Wielun 1939: eine antideutsche Legende

[Um den Angriff auf die polnische Grenzstadt Wielun am 1.September 1939 ranken sich ebenso politkorrekte wie antideutsche Legenden. War Blogger demontiert im folgenden Artikel die herrschenden Geschichtsklitterungen:]

Morgen jährt sich der offizielle Beginn des Zweiten Weltkrieges zum dreiundsiebzigsten Mal. Ich sage „offizieller Beginn“, da man genau so gut andere passende Termine wählen könnte: den 7. Dezember 1941, zum Beispiel, der einen bis dato primär im europäischen Raum ausgefochtenen Konflikt auf den Rest der Welt ausdehnte. Oder den Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke am 7. Juli 1937, der Ostasien in den Krieg stürzte. Oder den Kriegseintritt Italiens, der das Kriegsgeschehen auf den afrikanischen Kontinent ausdehnte.

Wir können uns alle die symbolischen Festakte und wiedergekäuten Phrasen, die uns die politische Klasse – und natürlich insbesondere die Mainstreammedien – vorsetzen werden, im Geiste schon ausmalen. Sie sind schon fast zur Gewohnheit geworden. Das sich alljährlich wiederholende Prozedere hat in diesem Sinne eine schon fast amüsante Regelmäßigkeit erreicht, die es dem von Schuldbekenntnissen sattsam gemästeten Medienkonsumenten schon fast erlauben könnte, den Jahrestag des offiziellen Kriegsbeginns in Europa zu ignorieren. Dies zu verhindern, die abgestandene Suppe der deutschen „Vergangenheitsbewältigung“ dem Gast immer wieder neu zu kredenzen; das ist in der Tat kein ganz so einfaches Gesellenstück, auch wenn die öffentlich-rechtlichen alle Jahre wieder mit einer mit unheilvoller Musik und finster drein blickenden Nazi-Deutschen gespickten „Dokumentationen“ aufwarten oder die Kanzlerin den Deutschen in einer Rede zum siebzigsten Jahrestag auf der 1939 von der polnischen Armee über Vertragssoll besetzten Westerplatte in Danzig Asche aufs Haupt streut.

Manfred hat in seinem Beitrag von 2009 zur ungerechtfertigten Verwendung des Begriffes des „Überfalls auf Polen“ schon vieles gesagt:

Eine Worthülse ist das deshalb, weil man unter einem Überfall einen überraschenden Angriff aus heiterem Himmel versteht, mit dem nicht gerechnet werden kann. … dem Angriff auf Polen vor genau siebzig Jahren aber gingen eine monatelange diplomatische Krise, Propagandaoffensiven beider Seiten, Dutzende von Grenzzwischenfällen und ethnischen Scharmützeln, nicht zuletzt der deutsch-sowjetische Nichtangriffs-(und Teilungs-)pakt voraus. Was am 1. September 1939 begann, war wohl ein Angriff, aber eben kein Überfall.

Wenn ein so auffallend unpassendes Wort wie das vom „Überfall auf Polen“ nicht nur irgendwann und von irgendwem versehentlich eingeflochten wird, sondern offenkundig Teil einer Sprachregelung ist, die ungeachtet ihrer Dummheit von niemandem in Frage gestellt wird, dann ist dies bezeichnend für den Geisteszustand, in dem die meinungsbildenden Eliten ihre für uns Alle bestimmten Texte verfassen: Die Angst vor der abweichenden Meinung, ja die Angst sogar vor einer – womöglich bloß versehentlich – abweichenden Formulierung, verdrängt jede andere journalistische Erwägung, sogar die Angst vor dem Verdacht der Inkompetenz und der daraus resultierenden Blamage.

In einer solch gestanzten Floskelsprache teilt man nicht die Ergebnisse von Überlegungen, sondern eingepaukte Glaubensartikel mit.

Darauf aufbauend möchte ich auf das neueste Steckenpferd von Medien und antideutscher Geschichtsumschreibung hinweisen. Den meisten hier wird der Beginn des Zweiten Weltkrieges aus Schule oder Literatur noch in Verbindung mit der Feuereröffnung des veralteten Linienschiffes Schleswig-Holstein in den Morgenstunden des ersten Septembers im Gedächtnis sein.

