Carl Schmitt angewandt: Der Westen und der Islam

Es gibt bekanntlich nichts Praktischeres als eine gute Theorie, und wir werden sehen, ob die Theorie Carl Schmitts, die ich im vorherigen Beitrag dargestellt habe, zum Verständnis des westlich-islamischen Verhältnisses beiträgt. (Ich weise darauf hin, dass der vorliegende Beitrag ohne den vorherigen schwer zu verstehen ist.)

Die Freund-Feind-Unterscheidung kann nur von politischen Einheiten vorgenommen werden, die sich eben dadurch als politische Einheiten ausweisen. Ein z.B. wegen innerer Zerrüttung oder Zerstrittenheit als politische Einheit zerstörter Staat kann als Staat durchaus weiterexistieren, wenn auch gleichsam nur auf Abruf. Er kann weiterhin eine Verwaltung, auch eine Polizei oder Müllabfuhr besitzen – das macht ihn aber nicht zur politischen Einheit. Die ist eben definiert durch die Fähigkeit, eine Feinderklärung auszusprechen und gegebenenfalls auch durchzufechten.

Eine revolutionäre Partei kann, wenn sie fähig ist, den Staat zum Feind zu erklären, durchaus eine politische Einheit sein; der Staat, der diese Feindschaft nicht beantworten kann, ist keine. Die Hisbollah ist eine politische Einheit, nicht aber der libanesische Staat. Die RAF war eine politische Einheit, die EKD ist keine. Die NATO, sofern sie als verlängerter Arm der USA fungiert, ist eine, die EU ist es nicht. (Die einzelnen Staaten der EU sind im Verhältnis zueinander keine politischen Einheiten, weil sie faktisch keinen Krieg gegeneinander führen können; bloße Gegnerschaft gibt es zwar, sie ähnelt aber eher der Gegnerschaft politischer Parteien innerhalb eines Staates. Im Verhältnis zu Nicht-EU-Akteuren dagegen sind die Staaten der Union sehr wohl politische Einheiten – und die EU selbst gerade deswegen nicht: Eine Feinderklärung der EU wäre faktisch nichts anderes als eine gleichlautende Erklärung ihrer 27 Mitgliedsstaaten.)

Grundsätzlich kann also jede Assoziation von Menschen eine politische Einheit bilden, unabhängig von ihrer Rechtsform, Ideologie oder Größe. Das einzige Kriterium ist ihre Fähigkeit, einen Konflikt auf Leben und Tod auszutragen. Für die Feinderklärung kommt es übrigens nicht darauf an, ob die solchermaßen zum Feind erklärte Gruppe ihrerseits eine politische Einheit darstellt oder nicht. Die Juden der dreißiger und vierziger Jahre waren es nicht, wurden von den Nazis aber dafür gehalten; in einem solchen Fall beruht die Feinderklärung auf einem Irrtum, ist aber in ihren Konsequenzen genauso fatal und real. Feind ist, wer zum Feind erklärt wird. Man hat dies Schmitts „Dezisionismus“ genannt – eine Feststellung, die, wenn als Vorwurf gemeint, völlig sinnlos ist: Hier wie überall geht es ihm um das Empirisch-faktische, nicht um das, was sein soll.

Freilich zeigt das Schicksal der Nazis auch, dass man sich vor irrtümlichen und mutwilligen Feinderklärungen hüten sollte, da sie am Ende nicht nur für die davon Betroffenen, sondern auch für den Erklärenden selbst fatal sein können.

Ich hätte mich mit alldem gar nicht so intensiv auseinandergesetzt, wenn wir nicht spätestens seit dem 11. September 2001 vor der Frage stünden, ob der Westen den Islam schlechthin als Feind ansehen muss. Dass der Westen zum Feind erklärt worden ist, ist offensichtlich. Die delikate Frage aber lautet, wer die politische Einheit ist, die diese Erklärung vorgenommen hat. Sind die Qaida (und mit ihr Hamas, Hisbollah, die Taliban etc.) selbständige Einheiten, oder sind sie im Sinne Carl Schmitts bloße Teileinheiten einer politischen Einheit „Islam“?

