… lautet „alternativlos“:
Das Adjektiv „alternativlos“ ist zum Unwort des Jahres 2010 erklärt worden. Den zunächst von Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Griechenlandhilfe, später aber auch von anderen Politikern etwa beim Projekt Stuttgart 21 verwendeten Begriff wählte eine unabhängige Jury aus 1123 eingereichten Vorschlägen aus. Der emeritierte Germanistik-Professor Horst-Dieter Schlosser kritisierte den Ausdruck am Dienstag in Frankfurt am Main als sachlich unangemessen.
Er suggeriere, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art seien im vergangenen Jahr zu oft aufgestellt worden.
Nachdem die Jury 20 Jahre lang fast jedesmal „Unwörter“ bloß deshalb als solche angeprangert hat, weil sie nicht in die gutmenschliche Ideologie und Moral passten („betriebsratsverseucht“, „notleidende Banken“, „Humankapital“), hat es diesmal einen wirklichen Volltreffer gelandet und das Richtige (und mit Angela Merkel auch die Richtige) getroffen. Wenn auch nur aus Versehen. Denn die Begründung …
Sie drohten die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken.
… enthält nicht nur selbst ein Unwort („Bevölkerung“ statt „Volk“), sie verrät vor allem die Interessenperspektive der Herrschenden, für die nicht etwa ihre katastrophale Politik, wohl aber die daraus resultierende „Verdrossenheit“ ein Problem darstellt. Ja, sie blendet Kritik an der Politik sogar völlig aus und richtet sie aufs Volk:
Nicht die ideologisch motivierte Selbstgerechtigkeit und die ihr entsprechende Neigung zu technokratisch-autoritärem Politikverständnis der herrschenden Kaste ist kritisierenswert. Nicht ihre Neigung zu antidemokratischer „Volkserziehung“ und Indoktrination wird ihr angekreidet, sondern dass sie schlecht erzieht und schlecht indoktriniert und damit riskiert, dass das unmündige Volk vor lauter „Verdrossenheit“ aus dem Laufställchen ausbricht.
Die Jury kritisiert das Wort „alternativlos“, weil es nicht dazu beiträgt, das Volk über die Mentalität seiner politischen Kaste hinwegzutäuschen, für die die Alternativlosigkeit aller wesentlichen Entscheidungen längst zu den Glaubensartikeln gehört. Sie kritisiert nicht etwa diese Mentalität.