Hans Mommsen über „Das Amt“

Bekanntlich hat das Auswärtige Amt unter dem Titel „Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ eine Studie herausgebracht, mit der es seine eigene Vergangenheit „aufarbeitet“ – was unter heutigen Bedingungen bedeutet, dass es eine pauschale Selbstbesudelung veröffentlicht hat, um sich nur ja nicht den Verdacht einzuhandeln, es sei nicht hinreichend schuldbewusst.

Der Historiker Daniel Koerfer hat in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schon einiges zu diesem (Mach-)werk gesagt:

Die Geschichte von Institutionen ist doch immer die Geschichte der Menschen, die in ihnen handeln und deren Wirken „wir“ verstehen und erklärt bekommen wollen. Das „Amt“ ist aber kein Buch der Erklärung und kein Buch der Versöhnung. Es ist kein Buch der anteilnehmenden, sorgfältigen Ermittlung, sondern der pauschalisierenden Wertung, die fast durchweg dominiert. Es ist – ich muss es so offen aussprechen – ein Buch der Rache. Und die Kommission hat sich dafür instrumentalisieren lassen. Joschka Fischer hat bei der Vorstellung des Bandes in der Berliner Kongresshalle fast triumphierend gesagt: Jetzt haben die Herren den Nachruf bekommen, den sie verdienten.

Hoffen wir, dass auch Joschka Fischer eines Tages den Nachruf bekommt, den er verdient.

Der Historiker Hans Mommsen hat heute in einem Interview mit dem Deutschlandfunkt Koerfer nicht nur zugestimmt, sondern hinzugefügt:

Die Mitwirkung des AA war differenziert über die totalitären Bedingungen, also die Bedingungen, unter denen sich das abspielte. Die kommen überhaupt nicht zur Sprache. Insofern hinterlässt dieses Buch mit seinen viel zu vielen Seiten, ohne dass es wirklich neue Materialien bringt, ohne dass es auch Widerstandshandlungen im Auswärtigen Amt näher beleuchtet, doch bei mir eine sehr große Verlegenheit, ich könnte auch sagen Entsetzen, und ich weiß eigentlich nicht, wie es möglich ist, dass man auf einen Regierungsauftrag hin diese etwas eilige Arbeit in Gang gesetzt hat. Mein großer Wunsch ist, … endlich aufzuhören – aber das Gegenteil ist im Moment der Fall –, Aufträge an Historiker von Regierungsstellen … zu geben.

Wir gehen in eine staatlich dirigierte Geschichtswissenschaft schrittweise über, und dies ist ist ein Menetekel (…)

Die[se Kommission] hat den eigentümlichen Namen, eine unabhängige Historikerkommission zu sein. … Eine von der Regierung eingesetzte Kommission ist per definitionem nicht unabhängig, und dass die Deutschen sich angewöhnen, das für Unabhängigkeit zu halten, lässt tief blicken. Ich glaube, wir sind – wie auch parallele Dinge zeigen würden – auf dem Weg in eine autoritäre Gesellschaft.

(Das vollständige Interview ist in der mp3-Aufzeichnung der heutigen Ausgabe von „Kultur heute“ – ab 6:45 – im Netz verfügbar.)

8 Gedanken zu „Hans Mommsen über „Das Amt““

  1. Am 28. November 2010 kommentiert <a href=“http://www.daserste.de/druckfrisch/topten.asp“>Denis Scheck</a> im Ersten die 10 Top-Sachbücher. Auf Platz 6 liegt „Das Amt“, er lobt es übern grünen Klee. Als er zu Platz 1 kommt, zum Dauerbrenner Thilo Sarrazin, verzieht er verächtlich das Mäulchen und wirft das Buch in den Mülleimer.

    Anschließend sieht man ihn noch in einer Buchhandlung. Dort geht er auf Menschen zu, fragt sie, ohne eine Antwort abzuwarten, was sie so interessiert, welche Bücher hier, dann nimmt er sie bei der Hand und schwatzt ihnen dies&das auf, das geraaade so toll, und das unbedingt zu lesen wäre.

    Das Erste indoktriniert in nahezu allen Programmen, nur „Sturm der Liebe“ hat’s bei 1200 Folgen noch nicht ereilt. Das ist heuer eine Kunst.

  2. Am 28. November 2010 kommentiert Denis Scheck im Ersten die 10 Top-Sachbücher. Auf Platz 6 liegt “Das Amt”, er lobt es übern grünen Klee. Als er zu Platz 1 kommt, zum Dauerbrenner Thilo Sarrazin, verzieht er verächtlich das Mäulchen und wirft das Buch in den Mülleimer.

    Er verzieht nicht nur das Mäulchen, er lässt sich auch noch zu dem äußerst dümmlichen Kommentar hinreißen, er möchte sich lieber abschaffen, als in einer Welt Thilo Sarrazins zu leben.
    Nur zu, man wird ihn nicht vermissen.

  3. °Das Erste indoktriniert in nahezu allen Programmen…“
    Das Zweite steht ihm da m. E. in nichts nach. Bei der Veröffentlichung der letzten Extremismusstudie wurden in den heute – Nachrichten nur die rechtsextremen Straftaten erwähnt. In der Tagesschau immerhin auch noch die mit linksradikalem Hintergrund.

  4. Als atemberaubende „Neuigkeiten“ in besagtem Buch aufgerufen wurden, war ich zunächst überrascht. Da war z.B. jene Reisekostenabrechnung, wo es um die „jüdische Frage“ ging. Mit Abbildung. Sozusagen eben erst entdeckt. Aber dann bildete die FAZ einen Artikel ihrer Ausgabe von 1952 ab. In diesem Artikel wird der Prozeß gegen den Abrechner geschildert und das Urteil über mehere Jahre Gefängnis dargelegt. Das war der Augenblick, dieses Buch von der Bücherliste zu entfernen. Ich hatte zu meiner Schande nicht bemerkt oder vergessen, daß es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Wes‘ Brot ich eß‘, des Lied ich sing‘. Qed.

    Überhaupt scheint man in diesem Land überrascht, daß ein (jedes) AA im Sinne und im Auftrag der jeweiligen Regierung handelt. Isses denn möglich? Da wäre es doch interessant, die wenigen Jahrzehnte der Existenz eines AA der „DDR“ zu durchleuchten. Es wäre sicherlich überraschend, dort lupenreine Sozialisten am Werke zu sehen.

    Eine Feststellung dürfte nicht verkehrt sein: Das AA des Reiches bis 45 war von weniger (braunen) Sozialisten durchsetzt, als das AA der sog. DDR von roten Sozialisten. Mit allen Folgen für das Tun.

  5. Ob dem guten Josef „Joschka Fischer“ klar ist, dass einer seiner neuen Brötchengeber, die Familie Quandt, Mehrheitsbesitzer von BMW, während der Nazizeit hunderte von KZ-Insassen beschäftigte? Ob „Joschka“ Josef Fischer die Mitgliedschaft der massgeblichen Mitglieder der Familie Quandt und deren enge Verbundenheit mit dem Naziregime und der NSDAP auch meinte?http://karlmartell732.blogspot.com/2010/10/die-deutschen-eliten-merkel-von-und-zu.html

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