Diese zweite Alternative wird bekanntlich nicht nur von linken Gutmenschen verneint, sondern auch z.B. von der amerikanischen und britischen Regierung, die nicht von übertriebenem Pazifismus angekränkelt zu sein scheinen. Aus ihrer Sicht ist der Feind des Westens „der Terrorismus“. Allenfalls wird zugestanden, dass die Terroristen eine politische Basis in Form des Islamismus hätten – der aber radikal vom „wahren“ Islam zu unterscheiden sei.

Was es mit dieser Trennung – hier der Islamismus, da der „wahre“ Islam – auf sich hat; dass dies bestenfalls die Unterscheidung von politischen Aktivisten und konservativen, aber politisch passiven Muslimen ist; dass diese Unterscheidung aber keine ideologischen Implikationen hat, das ist auch in diesem Blog schon ausführlich dargelegt worden und zumindest im islamkritischen Milieu kein Diskussionspunkt mehr. Macht aber eine solch passive muslimische Massenloyalität gegenüber islamistischen Positionen den Islam schon zu einer politischen Einheit im Schmittschen Sinne?

Bisher habe ich den Begriff der politischen Einheit nur in Bezug auf Staaten, Parteien und Terrororganisationen gebraucht – also sozialen Systemen, die über eine formale Hierarchie und ein identifizierbares Entscheidungszentrum verfügen, das die Feinderklärung aussprechen kann. Eine solche Struktur ist aber für die Einstufung eines sozialen Systems als politische  Einheit nicht an sich erforderlich, sondern nur, soweit die Fähigkeit zur Freund-Feind-Unterscheidung und zum faktischen Konflikt davon abhängt. Diese Funktion aber kann durchaus auch von alternativen Strukturen erfüllt werden, z.B. durch ein verbindliches Regelsystem, das die Freund-Feind-Unterscheidung an abstrakte Kriterien bindet, sie damit von einer expliziten politischen Einzelfallentscheidung unabhängig macht und auch eine nach Millionen zählende Gruppe von Menschen in die Lage versetzt, koordiniert zu handeln.

Ein solches Regelsystem liegt beim Islam vor: Die islamische Religion beruht auf der systematischen Unterscheidung zwischen der islamischen Umma und den „Ungläubigen“, und das islamische Recht hat dies zu einem ausgeklügelten System konkretisiert, das auf der Unterscheidung zwischen dem „Dar al-Islam“ und dem „Dar al-Harb“ basiert (also dem Herrschaftsbereich des Islam und dem der „Ungläubigen“) und statuiert, dass es zwischen beiden keinen Frieden, allenfalls einen Waffenstillstand geben dürfe. Der Islam beruht also – worauf? Auf der Unterscheidung zwischen Freund und Feind!

Die Stärke und Fruchtbarkeit von Schmitts Theorie – die ja nicht mit Blick auf den Islam entwickelt wurde – lässt sich kaum eindrucksvoller demonstrieren als dadurch, dass man mit ihrer Hilfe auf rein deduktivem Wege, d.h. durch bloße Anwendung der Theorie, zu demselben Ergebnis gelangt, das Kohorten von Orientalisten, Sozialwissenschaftlern, Historikern etc. auf empirisch-analytischem Wege gewonnen haben: dass der Islam eine wesentlich politische Religion ist.

Alle nichtislamischen Religionen, alle Kulturen, die nicht nach islamischen Regeln funktionieren, und vor allem alle Staaten, die nicht von Muslimen beherrscht werden, sind eindeutig und für alle Ewigkeit als „Feind“ markiert. Hieraus erklären sich die „blutigen Grenzen des Islam“ (S.Huntington): Der Islam liegt ja nicht nur mit dem Westen in Konflikt, sondern mit allen, auch nichtwestlichen Kulturen, mit denen er in unmittelbaren Kontakt gerät.

Zur Definition der politischen Einheit gehört aber nicht nur die Fähigkeit zur Feinderklärung, sondern auch die, sie tatsächlich als Einheit durchzufechten. Daran scheint es zu hapern:

