Plagiat? Silvana Koch-Mehrin soll bei Dissertation geschummelt haben

Es sieht nach einem neuen Plagiatsskandal aus. Nach Karl Theodor zu Guttenberg sieht sich nun auch Silvana Koch-Mehrin dem Verdacht ausgesetzt, eine Dr. plag. zu sein, sprich bei ihrer Doktorarbeit geschummelt zu haben. Wie die Wikiseite Vroniplag berichtet, sind (Stand jetzt, 12.04.11, 3.00 Uhr) 20 plagiatsverdächtige Stellen entdeckt worden. Ich habe einige dieser Stellen nachgelesen. O ja, das ist mehr als nur verdächtig.

Das Ganze hat überhaupt so einen Hauch von Déjà vu. Wieder ist es jemand, der von Anderen gezielt in jungen Jahren gefördert wurde, wieder jemand, der ungewöhnlich gut aussieht (Hat irgendjemand eine Theorie, wonach schöne Menschen eher zum Schummeln neigen?), wieder jemand, dessen politische Bilanz dürftig ist, wieder dieses demonstrative Vorzeigen des Doktortitels (siehe obiges Wahlplakat).

Und wieder dieses schreiende Missverhältnis zwischen den propagierten Werten und dem eigenen Verhalten: „Arbeit muss sich wieder lohnen“.

Wenn das so ist, müssen Faulheit und Betrug auch bestraft werden!

Ein konservativer Hoffnungsträger?

Was wissen wir eigentlich über die Karriere des Freiherrn zu Guttenberg?

Wir wissen, dass er sieben Jahre bis zum ersten Staatsexamen brauchte, und zwar ohne durch Familie oder Beruf gebremst zu werden. Wir wissen inzwischen auch, dass er dieses Staatsexamen mit „befriedigend“ bestand: in Jura keine schlechte Note, aber auch keine, die einen als Überflieger ausweist. Auch sonst gibt es keinen Hinweis auf besonderen intellektuellen Ehrgeiz, keine aufsehenerregende Idee, nichts, was auf politisches Genie oder geistige Originalität hindeutet.

Drei Jahre später (2002) zieht er, ohne bis dahin politisch aufgefallen zu sein, in den deutschen Bundestag ein. Der Dreierjurist mit der langen Studienzeit und mit spärlichen politischen Erfahrungen wird sofort Mitglied des elitären Auswärtigen Ausschusses, eines Gremiums, in das normalerweise nur erfahrene und wirklich einflussreiche Politiker einziehen; demgemäß ist er dort auch das bei weitem jüngste Mitglied.

Dieses unbeschriebene Blatt geht alsbald bei den großen, amerikanisch dominierten transatlantischen Elitennetzwerken ein und aus.

Zugleich fummelt er an seiner Dissertation, die ihm seine Familie dadurch ermöglicht hat, dass sie ihm praktisch den Fachbereich gekauft hat.

Als er 2009 Wirtschaftsminister wird – auch hier ohne besondere fachliche Referenzen -, wird er von den Medien fast sofort zum Superstar aufgepumpt, speziell von der Springer-Presse, die ihm bis zum vorläufigen (!) Ende seiner politischen Karriere die Treue hält.

Was sagt uns das alles? Das sagt uns, dass Guttenberg ein Mann ist, dem Andere den Weg geebnet haben. Die Wege, die er gegangen ist, waren nie errungen; eher waren sie die Wege des geringsten Widerstandes.

Warum wird einer protegiert, der außer einer unbestrittenen Fähigkeit zu glänzender Selbstdarstellung kaum irgendwelche Voraussetzungen für hohe Ämter mitbringt? Nun, eben weil er sie nicht mitbringt! Ein solcher Mann wird sich nicht von der Leine losreißen, die ihn so bequem geführt hat – warum sollte er auch?  Ein Mann, der das Stück nicht durchschaut, aber die ihm zugedachte Rolle trefflich spielt: So einer ist lenk- und formbar. Er wird die Politik besagter Elitennetzwerke um- und durchsetzen, ohne dass irgendwelche Eskapaden zu befürchten wären.

Das „Meisterstück“ dieser Politik war die Bundeswehrreform, mit der der Auftrag der Landesverteidigung endgültig ad acta gelegt wird. Die Bundeswehr der Zukunft wird eine international operierende Polizeitruppe sein, und – da Deutschland zu solchen Operationen nicht selbständig in der Lage ist – eine Hilfstruppe der USA.

Seine letzte Idee, bevor die Plagiatsaffäre alles überdeckte, war bekanntlich, Ausländer in die Bundeswehr aufzunehmen. Eine solche Armee wird keine Berufs-, sondern eine Söldnerarmee sein, ohne Bezug zum Volk, dessen „Recht und Freiheit“ sie „tapfer zu verteidigen“ geschworen hat. Eine Armee, die man auch gegen das eigene Volk einsetzen kann. (Das muss man im Hinterkopf haben, wenn wieder einmal ein „Konservativer“ für den Bundeswehreinsatz im Innern plädiert.)

