Konservativenbeschimpfung

Auszug aus meinem Buch „Konservativenbeschimpfung“:

„Man mag noch kopfschüttelnd hinnehmen, dass Konservative dazu tendieren, sich von diesen Eliten beziehungsweise deren Handlangern unfair bis kriminell behandeln zu lassen, ohne mehr als höfliche Kritik zu äußern, insbesondere ohne in der Härte aufzubegehren, die Machthaber verdienen, die ihr eigenes Recht brechen. Haarsträubend ist, wenn Konservative solche Machthaber durch demonstratives Wohlverhalten zu beschwichtigen suchen. Und unappetitlich ist, wenn genau solche Konservativen sich ihrerseits zur Missachtung elementarer Anstandsregeln gegenüber Andersdenkenden berechtigt wähnen, die sie als status-unterlegen wahrnehmen, weil sie entweder nicht „bürgerlich“ genug sind oder etwas weiter rechts stehen und damit weiter von den Eliten entfernt sind.

Nicht zufällig sind es vor allem Basis-Bewegungen, etwa Pegida oder die Identitären, vor deren Kontamination mancher Konservative panisch zurückzuckt: Aus seiner Sicht sind die zornigen Bürger, die sich hier selbst organisieren, statt sich respektvoll von ihm und seinesgleichen bevormunden zu lassen, eine Plebs, gerade gut genug, als Stimmvieh seine – des Konservativen – Rückkehr in die Eliten durch Akklamation zu untermalen und zu legitimieren, aber selbstredend in Ermangelung seiner staatsmännischen Einsicht außerstande, ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu vertreten. Schon gar nicht, wenn dies in Begriffen geschieht, die dem Konservativen an sich nicht fremd, von den Ideologen der etablierten Macht aber tabuisiert worden und damit irgendwie peinlich sind.

Diese Peinlichkeit ist keine Frage des geistigen Niveaus – zur Zielscheibe der jeweils neuesten Distanzierungs- und Beschimpfungswelle aus dem konservativen Spektrum können Intellektuelle genauso wie Basisbewegungen werden –, sie resultiert auch nicht aus einer eventuellen sachlichen Unrichtigkeit der Kritik, sondern aus dem Willen von Konservativen, sich so nah wie möglich an Denkweise und Sprachregelungen des Establishments anzuschließen und mit etwas anderem gar nicht erst in Verbindung gebracht zu werden.

Man muss es schon selbst erlebt haben, um glauben zu können, zu welchem Maß an Charakterlosigkeit Konservative in solchen Konstellationen fähig sind – denn anders als charakterlos kann man es schwerlich nennen, wenn jemand, der selbst Dauerzielscheibe politischer Verleumdungen ist und dies empörend findet, seinerseits Andersdenkende in derselben Sprache und gestützt auf dieselben Denkfiguren verleumdet, mit denen er selbst täglich drangsaliert wird, und deren Verlogenheit er obendrein durchschaut. Zeugt der Denunziationswahn der Linken noch von einer ideologischen Verblendung, die in der Regel wenigstens als solche aufrichtig ist, so resultiert dasselbe Verhalten, wenn Konservative es an den Tag legen, nicht selten aus der Radfahrer-Mentalität, nach oben zu buckeln, nach unten zu treten, und zu diesem Zweck auch ohne Skrupel falsch Zeugnis wider den Nächsten zu reden.

Die Statushierarchie, die dem konservativen Gesellschaftsverständnis zugrundeliegt, ist in den Köpfen vieler heutiger Konservativer nur noch in der vulgären Form einer Hierarchie des Spuckens und Bespucktwerdens präsent. Wahrhaftigkeit und Fairness sind aus dieser Sicht Tugenden, auf die man im Umgang mit vermeintlich status-unterlegenen Akteuren getrost verzichten kann, und Entsprechendes gilt erst recht für die Bereitschaft, sich mit deren Kritik auseinanderzusetzen.

Wer ideologisch weiter von den Herrschenden entfernt ist als der Konservative selbst, hat aus dessen Sicht im Grunde überhaupt kein Recht, ihn zu kritisieren, zumindest aber keinen Anspruch auf Gehör. Für Konservative dieses Schlages kommt es nicht darauf an, ob der Kritiker Recht, sondern ob er das Recht auf Kritik hat – welches Recht wiederum davon abhängt, dass der Kritiker von der Gnadensonne der Machthaber so ausreichend beschienen wird, dass man sich mit ihm auseinandersetzen kann, ohne den eigenen Status zu gefährden. Daher die bornierte Ignoranz, mit der man in diesen Kreisen auf Kritik von rechts reagiert oder vielmehr nicht reagiert (und mit der selbstredend auch dieses Buch quittiert werden wird) – ein Gutsherrengehabe, das vornehm wirken soll, aber so nicht wahrgenommen werden kann, weil es einer primitiven Geisteshaltung entspringt.