Die Wielun-Legende

Nun ist es aber so, dass die ersten offiziellen kriegerischen Aktionen schon vorher begannen, und zwar in dem polnischen Grenzstädtchen Wielun. Und Wielun hat sich in den letzten Jahren zu einem weiteren Eckpfeiler antideutscher Legendenbildung entwickelt: dem Terrorangriff auf das verschlafene, vollkommen unschuldige Grenznest aus dem Impetus purer Boshaftigkeit heraus. Warum dies so gut zu Manfreds obigem Zitat passt möchte ich vorab schon einmal klarstellen: weil es eine geschichtspolitisch-mediale Formulierung ist, die mit dem tatsächlichen Geschehen nichts zu tun hat. Gleichzeitig wird diese Legendenbildung wider vorhandenes Fachwissen und wasserdichtes Datenmaterial betrieben.

Möglicher Ausgangspunkt – zumindest was die deutsche Medienberichterstattung angeht, sofern man sie noch so nennen kann – scheint dieser Artikel in der Zeit aus dem Jahr 2003 zu sein (alle folgenden Zitate sind dem Zeit-Artikel entnommen). Ich sage „möglich“, da der War Blogger eine fast gleich klingende Nacherzählung der Ereignisse zu einem weitaus späteren Zeitpunkt noch in einem politikwissensschaftlichen Seminar zu hören bekam. Der Seminarleiter – Professor Dr. Klaus Ziemer – ist ein honoriger Dozent, der es während der Veranstaltung nie an Fairness oder Hilfsbereitschaft mangeln ließ, und der mit seiner Themensetzung bezüglich der unterschiedlichen Geschichtspolitik europäischer Staaten interessante Befunde zu Tage förderte. Das Seminar war also weder uninteressant, noch verbinden den Autor schlechte Erfahrungen mit dem inzwischen pensionierten Seminarleiter. Bis auf diese eine, die um so schlimmer ist, da Ziemer bereits in Wielun selbst eine Rede zur Bombardierung selbst hielt.

Was soll uns also glauben gemacht werden? Laut dem Autor des Zeit-Artikels, dem freien Journalisten Joachim Trenkner, handelt es sich bei der Attacke auf Wielun um einen perfide geplanten Akt des Terrors, durchgeführt auf Wunsch desselben deutschen Offiziers [Generalmajor Wolfram von Richthofen, MKH], der bereits die „berüchtigte Legion Condor“ im Spanischen Bürgerkrieg kommandierte und das Städtchen Guernica dem Erdboden gleich machen ließ. Einmal ganz davon abgesehen, dass man sich trefflich über die Legitimität von Guernica als Angriffsziel streiten kann, war die „Legion Condor“ nicht mehr oder weniger „berüchtigt“ als alle anderen am Spanischen Bürgerkrieg teilnehmenden Kräfte auch. Seltsamerweise hört man von deutschen Journalisten aber kaum etwas zu den von den linken „Internationalen Brigaden“ begangenen Kriegsverbrechen…

Wolfram Freiherr von Richthofen befahl den Angriff auf Wielun
Generalmajor Wolfram Freiherr von Richthofen

Nun, folgt man der Richtung Trenkners dann handelt es sich beim Angriffsziel Wielun für Richthofen „um die Chance, sein Zerstörungswerk fortzusetzen“. Das war auch der Duktus Professor Ziemers: Wielun als unschuldiges Grenzstädtchen, welches mutwillig als Akt des Terrors von den Deutschen zerstört werden sollte.

Denn für einen deutschen Journalisten oder Akademiker ist die natürlichste Herangehensweise an einen Themenkomplex mit Bezug zum Zweiten Weltkrieg, es einfach als gegeben anzunehmen, dass die Akteure mit dem Prioritätssinn eines James-Bond-Bösewichtes ausgestattet sind. Vorhandene Fakten abzugleichen oder auch nur zu versuchen, rationales militärisches Denken auf die Situation anzuwenden, wäre wahrscheinlich auch zu einfach gewesen.

