Ich fürchte die Danaer…

Nachdem der Focus uns vor zwei Wochen den Freiherrn zu Guttenberg als kanzlerwürdig nahebringen wollte (zumindest soweit man dies am Titelblatt ablesen kann), legt er nun nach und gibt eine Umfrage in Auftrag, laut deren das Potenzial für eine bürgerlich-konservative Partei rechts von der Union bei rund  20 Prozent liegt, wobei junge Wähler für eine solche Partei aufgeschlossener sind als ältere.

Der Springer-Konzern springt auf den Zug auf und empfiehlt Friedrich Merz, Roland Koch und Joachim Gauck als denkbare Protagonisten einer solchen Partei.

Da André Lichtschlag mir das Wort aus dem Mund genommen hat, zitiere ich seine Einschätzung:

Entweder weiß die „Bild am Sonntag“, die für beste Kontakte zu Friedrich Merz bekannt ist, bereits mehr. Oder man möchte die Entwicklung jetzt selbst anstoßen. Denn wie reagieren Etablierte, die feststellen müssen, dass Millionen Bürgerliche im Land sich geschworen haben, nie mehr CDU oder FDP zu wählen? Läge es da nicht nahe, aus sich selbst heraus eine neue Partei aufzustellen, über die man Kontrolle hat, bevor es andere unkontrolliert „von unten“ tun?

Ausgerechnet der Springer-Verlag, der bislang jeden Versuch der Kurskorrektur innerhalb der CDU oder Gesellschaft von Hohmann bis Herman mit – hier ist das Wort tatsächlich einmal angemessen: menschenverachtenden – Kampagnen zerstörte, diese mächtige und bestens mit der Politischen Klasse vernetzte Propagandaanstalt privaten Rechts ruft jetzt nach einer neuen Kraft? Man wird genau hinsehen müssen, wer und was uns da als „bürgerliche Alternative“ verkauft werden wird. Viele genannte Namen sind gerade nicht dafür bekannt, den Weg zum Euro und in die EUdSSR, den Gender- oder Gleichheitswahn, den Schuld- oder Schwulenkult, die Klima- oder Vogelgrippehysterie je wirklich kritisiert zu haben. Merz und Clement sind etwas weniger weichgespült als Merkel und Westerwelle. Aber haben sie die Gründe für die Wirtschaftskrise irgendwann bekämpft oder auch nur verstanden?

Sich an die Spitze der Bewegung setzen, bevor sie der Kontrolle der sogenannten Eliten entgleitet: Das ist just das, was man Unionspolitikern zutrauen muss.

Springer-Blatt relativiert Massaker an Christen

Gerade erst haben wir das Thema gehabt, wie die Agitpropschreiber der deutschen Presse jedem Thema den gewünschten linken Drall geben (indem sie nämlich in Überschrift und Einleitung eine Lesart vorgeben, die von unkritischen Lesern geschluckt wird), da kommt schon das nächste Stück Desinformation. Aus Welt-online:

Religiöse Gewalt

500 Tote – Brutales Massaker erschüttert Nigeria

Von Eva Krafczyk

Die Täter kamen in der Nacht, mit Gewehren und Macheten. Mehr als 500 Menschen haben nach Behördenangaben die blutigen Unruhen am Wochenende in Nigeria nicht überlebt. Die Täter brauchen in dem afrikanischen Land keine Strafe fürchten. Mit jeder neuen Gewalttat wächst der Hass zwischen Muslimen und Christen.

Erst in der Mitte des Artikels, verschämt in einem einzigen leicht zu überlesenden Wort „muslimisch“ versteckt, gibt die Schreiberin Krafczyk – man kann diese Namen gar nicht oft genug nennen, man sollte eigens für diese Leute einen Pranger ins Netz stellen! – zu, dass es sich um ein Massaker von Moslems an Christen handelte. Einleitung wie Tenor des Artikels legen dabei nahe, dass Moslems und Christen gleichermaßen schuld an dieser „Gewalt“ seien.

Über den Desinformationsgehalt des Wortes „Gewalt“ habe ich mich schon vor einem Jahr in meinem Artikel „Phrasenschweine oder: Die Sprache des Kindergartens“ ausgelassen (es ging damals um den Gaza-Feldzug):

Was so beiläufig daherkommt, dass man es kaum noch hört, enthält in jedem Falle die Botschaft: „Ich bin eine Selbstverständlichkeit.“ Und worin besteht die?

Von Journalisten erwartet man, dass sie das treffende Wort finden. Für das Geschehen im Gazastreifen also das Wort „Krieg“ [und für das in Nigeria das Wort „Bürgerkrieg“], nicht das unspezifische „Gewalt“, das auch für eine Ohrfeige oder ein Wirtshausprügelei stehen kann. Den meisten Europäern ist aber noch erinnerlich, dass Krieg [erst recht Bürgerkrieg] irgendetwas mit Politik zu tun hat, und dass meistens zwei Parteien gegeneinander kämpfen. Das Wort „Krieg“ würde also sofort fünf Fragen provozieren:

Wer kämpft

gegen wen

aus welchem Grund

mit welchem Ziel

und mit welchem (vorläufigen) Ergebnis?