Die diversen Terrorgruppen agieren doch auf eigene Faust und eigene Rechnung, und ihre Methoden werden von den meisten Muslimen abgelehnt. Sind sie also – trotz der Allgemeingültigkeit der islamischen Feinderklärung – nicht doch selbständige Einheiten, die man nicht einer politischen Einheit „Islam“ zuordnen kann? So könnte es scheinen – wenn nicht jeder Konflikt eines westlichen mit einem islamischen Akteur zu einer reflexartigen Solidarisierung der meisten Muslime führen würde; und zwar auch dann, wenn der Westen sich offensichtlich nur gegen gewaltsame Übergriffe wehrt, und sogar dann, wenn der islamische Akteur an sich verhasst ist. (Ein Beispiel: Saddam Hussein galt bis 1990 überall in der islamischen Welt als Schurke, und ein frommer Muslim war er auch nicht, im Gegenteil. Zum Helden wurde er in dem Moment, wo er selbstverschuldet, und sogar durch Überfall auf ein islamisches Land mit den USA in Konflikt geriet.) Man sieht: Um die Einheit der Muslime zu stiften, bedarf es durchaus keines koordinierenden Generalstabes; sondern jeder islamische Akteur kann diese Einheit herstellen, sofern er in der Lage ist, den Westen herauszufordern. Auch hier wirkt sich die koordinierende Kraft des islamischen Regelsystems aus, das der innerislamischen Solidarität einen so hohen Stellenwert zuweist, dass Jeder, auch ein Terrorist, sie als Selbstverständlichkeit voraussetzen kann.

Die Fähigkeit des Islam, als politische Einheit zu agieren, wird also von seiner dezentralen Struktur nicht nur nicht behindert, sondern sogar gefördert, weil er unabhängig vom Funktionieren irgendeiner „Schaltzentrale“ ist und sogar den Vorteil dessen auf seiner Seite hat, der ein Spiel mit verteilten Rollen spielen kann.

An dieser Stelle ist der Einwand fällig, ich würde den Islam als einen monolithischen Block behandeln. Schließlich gebe es auch Muslime, die die Offene Gesellschaft des Westens aufrichtig befürworteten, persönlich tolerant seien und es ablehnten, sich gegen den Westen für eine islamische Solidarität vereinnahmen zu lassen. Darüberhinaus seien die meisten – auch die frommen und konservativen – Muslime politisch passiv, und ihre Solidarität etwa mit den Palästinensern habe eher den Charakter einer bloß moralischen Unterstützung, sei also politisch irrelevant. Und man könne die doch nicht alle mit den Islamisten über einen Kamm scheren. Kurz: So etwas wie einen Islam gebe es nicht, es gebe nur viele Muslime – analog zu Maragaret Thatchers Diktum, so etwas wie eine Gesellschaft gebe es nicht, es gebe nur Individuen. (Vielleicht ist dieser – gerade auf der Insel populäre – radikale Individualismus dafür verantwortlich, dass die Briten, die so militant gegen den islamischen Terrorismus vorgehen, jede andere Form von Djihad gegen das eigene Land tolerieren und ihm sogar Vorschub leisten – logisch: Wenn es so etwas wie den einen Islam nicht gibt, dann gibt es auch nicht so etwas wie den einen Djihad.)

Dieser Einwand beruht auf einem Missverständnis: Wenn ich den Begriff „soziales System“ verwende, dann ist damit nicht eine nach objektiven Kriterien abgrenzbbare Gruppe von Menschen gemeint (hier also: alle Muslime), sondern ein System gegenseitiger Verhaltenserwartungen, hier also die gegenseitige Erwartung, dass Muslime die islamischen Normen als verbindlich akzeptieren, politisch sich also als Teil einer Wir-Gruppe verstehen, die Solidarität einfordern kann, wenn sie mit einer Sie-Gruppe in Konflikt gerät. Dass es eine Minderheit von Muslimen gibt, die diese Erwartungen ablehnen, weil sie Westler sind, die ihren Glauben als Privatsache ohne politische Implikationen behandeln, bedeutet nicht, dass das soziale System „Islam“ nicht existiert, sondern nur, dass diese Personen nicht dazugehören – es sei denn unfreiwillig (mit der Konsequenz, dass es schwierig sein kann zu unterscheiden, welchen Muslimen man trauen kann und welchen nicht).

