Lerne vom Genossen Lenin, Sahra!

Die Kartellpresse schäumte, als Sahra Wagenknecht 2016 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Doppelinterview mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry gab und es dabei versäumte, Petry in jedem nur erdenklichen Punkt zu widersprechen.

Es wäre auch schwer möglich gewesen: Realitäten wie etwa die, dass supranationale Organisationen wie die EU von unten nicht kontrollierbar sind, Abkommen wie TTIP die demokratische Selbstbestimmung untergraben und Masseneinwanderung von einer bestimmten Größenordnung an jedes Staatswesen ruinieren muss, kann man nicht mit ideologischen Phrasen aus der Welt schaffen.

Insofern gab es in der Tat eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen Petry und Wagenknecht, nämlich dass beide sich darüber im Klaren waren, dass politische Programme etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben müssen, und genau diese Ansicht (obgleich eine Selbstverständlichkeit) stempelte jeden, der sie vertrat, zum ideologischen Abweichler in Merkels Wir-schaffen-das-Republik, in der die blinde Bejahung kindischer Illusionen als staatstragende Tugend propagiert wurde.

[Dies ist die aktualisierte Fassung eines Artikels, der erstmals in der Compact 12/2016 erschien. Angesichts der Ausladung Sahra Wagenknechts von einer Kundgebung ihrer eigenen Partei (siehe diesen offenen Brief von Jürgen Elsässer) ist er aktueller denn je.]

Erwartungsgemäß hat sich daran unter dem neuen Bundeskanzler Scholz nicht nur nichts geändert. Vielmehr wird all das, was die BRD unter Merkel zur Katastrophenrepublik machte, unter Scholz in atemberaubender Weise auf die Spitze getrieben.

Die öffentliche Verbreitung dieser Illusionen hat allein den Zweck, die neoliberale Politik des Establishments gegen Kritik abzuschirmen. Dazu drischt man gern auch linke Phrasen. Wir sollen glauben, der Nationalstaat werde nicht etwa zu Gunsten winziger Interessengruppen entmachtet, damit diese hinter den verschlossenen Türen der EU, des IWF, der WTO etc. ungestört ihren lichtscheuen Machenschaften nachgehen können, sondern weil es „nationalistisch“ wäre, ihnen gegenüber das Recht auf demokratische Selbstbestimmung einzufordern. Die diversen Euro- und Bankenrettungen, auch auf Kosten ganzer Volkswirtschaften, dienen nicht etwa der Bereicherung einer Handvoll Kapitaleigner von Großbanken, sondern dem „Frieden in Europa“. Die Überflutung Europas mit Einwanderern dient nicht etwa dazu, das neoliberale Programm umzusetzen, zu dem – und zwar zentral – die uneingeschränkte Mobilität aller Produktionsfaktoren einschließlich des Faktors „Arbeitskraft“ gehört, um die Löhne zu drücken und den Sozialstaat bis zu dessen Zusammenbruch zu überlasten; sondern dazu, „Schutzsuchenden zu helfen“ – deren Schutzbedürftigkeit, sofern im Einzelfall vorhanden, von Angriffskriegen derselben Politiker herbeigeführt wurde, die sich nun zu Anwälten der „Schutzsuchenden“ aufschwingen. Ein Schuft, wer da einen Zusammenhang sieht.

Die politische Linke sieht ihn nicht oder hält ihn für zweitrangig. Ich glaube nicht, dass es jemals zuvor eine Generation von „Linken“ gegeben hat, um deren Kritik- und Analysefähigkeit es so schlecht bestellt war wie um die der heutigen, die sich von der herrschenden Klasse am Nasenring sentimentaler Phrasen durch die Manege führen lässt, die mit der forcierten Masseneinwanderung das wichtigste Einzelprojekt des neoliberalen Programms bejubelt und das Lob und die Unterstützung durch das gesamte Establishment – von deutschen Arbeitgeberverbänden bis hin zum Weißen Haus – wie eine Selbstverständlichkeit entgegennimmt, ohne darüber nachzugrübeln, wie man als „Kapitalismuskritiker“, „Antiimperialist“ oder gar „Revolutionär“ eigentlich zu so komischen Freunden kommt. In einer solchen politischen Umgebung muss eine Sahra Wagenknecht ihren Genossen schon deshalb peinlich sein, weil sie deren Unbedarftheit und geistige Korruption durch ihr bloßes Format unfreiwillig, aber gnadenlos offenlegt.

