Harald Seubert: „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus“ – Rezension

Dass die Moderne, die westliche Gesellschaft, sich in einer Existenzkrise befindet, dürfte zumindest unter den Lesern dieses Blogs unstrittig sein. Worauf diese Krise beruht, und wie lässt sie sich möglicherweise überwinden lässt, ist das Thema von Harald Seuberts „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus“. Der erste Teil des Buches ist eine Tour d’horizon, in der die vielfältigen Krisen-, Dekadenz- und Degenerationserscheinungen beim Namen genannt und analysiert werden: die neue Weltunordnung, der Zerfall staatlicher Ordnungsstrukturen nach innen und außen, die geistige Desorientierung, die durchgehende Ideologisierung von Wissenschaft, Medien und Politik, der Amoklauf der Finanzwirtschaft, die Desintegration von Völkern und Familien.

Diese Zerfallserscheinungen treten nicht zufällig zur gleichen Zeit auf. In ihnen manifestiert sich eine Ambivalenz der liberalen Moderne, die die Frage aufwirft, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ordnung der Freiheit überhaupt möglich ist. Das Bockenförde-Diktum, wonach der freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann, wird zwar oft und gern zitiert, in seiner existenziellen Ernsthaftigkeit aber außerhalb des konservativen Spektrums (und damit meine ich das wirklich konservative Spektrum im Unterschied zum Mainstream-„Konservatismus“) so gut wie nicht diskutiert, ja nicht einmal begriffen. Gerade ideologisch gefestigte Liberale halten individuelle Freiheit im Sinne der Freiheit von allen Bindungen für das Natürlichste der Welt und eine darauf beruhende Ordnung für die „natürliche Ordnung“ (Oliver Janich). (Wenn das so sein sollte: Warum hat es diese „natürliche“ Ordnung dann noch nie gegeben?) Die bloße Idee, dass Freiheit so etwas wie Voraussetzungen haben könnte, und dass diese Voraussetzungen sich nicht in der Existenz eines Rechtsstaates erschöpfen, kann vom Liberalismus her kaum gedacht werden. Die Gefahr, dass ein entwurzelter, nämlich von der Tradition des Christentums (aus der er stammt) abgeschnittener Liberalismus womöglich nicht lebensfähig ist, sondern entweder in den totalitären Alternativen mündet, die durch seine eigenen Aporien auf den Plan gerufen worden sind, oder selbst totalitär wird, kann von seinen eigenen Voraussetzungen her schon deshalb nicht bekämpft werden, weil er sie nicht in ideologieeigener Sprache thematisieren kann. Wenn es heute ein konservatives Projekt gibt, so besteht es nicht zuletzt darin, die Freiheit vor den Liberalen zu retten.

Seubert entwickelt die grundlegende Aporie der liberalen Moderne in der Auseinandersetzung mit dem Kategorischen Imperativ Kants. Dieser begründet eine rein subjektive Moralität, aber keine sittliche Ordnung.

Das ehrwürdige Prinzip der Kantischen Philosophie besteht darin, dass er erstmals in der Weltgeschichte der Philosophie die Selbstgesetzgebung zum konstituierenden Anfang und Prinzip der praktischen Vernunft erhoben hat. (…) Der Mangel aber besteht darin, dass die moralische Subjektivität nicht über das bloße Sollen hinausführt. Sie kann sich nur in unendlichen Bemühungen und Anstrengungen mit dem Anspruch, moralisch zu sein, abquälen. Erfüllen kann sie ihn nicht. Die tantalidische Qual der moralischen Subjektivität ist darin begründet, dass die reine Moralität in der Welt prinzipiell unerfüllbar ist. Woran liegt das? Der Wille müsste die Absolutheit preisgeben, wenn er sich auf die nach ganz anderen Gesetzen geordnete Wirklichkeit einlassen würde. Wer die Einlösung des Postulats der Moral in der Realität bezweckt, kann also, wenn er mehr erreichen will als Forderung und Klage über den Weltlauf, mit der Wirklichkeit und ihren Kräfteverhältnissen nur wie ein Machiavellist umgehen. Nur durch Machteinwirkung kann die Realität geändert werden. Der apodiktische Boden der Moralität würde damit aber verlassen, indem man sich auf die Realitäten einlässt, die die Wirklichkeit bestimmen und die essenziell unmoralisch sind. (S.117)

Die Moral wandert in die engste Privatsphäre aus; im Geschäftsleben gilt sie schon nicht mehr, es sei denn als Mittel zum Zweck, in der Politik schon gar nicht. Das nutzenmaximierende und eben nicht das moralische Individuum ist die Urfigur der bürgerlichen Gesellschaft. Diesen Mangel der Kantschen – oder überhaupt der liberal aufgeklärten – Philosophie nimmt Seubert von Hegel her in den Blick. Der Begriff des „sittlichen Staates“ ist nicht zuletzt der Versuch, die Grundlagen einer freiheitlichen Ordnung – die beides ist, also freiheitlich und eine Ordnung – in einer Synthese zur Deckung zu bringen, statt, wie es dem liberalen Denken entspräche, das eine bloß als Begrenzung des anderen aufzufassen.

Im Grunde setzen die in der individualistischen Tradition der Aufklärung stehenden Philosophen von Kant bis Habermas den sittlichen Menschen als Gegebenheit voraus, als Selbstverständlichkeit, die keiner weiteren Begründung bedarf. Da die Frage, woher Sittlichkeit kommt, nicht gestellt wird, verschwinden die Gefahren, die dieser elementaren Grundlage der Gesellschaft drohen, aus dem Blickfeld der Theoretiker – und zwar so lange, bis sie in Gestalt höchst realer Katastrophen wieder zum Vorschein kommen.

Dies bedeutet aber in der Essenz, dass Hegel keineswegs die liberale Position negieren will. Vielmehr lassen sich mit Hegel über den Rahmen des klassischen Liberalismus hinaus die Bedingungen denken, die erfüllt sein müssen, damit der Staat in der modernen Welt überhaupt ein liberaler Staat bleiben kann. Der faktische Gang der Geschichte seit dem Zeitalter Hegels hat bewiesen, dass die absolut gesetzte liberale Position unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft ständig in der Gefahr steht, der Zerstörung und Selbstzerstörung anheimzufallen und von einem totalitären Zustand abgelöst zu werden, den sie selbst nicht will, den sie aber aufgrund ihrer Blindheit über die Voraussetzungen, die sie selbst bedingen, unbewusst herbeiführt. (S.135)