Anteil an der Debatte zur Formung des Geschichtsbildes hat auch die in letzter Zeit offen linkslastig und subjektiv agierende Wikipedia, da sie durch die Gewichtung bzw. Auslassung von Aussagen „Wissen“ prägen kann. Auch hier ist der Fall Wielun exemplarisch: im Deutschen existiert keine Seite zur Bombardierung mehr, und die Frage wird in der Diskussionsspalte der Wiki zur Stadt Wielun selbst abgewürgt. Da der Autor aber primär im englischsprachigen Raum agiert war es interessant zu realisieren, dass seit dem ersten Befassen mit der Wielun-Thematik auch dort eine Verschiebung der Quellengewichtung zu beobachten ist. Diese wird primär durch offenkundig polnischstämmige Benutzer vorangetrieben, eine Beobachtung, die auch auf viele andere englischsprachige Artikel bezüglich Polens und seiner (Vor-)Kriegsgeschichte zutrifft. Bezeichnend ist hier, dass selbst im englischsprachigen Wiki-Beitrag der Zeit-Artikel Joachim Trenkner’s als entscheidende Quelle verwendet wird!

Dies ist um so entscheidender, als die englischsprachige Wikipedia insgesamt als militärtechnische Quelle hervorragendes Material hervorbringt, welches die Argumentation von „Wielun als Terrorangriff“ selbst ad absurdum führt. Denn die Intention hinter der Handlung ist keinesfalls irrelevant.

Ich schreibe das hier in der vollen Gewissheit, dass man uns morgen wieder tränenreiche Märchen aus und um Wielun aufwärmen wird, deren einziger Zweck darin besteht, deutsches Selbstbewusstsein zu untergraben und unseren (als Volk) neurotischen Schuldkomplex zu füttern.

Laut späterer Einsatzmeldung starten die 29 Stukas des Geschwaders 76 unter seinem Kommando um zwei Minuten nach 5 Uhr in Richtung polnische Grenze. Tatsächlich aber kann es erst 4.02 Uhr gewesen sein; denn alle Überlebenden berichten, die ersten Flugzeuge seien zwischen 4 und 5 Uhr über Wielun aufgetaucht – also just zu jener Zeit, als auch auf der Schleswig-Holstein in Danzig die Vorbereitungen für den Angriff laufen. Warum die Einsatzmeldung den Beginn des Unternehmens um eine Stunde verschiebt, bleibt rätselhaft: War es ein Versehen? War es eine taktische Manipulation?

Oder war es vielleicht die Wahrheit? Wie sich später noch zeigt sind die Augenzeugenaussagen alles andere als überzeugend!

Der Bombenhagel bringt Tod und Zerstörung. Die ersten Bomben haben das Allerheiligen-Hospital getroffen, obwohl das Krankenhaus auf dem Dach mit einem roten Kreuz gekennzeichnet ist.

Ich denke, hier ist es an der Zeit, einmal die Quellen heranzuziehen, die nicht aus unqualifizierten Journalisten oder fachfremden Professoren bestehen. Denn diese Quellen sprechen eine ganz andere Sprache als dass, was uns seit einiger Zeit als in Stein gemeißelte Wahrheit angedreht wird.

Historiker über Wielun

In Bezug zum nächtlichen Angriff auf Wielun berichtet der deutsche Historiker Horst Boog, der international als einer der kompetentesten Fachmänner zum Thema ‚Europäischer Luftkrieg zwischen 1939 und 1945‘ gilt, dass „der Angriff einer polnischen Kavalleriebrigade sowie einer polnischen Infanteriedivision galt, welche die deutsche Luftaufklärung am Vortag in der Stadt entdeckt hatte“. Dies ist insofern bedeutend, als ein StuKa-Angriff auf eine mobile Brigade eigentlich als eine der Kernaufgaben der Waffengattung gesehen werden muss: die Zerstörung der hochmobilen Kavalleriebrigade macht plötzliche Angriffe auf die Flanken der deutschen Angriffspitzen unwahrscheinlich. Boog schließt aus den Berichten der StuKa-Geschwader 76 und 77, dass die Angriffe diesen Formationen galten und dass die Bombardierung fehlschlug, und „zwar auf Grund dichten Bodennebels“.

Eine Quelle ist nicht genug? Warum, der Zeit-Artikel reicht doch den Medien auch ganz alleine?

