationsbedingte Rezessionen staatlicherseits immer wieder mit höheren Dosen derselben Droge – nämlich mehr ungedecktem Geld – gelindert werden, baut sich im Lauf der Zeit eine gigantische Blase auf, die am Ende in einer Hyperinflation platzen wird. Hochreiter plädiert – wie Baader – für ein Ende des staatlichen Geldmonopols, d.h. für die Einführung von Warengeld, das praktisch jedermann frei emittieren könnte.

Hochreiters Analyse ist ausführlicher und insofern informativer als Baaders. Insbesondere lässt er den Leser nicht darüber im Unklaren, dass die Abschaffung der Zentralbank und des staatlichen Monopol-Schein-Geldes zunächst zu einer drastischen Rezession führen würde, weil in einem solchen Fall gnadenlos offengelegt würde, dass unter dem Fiat-money-Regime jahrzehntelang systematisch Fehlinvestitionen gefördert wurden. Die Zinsen würden nach oben schnellen, und da der Staat nicht mehr auf Pump leben könnte, würden auch die Sozialsysteme zusammenbrechen. Nach Überwindung dieser Anpassungskrise freilich sollte sich das System stabilisieren und auf einen Weg nachhaltigen Wachstums finden. Das Hinausschieben der Anpassungskrise, so Hochreiter, würde den Absturz nur noch schlimmer machen.

An dieser Stelle fragt man sich, ob der Übergang zu einem Warengeldsystem (ob nun auf dem Goldstandard beruhend oder nicht) überhaupt im Rahmen eines demokratischen Systems zu realisieren ist (und wenn nicht, warum ausgerechnet eine hypothetische Diktatur ein Interesse daran haben sollte, eine solche Rosskur durchzusetzen – wo doch dadurch die Macht des Staates beschnitten würde?)

Der Autor macht sich über die Problematik keine Illusionen und betont, dass eine einmalige Rosskur nur dann eine realistische Option darstellt, wenn die Gesellschaft darauf vorbereitet ist. Nur dann nämlich würde nicht schon die erste schmerzliche Erfahrung nicht dazu führen, dass der Reformweg sogleich wieder verlassen wird. Dies ist der Punkt, an dem seine Analyse über den rein ökonomischen Rahmen hinausweist:

Hochreiter sieht die gesellschaftliche Akzeptanz von Inflationsgeld im Kontext einer Umwertung aller Werte: Eine Gesellschaft, in der der Einzelne bereits durch das Geld- und Finanzsystem darauf orientiert ist, auf Kosten seiner Mitmenschen zu leben, in der Boomphasen regelmäßig Spekulationswellen und Glücksrittertum hervorbringen, und in der die permanente Geldentwertung zu kurzfristigem und kurzsichtigem Konsumdenken verleitet – eine solche Gesellschaft wird zwangsläufig zur Verwechslung von Mittel und Zweck tendieren:

Geld hört dann auf, ein Mittel zu sein, und wird zum alleinigen Zweck menschlichen Handelns, das Recht wird zum Mittel, zum technischen Instrument staatsfixierter Verteilungskoalitionen, die auf Kosten Anderer und auf Kosten kommender Generationen den Konsum im Hier und Jetzt steigern, der Staat zum Kampfobjekt solcher Koalitionen, und sogar grundlegende ethische Werte verkommen zu einem von vielen Posten im Kosten-Nutzen-Kalkül; im Zweifel werden sie selbst zu bloßen Mitteln des Verteilungskampfes.

Ich bin mir nicht sicher, ob das Inflationsgeld, die Ursache, gar die alleinige Ursache solcher Fehldispositionen ist, und Hochreiter lässt die Frage offen. Die Akzeptanz solchen Geldes jedenfalls passt zu einer Gesellschaft, die nach sich selbst offenbar nur noch die Sintflut erwartet. Eine utilitaristische Moral, die jeden willkürlich gesetzten Zweck als gleichermaßen gut und legitim behandelt, bringt wie von selbst ein Scheinwertesystem hervor, in dessen Kontext andere Ziele als die, die sich mit Geld befriedigen lassen, kaum noch verstanden werden.

Wir stoßen hier in einem ganz unerwarteten Zusammenhang wieder auf die Frage nach der Existenzfähigkeit einer Gesellschaft, die nichts Vorgefundenes – und schon gar keine Beschränkungen – akzeptieren und Alles dem Primat der „Machbarkeit“ unterwerfen will. Die Fata Morgana des inflationär finanzierten Schlaraffenlandes führt, wie jede Utopie, in den Untergang.