Wir sehen heute klarer als bisher, dass die Marktgesellschaft angesichts der Freisetzung konkurrierender natürlicher Willen allein aus sich heraus nicht existenz- und schon gar nicht überlebensfähig ist. Noch immer ist sie funktionsfähig; und dies nicht wegen der fromalen Legalität, sondern weil nach wie vor gelebte, faktische Sittlichkeit menschliches Handeln bestimmt. Wir machen uns nie klar, dass wir in dieser Gesellschaft leben, handeln und uns verhalten im Vertrauen auf die noch vorhandene und gelebte humane Sittlichkeit. Was die Gesellschaft wirklich zusammenhält, ist eine Form des überkommenen Ethos. Dabei wird paradoxerweise eben dieses selbe Ethos in der Theorie und im öffentlichen Bewusstsein verneint. Es ist eine dramatische Schizophrenie, dass im theoretischen intellektuellen Selbstverständnis ständig suggeriert wird, es gebe jene Arkana nicht, die tatsächlich immer wieder in Anspruch genommen werden müssen. Wenn diese selbstverständliche, nur als sittlich zu qualifizierende Einstellung der Menschen zum Gemeinwohl, aber auch zur natürlichen Welt nicht mehr präsent wäre (und sei es als ferner Nachklang, als habitueller Sozialinstinkt), so würde die Gesellschaft sich von einem Tag auf den anderen offensichtlich in Chaos auflösen. Dies macht man sich freilich nicht klar, und deshalb leben wir in der Moderne in einem Bewusstseinszustand, der das Niveau der eigenen konkreten geschichtlichen Wirklichkeit unterschreitet. (…) Es ist eine Ideologie, dass in das Bewusstsein nicht eingehen darf, was an gelebtem Ethos noch vorhanden ist.(S.137 f.)

Die liberale Moderne ist nicht zufällig auf dem Boden der christlichen Kultur entstanden, sondern weil die unhintergehbare dialektische Spannung zwischen individueller Freiheit und der sie ermöglichenden Ordnung zu den fundamentalen Zügen dieser, und eben nur dieser, Religion gehört. (Wer es genauer wissen möchte, dem empfehle ich mein „Dschihadsystem“ und dort den Exkurs zwischen den Kapiteln III und IV. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte dies schleunigst nachholen 😀 ).

Die Diagnose zu treffen, dass die schwindende Bindekraft des Christentums die tiefste Ursache der Krise liberalen Moderne darstellt, ist eine Sache; eine Therapie zu finden, ist viel schwieriger. Es geht ja nicht darum, das Christentum als eine Art Staatsreligion einzuführen; der Staat kann eine weitgehend entchristlichte Gesellschaft nicht mit seinen Mitteln rechristianisieren. Ein Glaube, der von oben verordnet wird, ist keiner. Allenfalls kann und sollte der Staat die Entchristlichung nicht vorantreiben. Die Rechristianisierung selbst kann nur aus der Gesellschaft selbst kommen, und dort nicht in Gestalt eines mehr oder minder politischen Programms: Ein Christentum als Mittel zu einem säkularen Zweck wäre ebenso ein Widerspruch in sich wie ein von oben verordnetes. Rechristianisieren kann Jeder nur sich selbst.

Seubert hat eine treffsichere und unbedingt lesenswerte Diagnose gestellt. Die Heilung aber ist nach dieser Diagnose von Voraussetzungen abhängig, deren Eintreten man erhoffen, aber kaum als wahrscheinlich ansehen kann. (Allein die christliche Sexualmoral zu rekonstituieren gliche doch dem Versuch, die Zahnpasta in die Tube zurückzudrücken.) So sehr ich wünschte, es wäre anders: Am wahrscheinlichsten ist, dass der Marsch in Barbarei und Totalitarismus weitergeht.

36 Gedanken zu „Harald Seubert: „Jenseits von Sozialismus und Liberalismus“ – Rezension“

  1. Hallo Manfred,
    nach den kurzen Zitaten aus dem Buch Seuberts und deiner Erläuterung zu schließen, scheint es sehr interessant und wichtig zu sein. Allerdings halte ich deine Sprache für verständlicher und klarer. Seubert schreibt anscheinend leider mindestens genauso verschwurbelt wie ich selbst. Solche Informationen, Bücher, Blogbeiträge sehe ich ja nie nur als meine private Lektüre an, sondern ich benutze sie immer auch in der täglichen Diskussion mit anderen. Da ist dein Buch „Das Dschihadsystem“ wirklich super und 1:1 zu verwenden. Bis jetzt hat wirklich jeder die Gedankenführung in deinem Buch verstanden und man kann dann in der Diskussion weiter darauf aufbauen. Ich hoffe, du weißt, welchen großen Dienst du uns geleistet hast. All denen, die die gleichen Gedanken teilen, es aber nicht so gut rüber bringen können. Mach weiter so.

    Dass Seubert Kant in den Blick nimmt, finde ich hervorragend. Seine Einschätzung teile ich voll und ganz. Ich habe nicht viel von Kant gelesen. Seine Schrift „Zum ewigen Frieden“ – und das mit dem „Kategorischen Imperativ“ haben wir in der Gruppe besprochen. Mein Eindruck, den ich jetzt mehr gefühlsmäßig als philosophietheoretisch wiedergeben möchte, ist folgender: man spürt beim Lesen förmlich, dass Kant den Menschen Europas, den einzigen den er kennt, als „Menschheit“ absolut setzt und dadurch zu einer abstrakten Denkfigur macht. Was aber eben mit der Realität nicht zu tun hat. Sein ganzes Konzept baut auf diesem theoretischen, abstrakten, als atomisiertes Einzelwesen absolut gesetzten Menschen, auf und nicht auf einer vorgefundenen Wirklichkeit. Das scheint mMn Seubert ebenso zu sehen, wenn er schreibt. „Die tantalidische Qual der moralischen Subjektivität ist darin begründet, dass die reine Moralität in der Welt prinzipiell unerfüllbar ist.“ Oder wie du es ausdrückst: „Dieser (der Kategorischen Imperativ Kants) begründet eine rein subjektive Moralität, aber keine sittliche Ordnung.“

    Dein Satz bringt mich aber noch auf einen anderen Gedanken. Wenn die von dir geäußerte Annahme stimmt, dass die liberale Moderne selbst keine sittliche Ordnung begründen kann (und natürlich stimmt dies), also das Bockenförde-Diktum richtig ist, wonach der freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht bereitstellen kann. Wenn weiter feststeht, dass die Entchristlichung der Gesellschaft deshalb nicht nur zu einer Krise, sondern früher oder später zwangsläufig zu einem Zusammenbruch der Gesellschaft führen muß. Wenn weiter eine Rechristianisierung unserer Gesellschaften eine fast unlösbare Aufgabe darstellt und wenn schließlich der Islam ein System ist, dass sehr wohl nicht nur eine subjektive Moral, sondern darüber hinaus eine sittliche Ordnung begründen kann… Dann, ja dann ist der Sieg des Islam in den westlichen liberalen Staaten fast schon eine geschichtliche Zwangsläufigkeit und ich verstehe von daher deine leicht pessimistische Grundhaltung zum Schluss deines Beitrags. :-((
    Allerdings glaube ich persönlich an eine ganz andere Wendung der Geschichte und an eine Wiedergeburt der europäischen Völker. Ich halte diese Krise für eine der vielen Herausforderungen, die wir in der Geschichte bereits überstanden haben und wir werden gestärkt daraus hervorgehen.
    Für mich kommt es eher darauf an, nach vorne zu schauen und die richtigen Strategien zu finden und umzusetzen.

