Am 28.April 2006 erschien auf der Internetseite des Zentralrats der Juden in Deutschland folgende Mitteilung:
„Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich für eine stärkere Zusammenarbeit von Juden und Muslimen bei der Bekämpfung von Extremismus ausgesprochen. Generalsekretär Stephan J. Kramer: ‚Die Ursachen von Antisemitismus und Islamophobie sind weitgehend die gleichen, deshalb soll das geplante Forschungszentrum die grundsätzlichen Mechanismen erforschen, um aus den Ergebnissen konkrete Handlungsschlüsse zu ziehen und Konzepte zu entwickeln,, wie wir diese vor Ort wirksam bekämpfen können.’“
Warum wird überhaupt noch ein Forschungszentrum gegründet, wenn die Ergebnisse dieser Forschung doch schon feststehen, nämlich dass es eine psychische Krankheit namens „Islamophobie“ gibt und dass „die Ursachen von Antisemitismus und Islamophobie … weitgehend die gleichen sind“?
Nanu, frage ich mich als islamkritischer Deutscher. Sind neuerdings „Protokolle der Weisen von Mekka“ im Umlauf? Werden Muslime beschuldigt, Brunnen zu vergiften oder Christenkinder zu schlachten? Habe ich was verpasst? Was ist mit antisemitischen Muslimen? Zählt deren Antisemitismus nicht?
Ich weiß nicht, ob Hector Calvellis Behauptung stimmt, der Begriff „Islamophobie“ stamme aus der iranischen Propaganda. Wenn ich allerdings lese, dass der israelische Botschafter Shimon Stein am 23.Mai 2006 die Begrüßungsworte bei einer Podiumsdiskussion gesprochen hat, bei der es eben um das oben genannte Thema geht, dann kann ich mir die Frage nicht verkneifen, ob Israel keine anderen Probleme hat als die Sorge, dass seine Todfeinde diskriminiert werden könnten. Die militanten Unterstützer Israels in Deutschland jedenfalls dürften im Zweifel eher aus dem Lager derer kommen, die Kramer „islamophob“ nennt als aus dem der Islamophilen.
Soviel ist gewiss richtig, dass es bei uns auch Menschen gibt, die Alles und Jeden hassen, der in ihren Augen „undeutsch“ ist, also Juden und Muslime gleichermaßen (darüberhinaus aber auch Homosexuelle, Behinderte, Linke, Schwarze und Gelbe – warum der Zentralrat sich unter allen Gruppen, mit denen er sich sinnvollerweise solidarisieren könnte, ausgerechnet die Muslime herauspickt, ist mir ein Rätsel). Die Behauptung, es gebe eine Entsprechung zwischen Antisemitismus und „Islamophobie“, geht aber weit über die Binsenwahrheit hinaus, dass es in der deutschen Gesellschaft Rechtsextremisten gibt. Sie impliziert die Unterstellung, islamkritische oder -feindliche Einstellungen beruhten auf einem psychischen Defekt (Phobie!) großer Teile der Mehrheitsgesellschaft, der sich in einer dem Antisemitismus verwandten Ideologie niederschlage. Diese müsste – das wäre die politische Konsequenz – gesellschaftlich genauso geächtet werden wie jener.
Dass mich das alles ärgert, beweist natürlich noch nicht, dass es falsch ist. Überprüfen wir es also:
Wenn man nach Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamkritik sucht, so fällt zunächst auf, dass es gerade zu einigen der giftigsten antisemitischen Denkfiguren keine Parallelen im zeitgenössischen islamkritischen Diskurs gibt: Weder behauptet irgend jemand, die Muslime seien eine „Rasse“, die in einem biologisch begründeten (und daher nur durch Ausrottung aus der Welt zu schaffenden) Gegensatz zum Rest der Menschheit stünde, noch werden Muslime im Wege der Verschwörungstheorie zu den „wahren Herrschern“ der Welt stilisiert. (Selbst ein Mann wie der von mir darob heftig kritisierte Hans-Peter Raddatz verwendet zwar Verschwörungstheorien in islamkritischem Kontext, behauptet aber nicht etwa eine Verschwörung der Muslime, sondern eine solche westlich-liberaler Eliten, denen der Islam als bloßes Vehikel der Gesellschaftszersetzung diene.)
Die gegenwärtige Islamkritik führt negative Erscheinungen in der islamischen Kultur vor allem auf die Glaubensinhalte der Religion zurück. Sie verfährt also gerade nicht nach dem Motto des Antisemitismus: „Die Religion ist einerlei, in der Rasse liegt die Schweinerei.“ Vielmehr handelt es sich um Religionskritik. Wenn es also überhaupt irgendwo Denkfiguren gibt, die im antisemitischen wie im islamkritischen Diskurs auftauchen, dann müssten sie im Bereich des traditionell christlichen, theologisch begründeten Antijudaismus zu suchen sein.
