Christian Lübke und Joachim Heinemann

Ein bisschen muss man bedauern, dass Christian Wulff so früh von uns gegangen ist – ich meine natürlich: als Präsident. In gewisser Hinsicht war Wulff der ideale Repräsentant der BRD, die durch ihn auf eine für sie peinliche, für den Bürger aber erhellende Weise zur Kenntlichkeit entstellt wurde.

Niemand verkörperte so wie Wulff die politische Klasse und die sie kennzeichnende geistige Mediokrität, die Jagd nach lächerlichsten pesönlichen Vorteilen, während das Land vor die Hunde geht, das karrieregeile Schnappen nach Posten, zu denen man nicht berufen, ja für die man nicht einmal halbwegs geeignet ist.

Die Verantwortungslosigkeit, mit der dreistellige Milliardensummen nach Griechenland oder sonstwohin transferiert werden, die Ahnungslosigkeit, mit der man Deutschland in eine Mischung aus Libanon und Kongo verwandelt und dies noch für einen Akt von Moral und Intelligenz hält, weil man weder einen moralischen noch einen intellektuellen Kompass hat, das hündische Schwanzwedeln, mit dem man sich vom Ausland und von Ausländern dafür loben lässt, dass man das deutsche Volk ruiniert – als ob solches Lob nicht die vernichtendste Kritik wäre, die überhaupt denkbar ist -, die Selbstgefälligkeit, mit der man sich schon durch seine vermeintlich guten Absichten exkulpiert glaubt, die in Wahrheit gar keine sind, weil es sich um Absichten und Pläne handelt, für die die Verantwortlichen in jedem bekannten Staatswesen der Geschichte ohne Weiteres als Verräter aufgehängt worden wären – das alles ist von Wulff so unnachahmlich personifiziert worden, dass man ihn geradezu hätte erfinden müssen, wenn Angela Merkel uns diese Mühe nicht abgenommen hätte.

Selbst sein Gesichtsausdruck war in seiner niederschmetternden Harmlosigkeit noch repräsentativ für eine politische Klasse, deren einzelne Mitglieder gerade in ihren Lastern und Schwächen so alltäglich wie möglich sind: ein Pöstchenschieben hier, eine kleine Gaunerei dort, und stets die eigene Karriere fest im Blick. Die Harmlosigkeit jedes Einzelnen entspricht der Harmlosigkeit von Kindern, die ihren nassen Hund in bester Absicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken. Die kollektive diabolische Bösartigkeit dieser Klasse wäre gar nicht möglich, wenn alle Beteiligten sich darüber im Klaren wären, was sie anrichten – so viele Großschurken auf einem Haufen kann es ja gar nicht geben.  Die Banalität des Bösen hat in der Visage von Christian Wulff ihr Gesicht gefunden.

Joachim Gauck ist der Anti-Wulff, allein schon deshalb, weil seine persönliche Integrität und Charakterstärke über jeden Zweifel erhaben sind. Was immer man sonst von ihm halten mag: Ein Konformist, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängt, ist er jedenfalls nicht. Es spricht Bände, dass die politische Klasse nicht in der Lage war, eine solche Persönlichkeit aus ihren eigenen Reihen zu rekrutieren. Sie geht ein gewisses Risiko ein, indem sie nun auf einen Außenseiter zurückgreift: Gewiss, ein solcher Mann im höchsten Staatsamt kann dem Regime einen Glanz verleihen, den es nicht verdient. Je nachdem, wie er sein Amt ausfüllt, kann er aber auch als Kontrast wirken, der die Schwächen der Machthaber noch greller und peinlicher ins Licht hebt, als Wulff, der sie personifizierte, es gekonnt hätte.

Christian Wulff war auf dem besten Wege, für die rechtsoppositionelle Szene ungefähr das zu werden, was Heinrich Lübke für die Achtundsechziger war: der Mann, an dessen Person die herrschende Politik zum Gespött und zum Gegenstand der Verachtung wurde. Ohne dass ich Vorschusslorbeeren verteilen möchte: Wenn Wulff unser Lübke war, dann könnte es sein, dass Gauck unser Heinemann wird.