Nun gut, wie wäre es hiermit: Der britische Historiker Peter C. Smith beschreibt das Bombardement als „Kollateralschäden im Zuge von Luftunterstützungsangriffen für den Vormarsch der Wehrmacht, bei denen die Bomben ihre eigentlichen Ziele verfehlten.“

Ach, ich hab noch einen. Der polnische Historiker Jerzy B. Cynk, Autor von The Polish Air Force at War. The official history 1939-1943, hat sogar noch ein bisschen mehr zu sagen. „Eine Vielzahl direkter Unterstützungsangriffe wurden [von der Luftwaffe] geflogen, die stärksten Angriffe konzentrierten sich auf polnische Kavallerie- und Truppenkonzentrationen nahe Wielun. … Die Wetterbedingungen während des ganzen Tages waren ungünstig, mit Sichtweiten [in der Luft] von weniger als einem Kilometer und einer geschlossenen Schicht aus Bodennebel bis circa 50 Meter Höhe. … Auf ihrem Rückflug wurden vier Ju 87 StuKas vom in der Nähe stationierten 36. Polnischen Infanterieregiment abgeschossen.“

So, so. Renommierte Historikergrößen kommen also auf Grund des Primärquellenstudiums – also der tatsächlichen Wissenslage der Akteure zur Zeit der Bombardierung! – zum Schluss, das es sich beim Angriff auf Wielun um reguläre Bodenunterstützungsmissionen zur Bekämpfung von der Aufklärung entdeckter feindlicher Truppenkonzentrationen handelte. Der Abschuss der vier Sturzkampfbomber alleine konterkariert bereits jedwede Behauptung, dass es in und um Wielun keine polnischen Truppen gegeben habe. Der dichte Bodennebel hingegen gibt jedwedes Beharren auf der Terrorbombardement-These der Lächerlichkeit Preis. Von einem bewussten Angriff auf zivile Ziele kann keine Rede mehr sein da wegen des dichten Bodennebels die gesamte Stadt quasi unsichtbar gewesen sein muss. Ziele wie das Krankenhaus konnten weder bewusst verschont noch bewusst attackiert werden! Die weitflächigen Zerstörungen in Wielun sind indes viel einfacher zu erklären: kein StuKa-Pilot, der noch alle Tassen im Schrank hat, wäre mit voller Bombenladung zurück durch feindliches Gebiet geflogen, um wieder auf seinem Feldflugplatz zu landen. Weitaus plausibler ist es anzunehmen, dass nach einem Flug primär nach Instrumenten, nicht nach Sicht, die Bombenlast über dem ungefähren Zielgebiet ausgeklinkt wurde. Befehl ist halt Befehl. Trotz dieses saloppen Spruches können wir also festhalten: die Angriffe auf Wielun waren legitime militärische Operationen und keineswegs geplante Terrorangriffe.

Trenkners inkompetentes Fabulieren über Wielun

Alleine die Idee, dass die Wehrmacht an Tag Eins der Kampagne gegen Polen ein ganzes Drittel (!) ihrer vorhandenen Bodenunterstützungsflugzeuge für das Terrorbombardement einer vollkommen unwichtigen Grenzstadt verwenden würde, spricht Bände: über Joachim Trenkner und über alle, die ihm Glauben schenken. Es sagt außerdem aus, dass eine ganz erhebliche Menge der deutschen Bevölkerung absolut keinen Schimmer von Geschichte, Taktik und Technik aufzuweisen hat.

Aber gehen wir ein bisschen weiter im Text.

Ziel ist es, den Ort zu vernichten. Dabei soll vor allem ein gerade weiter entwickelter Flugzeugtyp getestet werden, der Sturzkampfbomber JU 87 B. Die Stukas sind von der Dessauer Flugzeugfabrik Junkers eigens für den Polenkrieg mit einem doppelt so starken Motor wie das bisherige Modell ausgerüstet worden. Mit 1150 PS Motorleistung können sich die neuen Maschinen bei über 300 Kilometer pro Stunde und einer Bombenlast von 500 Kilo pro Einsatz aus großer Höhe auf ihre Ziele stürzen.

Und das steht in einer renommierten Wochenzeitung. In diesem Absatz befindet sich nicht eine wahre Aussage. Das ist schon eine reife Leistung. Auf den ersten Satz muss ich nicht eingehen; den haben bereits drei Historiker widerlegt. Der Rest? Ach du großer Gott, was ein Schmonzes!

Dabei soll vor allem ein gerade weiter entwickelter Flugzeugtyp getestet werden, der Sturzkampfbomber JU 87 B. Die Stukas sind von der Dessauer Flugzeugfabrik Junkers eigens für den Polenkrieg mit einem doppelt so starken Motor wie das bisherige Modell ausgerüstet worden.