    • Ich halte diese Krise für eine der vielen Herausforderungen, die wir in der Geschichte bereits überstanden haben und wir werden gestärkt daraus hervorgehen.

      Ich will kein Wasser in Deinen Wein gießen, aber genau mit solchen Argumenten haben sich die Römer nach der Brandschatzung ihrer Stadt durch Alarichs Horden 410 getröstet.

      • Jetzt kommt mal geballtes Halbwissen in Fragen formuliert 🙂

        1. Kann es nicht sein, dass beispielsweise die vollkommen aus dem Ruder gelaufene Sexualmoral in Deutschland vom Einfluss der Besatzungsmächte herrührt?

        Anders gefragt: Wenn morgen insbesondere die USA von der Weltkarte verschwinden würden, würden dann übermorgen bei uns noch Musikvideos im Fernsehen laufen, in denen irgendwelche „Low-lifes“ unsere Jugend für Gewalt, Drogen und Sex begeistern?
        Haben wir uns diese „Kultur“ wirklich zueigen gemacht oder stehen wir im Bann finstrer Mächte?

        2. Inwiefern gehören wir überhaupt zum „Westen“?
        Ich habe mal einen Artikel gelesen, wo, ist mir entfallen(hier etwa? :)) dessen Aussage war, dass WKII sich auch(hauptsächlich?) daran entzündete, dass Deutschland die Ideennation nicht angenommen hat und realitätsbezogen handelete, nicht im Sinne irgendwelcher abstrakter Ideale. Die absolute Antithese zu GB, Fr und USA quasi.

        Wenn Rom brennt- befreit uns das nicht eher, als dass es uns mit in den Abgrund reisst?

        • Nein werter Sensenschmied, der Brand Roms hat die Römer nicht befreit, ein war ein Fanal des Siechtums der römischen kaiserreichs. Hinterher kam noch die weitaus heftigere Plünderung und Brandschatzung durch die Wandalen und der unaufhaltsame Niedergang Westroms. Die Bevölkerung des Westreichs vegetierte dahin, soweit sie überlebte. Ostgoten, Byzantiner und Langobarden wurden die neuen Herren des italienischen Teils Westroms. Später mischten in Italien auch die Franken mit, danach auch deutsche Kaiser, beginnend mit Otto I.. Die Menschen in Italien kamen nicht zur Ruhe, Chaos herrschte. Eine dunkle Zeit brach an, das Leben der Menschen war keinen Pfifferling mehr wert (straker Bevölkerungsrückgang), die Infrastruktur zerfiel, erheblich später entstanden Stadtstaaten, wie Venedig, Pisa, Florenz, Genua u.a.m., Kriege ohne Ende, Gewalt ohne Ende.

          • Das Römische Kaiserreich endete aber nicht damals, als die „Horden“ Rom eroberten. Es veränderte sich. Erstens hielt Ostrom noch knapp 1000 Jahre länger. Die Byzantiner selbst sahen sich als Römer und sie waren es auch.

            Zweitens verwandelte sich die Struktur des Staates, Rom lebt weiter und zwar in den Klöstern, den Priestern, der Lateinischen Messe, dem Papsttum und so weiter. Das Christentum ist die transzendierung des Römischen Reiches. Gott neigt zu solchen Dingen. Letztendlich ging Rom 1918 unter, als Österreich-Ungarn verging.

            Templarii – recognoscere.wordpress.com

        • Wir stehen (und standen schon immer) mit einem Bein im Westen, aber eben nur mit einem. Und daran hat sich nicht wirklich etwas geändert. Ob wir zum Westen zu rechnen sind, ist eine Frage des Kontextes, und zum Teil können wir es uns auch gar nicht aussuchen. Die Moslems zählen uns in jedem Fall zum Westen.

          Das Rom, das brennt, wird überall in diesem Westen sein, und selbst wenn wir über den Untergang Großbritanniens schadenfroh wären – was ich gewiss nicht bin -, würde es nichts daran ändern, dass es uns genauso treffen kann.

          Wenn die USA morgen von der Weltkarte verschwänden, würde sich kulturell zunächst einmal nicht viel ändern, weil die Elitennetzwerke, über die die Kultur zersetzt wird, schon lange transnational sind.

          • Sagen wir mal so: Wir gehörten im weiteren Sinne zum Westen. Aber dieser Westen hat uns gegenüber spätestens 1918 den Comment aufgekündigt, der bis dahin unter europäischen Nationen üblich war.

            Daß die Zerfallserscheinungen im Westen ausgeprägter sind, als bei uns, gehört zu den wenigen Dingen, die mich vorsichtig optimistisch stimmen.

            Du schreibst: „Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es unter kräftiger Einwirkung verschiedenster amerikanischer Propagandakanäle zu einer grundlegenden Umwälzung des politischen Denkens in Deutschland“ (Deutschfeindlichkeit II)

            Nun, das waren nicht nur „propagandistische“, sondern auch höchst brachiale Eingriffe, zu dem Zweck, das national-konservative und national-liberale Element aus dem politischen Prozess auszuschalten und Deutschland in den westlichen Machtbereich einzubinden. Wobei die eine Maßnahme die andere zu stützen hatte und dauerhaft machen sollte.

            Eine Regeneration Deutschlands würde ja nichts geringeres bedeuten, als diese Vorgänge rückgängig zu machen. Da erstaunt es mich immer ein wenig, wie manche Nationalen sich einerseits über die „Umerziehung“ und „Einbindung“ empören, und dann auf einen Umschwung hoffen, als sei Deutschland eine einsame Insel.

            Professor Schachtschneider wird mit diesem Satz zitiert:

            „Ich denke, daß im Ernstfall auf Deutschland, falls es die Einbindung in die europäische Integration aufkündigen würde, ein ganz erheblicher Druck, auch von den Vereinigten Staaten ausgeübt werden würde. Und sollte Deutschland bei dieser Politik bleiben, dann bestünde die Gefahr militärischer Maßnahmen.“
            (http://vaterland.wordpress.com/2010/02/08/die-feindstaatenklausel/)

            Ich meine mich auch zu erinnern, daß etwa 1998 kurz eine Meldung durch die Presse ging (wahrscheinlich gezielt lanciert), daß im Pentagon der Einsatz von NATO-Truppen gegen Aufständische in Europa durchgespielt werde. Szenario: Rechtsradikale haben Magdeburg zur „Ausländerfreien Zone“ erklärt.

            Das heißt doch: wir brauchen eine außenpolitische Situation, in der eine Einflußnahme von außen unwahrscheinlich wird. (Könnte dann übrigens die Kompromißbereitschaft der politischen Klasse dramatisch erhöhen.)

            Also: schön, daß uns der Westen einige Jahre voraus ist.