Damit soll selbstverständlich nicht behauptet werden, die Mitläufer des Mainstreamkonservatismus, politisch repräsentiert durch die Unionsparteien, seien irgendwie klüger. Die Phrasen, mit denen man sie einfängt, sind andere, aber sie sind nicht weniger plump. Die „Querfront“ von Links und Rechts, vor der die denunziationsfreudigen Schreibkreaturen des Establishments nicht genug warnen können – es gibt sie schon längst, nämlich innerhalb dieses Establishments selbst. In der politischen Klasse sind in der Tat alle klassischen politischen Richtungen vertreten, aber in einer seltsam kastrierten Form: Alles, was an sozialistischer, an liberaler, an konservativer Ideologie irgendwie fruchtbar war, wurde abgeschnitten und nur das Fragwürdigste übriggelassen – der linke Hang zu destruktivem Revoluzzertum um seiner selbst willen, die liberale Vergötzung des Marktes, die Unterwürfigkeit Konservativer gegenüber etablierter Macht. Alles andere und vor allem das Wertvolle, nämlich der Emanzipationswille der Linken, der Freiheitsdrang der Liberalen, der Bewahrungswille der Konservativen wird mitsamt seinen Trägern aus dem politisch-medialen Komplex hinausgedrängt, damit das dort verbleibende Kartell serviler Palasteunuchen ungestört seinen Auftrag erfüllen kann.

Dieser Auftrag, darüber lässt man uns keineswegs im Unklaren, man kleidet es nur in gefälligere Worte, besteht darin, alle Hindernisse zu beseitigen, die einem ungehemmten Globalkapitalismus, letztlich also der uneingeschränkten Herrschaft einer winzigen Oligarchie im Weltmaßstab, entgegenstehen. Zu diesen Hindernissen gehören alle solidaritätsstiftenden Strukturen, insbesondere sofern sie stark genug zu politischem Widerstand sind, in erster Linie also der Nationalstaat. Dessen Auflösung – von oben durch Kompetenzentzug zugunsten supranationaler Organisationen, von unten durch Untergrabung der ethnischen und kulturellen Basis – gehört mithin zentral zum neoliberalen Programm, und Linke, die dies nicht sehen, sind die besten Pferde im Stall ihrer vermeintlichen Gegner.

Der Scheinpluralismus innerhalb der politischen Klasse dient ausschließlich dazu, mit einer auf die jeweilige Zielgruppe ausgerichteten Phraseologie Akzeptanz für diese Politik zu schaffen, eine grundsätzliche Opposition dagegen aus dem politischen Betrieb herauszuhalten. Diese politische Klasse hat sich also so positioniert, dass sie zu etwas anderem als dem organisierten Betrug an Wählern aller Richtungen grundsätzlich unfähig ist. Ein Machtkartell, dessen Ideologie ihm geradezu verbietet, die Interessen der eigenen Nation wahrzunehmen, kann gar nicht anders, als das eigene Land zu zerstören, um der globalen Oligarchie seine Überreste als Verfügungsmasse zu apportieren.

Die Perversion jeder politischen Ideologie und die Ausgrenzung ihrer genuinen Anhänger führt ganz von selbst dazu, dass diese echten Sozialisten, Liberalen und Konservativen, an die politische Peripherie gedrängt, dort über kurz oder lang oppositionell werden. Sie führt ferner dazu, dass diese Opposition – spiegelbildlich zum Establishment – in sich das gesamte politische Spektrum enthält und sich damit, zumindest dem Potenzial nach, bereits in der Oppositionsphase als Keimform einer Gegenrepublik konstituieren kann – nicht, um das Grundgesetz auszutauschen, sondern um das regierende Kartell durch alternative politische Eliten zu ersetzen.
Eine solche Koalition in der Opposition bedeutet nicht die Suspendierung des politischen Streits. Sie bedeutet lediglich, sich darauf zu besinnen, dass Demokratie im Kern auf einem Burgfrieden zwischen Links und Rechts beruht, bei dem über die Hausordnung in der Burg gestritten wird, aber Konsens darüber besteht, dass die Burg stehenbleibt. Es schadet dabei nicht, dass Rechte und Linke unterschiedliche Akzente setzen: Um bei diesem Bild zu bleiben, werden Rechte um der Existenz der Burg willen notfalls eine linke Hausordnung, Linke um der Chance auf eine emanzipatorische Hausordnung willen die Existenz der Burg in Kauf nehmen.

Eine solche Entwicklung liegt in der Logik der Situation. Sie wird aber nicht zwangsläufig (und vor allem: nicht zwangsläufig rechtzeitig!) eintreten. Sie setzt voraus, dass jede der oppositionellen Fraktionen zwischen sich und der jeweils „eigenen“ Fraktion des Establishments das Tischtuch zerschneidet und die entscheidende Frontlinie nicht zwischen Rechts und Links, sondern zwischen Kartell und Opposition zieht.

Die rechte Opposition hat es längst getan. Wann endlich tut es die linke?

Die Ergebnisse von Sahra Wagenknechts Vorstößen stimmen leider wenig zuversichtlich: Ihre Partei wird ihr nicht folgen. Der Typus des degenerierten BRD-Linken, der repressive Strukturen lieber in der deutschen Grammatik als in der Politischen Ökonomie des globalen Kapitalismus sucht und lieber gefahrlos „gegen Rechts“ als gegen die herrschende Klasse kämpft, stellt auch in der Linkspartei die Mehrheit dar und sorgt dafür, dass die Partei – nicht ohne Murren, aber letztlich doch folgsam – den Kartellparteien hinterhertrottet.