Sturzkampfbomber Stuka Ju-87, eingesetzt in Wielun
Sturzkampfbomber Ju-87

Nein, sind sie nicht. Der „Polenkrieg“ wurde am 11. April 1939 von Hitler insofern beschlossen, als dass er die Ausarbeitung eines Angriffsplans durch die Wehrmacht befahl. Die Junkers Ju 87 B absolvierte bereits Testflüge im Frühsommer 1937. Zu einer Zeit also, zu der Hitler die Polen noch im Antikomintern-Pakt haben wollte und ein Waffengang an der Seite der Polen wahrscheinlicher war als gegen sie. Die erste Serienvariante (ab Juli 1937) nahm übrigens im gleichen Jahr am Spanischen Bürgerkrieg teil. Von einem „gerade weiter entwickelten Flugzeugtyp“ kann also gar nicht die Rede sein! Eigens für den Polenkrieg wurde hier gar nichts gemacht. Die B-Variante ist nichts weiter als die logische technische Weiterentwicklung des Junkers-Sturzkampfbombers. Sowohl Design als auch Einsatzeinführung widerlegen klar Trenkners Aussage. Man mag das als Spitzfindigkeiten abtun, aber es sind eben diese vielen Kleinigkeiten, die das Salz in der Suppe ausmachen.

Und der Rest? Die Motorleistung des Jumo 211D der Ju 87 B war 1200 PS, nicht 1150 PS. Die Bombenlast der Ju 87 B waren 450 Kilogramm, nicht 500 (1x 250kg + 4x 50kg). Hat Trenkner eigentlich irgend eine Ahnung von dem, was er da schreibt? Ach ja, er behauptet auch, dass die StuKa-Piloten wussten, dass es in Wielun keine polnischen Truppen gab. Warum? Weil ein Bomberkommandant nach seiner Landung vermerkt habe: „Keine besondere Feindbeobachtung.“

Nachts um kurz nach 4 Uhr, im September. Bei Bodennebel und Sturzkampfgeschwindigkeit, ohne Nachtsichtgeräte (gab es damals noch nicht). Und das soll man glauben? Da lachen doch die Hühner. „Feindbeobachtung“ hier würde Flakfeuer bedeuten. Das Nichtvorhandensein von Flakfeuer bedeutet für den Flugzeugführer nicht automatisch das nicht Vorhandensein feindlicher Truppen! Und da sind ja schließlich noch die vier abgeschossenen StuKas…

Ich bitte alle Leser, sich den Umstand noch einmal zu verdeutlichen: Was ich hier zerpflücke, ist die von deutschen Medien kolportierte „offizielle“ Darstellung der Ereignisse! Und die beruht unter anderem auf Augenzeugenberichten wie dem folgenden:

Der Mechaniker Józef Musia ist acht Jahre alt, als die Bomben fallen. Mit seiner Schwester hat er das Bombardement vom Stadtrand aus beobachtet: „Es waren große graue Flugzeuge mit schwarzen Kreuzen…“

Ich soll also glauben, dass ein achtjähriger Knirps nachts um halb fünf aus gut einem Kilometer Entfernung oder mehr die Markierungen dunkel grau-grüner Maschinen kaum größer als Jagdflugzeuge erkannt hat, während diese sich mit Geschwindigkeiten von gut 300 Km/h und mehr aus mehreren Tausend Fuß aufs Ziel stürzten. Und niemand hakt bei so einer Aussage nach?!?

Diese Art von Aussagen erschaffen – durch ihre pure Anwesenheit in einem „angesehen“ Wochenblatt – Geschichtsbilder. Kaum einer der Leser der Zeit wird Trenkners Artikel widersprochen haben. Keiner der Studenten in Professor Ziemers Seminar tat es (mir war Wielun dumpf im Hinterkopf ein Begriff durch einen früheren Blogeintrag). Vierzig junge Menschen verließen an dem Tag das Seminar mit dem festen Glauben (denn um Glauben handelt es sich hier, nicht Wissen), dass Deutschland den WK 2 mit einem als Terrorakt intendierten Angriff auf Wielun begann.

Auf diese Art und Weise formt man das geschichtliche Selbstverständnis ganzer Generationen.