Guttenberg ist der ideale Verkäufer einer Politik, die das eigene Land seiner Souveränität beraubt. Wer in einem solchen Mann einen „konservativen Hoffnungsträger“ sieht, dem ist nicht zu helfen. Dass es ganze Heerscharen solcher armer Irrer gibt, zeigt nur, wie sprachlos und gedankenarm, wie heruntergekommen das Spektrum rechts der Mitte ist.

Nun ist er politisch gescheitert, weil er einen Weg gehen musste (nämlich den zum Doktortitel), den andere für ihn bestimmt haben. Die Familie, die ihm mit einer sechsstelligen Summe den Weg zur Promotion freigekauft hatte, hat ihn so unter Druck gesetzt, dass am Ende aus seiner Sicht um jeden Preis, und sei es den des elementaren Anstands, der Titel hermusste.

Guttenberg ist also genau an den Schwächen gescheitert, die in seiner Karriere von Anfang an angelegt waren: seiner intellektuellen Anspruchslosigkeit; der nie geforderten und daher nie entwickelten Fähigkeit, sich durchzubeißen; der Abhängigkeit von Gönnern und Förderern.

Man wird Guttenberg den Stuhl warmhalten; jetzt schon ist erkennbar, dass seine Partei, und nicht nur die, höchstens eine Schamfrist bis zu seiner Wiederauferstehung verstreichen lassen wollen, und dass es danach weitergehen soll wie gehabt. Business as usual, wie seine amerikanischen Freunde sagen würden.

Wenn Guttenberg klug ist und nicht nur schlau, dann nutzt er die Chance der Auszeit und denkt darüber nach, welchen Weg er selber gehen will (und nicht soll), und was er selber für richtig hält, und nicht die transatlantischen Ideologen.

Ich fürchte allerdings, er ist bloß schlau.

Einige Details zum Dr. plag.

Ich war bisher nicht auf die Idee gekommen, mich mit der Biographie von Herrn zu Guttenberg zu beschäftigen, aber einige interessante Details birngt bereits ein Blick auf Wikipedia an den Tag.

Dass seine Mutter (seit 1977, als Karl Theodor 6 Jahre alt war, vom Vater geschieden) 1985 den Sohn des ehemaligen Reichsaußenministers von Ribbentrop geheiratet hat, ist dabei nur ein Kuriosum am Rande.

Interessanter ist schon, dass er vom Beginn seines Studiums bis zum ersten Staatsexamen (das zweite hat er nicht) sieben Jahre benötigt hat. Das ist zwar nicht per se ehrenrührig; mein eigenes Studium dauerte länger. Nur hatte ich während des Studiums auch eine vierköpfige Familie zu ernähren, Herr zu Guttenberg nicht. Guttenberg war lediglich mit der Verwaltung des Guttenbergschen Familienvermögens betraut. Angesichts der Größe dieses Vermögens sicherlich eine anspruchsvolle, aber schwerlich eine abendfüllende Beschäftigung.

Zwei Praktika in Anwaltskanzleien – für Jurastudenten sind Praktika Pflicht – werden in seinem Lebenslauf zu „beruflichen Stationen in Frankfurt und New York“ hochgejubelt. Nun ja, Klappern gehört zum Handwerk, aber wenn einer so viel klappert, stellt sich die Frage, ob ihm nicht grundsätzlich der Schein wichtiger als das sein ist.

Die Note, mit der er das erste Staatsexamen absolviert hat, ist nicht zu erfahren (während das „summa cum laude“ seiner Doktorarbeit überall kundgetan wird). Was schließen wir daraus? Dass die Note wohl nicht so besonders war, dass man sie spazierenführt.

Umso erstaunlicher, dass er kurz nach dem ersten Staatsexamen begann, an seiner Dissertation zu arbeiten. Ein Nicht-Volljurist mit (wahrscheinlich) mittelmäßiger Note bekommt sofort einen Doktovater. Wie dies?

Könnte es wohl damit zusammenhängen:

Von 1996 bis 2002 gehörte er dem Aufsichtsrat der Rhön-Klinikum AG an, an der die Familie 26,5 Prozent der Stammaktien hielt. Im Jahr 2000 beteiligte sich die Rhön-Klinikum AG an der Stiftung eines Lehrstuhls für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften bei der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth, an der Guttenberg später promovierte. Bis heute zahlt das Unternehmen jährlich mehr als 100.000 EUR an diese Stiftungsprofessur.