Wenn Wagenknecht in unserem Land wirklich etwas ändern und der politischen Klasse auf deren Wahnsinnskurs in den Arm fallen will, dann sollte sich der politisch nicht mehr zu rechtfertigenden Bindung an diese Leute entledigen und sich, wie der Genosse Lenin, von allem trennen, was ihr nicht folgt. Auch von ihrer Partei.

 

Christian Lübke und Joachim Heinemann

Ein bisschen muss man bedauern, dass Christian Wulff so früh von uns gegangen ist – ich meine natürlich: als Präsident. In gewisser Hinsicht war Wulff der ideale Repräsentant der BRD, die durch ihn auf eine für sie peinliche, für den Bürger aber erhellende Weise zur Kenntlichkeit entstellt wurde.

Niemand verkörperte so wie Wulff die politische Klasse und die sie kennzeichnende geistige Mediokrität, die Jagd nach lächerlichsten pesönlichen Vorteilen, während das Land vor die Hunde geht, das karrieregeile Schnappen nach Posten, zu denen man nicht berufen, ja für die man nicht einmal halbwegs geeignet ist.

Die Verantwortungslosigkeit, mit der dreistellige Milliardensummen nach Griechenland oder sonstwohin transferiert werden, die Ahnungslosigkeit, mit der man Deutschland in eine Mischung aus Libanon und Kongo verwandelt und dies noch für einen Akt von Moral und Intelligenz hält, weil man weder einen moralischen noch einen intellektuellen Kompass hat, das hündische Schwanzwedeln, mit dem man sich vom Ausland und von Ausländern dafür loben lässt, dass man das deutsche Volk ruiniert – als ob solches Lob nicht die vernichtendste Kritik wäre, die überhaupt denkbar ist -, die Selbstgefälligkeit, mit der man sich schon durch seine vermeintlich guten Absichten exkulpiert glaubt, die in Wahrheit gar keine sind, weil es sich um Absichten und Pläne handelt, für die die Verantwortlichen in jedem bekannten Staatswesen der Geschichte ohne Weiteres als Verräter aufgehängt worden wären – das alles ist von Wulff so unnachahmlich personifiziert worden, dass man ihn geradezu hätte erfinden müssen, wenn Angela Merkel uns diese Mühe nicht abgenommen hätte.

Selbst sein Gesichtsausdruck war in seiner niederschmetternden Harmlosigkeit noch repräsentativ für eine politische Klasse, deren einzelne Mitglieder gerade in ihren Lastern und Schwächen so alltäglich wie möglich sind: ein Pöstchenschieben hier, eine kleine Gaunerei dort, und stets die eigene Karriere fest im Blick. Die Harmlosigkeit jedes Einzelnen entspricht der Harmlosigkeit von Kindern, die ihren nassen Hund in bester Absicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken. Die kollektive diabolische Bösartigkeit dieser Klasse wäre gar nicht möglich, wenn alle Beteiligten sich darüber im Klaren wären, was sie anrichten – so viele Großschurken auf einem Haufen kann es ja gar nicht geben.  Die Banalität des Bösen hat in der Visage von Christian Wulff ihr Gesicht gefunden.

Joachim Gauck ist der Anti-Wulff, allein schon deshalb, weil seine persönliche Integrität und Charakterstärke über jeden Zweifel erhaben sind. Was immer man sonst von ihm halten mag: Ein Konformist, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängt, ist er jedenfalls nicht. Es spricht Bände, dass die politische Klasse nicht in der Lage war, eine solche Persönlichkeit aus ihren eigenen Reihen zu rekrutieren. Sie geht ein gewisses Risiko ein, indem sie nun auf einen Außenseiter zurückgreift: Gewiss, ein solcher Mann im höchsten Staatsamt kann dem Regime einen Glanz verleihen, den es nicht verdient. Je nachdem, wie er sein Amt ausfüllt, kann er aber auch als Kontrast wirken, der die Schwächen der Machthaber noch greller und peinlicher ins Licht hebt, als Wulff, der sie personifizierte, es gekonnt hätte.

Christian Wulff war auf dem besten Wege, für die rechtsoppositionelle Szene ungefähr das zu werden, was Heinrich Lübke für die Achtundsechziger war: der Mann, an dessen Person die herrschende Politik zum Gespött und zum Gegenstand der Verachtung wurde. Ohne dass ich Vorschusslorbeeren verteilen möchte: Wenn Wulff unser Lübke war, dann könnte es sein, dass Gauck unser Heinemann wird.

Selbstverständlich ist Joachim Gauck kein „Rechter“, so wenig, wie der tiefbürgerliche Protestant Heinemann ein „Linker“ war. Richtet man aber den Blick auf seine Gegner und auf die Gründe für ihre Gegnerschaft, dann muss man seiner Präsidentschaft, wenn schon nicht mit Erwartungen, so doch zumindest mit Wohlwollen entgegensehen. Aus der Netzausgabe der JF:

Muslime und Linke kritisieren Nominierung Gaucks

BERLIN. Muslimische Verbände in Deutschland haben mit Zurückhaltung auf die Nominierung Joachim Gaucks für das Amt des Bundespräsidenten reagiert. Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, sagte dem Tagesspiegel, er hoffe, (…) daß Gauck als Bundespräsident seine Position zu Thilo Sarrazin verändere. (…) Gauck hatte Sarrazin Ende 2010 für dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“ gelobt und dem früheren Bundesbankvorstand Mut attestiert. Sarrazin habe über ein bestehendes gesellschaftliches Problem offener gesprochen als die Politik.(…) Kritik kam auch von der Linkspartei: Parteichefin Gesine Lötzsch nannte Gauck einen „Kandidat der kalten Herzen“.