Dabei konzentriert sich die Auseinandersetzung auf zwei zentrale Fragen:
Ist der Islam naturgemäß friedlich oder aufgrund seiner Glaubensinhalte notwendig unfriedlich?
Ist er mit der Demokratie vereinbar, oder ist er (sofern er sich nicht tiefgreifend verändert) eine theozentrische, antidemokratische, intolerante, frauenfeindliche und antisemitische Ideologie?
Westliche Verteidiger des Islam verweisen gerne darauf, dass ja auch das Christentum sich in seiner Geschichte als antidemokratisch, intolerant und gewalttätig erwiesen habe, dass also der Islam nicht besser und nicht schlechter zur Demokratie passe als das Christentum. Ich selbst habe einmal (in einer Diskussion bei Lila, Kommentar Nr.38) wie folgt geantwortet:
„Ich halte die Gleichsetzung von Koran und Bibel (nach dem Motto: In der Bibel stehen ja auch schlimme Dinge) für falsch, weil sie am Kern der Sache vorbeigeht: Beide Bücher strukturieren das Weltbild der Anhänger der jeweiligen Religion, indem sie ihnen ganz bestimmte Denkmuster und Wertungen vorgeben, die dann als kulturelle Selbstverständlichkeiten verinnerlicht werden. Und diese Denkmuster und Wertungen unterscheiden sich fundamental.
(Beispiel: Jesus sagt: Wer eine Frau nur lüstern ansieht, hat im Herzen schon die Ehe mit ihr gebrochen. Der Koran sagt, Frauen sollten ihre Reize bedecken, damit Männer nicht zur Sünde verleitet werden. An diesem Gegensatz lässt sich nicht nur einiges über das Frauenbild beider Religionen lernen, sondern auch über das Verhältnis zum Prinzip der Selbstverantwortung.)
Wenn man sich nun fragt, wie diese Denkmuster aussehen, dann scheint es mir wenig hilfreich zu sein, einzelne Zitate, etwa “Es gibt keinen Zwang in der Religion”, aus dem Zusammenhang zu reißen, wie es häufig geschieht; man sollte den roten (oder vielmehr grünen) Faden suchen, also die Themen, auf die besonderes Gewicht gelegt wird, und die Perspektiven, aus denen sie behandelt werden. Und da fällt mir eben folgendes auf:
Erstens, dass der Gegensatz Gläubige-Ungläubige eine zentrale Rolle spielt. Religion wird also von vornherein nicht von der Gottesbeziehung des Einzelnen her verstanden, sondern als Gegensatz von ReligionEN aufgefasst; und über die “Ungläubigen” wird dabei gesagt, dass sie grundsätzlich lügen, in der Hölle schmoren werden und bekämpft werden müssen; daher soll sich der Gläubige auch keine Freunde unter ihnen suchen. (Dass sie im Konfliktfall von vornherein im Unrecht sind, versteht sich daher von selbst.)
Daraus ergibt sich zweitens, dass der Mensch als Individuum keine Rolle spielt; der bei Muslimen häufig anzutreffende Hang zum Denken in Kollektivbegriffen scheint hier seine religiöse Grundlage zu haben.
Drittens wird Ethik grundsätzlich mit TAThandlungen in Verbindung gebracht: Tu dies, lass jenes, dann hast Du Gott auf Deiner Seite. Das jüdische Gebot “Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst” ist im koranischen Kontext vollkommen sinnlos, weil es ja eben nicht darauf ankommt, ob Du Deinen Nächsten liebst, solange Du ihn gemäß dem koranischen Gebot behandelst. Und solange der Koran die Tötung des anderen erlaubt (etwa im Kampf gegen die “Ungläubigen”) oder zu erlauben scheint, gibt es kein ethisches Kriterium, die diese Handlung als böse ausweisen würde. Es gibt im Islam keine Ethik außerhalb des Korans. Und der Koran selbst stellt keine Kriterien bereit, sondern gibt Handlungsanweisungen.
Womit er viertens zugleich, allein durch die Vielzahl der Anweisungen, eine Gesellschaftsordnung festsetzt, innerhalb derer für Fortschritt und Wandel kaum noch Raum ist, was mit demokratischen Prinzipien kaum unter einen Hut zu bringen ist: Ob etwas gut oder schlecht ist, kann nicht Gegenstand demokratischer Entscheidungen sein, jedenfalls nicht, wenn sie dem Koran widersprechen.