Das Gschmäckle, dass sich hier womöglich einer mit dem Vermögen seiner Vorfahren einfach etwas kauft, was ihm seiner Leistung nach nicht zusteht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Das Bild rundet sich. Ich hatte mich schon gewundert, dass ein intelligenter Mensch (dass Guttenberg das ist, wollen wir doch unterstellen) einfältig genug gewesen sein soll, einfach Zitate zusammenzukleistern. Nun verdichtet sich immer mehr der Verdacht, dass Guttenberg von den Plagiaten schon deshalb nichts wusste, weil die Arbeit von einem Ghostwriter stammt. Man kauft sich seine dienstbaren Geister: Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages und diverse Handlanger stellen das Material zusammen, der Stapel wird dem Ghostwriter übergeben, und der reißt sich kein Bein aus.

Ich tu’s nicht gerne, aber ausnahmsweise lohnt es sich, den „Tagesspiegel“ (Lorenz Maroldt) zu zitieren:

Eigentlich ist es ja begrüßenswert, wie ökonomisch diese Regierung mit einem wichtigen, wenn nicht gar dem wertvollsten Gut dieser Zeit umgehen: ihrer Zeit. Die Bundeskanzlerin vertrödelt diese ihre Zeit nicht damit, ein schlechtes Buch zu lesen (Sarrazins Deutschlandabschaffung), was sie allerdings nicht daran hindert, den Autor abzukanzeln. Der Verteidigungsminister vertrödelt diese seine Zeit nicht damit, ein schlechtes Buch zu schreiben (sein Dissertationssample), was ihn allerdings nicht daran hindert, mit dem zusammenkopierten Doktortitel herumzugockeln. (…)

Ein Unrechtsbewusstsein hat der Doktor der Rechtswissenschaften offenbar nicht. Dabei hat doch bestimmt schon der kleine Karl-Theodor gelernt, dass man nicht klauen darf. Und dass es auf Leistung ankommt, und zwar auf die eigene. Aber der große Baron pfeift auf die Urheberrechte der niederen Stände. Mögen sie sich plagen, er „pastet“ lieber, ganz der moderne, internetaffine Adel. Und wie bei der klassischen Geldwäsche verschiebt er die Texte so lange, bis sie sauber erscheinen.  (…)

Als Vorbild ist so etwas eine Verheerung. Verantwortlich sind immer die anderen. Kinder werden wegen illegaler Downloads verfolgt, und die Exekutive klaut sich die Ehrentitel zusammen. Wie soll irgendwer ernst nehmen, was sich diese Regierung zu Fragen des Urheberrechts noch alles einfallen lässt?

Erst die Gorch Fock, jetzt das Plagiat – mit seinen seltsamen Einsätzen hat sich der Dr. horribillis causa klar qualifiziert: als Vorsitzender der Piratenpartei.

 

Der Fall des Dr. plag.

Bei allen schadenfrohen Witzen über den Globalisten-Beau Dr. plag. Freiherr zu Googleberg und sein bevorstehendes Karriere-Ende sollte man doch nicht vergessen, was diese Affäre über die uns regierende politische Kaste aussagt.

Karl Theodor zu Guttenberg, Dr. plag.
unplugged

Da promovierte der Freiherr also über „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU.“ Fürwahr ein wichtiges Thema, vor allem wenn man bedenkt, dass auf dem Weg zur Abschaffung des Nationalstaates, also dem Ziel dieser politischen Kaste, noch einige „konstitutionelle Entwicklungsstufen“ zu nehmen sein werden. Dass ein Politiker mit außenpolitischen Ambitionen sich darüber fundierte Gedanken macht, sollte man erwarten können, auch dann, wenn man – wie ich – das anvisierte Ziel und die darauf gerichteten Gedanken abscheulich findet.

Genau dies hat Guttenberg aber nicht getan, zumindest beschränkte sich sein Ehrgeiz offenkundig darauf, den Titel zu erlangen; es ging nicht darum, die eigene politische Konzeption analytisch zu untermauern (oder gar zu hinterfragen). Fürs Denken fühlt man sich in diesen Kreisen offenbar nicht zuständig. Dafür hat man seine Leute – besonders, aber nicht nur, als Freiherr.

Guttenbergs Fehler bestand darin, dass er seine Ghostwriter weder gefragt noch bezahlt hat. Das dürfte den meisten anderen Politikern nicht passieren. Aber die Mentalität, die solche Fehlleistungen erst möglich macht, ist in der politischen Kaste weiß Gott verbreitet: sich Gedanken machen zu lassen und als Schauspieler in einem Stück zu spielen, das klügere Köpfe geschrieben haben. Die politische Kaste besteht aus Kellnern. Die Preisfrage lautet, wer die Köche sind.

(Übrigens: Den Ausdruck „zu Googleberg“ habe ich aus dem DLF-Magazin, gesendet heute um 19.15 Uhr. Nicht dass mir noch jemand ein Plagiat unterstellt.)