Die Haltung zu Sarrazin ist so etwas wie der Lackmustest für die Haltung zu Deutschland und zur Meinungsfreiheit geworden. Die politische Klasse hatte bekanntlich für die These, dass Deutschland sich abschafft, nicht mehr übrig als erstens ein „Na und?“ und zweitens eine Lawine von Verleumdungen gegenüber Sarrazin und jedem, der ihm zustimmte. Sie dokumentierte damit ihren festen Willen, erstens Deutschland abzuschaffen und zweitens Kritiker dieser Abschaffung mundtot zu machen.

Es wird abzuwarten sein, ob Gauck seine Standhaftigkeit ins Schloss Bellevue mitnimmt. Wenn ja, könnte es sein, dass der Kalte Bürgerkrieg, den die politische Klasse gegen die politische Rechte als die Interessenvertretung des eigenen Volkes, der eigenen Kultur und nicht zuletzt des freien Wortes führt, von höchster Stelle leise, aber wirkungsvoll sabotiert wird. Es ist nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als eine Hoffnung: Es könnte sein, dass einer Claudia Roth das glückliche Lachen, mit dem sie Gaucks Nominierung quittiert hat, noch im Gesicht gefrieren wird.

Zur Bespitzelung der Linkspartei

Wir leben in einem Staat, dessen maßgebliche Repräsentanten die Existenz des deutschen Volkes in Abrede stellen und den Nationalstaat zum Auslaufmodell erklären – das heißt uns mit eigenem Munde bestätigen, dass sie ihren eigenen Amtseid für belangloses Geschwätz halten. Ein Amtseid, der unter solchen Voraussetzungen geleistet wird, ist aber ein Meineid. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich in einem solchen Staat, in dessen Regierung kein einziger Minister sitzt, dessen Amtseid kein Meineid gewesen wäre, bereits durch schiere Anständigkeit verdächtig macht, ein Staatsfeind zu sein.

Es kommt ja nicht häufig vor, dass ich etwas Positives über die Linkspartei zu sagen habe; ich möchte aber der Fairness halber darauf hinweisen, dass diese Partei sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen den Ausverkauf der Volkssouveränität an Brüssel stemmt; dass sie ihren tradierten Antiimperialismus ernst genug nimmt, gegen die NATO und deren Politik der gewaltsamen Ausdehnung des westlichen Systems auf nichtwestliche Länder zu opponieren; und dass sie auch die moralischen Phrasen, mit deren Hilfe die etablierte Linke sich und anderen ihren Schwenk hin zur Unterstützung des globalistischen Systems schönredet, als das ideologische Propagandagespinst geißelt, das sie in der Tat sind.

Es sollte niemanden wundern, dass eine solche Partei vom sogenannten Verfassungsschutz bespitzelt wird. Auch die Grünen wurden schließlich so lange als Parias behandelt, bis sie den Kotau vor der „westlichen Wertegemeinschaft“ vollzogen, ihren Teil zum Transfer nationalstaatlicher Souveränität – die nichts anderes ist als die Volkssouveränität, d.h. die Demokratie selber – auf „europäische“ und „westliche“ Institutionen beitrugen und dabei ganz nebenbei auch ihr pazifistisches Credo auf dem Altar der kapitalistischen Weltrevolution opferten. Die Linkspartei ist zwar nicht in jeder, aber doch in manch wichtiger Hinsicht deutlich weniger verfassungsfeindlich als die anderen etablierten Parteien; genau deshalb wird sie bespitzelt und per Verfassungsschutzbericht regierungsamtlich der Staatsfeindlichkeit verdächtigt. Die Linken könnten sich den Verfassungsschutz ganz leicht vom Hals schaffen, wenn sie ebenso wie die Grünen bereit wären, ihre politische Integrität für ein paar Ministersessel zu verkaufen.

Insofern sollte die Linkspartei sich über ihre Bespitzelung nicht zu sehr echauffieren. Im Gegenteil: An dem Tage, wo dieses Regime sie akzeptiert, sollte ihr klar sein, dass sie etwas verkehrt macht.