Und fünftens gelten diese Anweisungen für alle Zeiten als Gottes eigenes Wort, ohne jede Relativierung. Ein Christ, der dies von der Bibel behauptet (solche Christen gibt es natürlich, und wir nennen sie ohne Weiteres “Fundamentalisten”), verstrickt sich in die Paradoxie, dass die Bibel selbst dem widerspricht (siehe z.B. den Beginn des Lukasevangeliums). Ein Muslim nicht. Der Islam ist ein geschlossens, in sich halbwegs widerspruchsfreies System, das zu hinterfragen eine Todsünde ist. Die Gedanke, dass Wahrheit relativ und eine Frage der Perspektive sein könnte, kann natürlich auch von einzelnen Muslimen gedacht werden. Er kann aber NIEMALS zur kulturellen Selbstverständlichkeit in der islamischen Welt werden.“
So. Und nun wollen wir einmal sehen, inwiefern wir hier Parallelen zu antijüdischen Argumentationsmustern finden:
Au weia, möchte man auf den ersten Blick sagen – da finden sich ja sogar eine ganze Reihe von Entsprechungen:
Ist nicht der Vorwurf, die koranische Lehre basiere auf der Entgegensetzung von Gläubigen und Ungläubigen, bei Abwertung der letzteren, eine genaue Entsprechung zu dem Vorwurf, die Juden betrachteten sich als „auserwähltes Volk“ allen anderen als überlegen?
Ist nicht der Vorwurf, eine Gesetzesreligion zu sein, bei der es bloß auf den äußeren Gehorsam ankomme, eines der zentralen Themen der christlichen antijüdischen Polemik?
Und lehnt schließlich nicht das Judentum, zumindest dessen orthodoxe Richtung, eine historisch-kritische Lesart der Thora ebenso ab wie der Islam eine solche des Koran?
Doch, doch, das ist so. Na und?
Nicht jedes auf die Theologie bezogene Argument, mit dem man auch die jüdische Religion kritisieren könnte, ist deswegen schon antisemitisch; der Antisemitismus beginnt dort, wo jüdische Glaubensinhalte zum Zwecke der Diffamierung absichtlich verzerrt werden. Wenn jemand zum Beispiel den Gedanken des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel zu einem Projekt jüdischer Weltherrschaft umlügt: Das ist Antisemitismus!
Da aber jüdische und islamische Theologie viele Gemeinsamkeiten aufweisen, liegt es in der Natur der Sache, dass manche theologischen Argumente gegen die eine Religion auch gegen die andere gewendet werden können. Der zentrale Vorwurf der Islamkritiker aber, ohne den alle anderen bedeutungslos wären, ist einer, der das Judentum nicht trifft und auch nie erhoben worden ist, jedenfalls nicht von einem christlichen Standpunkt. Er lautet, dass der Islam die Pflicht jedes Menschen proklamiert, Muslim zu sein, und die Pflicht jeder Gesellschaft, in der Muslime leben, sich den Geboten des Islam zu unterwerfen. Und damit auch das Recht der Muslime, diese Unterwerfung gewaltsam zu erzwingen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Religion nicht nur in sich undemokratisch ist, sondern auch eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft darstellt.
Islamkritiker dürfen es sich daher getrost verbitten, einer „Phobie“, also einer Geisteskrankheit bezichtigt und mit Antisemiten in einen Topf geworfen zu werden. Die Gleichsetzung von Islamkritik mit Antisemitismus ist vielmehr Ausdruck von…
…tja, wie nennt man das? Ich schlage vor: Christianophobie.
Ein interessantes und wichtiges Thema. Was tun?
Als Nachhilfelehrer sage ich den Schülern immer: guck` bei Wikipedia …
Wikipedia zu Islamfeindlichkeit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Islamfeindlichkeit
Definition: feindselig-ausgrenzend. Problem dabei a) Demokraten müssen (!) den Islam ablehnen, da/solange sich die islamische Geistlichkeit in Ghom+Kairo nicht von der quasi-rassistischen Scharia, den frauenunterdrückerischen Sätzen des Korans und (eben, auch) dem immer auf Dhimmitude (sakrale Apartheid) hin zielenden JIHAD distanziert.
Nächstes Problem: zwei Gruppen haben in Westeuropa Interesse daran, die Kluft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu vertiefen, a) Euro-Rassisten/Neonazis und b) Islamisten/Dschihadisten/Salafisten (Muslimbruderschaft, Milli Görüs, Hizb ut-Tahrir, Ahmadiyya).