Selbstverständlich ist Joachim Gauck kein „Rechter“, so wenig, wie der tiefbürgerliche Protestant Heinemann ein „Linker“ war. Richtet man aber den Blick auf seine Gegner und auf die Gründe für ihre Gegnerschaft, dann muss man seiner Präsidentschaft, wenn schon nicht mit Erwartungen, so doch zumindest mit Wohlwollen entgegensehen. Aus der Netzausgabe der JF:

Muslime und Linke kritisieren Nominierung Gaucks

BERLIN. Muslimische Verbände in Deutschland haben mit Zurückhaltung auf die Nominierung Joachim Gaucks für das Amt des Bundespräsidenten reagiert. Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte dem Tagesspiegel, er hoffe, (…) daß Gauck als Bundespräsident seine Position zu Thilo Sarrazin verändere. (…) Gauck hatte Sarrazin Ende 2010 für dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“ gelobt und dem früheren Bundesbankvorstand Mut attestiert. Sarrazin habe über ein bestehendes gesellschaftliches Problem offener gesprochen als die Politik.(…) Kritik kam auch von der Linkspartei: Parteichefin Gesine Lötzsch nannte Gauck einen „Kandidat der kalten Herzen“.

Die Haltung zu Sarrazin ist so etwas wie der Lackmustest für die Haltung zu Deutschland und zur Meinungsfreiheit geworden. Die politische Klasse hatte bekanntlich für die These, dass Deutschland sich abschafft, nicht mehr übrig als erstens ein „Na und?“ und zweitens eine Lawine von Verleumdungen gegenüber Sarrazin und jedem, der ihm zustimmte. Sie dokumentierte damit ihren festen Willen, erstens Deutschland abzuschaffen und zweitens Kritiker dieser Abschaffung mundtot zu machen.

Es wird abzuwarten sein, ob Gauck seine Standhaftigkeit ins Schloss Bellevue mitnimmt. Wenn ja, könnte es sein, dass der Kalte Bürgerkrieg, den die politische Klasse gegen die politische Rechte als die Interessenvertretung des eigenen Volkes, der eigenen Kultur und nicht zuletzt des freien Wortes führt, von höchster Stelle leise, aber wirkungsvoll sabotiert wird. Es ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als eine Hoffnung: Es könnte sein, dass einer Claudia Roth das glückliche Lachen, mit dem sie Gaucks Nominierung quittiert hat, noch im Gesicht gefrieren wird.

Integrationskraftzersetzung

„Der rührende Versuch von Bade und Kollegen, unangenehme Nachrichten von der Integrationsfront zu relativieren, erinnert an die Kriegsberichterstattung im Dritten Reich: Wer BBC hörte, um die Wahrheit über den Frontverlauf zu erfahren, war kein Wahrheitssucher, er machte sich der „Wehrkraftzersetzung“ schuldig. Necla Kelek, Thilo Sarrazin und andere sind in diesem Sinne der „Integrationskraftzersetzung“ anzuklagen. Diese ist, hier zitiere ich Angela Merkel, „nicht hilfreich“. Aber wollen sich, um im Bilde zu bleiben, Klaus Bade und Kollegen wirklich in die Rolle des „Reichsfunks“ begeben, der in kühnen Bildern Probleme kleinredete und die baldige Wende des Kriegsglücks beschwor? Im Übrigen: Auf der kritischen Seite zu irren, ist allemal gesellschaftlich gesünder, als vorhandene Probleme schönfärberisch kleinzureden.“

Thilo Sarrazin

Die SPD und der Fall Sarrazin: eine Art Schadenabwicklung

Nachdem ich bereits für die Druckausgabe der „Sezession“ geschrieben habe, habe ich heute meinen Einstand als Autor im Blog sezession.de gegeben. Unter dem oben genannten Titel analysiere ich den Kuhhandel zwischen Sarrazin und seiner Partei und frage nach den politischen Konsequenzen. Hier klicken.

Zahlenspiele: In 20 oder 25 Jahren …

Gansguoter schreibt in „Zettels Raum“:

In seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ äußert sich Thilo Sarrazin u. a. über die Bevölkerungszusammensetzung in Deutschland und stellt Modellrechnungen auf über den Anteil von Einwohnern mit und ohne Migrationshintergrund. Gerade diese Teile seines Werkes sind von den Kritikern angegriffen worden. – Dieser Tage gab es in den Nachrichten etwas versteckt einige Zahlen, die zu einigen Zahlenspielen einladen.Ende März berichtete das Statistische Landesamt NRW [keine Veröffentlichung beim Landesamt selbst zu finden], dass im Jahr 2010 für rund 25 % der Kindergartenkinder „Deutsch nicht die Alltagssprache“ sei 2008: 21 %. Dieser Anteil ist – wenig überraschend – regional unterschiedlich und schwankt zwischen 8,2 % im Kreis Coesfeld und 39,3 % in Duisburg ähnlich: Gelsenkirchen 37,9 %, Wuppertal 34,6 %. Darüber hinaus haben insgesamt 34,3 % der Kindergartenkinder in NRW mindestens in nicht in Deutschland geborenes Elternteil Duisburg: über 50 %.Gestern 20.4. berichtete die FAZ S. 4 aus Baden-Württemberg, dass derzeit 35 % der Grundschulkinder und 41 % der Vorschulkinder in Baden-Württemberg einen wie definierten? Migrationshintergrund haben. Dieser Anteil werde in den nächsten zehn Jahren an den Grundschulen auf 50 bis 70 % steigen.