Nur um das ein letztes Mal zu verdeutlichen: sowohl der Professor (der Politikwissenschaften) aus meinem Beispiel als auch der Artikel der Zeit vertreten felsenfest eine These, die in etwa den Logikgehalt eines Planes von Austin Powers Dr. Evil hat. Wir sollen also allen Ernstes glauben, dass – entgegen der Darstellungen dreier Historiker vom Fach und entgegengesetzt zu vorliegenden Aufklärungsberichten der Wehrmacht und Operationsbefehlen der Luftwaffe – das Oberkommando der Wehrmacht ein Drittel aller an der polnischen Front vorhandenen Sturzkampfbomber, deren explizite Aufgabe nur taktischer Natur ist und die Ausschaltung von mobilen Einheiten und Punktzielen umfasst, für einen strategischen Bombenangriff auf ein Ziel ohne strategische Bedeutung oder Verwertbarkeit für Propagandazwecke abkommandiert?!

Und der Autor verwettet seine nicht mehr vorhandene Haarpracht darauf, dass – wenn morgen wieder das alte Lied von Wielun durch die Medien tönt – in keiner großen Tageszeitung und keinem Nachrichtenmagazin eine faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema geben wird. Und das, lieber Leser, ist antideutsche Legendenbildung.

 

Dresden

Zum 65. Jahrestag der Zerstörung Dresdens zeigen die Medien, und weiß Gott nicht nur die, ihre wahre Visage. Wie jedes Jahr.

Da ich heute nicht viel Zeit habe, kann und will ich nicht jeden Aspekt dieser alljährlichen Schande beleuchten. So sei nur kurz angemerkt, dass es den Linken gelungen ist, die ordentlich angemeldete und völlig legale Demonstration rechter Gruppen zu verhindern; dass die Polizei diesen Sieg der politischen Selbstjustiz (angeblich? tatsächlich?) nicht verhindern „konnte“; und dass es eine offene Frage ist, wo das polizeiliche Unvermögen endet und die politisch gewollte klammheimliche Komplizenschaft des Staates mit linken Gewalttätern beginnt.

Ich kommentiere heute nur den Bericht, den ein gewisser Patrick Gensing in tagesschau.de veröffentlicht hat. Also bei einem Medium, das wir alle durch Zwangsabgaben finanzieren:

Neonazis marschieren in Dresden auf

Es versteht sich von selbst: Das sind das alles „Neonazis“, obwohl es bei diesen Trauermärschen genug Teilnehmer gibt, die definitiv keine sind, und obwohl man das auch leicht hätte herausfinden können; keinem Volontär würde man durchgehen lassen, wenn er pauschal alle Teilnehmer einer Demonstration, an der auch Kommunisten beteiligt sind, „Kommunisten“ nennen würde. Wenn es aber um sogenannte oder auch Neonazis (wieso eigentlich nicht „Postnazis“ – wo es doch auch „Postkommunisten“ gibt?) geht, scheint sich soviel Differenzierung zu erübrigen.

Und selbstverständlich „marschieren sie auf“. Hat schon einmal jemand von einem „Aufmarsch“ von Linksextremisten gehört? Das Wort „Aufmarsch“ suggeriert dem Normalbürger: Uniformen, Stiefel, Gleichschritt. Dass dies alles selbst bei Demonstrationen von wirklichen Rechtsextremisten eher die Ausnahme als die Regel ist, interessiert die GEZ-Dichter nicht.

Das Wort „Aufmarsch“ nämlich hat im Zusammenhang mit solchen Demonstrationen schon längst jede inhaltliche Bedeutung eingebüßt, ungefähr so, wie das Wort „Überfall“ zur Bezeichnung des Angriffs auf Polen 1939. Wir haben es hier mit stereotyper Floskelsprache zu tun, deren Gebrauch ideologische Konformität signalisiert. In solcher Sprache äußert sich die Bereitschaft, auf ein eigenes Urteil (das sich zwangsläufig in eigener Wortwahl niederschlagen müsste) zu verzichten und sich einer vorgegebenen Bewertung zu unterwerfen: Aus solchen Texten dampft der Angstschweiß ihrer Verfasser. Wer so schreibt, will einer drohenden Verdächtigung vorbeugen: Keine Differenzierung, man könnte ja der Sympathie mit „Rechts“ verdächtigt werden; kein Satz, der den Leser zum Nachdenken bringen könnte – er könnte ja etwas „Falsches“ denken; keine Objektivität, nicht einmal eine geheuchelte, weil selbst eine bloß vorgetäuschte Objektivität einen als Rechtsabweichler verdächtig machen könnte. Bis in die Formulierungen hinein muss eine Uniformität gewahrt werden, um die der nordkoreanische ZK-Sekretär für Propaganda unsere GEZ-Sender beneiden würde!