Selbstjustiz linker Banden

André F. Lichtschlag schreibt in eigentümlich frei:

Mitte April wurde es selbst der nicht als alarmistisch bekannten „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mulmig. Bereits auf ihrer Titelseite berichtete sie ausführlich über die Umtriebe der sogenannten „Antifa“. Die „Frankfurter Allgemeine“ erkennt eine immer häufiger zu beobachtende „Selbstjustiz“ linker Banden gegenüber politisch Andersdenkenden. Es gehe hier neben bewaffneten Attacken und zum Teil schwerer Körperverletzung um systematisch betriebene Bespitzelungs- und Rufmordkampagnen. Der Berliner Extremismus-Experte Bernd Wagner urteilt: „Im Kern eines solchen Verständnisses von Antifaschismus steckt schon die Staatssicherheit und auch der Gulag.“ Beides finde tatsächlich immer offener auf Deutschlands Straßen statt. „FAS“-Autorin Katharina Iskandar führt aus: „Nazi-Outings sind zum Volkssport in der linksextremistischen Szene geworden. Persönlichkeitsrechte sprechen sie ihren Opfern ab. Personen aus dem rechten Milieu hätten kein Recht auf Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit, lautet das Argument. Das gilt auch für Personen, die nur mutmaßlich der rechten Szene angehören. Straftaten, die aufgrund von Outings stattfinden, werden toleriert. Wenn nicht gar durch die Veröffentlichung von Wohnort, Autokennzeichen oder Arbeitsplatz forciert und in gewisser Weise auch gefordert. Die Outing-Aktionen haben System.“ Die offene Devise laute, den Andersdenkenden „das Leben zur Hölle machen“.

(…)

Die „Frankfurter Allgemeine“ befragte anschließend Bundestagsabgeordnete von Linkspartei und SPD zu ihren Rechercheergebnissen. Die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ulla Jelpke, unterstützte ganz offen die Methoden der Hobby-Stasi: „Es ist durchaus richtig, dass man auf diese Weise klarmacht, dass man es mit Nazis zu tun hat.“ Und auch der Bundestagsabgeordnete Sönke Rix, Vorsitzender der AG gegen Rechtsextremismus in der SPD, meinte, man dürfe „Faschisten und Antifaschisten nicht auf eine Stufe stellen“. Denn, so drückt es SPD-Rix im Duktus Josef Stalins aus: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Und wer Faschist ist, das definiert allein der „Antifaschist“ – fertig ist der neutotalitäre Zirkelschluss nach Pippi-Langstrumpf-Manier.

(hier klicken zum ganzen Artikel)

Zum Urteil gegen Bodo Ramelow

Nun darf Bodo Ramelow, Vorsitzender der Fraktion der Linkspartei im thüringischen Landtag, also doch vom Verfassungsschutz „beobachtet“ werden. Ein merkwürdiges Verfahren: Unter „Beobachtung“ versteht man nicht etwa ein Ausspionieren, sondern die Sammlung allgemein zugänglicher Informationen und ihre Bündelung zu Dossiers. Fast möchte man sich beglückwünschen, dass unser Land einen Inlandsgeheimdienst unterhält, der in solchen Fällen nicht mehr ist als ein Zeitungsausschnittdienst.

Dass die Sache in Wirklichkeit weitaus weniger harmlos ist, zeigen allein die erbitterten Prozesse (Ramelows Klage wurde jetzt in dritter Instanz abgewiesen), die um die „Beobachtung“ bzw. die Erwähnung von Parteien und Politikern im VS-Bericht geführt werden. Josef Schüßlburner hat es in einem brillanten Aufsatz in „eigentümlich frei“ so beschrieben:

Als eigentlicher Ersatz (Surrogat) des Parteiverbots ist vor allem die staatliche Propagandatätigkeit getreten, die als „Verfassungsschutzbericht“ bekannt ist und die etwa seit den 1970er Jahren von den zuständigen Polizeiministern auf Grundlage öffentlich gemachter geheimdienstlicher Erkenntnisse herausgegeben werden. (…)  Als … Ende der 1960er Jahre unter Verstoß gegen das KPD-Verbot des BVerfG die verbotene KPD als DKP wieder zugelassen wurde (man musste insbesondere den Staatsanwälten Weisungen geben, nicht wegen Fortführung einer verbotenen Partei Strafverfahren einzuleiten), hat man sich doch nicht getraut, dieser (Wieder-)Gründung den vollen Legalitätsstatus zuzugestehen, sondern erfand das Verbotssurrogat des Verfassungsschutzberichts. Damit konnte „man“ (CDU und FDP) gegenüber der etablierten sozialistischen Seite (SPD und 68er Linke) auch rechtfertigen, weshalb man vom dem schon 1968 geforderten NPD-Verbot Abstand nahm, würde doch der VS-Bericht, der staatlich die Meinungen von DKP und NPD bekämpft und die Grundlage für Disziplinarmaßnahmen von Mitgliedern dieser Parteien im öffentlichen Dienst darstellen sollte, einen effektiven Verbotsersatz schaffen und dabei gleichzeitig die wahlrechtliche Sperrklausel von 5 % für die faktisch verbotenen bzw. dem Verbotssurrogat unterworfenen Parteien ins Unüberwindliche potenzieren: Diese Parteien sollten nicht hinreichend genügende Mitglieder mit Reputation gewinnen, die sie den Wählern als Kandidaten präsentieren könnten. Das BVerfG hat dem dadurch errichteten Schutz der etablierten Parteien vor Konkurrenz durch neue Parteien beigepflichtet, indem es in der Beeinträchtigung letztlich des freien Wahlrechts (Reduzierung des Auswahlcharakters von Parlamentswahlen) durch amtliche Verfassungsschutzberichte nach seinem bis dato maßgeblichen Beschluss (BVerfGE 40, 287) nur eine „faktische“, verfassungsrechtlich nicht relevante Wirkung des VS-Berichts erkennen wollte. Rechtliche Wirkung wurde diesen Berichten zwar abgesprochen, womit aber das BVerfG bewusst verkennen wollte, dass diese Berichte schon längst als vorweggenommenes „Sachverständigengutachten“ verwendet wurden, um zahlreiche Diskriminierungsmaßnahmen insbesondere im öffentlichen Dienst zu rechtfertigen, die letztlich auf Meinungsdiskriminierung, ja Meinungsunterdrückung hinausliefen.