[Für Schlussfolgerungen weiterlesen hier: Zettels Raum: Zahlenspiele: In 20 oder 25 Jahren ….]

Deutschland schafft sich ab. Broder: „Na und?“

Aus der heutigen Feuilleton-Presseschau von Spiegel.de:

Drei Seiten sind dem radikalen Islamismus gewidmet. Henryk M. Broder und Hamed Abdel-Samed begutachten im Interview die deutsche Angst. Sagt Abdel-Samed: „Die deutsche Angst ist eine Angst vor Veränderung.  Hier ist so lange nichts passiert, dass die Menschen die statische Gesellschaft für das Maß aller Dinge halten. Broder: Da geh ich mit. Das ist auch meine einzige Kritik an Thilo Sarrazin, dass er auf dieser Panikwelle mitschwimmt. Deutschland schafft sich ab. Na und? Gesellschaften schaffen sich öfter mal ab und nicht zwangsläufig zu ihrem Nachteil.

(Quelle: Heute in den Feuilletons – SPIEGEL ONLINE )

Ach so? Nun, Herr Broder, wenn das so ist, dann kann ich mit der perfekten Lösung für den Nahostkonflikt aufwarten, nämlich der Ein-Staat-Lösung: Israel annektiert den Gazastreifen und das Westjordanland und gewährt all dessen Bewohnern das volle israelische Bürgerrecht, selbstverständlich einschließlich des Wahlrechts und des Rechts auf freie Niederlassung im gesamten Staatsgebiet. Wetten, dass die Palästinenser begeistert wären?

Damit würde Israel sich zwar abschaffen, jedenfalls als jüdischer Staat.

Na und? Gesellschaften schaffen sich öfter mal ab. Nicht wahr?

Uli Hoeneß kommentiert

Endlich wissen wir, was Uli Hoeneß über Thilo Sarrazin denkt. Nämlich dies:

Ich halte es für ein Unding, dass ein Vorstand der Bundesbank so ein Buch schreibt und damit Geld verdient. Ich unterstelle ihm nämlich, dass es ihm gar nicht darum ging, die Welt zu verbessern, nein, er wollte damit Geld verdienen.

– während Sportskamerad Hoeneß dem schnöden Mammon ja zeitlebens abhold war: Frisch, fromm, fröhlich, frei und Dabeisein ist alles. Was haben wir ihn verkannt, den Uli!

Claudia Roths Zivilcourage

Claudia Roths Zivilcourage

Nachdem Thilo Sarrazin gefordert hat, das Kopftuch an Schulen zu verbieten, hat Claudia Fatima Roth gefordert, ihn aus dem Vorstand der Bundesbank zu entlassen, und zwar wegen seiner „Unfähigkeit, Minderheiten mit Respekt gegenüber zu treten”.

Womit sie nicht nur ihre eigene Unfähigkeit dokumentiert hat, Mehrheiten mit Respekt gegenüberzutreten, sondern auch zu verstehen gegeben hat, dass Freiheit ihrer Auffassung nach eines gewiss nicht ist: die der Andersdenkenden.

Wie jämmerlich und schäbig sich diese Person verhält, erschließt sich so richtig aber erst, wenn man bedenkt, dass sie aus demselben Grund auch den Rücktritt Alice Schwarzers als Herausgeberin von „Emma“ hätte fordern können. Dies aber wäre – unter Linken – mutig gewesen – wer wird als Grünen-Politikerin schon gerne von „Emma“ aufs Korn genommen? Mut aber – oder gründeutsch: Zivilcourage – ist das Letzte, was man Fatima nachsagen dürfte.

Offener Brief von Hans-Olaf Henkel an Thilo Sarrazin

„Die Art der an Ihnen geübten Kritik aus dem politisch korrekten Milieu aus Politik und Medien stellt ein Armutszeugnis für den Zustand der Meinungsfreiheit in unserem Land dar. Ich kenne keine Demokratie,in der das Aussprechen gewisser Wahrheiten solche Konsequenzen hat. Das Verhalten des von mir bisher sehr geschätzten Präsidenten der Bundesbank gehört für mich nicht nur zu den peinlichsten Beispielen opportunistischen Verhaltens eines Spitzenbeamten gegenüber der Politik, es ist auch ein schlechtes Omen für die künftige Unabhängigkeit dieser Institution.“

Hans-Olaf Henkel in einem Offenen Brief an Thilo Sarrazin