Öffentlichen Raum besetzen und braune Propaganda unters Volk bringen, das sind die Ziele rechtsextremer Demonstrationen.

Ei der Donner. Präsenz im öffentlichen Raum zu zeigen und die eigenen Parolen unters Volk zu bringen, gehört nicht etwa zum Wesen und zum Sinn und Zweck politischer Demonstrationen (und ist deshalb durch das Grundgesetz geschützt), sondern zu den besonders üblen Machenschaften von Neonazis, braucht also nicht etwas als Ausübung eines Bürgerrechts respektiert zu werden.

Tausende Neonazis wollen heute in Dresden einen „Trauermarsch“ [Allein für die Anführungszeichen gehört dieser Schreiberling von oben bis unten vollgekotzt!] begehen – und so Deutschlands historische Verbrechen relativieren.

Wieder so eine lächerliche Phrase, die nur den hohlen geistigen Konformismus ihres Urhebers entlarvt: „Deutschlands historische Verbrechen relativieren“, d.h. in Beziehung zur Zerstörung Dresdens setzen – das ist genau das, was die Teilnehmer des Trauermarsches nicht wollen! Nicht sie behaupten, Dresden sei schlimmer als Auschwitz; Auschwitz wird von ihnen gerade nicht thematisiert – wohl aber von der Journaille und der etablierten Politik, die an Dresden – wenn überhaupt – jedenfalls nicht denken kann, ohne ein „Ja. aber Auschwitz…“ anzuhängen.

Erstaunlich nur der Kontrast zwischen dieser Aneinanderreihung von menschenverachtenden Geschmacklosigkeiten und der Sensibilität und dem Verständnis, das dieselben Medien alljährlich im August den japanischen Gedenkfeiern in Hiroshima und Nagasaki entgegenbringen – selbstredend ohne auf das Nanking-Massaker oder ähnliche Verbrechen Japans zu verweisen.

Das ist nicht etwa Schizophrenie: Das ist die notwendige Folge jener geistigen Abhängigkeit vom Nationalsozialismus, in die man sich begibt, wenn man ihn zur Negativfolie für Alles und Jedes macht, weil man „aus der Geschichte gelernt hat“, dass das NS-Regime das absolut Böse war, und dass deshalb nur das genaue Gegenteil dessen, was die Nazis praktiziert haben, moralisch geboten sein kann. Das bedeutet, deutlich: „Aus der Geschichte gelernt“ hat, wer das eigene Volk für lebensunwert und die eigenen Landsleute für Untermenschen hält, deren massenhafte Tötung daher nicht betrauert werden darf, jedenfalls nicht ohne allgegenwärtige Relativierung. Die Antideutschen und ihr „Bomber-Harris, do it again!“ bringen nur auf den Punkt, was die deutschen Müll-Eliten tagein, tagaus über ihre Sender verkünden lassen.

Ausschreitungen werden erwartet.

Und natürlich braucht man nicht zu erwähnen, dass solche Ausschreitungen zwar regelmäßig vorkommen, aber in aller Regel von Linksextremisten ausgehen. So auch diesmal. Ich werde jetzt nicht jeden Satz dieses unsäglichen Geschreibsels auseinandernehmen; nur ein paar, tja, Höhepunkte:

(…)
Zudem wollen sie den Begriff Holocaust umdeuten: Fast genau vor fünf Jahren hatte der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel erstmals vom „Bomben-Holocaust“ gesprochen – im Landtag in Dresden.

Da hat einer schon vergessen, dass der Begriff „Holocaust“ schon in den achtziger Jahren banalisiert worden ist, und zwar von denselben Leuten, die heute vor Pietät kaum laufen können, damals aber keine drei Sätze sagen konnten, ohne vom drohenden „atomaren Holocaust“ zu reden.

Auf vielen Autobahnraststätten drohen Zusammenstöße zwischen Neonazis und Gegendemonstranten, denn auch diese reisen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Dresden, um sich den Neonazis in den Weg zu stellen. Bereits im vergangenen Jahr gab es mehrere Angriffe, unter anderem auf einen Bus von Gewerkschaftern aus Hessen.