Mit anderen Worten: Durch den Verfassungsschutz kommt die Regierung um ein Verbotsverfahren herum, in welchem sie harte Beweise auf den Tisch des BVerGs legen müsste. Der Verfassungsschutzbericht (und bereits das Bekanntwerden des „Beobachtens“) wirkt effektiv als „Verbot light“, mit dem die Regierung nach Gusto missliebige Meinungen bekämpft und aus dem „demokratischen Spektrum“ in die Schmuddelecke verbannt.

Dass es in diesem Fall einen Linken trifft, sollte niemanden freuen: Der Begriff des „Extremismus“, auf den die Tätigkeit des Verfassungsschutzes abhebt, bedeutet nämlich auf Deutsch, dass nach Gesäßgeographie entschieden wird, was als legitime Meinungsäußerung gelten darf und was nicht. Der Mainstream – und das heißt: die Politik des etablierten oligarchischen Parteienkartells – kann per definitionem niemals „extremistisch“ sein, und wäre sie noch so freiheitsfeindlich, demokratiezersetzend und rechtsstaatswidrig, wie sie in der Tat ist.

„Extremist“ ist, wer sich dem ideologischen Konsens des Kartells nicht beugt. So kann man zuverlässig vorhersagen, wann die Beobachtung enden wird: nämlich dann, wenn die Linke „regierungsfähig“ ist. Diese „Regierungsfähigkeit“ wird aber nicht an der Existenz der Kommunistischen Plattform gemessen werden, sondern einzig und allein daran, dass die Linken ihre EU- und NATO-kritische Haltung aufgeben. Das ist die Eintrittskarte fürs Kartell.

Davongekommen

Angela Merkel und ihr politischer Flohzirkus haben die Bundesversammlung überstanden. Die Chance, einen Kandidaten zum Bundespräsidenten zu machen, der nicht aus dem etablierten Parteienkartell stammt, ist von der Linkspartei vergeben worden.

Die Linken haben im dritten Wahlgang zwar ihre eigene Kandidatin zurückgezogen, sich dann aber der Stimme enthalten – die unpolitischste, unverständlichste und unreifste aller denkbaren Entscheidungen. Hier stellt sich nicht einmal die Frage, ob die Linken regierungsfähig, sondern sogar, ob sie oppositionsfähig sind.

Am anderen Ende des Spektrums hat die NPD uns wieder einmal nicht das lächerliche Schauspiel erspart, für ihre drei Stimmen einen eigenen Kandidaten zu nominieren.

Wer immer mit Gedanken spielt, aus Protest eine dieser Parteien zu wählen, hat nun amtlich, dass ihr kleinkarierter Partei-Autismus jeden Vergleich mit dem der Kartellparteien aushält.

Wenn Profilneurotiker Politik machen

„Keine Gespräche über Ampel“, hatte [FDP-]Fraktionschef Papke an diesem Donnerstagnachmittag per Pressemitteilung verbreiten lassen – und die Absage an Sondierungsgespräche damit begründet, dass SPD und Grüne auch mit den Linken reden möchten. „Parteien, die sich mit kommunistischen Verfassungsgegnern verbünden wollen, kommen für die FDP nicht als Gesprächspartner in Frage, erst recht nicht als mögliche Koalitionspartner“

(Quelle: Spiegel online)

Die FDP demonstriert nicht zum ersten Mal, dass sie sich an politischer Inkompetenz so schnell von niemandem übertreffen lässt:

Erstens wird unser Land ohnehin bereits von Verfassungsfeinden regiert (siehe meine Artikel Der kalte Staatsstreich, Thierse, der Verfassungsfeind und Der Neue Adel); wenn die FDP mit Verfassungsfeinden nicht reden wollte, dürfte sie nicht einmal Selbstgespräche führen.

Zweitens sind die Linken keinen Deut „extremistischer“ als die Grünen – eher weniger, wenn man bedenkt, mit welcher Vehemenz sie sich dem Ausverkauf nationaler Kompetenzen und demokratisch legitimierter Politik an die EU widersetzen.

Drittens sind die Abgeordneten der Linkspartei vom Volk gewählte Mandatsträger. Die FDP sagt einiges über ihr eigenes Demokratieverständnis aus, wenn sie die unter politische Quarantäne stellen will.