‚Hitlers langer Schatten‘ bewirkt allerlei Denkblockaden (würden Marsmenschen sagen).
‚Islamophobie‘ dient den Salafisten/Muslimbrüdern als willkommenes Mittel der Erpressung. Ist doch toll, wenn ich weiß, welchen ‚Knopf‘ ich drücken muss, um beim Anderen Schuldgefühle & Selbstzerknirschung auszulösen.
Da gab es den ‚edlen Wilden‘. Dann den rassistischen Opa, Mitläufer im NS-Unrechtsregime. Dann die 68ger und Nachfolger. Der ‚Moslem‘ ist jetzt der ‚edle Wilde‘, und Sex-Appeal hat die Scharia ohnehin.
Die Religion des unterentwickelten Teils der Erde wird zur Religion der unterentwickelten Stadtteile Westeuropas.
Fakt: Salman Rushdie musste nach Westeuropa ziehen, nicht G. Grass oder P. Handke nach Teheran …
Sehr irritierend allemal. Zur äußeren wie innerseelischen Konfliktlösung bietet sich die Scharia an, endlich klare Verhältnisse. Scharia … lässt keine Fragen offen. Sei es, dass rasch … niemand mehr Fragen stellt.
Sägefisch
http://saegefisch.wordpress.com/
Lieber Manfred,
mit ganz zynischem Unterton ließe sich sagen: der Islam ist Experte für Integration. Klar, wer sich hier in was integriert. Kopten, Armenier, Jesiden, Assyro-Chaldäer: “nachher“ … gibt es … Muslime.
Der Islam ist wie eine ‚große Familie‘. Er möchte alle Menschen dazu bringen (er „lädt ein“, „sich zu öffnen“), sich in diese Gemeinschaft einzugliedern. Doch dabei gilt das Motto: „Und willst du nicht mein Bruder sein so schlag` ich dir den Schädel ein“.
Henryk M. Broder findet als Gleichnis das Kaninchen vor der Schlange, das die Strategie entwickelt, sich nicht zu bewegen (Schlangen beißen nur sich-Bewegendes). Broder spricht auch von Stockholm-Syndrom, von ‚ängstlicher Anbiederei‘.
Taqiyya – Lügen zu einem guten Zweck. Uns fällt es offensichtlich schwer, zuzugeben zu müssen, von den islamischen Wortführern permanent belogen zu werden.
Vor-moderne Frauenbilder sind mit Koran, Hadithen, Sunna und Scharia wohl noch auf Generationen hin zementiert, religionsgesetzlich verankert.
sehr lesenswert:
http://www.1001geschichte.de/
Egon Flaig hat Recht: es kann keine islamischen Menschenrechte geben.
Gruß, Schariagegner
schariagegner.wordpress.com/
Gruß, Schariagegner
http://schariagegner.wordpress.com/
Manfred,
die Antwort, warum sich der Zentralrat so benimmt, finde ich in Kennteh Levin „The Oslo Syndrome“. Ich kann das Buch zur Lektuere empfehlen!
Manfred,
der Zentralrat hat mit Israel sehr wenig, mit Deutschland umso mehr am Hut. Die Debatte um Islamophobie soll ja auch nicht in Israel gefuehrt werden (wo der Begriff mE innenpolitisch nicht verwendet wird), sondern in Deutschland. Im Namen der Juden in Deutschland moechte sich der Zentralrat bei den Muslimen in Deutschland anbiedern…
Ja, und in Abwehr eines vorausgesetzten Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaft setzt man auf Verbündete, die ihren Antisemitismus nicht einmal verbergen. Weg von der Skylla, hin zur Charybdis!
Das ist uebrigens keine Zusammenfassung. Die These, die Levin vor allem historisch belegt, ist dass Juden ueber die Geschichte hinweg immer wieder auch die Stigmatisierung durch die Antisemiten uebernommen haben. Und zwar, so Levin, umso staerker, je weniger positiven Rueckhalt sie im Judentum hatten, wobei Levin das in erster Linie an funktionierenden juedischeen Organisationen (Infrastruktur) festzumachen scheint.
Verschiedene Muster waeren:
1) Akzeptanz der antisemitischen Vorurteile, aber nur fuer andere Juden (Beispiele: deutsche assimilierte Juden projezierten sie auf Ostjuden, saekulare juedische Israelis projezieren sie mitunter auf Siedler und/oder orthodoxe Juden) Diese anderen Juden werden dann abgelehnt, bzw. man macht sich daran, sie zu reformieren.