          • @ Horst

            „wir brauchen eine außenpolitische Situation, in der eine Einflußnahme von außen unwahrscheinlich wird.“ … um innenpolitische freier gestalten zu können.

            Das kann man natürlich auch genauso umgedreht sehen: „Wir brauchen eine innenpolitische Kraft, die dafür sorgt, daß eine Einflußnahme von außen reduziert wird.“

            Da beißt sich die Katze in den Schwanz, befürchte ich.

            Ich sehe dennoch freudig in die Zukunft:
            1. Die CDU-„Konservative“ tritt absehbar ab.
            2. Sie wird ersetzt werden. Konservativismus ist eine Charakterfrage. Der Charakter wird immer bedient werden.
            3. Eine totalitärer Eingriff kommt viel zu spät.
            4. Unserer äußeren Bedränger, vorneweg die USA erleben einen Niedergang.
            5. Ihre Kraft, noch einen und noch einen und noch einen Stabilisierungseinsatz zu übernehmen dürfte sinken.
            6. Ich vermute die Interessenlage der Chinesen dürfte zwar einem amerikanischen Einsatz an möglichst vielen Orten entsprechen, aber niemals deren Sieg wollen. Und der ist wohl auch in den letzten Jahrzehnten auch keinmal geglückt.
            7. Unter den Deutschen und Europäern wächst die Skepsis gegenüber dem „alten „System“.
            8. Deutschland schlittert deutlich in eine Stellung, wie in den dreißiger Jahren. Innenpolitisch und außenpolitisch. Wunderbar.

            Ich glaube nicht, daß die Rechte bereits so degeneriert ist, sich nicht um potentielle Verbündete im Ausland zu bemühen. Das organsiatorische Band ist dazu in der Realität noch nicht stark genug. Aber ein deutsch-chinesisches Potential ist gegeben. Daß wir dabei nur der Schwanz und nicht der Hund sind, ist klar. Aber es sollte mich wundern, wenn daran noch niemand in Beijing gedacht hätte. In etwa so, wie die Amerikaner mal eine NATO-Besetzung Deutschlands durchgespielt haben, die den unterschwelligen Status in einen nicht mehr zu leugnende Besatzung umdreht.

            @ alle: Andere Alternativen auf dem Markt? Ggf. Deutsch-Russische?
            Welcher Vorteil für wen? Vor- und Nachteile für uns zu einer denkbaren chinesischen Option?

            Ich sehe übrigens China im Inneren für drastisch weniger monolithisch an, als die meisten es denken. Und ich sehe, daß sich auch andere bereits um China bemühen. Die Zeit läuft!

  2. Das Blatt steht nicht zu unseren Gunsten, völlig klar. Aber wir, die Rechten/Konservativen müssen kreativ weiterdenken, alles andere wäre die vorzeitige Kapitulation. Dazu braucht es Konzepte, wie die Folgen der sexuellen Revolution eingedämmt werden können und in welchem politischen oder gesellschaftlichen Rahmen sie schließlich rückgängig gemacht werden kann, ohne in der Scharia zu münden. Auch der Säkularismus hat sich als abschüssige Bahn erwiesen und ein zumindest als grober Rahmen „von oben“ verordnetes Christentum – warum nicht? Besser Doppelmoral und aufgesetzt wirkende Frömmigkeit als gar keine!

    Dass das derzeitige System in die Katastrophe mündet, das dämmert doch inzwischen beinahe jedem. Auch die „freie Liebe“ hat sehr viel mehr potentielle (und reale) Verlierer als Gewinner hervor gebracht, nämlich weniger attraktive oder ältere Frauen, der von feministischer Gesetztgebung gegängelte Durchschnittsmann, ihrer Autorität beraubte Eltern, viele Kinder…

    Es ist kaum zu hoffen, dass es noch einen Weg gibt, der ganz Deutschland einbezieht. Vermutlich wird die Ablösung vom Liberalismus in unterschiedlichen Regionen auch sehr unterschiedlich ausfallen. (Je nachdem wieviel Grundsubstanz noch vorhanden ist.) Es ist aber durchaus möglich, dass sich traditionell orientierte Gemeinschaften, abgesehen vom Islam, rekonstituieren und dann auch Anziehungskraft entwickeln. Wichtigstes gemeinsames Merkmal solcher „Parallelgesellschaften“ wird ein erneuertes Patriarchat sein und verschärfte Aufnahmekriterien entlang religiöser und/oder ethnischer Linien.

    Die derzeitigen Institutionen im Handstreich von rechts zu übernehmen wird wohl kaum gelingen und für den Marsch durch die Institutionen ist keine Zeit mehr, das hat Breivik schon richtig erkannt. Aber die Bildung und Entwicklung einer illiberalen Alternativkultur, je nach Region variierend, das sollte doch möglich sein. Also netzwerken, zusammenhalten, die Linken im Alltag konfrontieren und verunsichern, frei nach Kubitschek. Ich hätte auch keine Skrupel Breivik als Schreckgespenst und Drohkulisse einzusetzen, nach dem Motto: macht ruhig weiter so, bis wieder einer ausrastet…

    oder bis zum nächsten Mobaufstand, der nächsten brennenden Banlieu, bis Eure Renten in alle Welt verteilt sind und Ihr dann in zehn/fünfzehn Jahren auf der Straße um Essen bettelt…

    Das alles am Besten lakonisch, aber todernst vorgebracht.

    Gerade zum Thema ein längerer Artikel von Roebuck. Auszug:

    Consider: Why has the passage of so many defense-of-marriage laws done nothing to defeat the leftist campaign for the full legalization and legitimacy of same-sex pseudo-marriage? Because social order is not primarily created by the visible processes of politics such as elections and legislative action. Something deeper is at work, as the left successfully manipulates the institutions that determine the basic beliefs and practices of Americans so that more and more of them become willing to allow same sex pseudo-marriage. […]

    Exactly how the church will lead the re-ordering of society cannot be stated in advance. All we can say is how it will not be done: Not by supporting conventional political processes, because these cannot arrest the disorder. And not by having church leaders take over the civil government, because these are not the proper duties of church leaders.

    But one obvious way the church could lead a cultural renewal is by teaching not just the Christian doctrine that is its primary teaching responsibility, but also principles of proper social order. Theologically conservative churches already teach some of these principles indirectly; for example, when they teach the sinfulness of fornication and abortion. But it is not enough to teach what is sinful for the individual to do. The order of society does not arise spontaneously from individuals practicing personal piety. Society’s laws, rules, customs, and traditions must also be made right by sociopolitical action, and the necessary foundation of a properly ordered society is a general belief among the population that society’s order ought to be proper. The people must believe, for example, not just that homosexuality is sinful, but also that law and custom must reflect this reality. They must believe not just that husbands ought to have primary authority in the home, but that society’s rules should honor this truth. The church must teach the necessity of a proper social order

    We must also speak to the individual who feels powerless against the liberal juggernaut. What can one man do?