Viertens ist ihre Verhandlungsposition bei weitem nicht stark genug, andere Parteien zu zwingen, sich a priori auf die FDP als Koalitionspartner festzulegen – was ja die Kehrseite der Forderung ist, nicht mit den Linken zu verhandeln. Sie macht sich damit höchstens lächerlich.

Fünftens ist eine Partei, die offenbar nichts so sehr fürchtet wie den Ruch der „Umfallerpartei“, und die sich von solchen Neurosen ihre Politik diktieren lässt, schon dadurch als Regierungspartei disqualifiziert.

Und sechstens haben wir uns zwar daran gewöhnt, dass Politiker von nichts Ahnung haben außer von Politik im allerengsten Sinne, nämlich im Sinne des Machtkampfes. Man sollte aber doch erwarten, dass sie dann wenigstens davon etwas verstehen: Wenn die SPD eine rot-rot-grüne Machtperspektive für den Bund sucht, dann muss sie jetzt in NRW ein Pilotprojekt starten. Und genau für dieses Pilotprojekt verschafft ihr die FDP jetzt mit ihrer dümmlichen und verkrampften Prinzipienreiterei das Alibi und die Steilvorlage.

Der linke Pyrrhussieg

In Thüringen und im Saarland wird die SPD die Union als führende Regierungespartei ablösen, weil die Wahlen absolute Mehrheiten für Rot-rot-grün ergeben haben.

Die SPD gerät damit in ein für sie typisches Dilemma; wir hatten es schon einmal 1994, als vor der Bundestagswahl die CDU die Regierungsmehrheit in Sachsen-Anhalt verlor, Rudolf Scharping wochenlang herumeierte – Koalition ja/nein, Tolerierung ja/nein, Koalition im Land ja, im Bund nein – und schließlich bei der Bundestagswahl das Nachsehen hatte:

Wollte sie, die SPD, nämlich nicht mit den Linken paktieren, so könnte sie das ihren Wählern im jeweiligen Bundesland kaum plausibel machen: in Thüringen nicht, weil rot-rote Koalitionen in den neuen Bundesländern nichts Ungewöhnliches sind; im Saarland nicht, weil Linkspartei und SPD dort vom selben Stamm sind, und das gilt nicht nur für den linken Spitzenkandidaten Lafontaine, sondern auch für die Parteibasis.

Der Gesamtnation aber wird sie andererseits nicht plausibel machen können, dass sie zwar in den Ländern mit den Linken zusammengeht, im Bund aber nicht. Die heiligen Eide, die Steimeier voraussichtlich schwören wird, wird man für Meineide halten, und die Siege von Erfurt und Saarbrücken werden bloß dazu gut sein, auch diejenigen Unionswähler an die Urnen zu treiben, die heute zu Hause geblieben sind, weil sie sich für die jetzt abgewählten Ministerpräsidenten nicht erwärmen konnten.

Solche Siege nennt man Pyrrhussiege.

Erste Anmerkung zur Europawahl

Soeben hat Infratest Dimap die Prognose veröffentlicht:

  • Union 38, 5 %
  • SPD 21 %
  • FDP 11 %
  • Grüne 11,5 %
  • Linkspartei 7,5 %

Macht nach Adam Riese: 89,5 %. Der Verbleib von 10,5 Prozent der Stimmen – also rund zwei Millionen Stimmen – ist ungeklärt und interessiert die Zwangsgebührensender so wenig wie die von ihnen lebenden Demoskopen von Infratest.

Wer im Glashaus sitzt…

„Köln/Leipzig (RP). Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine hat indirekt Arbeiter dazu aufgefordert, ihren Zorn an Managern auszulassen. ‚Wenn die französischen Arbeiter sauer sind, dann sperren sie Manager mal ein. Ich würde mir das hier auch mal wünschen, damit die mal merken, dass da Zorn ist'“.

Natürlich gibt es verantwortungslose, treulose, pflichtvergessene, selbstsüchtige und arrogante Führungskräfte, die sich den Zorn der Arbeiter zugezogen haben, auch in Deutschland zuhauf. Allen voran Politiker, die die Stimmen von Arbeitern einsammeln, um dann fluchtartig vor der Macht davonzulaufen. (Man will ja nicht in Verdacht geraten, über „Sekundärtugenden“ zu verfügen.)

Dass aber ausgerechnet Lafontaine solche Leute eingesperrt sehen möchte, deutet darauf hin, dass er nicht nur ein narzisstischer Profilneurotiker ist, sondern auch ein Masochist.

Kurt Beck und die Schmuddelkinder

Scheinbar war es eine Überraschung, dass ausgerechnet Kurt Beck vor ein paar Tagen durchblicken ließ, die hessische SPD-Vorsitzende Y werde sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Ausgerechnet Beck, dem schon die Grünen zu weit links waren, um in Rheinland-Pfalz mit ihnen zu koalieren! Dieses Urgestein der konservativen SPD vergisst alle heiligen Eide, man werde niemals mit den Linken zusammengehen, und kündigt an, den Schmuddelkinderstatus der Linkspartei aufzuheben.