2) Akzeptanz der antisemitischen Vorurteile auch fuer sich selber. Tragische Beispiele Weininger, Rathenau
3) Flucht in den Universalismus. Wenn die menschliche Gesellschaft als Ganzes erloest wird, erledigt sich das juedische Problem. (Trotzki, Lassalle, aber auch Buber)
usw., usw.
Ich habe eine Zusammenfassung gelesen unter
Ich hoffe, ich komme mal dazu, das Ganze zu lesen.
Aber hat das wirklich etwas mit dem Zentralrat zu tun? Ist es nicht eher so, dass der einen Aussetzer hatte und sich nicht ganz klar darüber war, dass Israel eine Debatte über „Islamophobie“ ungefähr so nötig hat wie ein Loch im Kopf?
Das glaube ich auch, dass es diesen Mechanismus gibt. Aber passt das auf das Verhalten des Zentralrats bzw. dessen Generalskretärs? Ist es nicht eher so, dass man aus Angst vor dem – zweifellos AUCH vorhandenen – deutschen Rechtsextremismus in einer falsch verstandenen Solidarität der Minderheiten die Augen davor verschließt, dass der Partner, in diesem Fall also die Muslime, weitaus mehr als die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu rechtsextremen (islamistischen) und antisemitischen Positionen neigt?
Hallo Manfred,
ich wuerde das unter Flucht in den Universalismus buchen. Den Juden wurde und wird vorgeworfen, nur ihre Gruppeninteressen zu verfolgen und daher ist eine der gebildeten Reaktionen, dass Juden das Gegenteil zu beweisen suchen: Ihnen geht es keinesfalls nur um Juden oder juedische Themen, sondern „prinzipiell“ um Minderheitenschutz.
So schwingt sich der Zentralrat hier zum Anwalt aller Minderheiten auf, ohne zu beachten, dass niemand ihn zum Sprecher der Muslime ernannt hat, dass die Muslime ihre eigene Interessenvertretung haben und ihre Interessen insgesamt sehr viel aggressiver und aus meiner Sicht sehr viel erfolgreicher vertreten.
Unter diesem Gesichtspunkt hatte ich das noch nicht gesehen – ja, das leuchtet mir ein.
Manfred, Du schreibst: „Es gibt im Islam keine Ethik außerhalb des Korans. Und der Koran selbst stellt keine Kriterien bereit, sondern gibt Handlungsanweisungen.“
Wenn Du Scharia statt Koran geschrieben haettest, wuerde ich Dir voellig zustimmen, so ist es aber doch nicht ganz korrekt. Der Koran bietet nicht genug eindeutige Stellen um auf jedes ethische Problem eine Antwort zu finden. Dieses Problem wird durch die muendliche Ueberlieferung (hadith) geloest, die viel mehr Material bietet, das zudem in den ersten Jahrhunderten des Islams systematisiert wurde. Auch ist bei der Scharia klar, dass es sich um ewiggueltige Handlungsvorschriften handelt. Die damals gefundenen Ergebnisse sind fuer die Masse der Muslime bis heute voll verbindlich.
Dass der Koran prinzipiell auch anders verwendet werden kann, zeigt die Batiniyya, die „Lehre vom inneren Sinn“. Gruppen wie beispielsweise die Islaimeliten und die Aleviten sind traditionell Anhaenger der Batiniyya, die den Koran allegorisch deutet. Leider hat diese Lehre der offenen Koranauslegung so gut wie keine Anziehung auf Anhaenger „orthodoxer“ Formen des Islam.
Wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt und untersucht, wie sich die oben genannten Gruppen vom Hauptstrom des Islams unterscheiden, kommt an zum Ergebnis, dass nicht der Koran das unueberwindliche Hindernis ist, sondern die Scharia. Bassan Tibi spricht deshalb auch vom „Scharia-Islam“, der das eigentliche Problem darstellt.
Um allen Schwaermern fuer einen „Reform-Islam“ den Wind aus demn Segeln zu nehmen: Ein „Reform-Islam“, der das ist, was man sich spontan darunter vorstellt, also eine Islam, der sich an die Moderne anpasst, hat so gut wie keinerlei organisierte Anhaengerschaft. Bassam Tibis „Euo-Islam“ wurde nicht ganz zu unrecht als „Einmannsekte“ verunglimpft.
Es muss natuerlich „Ismailiten“ heissen und nicht „Islaimeliten“.
Ich danke Dir für die sachkundige Klarstellung. Ich glaube auch, dass man Koran und Hadith als Gesamtsystem begreifen muss. Der Grund, warum ich mich so auf den Koran konzentriert habe, liegt darin, dass der Koran mit seiner zirkulären Selbstbeglaubigung das Fundament ist, auf dem das ganze Gebäude ruht.