    The individual man must inwardly reject the basic principles of liberalism while at the same time acknowledging that he will swim in a liberal sea for the foreseeable future. Blogger Lawrence Auster has expressed this point well:

    The starting point, the indispensable condition of any conservative or traditionalist movement, as well as of our personal spiritual survival, is that we say NO to the prevailing values of the liberal order and that we keep saying no, that we never accept them inwardly, even while recognizing the fact that they exercise effective control over society at present and that we may need to accommodate ourselves to them to a certain degree in our external interactions with society. [Emphasis in original]

    • Aber die Bildung und Entwicklung einer illiberalen Alternativkultur, je nach Region variierend, das sollte doch möglich sein.

      Das ist genau das, was man unter Metapolitik versteht, also Politik auf der Ebene, die der (Staats-)politik vorangeht und zugrundeliegt. Es wird am Ende nicht ohne politische Intervention gehen; aber damit die überhaupt erfolgen kann, muss sich in der Gesellschaft etwas ändern.

  3. Aber wäre denn die Bildung einer illiberalen Alternativkultur nur in einer halbwegs liberalen Gesellschaft denkbar, die alternative Lebensstile überhaupt zulässt?

    Innerhalb anderer Gesellschaftsstrukturen würde der Versuch einer Alternativkultur wohl eher im Gulag oder vor dem Schariagericht enden.

    Der zu schnelle Untergang des jetzigen Systems ist auch nicht wirklich ein Grund zur Freude.

    • Also soo schnell wird das jetztige System ja nicht untergehen – da sei der Macht- und Überlebensinstinkt der Herrschenden vor. Das herrschende System bzw. die dazu gehörende Gesellschaft stirbt also langsam … sie verwest sozusagen bei lebendigem Leibe allmählich vor sich hin.

      Und in dieser allmählich verwesenden Gesellschaft, die von der Mehrheit noch lange als ‚im Prinzip eigentlich ganz ok‘ empfunden werden wird, gibt es eben die Minderheit(en), die, weil die Erfahrung an die sie ihr Empfinden gebunden erleben von den – ohnehin absterbenden – Formen dieser Gesellschaft in keinster Weise repräsentiert wird, nach neuen, ihren Erfahrungen eben entsprechenden Formen suchen.

      Das Prinzip der Häutung eben; die alte Haut stirbt ab, während die neue Haut nachwächst. Um eine wie auch immer geartete Reformierung dieser alten Gesellschaft brauchen wir uns nicht zu kümmern, denn es gibt da weder was zu reformieren noch zu reparieren. Schönheitsoperationen sind sinnlos, wenn der Tod schon im Raum steht.

      Und was die Frage nach liberaler/illiberaler Gesellschaft angeht: Die Gulag-Gesellschaft und die ‚liberale Gesellschaft‘ sind ja Zwillinge … letztlich – so habe ich den Blogger jedenfalls verstanden. Und die Gesellschaft(sform), die es zu entwickeln und zu finden gilt, ist eben eine dauerhafte-aus-sich-selbst-heraus, die dann, wenn sie gefunden worden wäre, ja keinen ‚Mutterschoß‘ mehr bräuchte, um sich aus ihm heraus erst zu entwickeln – also weder die ‚liberale‘ noch die ‚Gulag-Gesellschaft‘.

      • Natürlich, das Leben ging auch nach dem Untergang Roms weiter, und eine neue Macht löste die alte ab – ein junges Volk drängte nach vorn, und ein altes siechte in den Tod. Die Verfallserscheinungen dieser „Moderne“ sind so alt, wie die Zivilisationen selbst.

        Es gibt hier kein Zurück mehr. Wenn man sich nicht selbst im Indvidualismus verortet, sondern als Teil einer größeren Gemeinschaft begreift, dann gibt es m. E. nur zwei Möglichkeiten – entweder, man schließt sich einer nahestehenden Gruppe an, die jung und dynamisch ist – Amishen oder Hutterer – oder tut noch sein bestes, den geschichtlichen Ruhm seines Volkes als Mythos der Nachwelt zu übermitteln.

  4. Letztlich ist es die uralte Frage. Zusammengefasst: Natürlich kann man Moral nicht „begründen“ – was wäre damit auch gemeint? Daß die Menschen nach Verkündigung derselben – überzeugt? oder robotergleich? – derselben gemäß handeln? Daß man andererseits willkürlich, frei handeln kann, bedeutet aber nicht, daß es keine „natürliche“ Moralität gäbe. Der Schmerz, das (körperliche) Leid ist der Ursprung aller Moralität, und zwar der absolute. Alles weitere ist auf der einen Seite technisch-faselnde Kaputtrederei so wie bei den „Intellektuellen“ oder auf der anderen Seite Überfrachtung und/oder aufgeblähtes Brimborium so wie im religiösen Gottes+Kirchengewaber. Bzw. wenn es denn schon um entsprechende philosophisch-moralisierende Köpfe geht, dann: „Onkel Schopenhauer der du bist im Himmel… und erlöse uns von dem Kant und dem Hegel… (dem „ekelhaften Schwätzer“) – und stelle uns wieder vom Kopf auf die Füße…“
    Das Christentum enthält als seinen Kern ja diese echte Moralität, ebenso wie der Buddhismus („Leben ist Leiden“). Aber durch die Kirchen wird es unweigerlich vollkommen bedeutungslos werden.

    ABER: Das Sinnieren über Fragen wie die Möglichkeit einer – stabilen – freien Gesellschaft ohne Konservativismus, Christentum etc. ist doch in der heutigen Zeit ein noch bodenloseres theoretisches Gefasel denn je. Man sollte doch erst einmal soweit kommen, den vorhandenen Egoismus der isolierten „wertelosen“ Europäer untereinander in einen gemeinsamen gegen ihre Feinde zu wenden, also ihren nackten Überlebenswillen gegen diese zu aktivieren, und das durchaus möglichst unchristlich = höchst „konservativ“. (+ Wenn auch vielleicht nicht ganz so simpel wie gerade ausgedrückt.)

    Im Sinne von: Ich mag ein verzweifelt untergehender nihilistischer Schwächling sein, aber unsere Vorfahren haben jahrhundertelang dafür gelitten und gekämpft, DASS ich in Ruhe und Frieden und in Freiheit so untergehen kann, und ich will verdammt nochmal nicht dabei gestört werden. und jeder der meinen friedlichen verzweifelten Untergang stört, wird von mir gnadenlos bekämpft werden.“

    Oder kürzer gesagt: Bitte bitte bitte kein Worte a la „dialektisch“! 😉

    P.S.: Westen? Osten? Wir sind Mitte(lpunkt)! Oder wie Horst Schimanski einmal anal-ysierte: „Also ich seh‘ das so: USA und Russland sind die beiden A…backen. Und wir dazwischen sind …“
    (Ich bitte um Entschuldigung für das wiederholte Senken des Diskurs… oh nein, des Diskussionsniveaus.)