Anders sieht es bei den frommen, konservativen, traditionellen, kurz: „gemäßigten“ Muslimen aus: Die gehören durchaus zum System. Man macht sich überhaupt zu wenig klar, wie sehr jeder Extremismus von den „Gemäßigten“ lebt: Eine Gruppe wie die RAF hätte niemals entstehen können ohne eine gemäßigte Linke, die ihr die ideologischen Versatzstücke lieferte und aus der sich der Terrornachwuchs rekrutierte. Ein Drittes Reich hätte nie existieren können ohne den ganz normalen Antisemitismus des Durchschnittsdeutschen. Eine ETA, eine IRA, eine Hamas, eine Hisbollah schwimmen in ihrem „gemäßigten“ Umfeld wie der Fisch im Wasser.
Alleine das Wort „gemäßigt“ ist bezeichnend: Gemäßigt sein kann man ja nur in Bezug auf einen Extremismus, der damit gleichsam zum Normalzustand erklärt wird, und die „Mäßigung“ besteht eben darin, von dessen Zielen ein paar Abstriche zu machen, eventuell auch die Methoden abzulehnen (…wobei man aber doch verstehen müsse, dass…). Ein Gemäßigter ist jemand, der die Prämissen der Extremisten teilt und nur vor den Konsequenzen zurückschreckt. [Zum Thema „Gemäßigte Muslime“ siehe auch Fjordman]
Wie wichtig die Gemäßigten sind, erkennt man daran, dass es faktisch unmöglich ist, die Verantwortung für islamischen Extremismus dem Islam selbst zuzuschreiben, ohne den Einwand zu ernten, die meisten Muslime seien doch gemäßigt…
Zusammengefasst liefern die Gemäßigten den Extremisten die Ideologie, die Rekruten und die politische Abschirmung. Ohne sie könnte der Islam als politische Einheit nicht existieren.
Der Gegensatz zwischen dem Westen und dem Islam ist nicht einer von Völkern – die als solche irgendeinen Kompromissfrieden schließen könnten, auch nicht zwischen Religionen, denn der Westen ist keine, und ungeachtet seiner christlichen Wurzeln hat er auch keine, und der Islam ist nicht das, was wir unter einer Religion verstehen, also ein Glaubenssystem, das man als Privatsache behandeln könnte. Der Gegensatz ist einer von zwei einander ausschließenden Gesellschaftskonzepten, und als solcher eher mit dem Ost-West-Konflikt vergleichbar als etwa mit den nachreformatorischen Religionskriegen. Er ist sogar noch tiefer als der Ost-West-Konflikt: Nicht nur, weil der Kommunismus seine Herkunft aus der westlichen Aufklärung nie völlig verleugnen konnte, sondern auch und vor allem, weil er sich – anders als der Islam – territorial abgrenzen konnte. Aber selbst diese Abgrenzung bewahrte ihn nicht davor, vom Westen als dem kreativeren, produktiveren und effizienteren System vor immer neue Herausforderungen gestellt zu werden, die seine Anpassungsfähigkeit schließlich überforderten.
Die Unvereinbarkeit von westlicher und islamischer Zivilisation birgt ein ungleich größeres Konfliktpotenzial, weil diese beiden Systeme einander durchdringen: Auf der einen Seite sind die islamischen Länder voll und ganz in das westlich dominierte Weltsystem einbezogen und unterliegen dadurch einem Anpassungsdruck, der traditionelle Strukturen und Werte über den Haufen wirft. Auf der anderen Seite ist der Islam in Gestalt muslimischer Einwanderer auch im Westen präsent und unterminiert schleichend dessen säkulare Ordnung. Beide Systeme können gar nicht anders, als einander zu zersetzen! Eine verwestlichte islamische Gesellschaft wäre zwar durchaus noch muslimisch in dem Sinne, dass ihre Angehörigen Muslime wären, aber nicht mehr islamisch im Sinne der gesellschaftlichen Dominanz und Verbindlichkeit islamischer Normen; als politische Einheit würde der Islam aufhören zu existieren. Und dass ein islamisierter Westen keine Offene Gesellschaft mehr wäre, dürfte auf der Hand liegen.
Einer von beiden wird auf der Strecke bleiben, und ich gehe davon aus, dass dies der Islam sein wird. Bleibt zu hoffen, dass er, wie Ronald Reagan von der Sowjetunion sagte, „mit einem leisen Winseln untergeht, nicht mit einem großen Knall“.

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Djihad“

10 Gedanken zu „Carl Schmitt angewandt: Der Westen und der Islam“

  1. Einer der besten Texte, die ich seit langem gelesen habe, und ich lese viel, sehr viel. Er konkretisiert einiges, was mir schon lange im Kopf herumgeht, dass es naemlich ein „System Islam“ gibt, dessen Struktur in hohem Masse durch die Scharia bestimmt wird. In diesem System sind , wie oben sehr gut beschrieben, die gemaessigten das entscheidende Element, das das System am Laufen haelt.

