"Unterhaus"

Man wird kaum mehr rekonstruieren können, wer als Erster auf die Schnapsidee gekommen ist, das in der britischen Politik nahezu allmächtige House of Commons „Unterhaus“, das praktisch ohnmächtige House of Lords „Oberhaus“ zu nennen und damit die Machtverhältnisse buchstäblich auf den Kopf zu stellen.

Selbst wenn diese Namen aus einer Zeit stammen sollten, als die Macht im Königreich noch anders verteilt war, waren sie doch von Anfang an Fehlübersetzungen. Zwischen beiden Häusern bestand ja niemals ein Verhältnis der Über- und Unterordnung, allenfalls zwischen den von ihnen repräsentierten Ständen.

Das House of Commons vertritt die „Gemeinen“, die einfachen Bürger, die Allgemeinheit, oder schlicht das Volk. Das House of Lords ist buchstäblich das Haus der Herren, also der traditionellen Führungsschicht des Landes.

Es wäre daher von Anfang an treffender gewesen, vom „Volkshaus“ und dem „Herrenhaus“ zu sprechen, zumal beide Begriffe dem deutschen Staatsrecht geläufig sind: Der eine bezeichnete in der Paulskirchenverfassung von 1848 die Volksvertretung, der andere in der preußischen Verfassung von 1851 eine Institution, die ziemlich genau dem britischen House of Lords entsprach.

Ich glaube, es würde unseren Journalisten wohl anstehen, das inzwischen völlig anachronistische Wort „Unterhaus“ aus ihrem Vokabular zu streichen; und sei es nur, um zu demonstrieren, dass sie wenigstens hin und wieder vor dem Schreiben denken.