    • @ exguti 12.8. 2011/6.02 h:

      – Ich bringe ein Prinzip in Formel. Jeder Naturalismus in der Moral, das heißt jede gesunde Moral, ist von einem Instinkte des Lebens beherrscht – irgendein Gebot des Lebens wird mit einem bestimmten Kanon von »Soll« und »Soll nicht« erfüllt, irgendeine Hemmung und Feindseligkeit auf dem Wege des Lebens wird damit beiseite geschafft. Die widernatürliche Moral, das heißt fast jede Moral, die bisher gelehrt, verehrt und gepredigt worden ist, wendet sich umgekehrt gerade gegen die Instinkte des Lebens – sie ist eine bald heimliche, bald laute und freche Verurteilung dieser Instinkte. Indem sie sagt »Gott sieht das Herz an«, sagt sie nein zu den untersten und obersten Begehrungen des Lebens und nimmt Gott als Feind des Lebens… Der Heilige, an dem Gott sein Wohlgefallen hat, ist der ideale Kastrat… Das Leben ist zu Ende, wo das »Reich Gottes« anfängt…

      Friedrich Nietzsche,
      Götzen-Dämmerung
      (Moral als Widernatur)

  5. (sorry, hatte das Posting im falschen Strang (Lichtmesz) gepostet)
    Das Interessante bei Kant, und zwar gerade bei seiner Konstruktion des kategorischen Imperativs ist, dass er mit gesundem Menschenverstand nicht zu verstehen ist. Ich glaube nicht, dass ich auf den Kopf gefallen bin; trotzdem hatte ich, als ich seine Grundlegung zur Metaphysik der Sitten las, enorme Schwierigkeiten, sein Konstrukt überhaupt zu verstehen. Nachdem ich es verstanden hatte, versuchte ich eine kurze Zeit lang, danach zu leben. Dabei fühlt man sich wie ein Jünger einer Psychosekte. Man muss sich selbst das Gehirn waschen, um es zu verstehen und erst recht, um danach zu trachten, danach zu leben, man muß seinen gesunden Menschenverstand, den common sense, also den allen Menschen gemeinen Verstand, exorzieren, um diese Ethik bei sich im Kopf zu installieren. Man ist dann gar kein konkreter Mensch mehr mit all seinen natürlichen Bestimmungen wie Herkunft, kulturelle Prägung, Abstammung etc. Man ist dann nichts als ein kaltleuchtender ideeller Punkt in einer völlig entleerten Welt, einer Welt, die nur aus lauter anderen austauschbaren ideellen Punkten besteht, den „Weltbürgern“. Selbst die Belohnung für das moralisch gute Handeln wird bei Kant abgeschafft, denn es sei ja kein moralisch gutes Handeln, wenn es auf Belohnung abzielte. Statt dessen verspricht Kant einen anderen über alles erhabenen psychischen Zustand, von dem er selbst sagt, daß wahrscheinlich noch kein Mensch diesen Zustand je erreicht hat, und selbst dann sei seine Ethik kraft des reinen Denkens gültig. Gefühle haben in seiner Ethik nichts zu suchen. Sie sind ihm sowieso nichts weiter als Pathologie. Moralisch gutes Handeln aus Liebe ist für ihn per se schon gar nicht moralisch gut, da pathologisch begründet. Nur die Erhabenheit des reinen, von allem Weltlichen losgelösten Denkens gilt. Da muß man erst mal hinkommen. Das gelingt nur, indem man sich von allem verabschiedet, was einem zu dem gemacht hat, was man ist. Es gelingt nur durch Gehirnwäsche.

  6. Wie bekannt, versucht sich Rolf-Dieter Müller an einer Widerlegung von Stefan Scheil im allgemeinen und der „Präventivkriegsthese“ im besonderen („Der Feind steht im Osten. Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahre 1939“, Ch.Links 2011).

    Im neuen Heft der Sezession (Nr 43 August 2011, S. 44 f) weist Scheil nach, daß Müller … nein, nicht etwa falsch argumentiert, SONDERN SEINE QUELLEN FÄLSCHT.

    Der Fall scheint so evident, daß keine Ausflucht möglich ist.

    In den nächsten Tagen werde ich das nachprüfen. (Nehme selbstverständlich an, daß die Darstellung von Scheil korrekt ist. Aber DAS will ich mit eigenen Augen sehen.)

    Dann ist eine der Koryphäen des korrekten Geschichtsbildes wissenschaftlich tot, und das Feuilleton bis auf die Knochen blamiert.

      • Das Buch von Müller ist in der Bibliothek zur Zeit entliehen – ich werde es voraussichtlich erst Anfang nächster Woche bekommen. Das Dokument, auf das Müller sich bezieht, habe ich eingesehen und es lautet natürlich so, wie von Scheil zitiert.

        Wie gesagt, bin ich ja von der Zuverlässigkeit Scheils überzeugt, so daß es eigentlich nichts mehr zu „überprüfen“ gibt.

        Sobald ich alles beieinander habe, werde ich hier die Quelle und ihre Wiedergabe durch Müller in extenso zitiern.

  7. Manfred,

    heute habe ich auch mit Begeisterung Deine beiden Aufsätze in der neuen Sezession gelesen. Das soll jetzt der Anlass sein, einmal eine grundsätzliche Frage an den Politikwissenschaftler zu stellen:

    Worin besteht eigentlich genau der politische Mehrwert der Formalisierung von Machtverhältnissen ?

    Das ist vermutlich sehr laienhaft ausgedrückt. Gemeint ist folgendes:

    Der Mächtige formuliert seinen Machtanspruch meistens als allgemeine Norm. Häufig wird er sogar das Machtgefälle verschleiern dadurch, daß sich beide – der Mächtige wie der Mindermächtige – einem übergeordneten Prinzip unterstellen. Oder durch einen Vertrag zwischen scheinbar Gleichen. Dabei behält sich der Mächtige jedoch die Interpretation der entscheidenden Begriffe vor.

    Es leuchtet natürlich ein, daß die Machtausübung ökonomischer ist, wenn sie nicht direkt in jedem Einzelfall stattfindet, sondern als allgemeine Anweisung, deren Ausführung dem Abhängigen überlassen bleibt. Und weiter ist es oft vorteilhaft, wenn die Folgen der Machtausübung dem Mächtigen nicht direkt zuzurechnen sind. Außerdem fügt sich der Abhängige um so bereitwilliger, wenn er das Gesicht wahren kann.

    Man sollte nun denken, daß diese Formeln des Machtanspruches nur so weit tragen, wie hinter ihnen andere, direkt wirkende Machtmittel stehen (oder vermutet werden). Insbesondere wird der Versuch des Machtlosen scheitern, seinerseits die Begriffe definieren zu wollen. (Interessanter Fall: Carl Schmitt während der NS-Zeit)

    Also: habe ich die Gewehre, kann ich meinen Willen auch ohne die Formel durchsetzen. Habe ich die Gewehre nicht, nützt mir auch die Formel nichts.