 

Bauernschläue

Wenn Teile der AfD die Pegida-Bewegung, die FPÖ die Identitäre Bewegung verleumdet (und zwar in der Sprache des politischen und ideologischen Gegners) und sich von ihnen distanziert, um diese beiden Parteien nur als Beispiele für ein Verhaltensmuster zu nennen, das unter Konservativen endemisch verbreitet ist, dann können noch so aufwendige taktische Rechtfertigungen nicht das strenge Aroma ihres Angstschweißes überdecken, den die Furcht vor der Missbilligung durch das Establishment auslöst. Sie können auch nicht darüber hinwegtäuschen, wie verachtenswert es ist, über die Stöckchen seiner Gegner zu springen und (ehemalige, aktuelle oder potenzielle) Verbündete in der Hoffnung auf einen Judaslohn zu verunglimpfen, der darin bestehen soll, vom Establishment einer geringfügig faireren Behandlung gewürdigt zu werden als diese. Selbstverständlich wird dieser anrüchige Lohn nie ausgezahlt, und wer auf ihn spekuliert, gleicht jenem Esel, der einem vor seine Nüstern gebundenen Heuballen hinterhertrabt.

Sich von dem nur um Nuancen weiter rechts stehenden Geistesverwandten zu distanzieren, ihn aus Organisationen auszuschließen und als „Rassisten“ zu verleumden in der Hoffnung, sich dadurch selbst vor dieser demagogischen Etikettierung zu schützen und salonfähig zu werden, ist Appeasement im verächtlichen Sinne des Wortes, das heißt, es ist der Versuch, das Krokodil zu füttern in der Hoffnung, selbst als Letzter gefressen zu werden. Wer sich dazu einmal hinreißen lässt, wird immer wieder dazu gezwungen werden und dabei eine immer erbärmlichere Figur abgeben.

Unwillkürlich fallen einem einige Zeilen von Bertolt Brecht ein:

„Was er immer hat getrieben,

darauf kommt es gar nicht an.

Er ist oben nicht gut angeschrieben,

damit ist er für mich abgetan.

Jedes andere Gefühl hat da zu schweigen:

Er ist oben unbequem!

Soll ich mich in seiner Nähe zeigen?

Soll man von mir sagen: Der sprach auch mit dem?

 

Diese Verse stammen aus dem „Lied des Speichelleckers“ und illustrieren eine herrschaftssichernde Form charakterlicher Korruption, die naturgemäß dort am stärksten ausgeprägt ist, wo man sich am stärksten an Statushierarchien orientiert, also nicht zuletzt in Kreisen, die sich „bürgerlich“ und „konservativ“ nennen. Die Linken bedienen sich solcher Mechanismen, sobald sie mächtig genug sind, von ihrer Existenz zu profitieren, aber sie wären niemals in die Position gelangt, in der sie heute sind, wenn sie sie schon früher geteilt hätten. Dass es in ihren Reihen heute von Mitläufern und Jasagern, von Denunzianten und Karrieristen, kurz: von Speichelleckern nur so wimmelt, ist ein Faktor, der dazu beitragen wird, ihnen das Genick zu brechen. Er ist die faule Frucht des linken Erfolges, nicht seine Ursache, nichts, was die Linke stärkt, und erst recht nichts, was eine konservative Opposition übernehmen sollte, die sich ihren Weg an die Macht erst noch bahnen muss.

Stil, Werte, Anstand und Prinzipien – scheinbar tragende Säulen des konservativen Selbstverständnisses – gelten für etliche Konservative offenbar nur, bis sich irgendeine bauernschlaue Rechtfertigung dafür findet, sie fahrenzulassen – selbstredend nur aus staatspolitischer Verantwortung, nur um Schlimmeres zu verhüten, und nur als Ausnahme – die allerdings die fatale Tendenz hat, sich über kurz oder lang als Regel zu etablieren. Dass dies soziologisch erklärbar ist, heißt nicht, dass es nicht widerlich wäre.“

[Erhältlich im Buchhandel, am besten aber direkt beim Verlag – jedenfalls dann, wenn man nicht die großen Konzerne füttern möchte.]