Die Empörung des politischen Gegners, aber auch der neutralen Kommentatoren ließ nicht auf sich warten: Wahlbetrug! Wortbruch! Ja, das ist es. Und zugleich ist es die einzig richtige Entscheidung.

Damit man mich richtig versteht: Ich bin gegen alle linken Parteien, auch gegen die SPD. Von deren Vorsitzenden kann ich aber nicht fairerweise erwarten, dass er meinen Standpunkt teilt.

Rein sachlich drängt sich eine Zusammenarbeit der beiden sozialistischen Parteien geradezu auf: Die SPD hat mit den Linken größere programmatische Schnittmengen als sie mit den Grünen jemals hatte, zumal die Linken bei der SPD abschreiben und die SPD sich ihnen beim letzten Parteitag deutlich angenähert hatte. Zudem besteht die Linkspartei im Westen überwiegend nicht aus linksradikalen Sektierern, sondern aus Gewerkschaftern und Ex-Sozialdemokraten – das ist Fleisch vom Fleische der SPD.

Und machtpolitisch hat Beck nicht die kleinste praktikable Alternative: Die Linke hat sich etabliert, daran wird sich nichts mehr ändern, und deswegen wird es für Rot-Grün nur noch in Ausnahmefällen reichen. Die Sozialdemokraten können also entweder mit den Linken zusammenarbeiten, oder ihre einzige Regierungsperspektive ist die Große Koalition, und das heißt: der Selbstverschleiß und der Verlust von noch mehr Wählern an die Linkspartei.

Vor einer solchen Situation stand die SPD schon einmal, als in den achtziger Jahren die Grünen aufkamen. Auch da wurden regelmäßig heilige Eide geschworen, niemals mit denen…

Und regelmäßig wurden sie gebrochen: In den achtziger Jahren in Hessen(!), 1989 in Berlin, 1995 in Nordrhein-Westfalen. Auch zugunsten der Linkspartei bzw. PDS ist die SPD schon einmal umgefallen: 1994 in Sachsen-Anhalt. In solchen Dingen ist die SPD also die Umfallerpartei par excellence. Es mag sein, dass es in Hessen Menschen gegeben hat, die die SPD wegen ihres Versprechens gewählt haben, nicht mit den Linken zusammenzugehen, und die wirklich geglaubt haben, diesmal würde die SPD aber nicht umfallen – pardon, aber solche Einfaltspinsel gehören betrogen!

Die SPD hat keine Wahl. Und der kaltschnäuzige Macchiavellismus, mit dem Beck aus dieser Erkenntnis die Konsequenzen zieht, sichert ihm meinen Respekt. Mehr noch: Er macht sich damit um die Republik verdient.

Was wäre denn, wenn die SPD sich dauerhaft in der Großen Koalition einrichten würde? Wenn die Erfahrungen der letzten beiden Jahre irgendetwas beweisen, dann doch dies: dass in einer Großen Koalition beide Partner an Profil und Mobilisierungsfähigkeit verlieren, dass beide sich auf die politische Mitte konzentrieren und in ihr präsent sein müssen; dass die CDU nicht rechts sein kann, wenn die SPD nicht links ist. Und dass dem Wähler dauerhaft die reale Chance verwehrt wird, die gerade amtierende Regierung abzulösen.

Orientiert sich die SPD dagegen auf ein Linksbündnis, dann lösen sich die verkrampften Blockaden, die gegenwärtig die Regierungsbildung in Hessen erschweren (und die deutschlandweit zum Dauerzustand würden, wenn die Linken weiterhin als Schmuddelkinder ausgegrenzt würden), und der Wähler bekommt wieder die Wahl zwischen Links und Rechts.

Bleibt nur ein Problem: Das Aufkommen der Linkspartei hat die politische Linke nicht etwa geschwächt, sondern gestärkt. Zum einen erreicht diese Partei Wähler, die sonst wahrscheinlich zuhause geblieben wären oder irgendwelche Protest-Splitterparteien gewählt hätten, zum anderen werden durch sie spezifisch linke Positionen in einer Klarheit und Prägnanz öffentlich artikuliert, die die SPD selbst sich gar nicht leisten könnte, von der sie aber profitiert, weil die öffentliche Meinung auch in der Mitte dadurch beeinflusst wird.

Statt sich darüber aufzuregen, täte die konservative Rechte gut daran, sich zu fragen, ob man von Lafontaines Erfolgsrezept nicht etwas lernen kann. Auf der politischen Rechten, etwa im christlich-konservativen oder nationalkonservativen Spektrum gibt es viele Wähler, die sich von der CDU so wenig vertreten fühlen wie linke Sozialdemokraten von der SPD, und mit Roland Koch haben sie eine ihrer letzten Identifikationsfiguren verloren. Wenn das bürgerliche Lager mit dem linken wieder gleichziehen und nebenbei verhindern will, dass rechte Protestwähler sich bei der NPD sammeln, dann sollte es das rechtskonservative Spektrum mit einer eigenen Partei bedienen. Entweder durch bundesweite Ausdehnung der CSU, oder, wenn die sich das nicht traut, durch Gründung einer neuen Partei. Die Preisfrage lautet: Wer macht den rechten Lafontaine?