    Ich vermute aber, daß über den Aspekt der Rationalisierung und der Verschleierung hinaus die Formalisierung des Machtanspruchs einen Mehrwert darstellt, der die Macht des Mächtigen noch potenziert.

    Konkret: Inwiefern stellen z. B. die Feindstaatenklausel oder Abs. 4 Gemeinsamer Brief Genscher/de Maizière vom 14.9.1990 reale Machtmittel in den Händen der Alliierten dar?

    • Also: habe ich die Gewehre, kann ich meinen Willen auch ohne die Formel durchsetzen. Habe ich die Gewehre nicht, nützt mir auch die Formel nichts.

      Wenn Sie nur über die Gewehre Formen schaffen können, dann schaffen Sie diese Formen sozusagen ‚von außen nach innen‘ – und wenn die Gewehre mal wegfallen, dann zerfallen auch die Formen, denn sie sind nicht ‚von innen her‘ getragen, d.h. sie sind gar nicht Ausdruck der Erfahrung derer, die in ihnen leben müssen, sondern Erfahrung derer, die sie denen, die in ihnen leben müssen, übergestülpt haben.

      Wenn Sie aber ‚die Formel haben‘, dann können Sie die Erfahrungen derer auf de sie sich bezieht, anweisen sich zu Formen zu fügen, zu denen diese Erfahrung sich ohnehin fügen wollte … oder gefügt werden wollte. Was bedeutet, daß diejenigen, deren Erfahrung sie mit ‚der Formel‘ anweisen wollen sich zu bestimmter Form zu fügen, genau diese Formen als Erfüllung erfahren werden – eben weil sich ihre Erfahrung in genau diesen Formen erfüllen wollte.

      Und das wiederum bedeutet, sie werden von sich aus – also ‚von innen nach außen‘! – alles tun, damit diese Formen erhalten bleiben – ganz im Gegensatz zu den Formen, die durch Gewehre oder auch durch irgendwelche Raffinesseformeln von Lug und Trug durchgesetzt wurden.

    • Dass Macht sich tendenziell unsichtbar macht, indem sie sich in abstrakten und formalen Regeln versteckt, ist völlig richtig.

      Freilich stellen die Feindstaatenklausel und der Gemeinsame Brief (http://www.bpb.de/wissen/TOGO9Z,12,0,Vertrag_%FCber_die_abschlie%DFende_Regelung_in_Bezug_auf_Deutschland.html#art12) gerade keine solchen allgemeinen Regeln dar. Sie sind vielmehr Ausnahmeregelungen zu Lasten Deutschlands. Die Feindstaatenklausel bedeutet, dass Deutschland zwar drittstärkster Beitragszahler der UN ist, aber im Konfliktfall nicht die Rechte aus der UN-Charta geltend machen kann, zumindest nicht, sofern einer der ehemaligen Kriegsgegner (sprich eine der „permanent five“ Mächte des Sicherheitsrates) involviert ist.

      Was den Gemeinsamen Brief angeht, so kann ich die Implikationen von Absatz 4 nicht beurteilen, aber Absatz 3, der die Verpflichtung Deutschlands enthält, das bestehende Regime in jedem Fall aufrechtzuerhalten und bestimmte politische Kräfte zu bekämpfen, stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Souveränität Deutschlands dar. Es wäre Sache eines Juristen zu beurteilen, ob daraus folgt, dass die Alliierten uns den 2+4-Vertrag in Fetzen vor die Füße werfen können, falls die innenpolitische Entwicklung allzusehr von den Vorgaben der Re-education abweicht, aber für mich klingt es erst einmal so; jedenfalls kann eine solche Interpretation nicht ausgeschlossen werden.

    • Vielen Dank für die Antworten und Entschuldigung, daß ich erst so spät reagiere.

      @ Leser
      Das ist natürlich richtig. Sie beschreiben da im Grunde die legitime Herrschaft. Es ging mir aber gerade um das Verhältnis einseitiger erzwungener Abhängigkeit.

      @ Manfred
      Wie Du richtig schreibst, findet in den genannten Fällen keine Verschleierung des Machtanspruchs in formalen Regeln – die wäre mir, wie beschrieben, ja völlig einleuchtend – sondern geradezu eine Enthüllung statt. Deshalb habe ich die beiden Beispiele auch gewählt.

      Aber auch dann, wenn alle Beteiligten sich darüber im klaren sind, daß ein einseitiges (in letzter Konsequenz auf Gewalt beruhendes) Abhängigkeitsverhältnis besteht, scheint dem Mächtige dessen formale Fixierung wichtig zu sein.

      Er sagt nicht:

      Du tust was ich will. Sonst haue ich dich.

      Sondern:

      Du hälst dich an eine Norm, die ich aufstelle und interpretiere. Sonst haue ich dich.

      Es scheint so etwas, wie eine „Macht des Wortes“ als eigenständigen Machtaspekt zugeben (die aber nur dem an sich schon Mächtigen zugute kommt).

      P.S:
      Wie halten wir’s mit der Anrede. Ich duze Manfred, weil es anscheinend so üblich ist. Und ich sieze „Leser“ und „Meyer“, weil sie mich zuerst gesiezt haben.
      Manfred ist der Hausherr. Wie sind die Benimm-Regeln?

      P.S. 2
      Wie kann man hier formatieren (fett, kursiv usw.)? Bei mir fehlen am Eingabefeld neuerdings die Buttons dafür.

    • Exemplifizieren wir das an den Feindstaatenklauseln.
      Alle Welt weiß, daß die im Klartext lauten :“Die alliierten Mächte werden gegen Deutschland militärisch intervenieren, wenn es eine Politik betreibt, die bestimmten Interessen der alliierten Mächte zuwiderläuft.“
      Warum schreibt man das überhaupt irgendwo auf (und erinnert immer wieder mal geflissentlich an die Fortgeltung dieser Klauseln), anstatt diskret zu murmeln:“Ihr wißt doch, was passiert, wenn…“ ?

      • @ Horst 26.8. 2011/ O.00 h:

        Sinn und Zweck der „EU“ nach Verheugen:
        „Dieses ganze Projekt europäische Einheit ist wegen Deutschland notwendig geworden, es geht immer dabei Deutschland einzubinden, damit es nicht zur Gefahr wird für andere.“

        http://www.youtube.com/watch?v=ZUmUt_DN8k8&feature=player_detailpage

        Die Karten in diesem geopolitischen Spiel sind schon lange verteilt. Wer ernsthaft annimmt, Rest-Deutschland hätte jenseits des „Projekts europäische Einheit“ -bei der heutigen Konstellation- eine irgendwie geartete andere Option, ist ein Traumtänzer oder Narr. Zumal Deutsche, wie dieser Verheugen und zahllose andere, quasi-suizidär, die treibende Kraft hinter dieser „EU“ sind. Hier wirkt sich die induzierte Schuld-Psychose bei den postheroischen Deutschen in beängstigender Folgerichtigkeit aus.
        Dies gilt auch für andere wahnhafte Projekte, wie den anthropogenen Klimawandel, wo jakobinische deutsche Menschheitsbeglücker „voran“-drängen.
        Der Vergleich von „Le Monde“, der Maastricht-Vertrag sei ein Versailles ohne Krieg für die Deutschen, ist angesichts der deletären Entwicklung nach 1990 eher ein Euphemismus. Diejenigen, die sich auf deutscher Seite tatkräftig bei der Abwicklung des eigenen Staates und der Vernichtung der eigenen Nation beteiligen, zerstören wissentlich die Zukunft ihrer Kinder und Enkel (so sie überhaupt welche haben). Ihr Dank ist ihnen gewiß.
        Es bleibt nur zu hoffen, daß die anderen europäischen Nationalstaaten sich besinnen und erkennen, daß auch ihre Existenz als Nation bei diesem gänzlich aus dem Ruder gelaufenen, megalomanen EU-Projekt bedroht ist.