    Ich studiere Islamwissenschaft und absolviere gerade eine laengeren Aufenthalt in Syrien. Hier kann man genau beobachten, wie das „System Islam“ funktioniert, obwohl sich Syrien gerade nicht als islamischer Staat versteht, sondern arabischen Nationalismus und „Sozialismus“ zu seinen ideologischen Grundlagen erklaert hat. Die in Syrien lebenden Christen sind dabei gut in das „System Islam“ intregiert und spielen eine wichtige Rolle die Funktionalitaet des Systems aufrecht zu erhalten. Die Christen im Libanon spielen uebrigens diese Rolle in noch staerkerem Masse fuer die gesamte arabische Welt, die das Zentrum des „Systems Islam“ bildet.

    Die westlich Linke wird vor allem seit dem 11. September, sofern sich schon nicht offen fuer das „System Islam“ eintritt, immer mehr zu dessen fuenfter Kolonne.

    Ein entscheidender Punkt, der den Kern des „Systems Islam“ vor Veraenderungen, und damit auch einer Ueberwindung durch langsame Annaeherung an westliche Demokratien schuetzt, ist die Legitimation mit Gewalt gegen innere und auessere Feinde vorzugehen und zwar auf der Ebene individueller Entscheidungen einzelner Muslime. Jeder Muslim hat das Recht auf seinen privaten Dschihad, was Albrecht Noth in seinem Buch „Heiliger Kampf und Heiliger Krieg im Islam und Christentum“ einducksvoll illustriert hat. Die Lehren Ibn Taymiyyas, die heute unter fundamentalistischern Muslimen sehr populaer sind, weiten dieses Recht auf den Kampf gegen die eigene Obrigkeit aus, selbst wenn diese sich formal zum Islam bekennt.

    Ein weiteres wichtiges Element, das das „System Islam“ stabilisiert, ist das voellige Tabu, dem Islam, Mohammed und seine muslimischem Zeitgenossen in irgendeiner Weise zu kritisieren. So ist es auch ncht moeglich das System ideologisch von innen zu demontieren. Diese Tabu wird gerade von der Linken sehr effektiv in Westen durchgesetzt und ist entscheidend bei der im Moment stattfindenden Islamisierung.

  2. Vielen Dank für Deinen Kommentar! Ich hoffe, dass es noch mehr Islamwissenschaftler gibt, die das System Islam genauso kritisch sehen wie Du. Bei vielen Vertretern dieses Fachs hat man doch den Eindruck, dass ihnen vor lauter Sympathie für ihren Gegenstand die wissenschaftliche Distanz abhanden kommt.

    Übrigens würde ich gerne wissen, was Du genau meinst, wenn Du schreibst, dass die christlichen Minderheiten in arabischen Ländern eine Rolle für die Aufrechterhaltung des Systems spielen. (Über deren Funktion habe ich mir bisher zugegebenermaßen noch gar keine Gedanken gemacht; ich sehe sie eigentlich eher als Opfer des Islam.)

  3. Hallo Manfred, ich teile so gut wie alle deine Ansichten hier auf deinem Blog. Das tut richtig gut, jemanden zu finden, der aehnlich denkt, wie man selbst und das auch noch in einem guten Deutsch praezis auf den Punkt bringen kann.

    Als Islamwissenschafter den Islam kritisch zu sehen, hat einen hohen Preis! Man muss sich entweder permanent verstellen, oder man wird gnadenlos ausgegrenzt und im schlimmsten Falle gemobbt. Seit mindstens zwei Jahrzehnten hat kein kritischer Islamwissenschaftler mehr eine islamwissenschaftliche, turkologische oder iranistische Professur bekommen. Die letzten kritischen Islamwissenschaftler gehen gerade in Pension. Im uebrigen Europa sieht es nicht besser aus.

    Natuerlich gebt es viele Orientschwaermer unter den Islamwissenschaftlern, aber viel wichtiger ist der soziale Druck innerhalb der Geisteswissenschaften und speziell der Islamwissenschaft. Man muss sich heute mit der Kultur, die man studiert, identifizieren und bedingundslos fuer sie einsetzen, sonst ist man kein guter Mensch! „Wahr“ nach den Kriterien der Kulturrelativisten ist nur, was Angehoerige einer Kultur ueber sich selbst sagen oder was sie billigen. Die immer groessere Zahl von Muslimen im Fach, die so gut wie alle jede Kritik am Islam als Sakrileg auffassen, tut ein uebriges.