Also fünf politische Fragen, die man auch politisch beantworten müsste.

Die sich aber erübrigen, sobald nur von „Gewalt“ die Rede ist. „Gewalt“ ist das Sinnlose und obendrein Böse, und deswegen geht es bei ihr nur darum, ob irgendein „Ende in Sicht“ ist. Das ist die Ideologie „Krieg ist keine Lösung“, versteckt in einem einzigen Wort und mit diesem in die Köpfe der Hörer, Leser und Zuschauer geschmuggelt, die gar nicht erst die Chance bekommen (sollen), irgendetwas zu hinterfragen.“

Insbesondere sollen sie nicht nach dem Hintergrund fragen, der in Nigeria in der massiven Islamisierungspolitik besteht: In den nördlichen Bundesstaaten ist bereits die Scharia eingeführt worden, die Nichtmuslimen den Status von Menschen zweiter Klasse aufzwingt. Würde dies thematisiert, könnte ja irgendeiner fragen, ob solche Massaker womöglich etwas mit dem Islam zu tun haben.

Deswegen darf die „Gewalt“ auch nicht etwa islamisch oder wenigstens muslimisch sein, sie ist „religiös“. Die Religion schlechthin ist also Ursache des Konflikts,  nicht etwa der Islam und die Scharia. Was unter anderem bedeutet, dass die brutal abgeschlachteten Christen zu quasi Mittätern gestempelt werden.

Dieses Phänomen, dass Opfer zu Tätern erklärt werden, tritt typischerweise in zwei Varianten auf:

in der neonazistischen Publizistik immer dann, wenn Juden die Opfer sind,

in der Mainstream-Presse immer dann, wenn Muslime die Täter sind: Vom U-Bahn-Schläger in München bis zum Selbstmordbomber in Gaza gibt es keinen muslimischen Gewaltverbrecher, dem die deutsche Journaille nicht bescheinigen würde, von seinen Opfern, und wären es Frauen, Kinder und Greise, „provoziert“ oder in eine „Spirale der Gewalt“ verstrickt worden und daher auch irgendwie „Opfer“ zu sein.

Zum Prozess gegen Radovan Karadzic

„Karadzic geriert sich als Opfer und Friedensengel“ (Welt online)

„Radovan Karadzic: Der Massenmörder von Bosnien bereut nichts“ (bild.de)

Nachdem wir in den neunziger Jahren die Selbstgleichschaltung der deutschen Medien erleben mussten, von denen keines einen Zweifel daran gelassen hat, dass die Serben an allem Unglück auf dem Balkan schuld sind (allein ein Peter Handke durfte mit seinen „andersgelben Nudelnestern“ den serbophilen Pausenclown machen), brauchen wir uns nicht zu wundern, dass damit auch der Tenor der Berichterstattung über den Karadzic-Prozess gesetzt ist.

Während aber etwa der „Focus“ sich um kritische Distanz wenigstens bemüht, hat der Springer-Konzern offenbar eine Meute von besonders hasserfüllten Propagandaschreibern – pardon: ich meinte natürlich: vom besonders engagierten Journalisten – auf den Fall angesetzt. Nun ja – er hat ja auch einen Ruf zu verlieren.

Wer schon auf die Unschuldsvermutung  pfeift, dem ist naturgemäß auch sonst jedes Mittel recht, den Leser zu verhetzen. Welt online:

Munira hofft noch immer, 15 Jahre nach Srebrenica, die Knochen ihres Sohnes zu finden. Er war damals 18. „Karadzic bleibt ein Lügner“, sagt sie. „Und er ist stolz darauf. Er hat mich heute genauso gedemütigt wie vor 15 Jahren.“

Was hat sie denn erwartet? Dass er auf die Knie fällt?

Ich wünschte, die Leser würden sich endlich diese Form von Journalismus verbitten, die die Gefühle der Opfer zum Maßstab für die Gerechtigkeit eines Prozesses macht (vgl. auch meinen Artikel über den Scheungraber-Prozess). Opfer zu sein ist Schicksal, nicht Verdienst. Es macht aus niemandem einen besseren Menschen, schon gar nicht einen weiseren oder gerechteren, dessen Meinung deshalb gesteigerten Informationswert hätte.

Dass der ehemalige Führer der bosnischen Serben irgendwann doch noch die Wahrheit über seine mutmaßlichen Verbrechen sagen werde, glaubt die 62-Jährige nicht mehr.

Was für eine Frechheit von Karadzic, dass er sich verteidigt, statt sich diskussionslos für den Rest seines Lebens einlochen zu lassen!

Wer so schreibt, informiert seine Leser nicht, sondern stachelt ihre Gefühle auf: Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens wird dann geradezu zum Argument gegen seine Legitimität. Diese Gleichsetzung von Rachedurst mit Gerechtigkeit ist ein Atavismus; sie zu propagieren ein Verbrechen.