  8. Na also, Merkel weiß es:

    „Wir dürfen den 13. August 1961 und das Leid, das er über Millionen von Menschen gebracht hat, nie vergessen. Das Unrecht des Mauerbaus mahnt uns bis heute, bei uns zu Hause und weltweit für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte einzutreten“, sagte Merkel am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Mauerfall 28 Jahre später sei für sie persönlich ein Erlebnis gewesen, das sie immer leiten werde. Merkel: „Dieses Erlebnis hat meinem und Millionen von Leben eine Wendung zum Guten gegeben. Es wird mich immer leiten.“

  9. Noch besser, Wulf bei derselben Gedenkfeier:

    Er betonte: „Die Erinnerung an die Leben erstickende Mauer mahnt uns, die Offenheit unserer heutigen Welt und die Präsenz des Fremden in ihr auszuhalten, auch wenn es häufig anstrengend sein mag.“ Offenheit und die Bereitschaft einer Gesellschaft, sich zu verändern, würden am Ende belohnt. „All dies erfordert Mut.“

  10. Fast das Wichtigste vergessen:

    Der Bundespräsident betonte, das Streben nach „mehr wirklicher Freiheit“ bedeute Entfaltungsmöglichkeiten für jeden. Die nach Deutschland gekommenen müssten besser integriert werden. „Mehr aus sich zu machen, muss tatsächlich allen möglich sein.“

    • Wulff ist so unfassbar impertinent, daß er schon wieder unser bester Mann ist.
      „All dies erfordert Mut… mehr wirkliche Freiheit bedeutet Entfaltungsmöglichkeiten für jeden… mehr aus sich zu machen, muss tatsächlich allen möglich sein.“ – ist dies das Schlußplädoyer für Anders Breivik, mon Präsident?
      In ihrer totalen Korruptheit merken diese Leute nicht einmal mehr im geringsten, wie unglaublich peinlich und grotesk sie sind, vollkommener Realitätsverlust, Lucy in the Sky with Diamonds.

  11. Ich hätte da einige Anmerkungen als katholisch-evangelikaler (das wollte ich schon immer mal schreiben hehehe…). In den ganzen Diskussionen wird etwas ausgeblendet. Und zwar Gott selbst. Es wird darüber diskutiert das wir uns selbst Re-christianisieren können und sollen, natürlich unter Ablehnung des Zwangs durch den Staat.

    Doch die Re-christianisierung erfolgt durch den heiligen Geist selbst. Nicht wir tun es, sondern Gott tut es. Wir müssen es wollen und zulassen. Dies ist etwas was völlig aus dem Bewusstsein der Menschen entwichen ist. Inzwischen ist mir klar warum die Leute ihre Kinder früher „Gotthelf“ nannten.

    Der Schwanengesang der Konservativen hat etwas mit Gottesferne zu tun, dies kann sich aber ändern. Meine Studien über die unterschiedliche Mentalität der US-Amerikaner und Europäern weisen darauf hin. Die Zuversicht und Freude der amerikanischen Kultur hat mit der Nähe zu Jesus zu tun, was man manchen Vorträgen der dort lebenden Amerikanern entnehmen kann. Ich habe irgendwo einmal aufgeschnappt, dass das Wilhelminische Kaiserreich um 1900 voll von genau so einem Elan war: „Und die Deutschen, die waren alle Amerikaner.“

    Erst braucht es unsere Hinwendung zu Gott, dann kommt der Rest. Theologie muss entstaubt werden, weg aus der Macht der Wortverdrehern, Wortverschleierern – die unsägliche Bücher mit unsäglichen Titeln und unsäglichem Geschwurbel produzieren. Wenn Gott Wahrheit ist, und eine höhere Form der Wahrheit, eine ihrer Selbst bewusste Wahrheit ist – dann ist da ein Bewusstsein. Mit dem Bewusstsein kann man sprechen, es gibt Antworten.

    Wir können Gott bitten, er hilft. Wir müssen nur umkehren, unsere Traditionen kennenlernen, den Sinn dieser Traditionen lernen (Er liegt nicht in den Traditionen selbst), unser Herz für all das wieder öffnen und die Freude des Heiligen Geistes annehmen. Religion ist kein Gegenstand der Soziologie, es ist etwas was mit Herz und Verstand angenommen werden muss. Vor allem von Konservativen, die ihre Vorfahren ehren und ihr Wissen und Können erhalten wollen.

    Ich denke nicht, dass wir nur analysieren und sezieren können, wir können viel mehr und wir können auf die Hilfe Gottes vertrauen der Inspiration gibt, Geduld und Ruhe spendet, neue Möglichkeiten eröffnet, völlig neue Geisteskräfte entfacht und uns befreit aus der Sklaverei unseres Denkens.

    Herr Jesus Christus, der König aller Könige, Lord aller Lords, Heerscher aller Herrscher, Friedensfürst, Retter aller Hoffnungslosen; gib diesen Menschen hier Mut, Kraft, Zuversicht, Vertrauen. Lass Sie eintreten in Deine Ewigkeit, in deine Gerechtigkeit, in Dein Leben. Erhöre ihr Flehen, beruhige die Ängste und hilf uns allen beim Wiederaufbau einer grossartigen, vielfältigen, ehrlichen, lustigen, genialen Zivilisation die bis in die Sterne führen wird! Amen

    http://www.youtube.com/watch?v=yzqTFNfeDnE

    Hier einige Texte von mir die auf die Veränderung der Person durch hinwendung zum Christentum führt:

    http://recognoscere.wordpress.com/2012/05/15/das-nichts-und-die-ewigkeit/
    http://recognoscere.wordpress.com/2012/05/16/die-liebe-gottes/
    http://recognoscere.wordpress.com/2012/05/18/gott-liebt-und-will-uns-nicht-arm/
    http://recognoscere.wordpress.com/2012/05/01/willst-du-einen-willen-bluhen-sehen/

    🙂 Ich hoffe Manfred ist nicht pikiert darüber das ich so meine Links reinstecke – aber ich kann schon gar nicht mehr anders, mein Herz quillt über..

    Templarii – recognoscere.wordpress.com

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