    Dass das Fach von Leuten beherrscht wird, fuer die links sein ein wichtiger Bestandsteil ihrer Identitaet ist, versteht sich fast von selbst. Wer nicht den typisch linken „Stallgeruch“ hat, ist fast ohne Chancen.

    Zu den Christen:

    Die Christen hatten und haben bei der Modernisierung der arabischen Gesellschaft einen sehr wichtigen Anteil. Sie waren es, die als erste im 19. Jahrhundert das Hocharabische neu belebten, das damals kaum noch jemand ausserhalb kleinster, meist streng islamischer Kreise, beherrschte. Der gesamte Kulturbetrieb ist bis heute von Christen gepraegt. Wie weit haette es die moderne arabische Literatur ohne christliche Libanesen gebracht? Das gesamte arabische Fernehen in seinen moderneren Formen kaeme kaum ohne libaneschische Christen aus.

    In der Wirtschaftlich waren die Christen oft die Wegbereiter, wenn es darum ging, Neues aus dem Westen in die arabische Welt zu importieren.

    Den groessten Dienst haben sie den Muslimen aber dadurch erwiesen, dass sich etliche christliche Intellektuelle, wohl aufgrund einer vom Islam gepraegten Erziehung, mehr mit dem Islam identifizieren, als man annehmen wuerde. Dadurch wurden sie manchmal zu vehementen Verteidigern des Islams, die mehr Glaubwuerdigkeit haben als Muslime. Das beste Beispiel ist Edward Said. Aber es gibt auch die vielen unbekannten Orientchristen auf mittlerer und unterer Ebene, die in Europa den Islam schoenreden. Orientchristen, die andere Meinung sind, werden im Orient, und zunehmend auch im Westen, mundtot gemacht.

  4. Klar, bei vielen laeuft die Identifizierung ganz automatisch. Schon bei der Auswahl des Studienfaches gibt es ja eine natuerliche Auswahl zugunsten von Leute, die eine positive Einstellung zum Islam haben. Von denen mit kritischer Einstellung wechseln viel nach einigen Semestern das Studienfach, weil sie merken, das Kritik am Islam kaum geduldet wird.

    Diejenigen, die uebrigbleiben, folgen meist brav dem, was die Professoren vorgeben. Selbstaendig tiefer in die Materie dringen nur wenige ein. Und dann tun sie das meist nur mit der vorhandenen Literatur, die natuerlich vorselektiert ist. Gibt es aber mal eine Veranstaltung mit breiterem Publikum, bei der viele Studenten aus anderen Fachbereichen und Gasthoerer teilnehmen, wird oft sehr schnell klar gemacht, welche Fragen und Meinungen unerwuenscht sind.

  5. Ist das eigentlich nur in Deutschland so, oder betrifft es die westliche Islamwissenschaft generell?

    (Es ist ja in den meisten akademischen Fächern so, dass es einen gewissen Mainstream gibt; unter Wirtschaftswissenschaftlern zum Beispiel dürften Keynesianer oder gar Marxisten Exoten sein; nichtsdestoweniger gibt es diese Exoten, und wenn sie auch eine Minderheitsposition vertreten, so zwingen sie doch die Mehrheit ihres Faches sich damit auseinanderzusetzen; wenn ich Dich aber richtig verstehe, dann werden solche Minderheitspositionen in den Islamwissenschaften so gut wie gar nicht mehr vertreten.)

  6. Es gibt, wie gesagt, noch kritische Wissenschaftler im Bereich der Islamstudien , wie beispielsweise Tilmann Nagel (Arabist), Ursula Spuler Steegemann (Turkologie), Karl-Heinz Ohlig (Theologie) und Bassam Tibi (Politologie), aber die sind schon alle pensioniert oder wandern, wie Bassam Tibi, demnaechst nach Amerika aus.

    Gegenpositionen zum heutigen Mainstream finde man am ehesten in den USA, wo Leute wie Patricia Crone und Daniel Pipes geachtete Professorenstellen innehaben. Andere wie Ibn Warraq und Robert Spencer arbeiten ausserhalb des Establishments. Insgsamt ist die universitaere Landschaft in den USA vielfaeltiger als in Europa.

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