Behaupten die beteiligten Linken. Als ich selbst einmal einem ähnlichen Fall nachging und beim zuständigen Staatsschutz anfragte, antwortete mir ein leitender Beamter:

Ihre Recherchen hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes von Aussagen und der tatsächlichen Begebenheiten sind interessant, vor allen Dingen unter den Voraussetzungen, dass endlich … jemand erkennt, dass die „Linken“ auch Unwahrheiten verbreiten. (…) Das Schlimme daran ist nur, dass Leute, die mit diesen Begebenheiten nichts zu tun haben, auf diesen Zug aufspringen und dann teilweise, wie zu DDR-Zeiten eine Stellungnahme(!!) von der Polizei erwarten, wie schlimm sich die „Nazis“ verhalten haben..“

Ob die Redaktion von tagesschau.de wohl auch eine solche Stellungnahme eingeholt hat, bevor sie die Behauptungen von „Kämpfern gegen Rechts“ als „Wahrheiten“ wiederkäute?

(…) Zudem stößt es besonders auf Kritik, dass sich die Neonazis an einem Bahnhof sammeln sollen, von dem die Nationalsozialisten Dresdner Juden in die Vernichtungslager abtransportiert hatten. Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei zeigten sich empört. Das Auschwitz-Komitee kritisierte, Dresden sei zu einem Symbol fehlgeschlagener „Gedenk-Kultur“ geworden.

(Bei „Bomber-Harris, do it again!“ hat die Sorge um die „Gedenk-Kultur“ wohl nicht so gebrannt.) Das Argument, wonach Neonazis sich nicht am Bahnhof von Dresden sammeln dürften, läuft seiner Logik nach auf die Forderung hinaus, sie von der Benutzung der Eisenbahn überhaupt auszuschließen.

Ja, so etwas gab schon einmal. Aber wir haben ja gottlob „aus der Geschichte gelernt“.

„Überfall auf Polen“

Heute ist der siebzigste Jahrestag des Angriffs auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann. Seit heute früh kommt keine Nachrichtensendung mehr ohne die Worthülse „Überfall auf Polen“ aus, und ich habe es mit erspart nachzugugeln, ob die Zeitungen sie ebenfalls benutzen; ich wette: ja.

Eine Worthülse ist das deshalb, weil man unter einem Überfall einen überraschenden Angriff aus heiterem Himmel versteht, mit dem nicht gerechnet werden kann. Das Wort „Überfall“ passt gut auf den Angriff von 1941 auf die Sowjetunion; dem Angriff auf Polen vor genau siebzig Jahren aber gingen eine monatelange diplomatische Krise, Propagandaoffensiven beider Seiten, Dutzende von Grenzzwischenfällen und ethnischen Scharmützeln, nicht zuletzt der deutsch-sowjetische Nichtangriffs-(und Teilungs-)pakt voraus. Was am 1. September 1939 begann, war wohl ein Angriff, aber eben kein Überfall.

Es geht hier nicht um kleinkarierte Wortkauberei, wie jetzt vielleicht mach einer denkt:

Wenn ein so auffallend unpassendes Wort wie das vom „Überfall auf Polen“ nicht nur irgendwann und von irgendwem versehentlich eingeflochten wird, sondern offenkundig Teil einer Sprachregelung ist, die ungeachtet ihrer Dummheit von niemandem in Frage gestellt wird, dann ist dies bezeichnend für den Geisteszustand, in dem die meinungsbildenden Eliten ihre für uns Alle bestimmten Texte verfassen: Die Angst vor der abweichenden Meinung, ja die Angst sogar vor einer – womöglich bloß versehentlich – abweichenden Formulierung, verdrängt jede andere journalistische Erwägung, sogar die Angst vor dem Verdacht der Inkompetenz und der daraus resultierenden Blamage.

In einer solch gestanzten Floskelsprache teilt man nicht die Ergebnisse von Überlegungen, sondern eingepaukte Glaubensartikel mit. An ihr ist abzulesen, dass der Diskurs der deutschen Öffentlichkeit über alles, was mit Hitler zusammenhängt, überhaupt nichts mit dem Selbstbild der Nation zu tun hat, die von sich so gerne behauptet, „aus der Geschichte gelernt“ zu haben. Ein Volk, das in stalinistischer Manier Fragen von Wahr und Unwahr mit denen von Gut und Böse vermengt und sich an ein bis in die Formulierungen hinein vorgegebes Geschichtsbild klammert, zeigt, dass es selbst nach zwei totalitären Diktaturen mit dem Begriff des Totalitären noch nichts anzufangen weiß.

Es muss als wahrscheinlich gelten, dass ein solches Volk auch noch einem dritten Totalitarismus anheimfällt.