Linker McCarthyismus

Bernd Dahlenburg hat im Kommentarstrang zu „Viele Arten zu töten“ (Kommentar Nr.3) auf einen seiner eigenen Artikel verwiesen, in dem er sich unter dem Titel „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ mit angeblichen rechtsradikalen Tendenzen der islamkritischen Blogosphäre auseinandersetzt. Da ich dieses Thema unlängst selber behandelt habe, war ich natürlich neugierig:

„Rechtsdeutsche ‚Islamkritiker'“

Schon die Anführungszeichen in dieserm Untertitel machen deutlich, dass es sich nach Dahlenburgs Meinung mitnichten um Islamkritiker handelt, sondern um Leute, die etwas ganz anderes im Sinn haben. Weil sie in ganz besonderer Weise finster, nämlich „rechtsdeutsch“ sind. Ich bin Politikwissenschaftler, aber dieses Wort habe ich noch nie gehört. Offenbar sollen die Worte „rechts“ und „deutsch“ eine irgendwie anrüchige Haltung umschreiben.

Noch vor zwanzig Jahren war man als Konservativer „rechts“ in demselben Sinne, wie man als Sozialdemokrat „links“ war – also im Sinne ganz konventioneller Gesäßgeographie. In den neunziger Jahren wurde es üblich, „rechts“ mit „rechtsextrem“ gleichzusetzen. Der Sinn dieser „politisch korrekten“ Begriffsverwirrung war niemals, die extreme Rechte zu bekämpfen, sondern die konservative. Wenn Dahlenburg, nach eigenen Angaben CSU-Mitglied, das Wort „rechts“ in einem abwertenden Sinne gebraucht, dann übernimmt er als Konservativer – der er zu sein beansprucht – die Sprache linker Demagogen. Es setzt nur das Tüpfelchen aufs i, dass er ganz im Sinne der von mir heftig kritisierten Antideutschen auch das Wort „deutsch“ als Bezeichnung einer offenbar moralisch minderwertigen politischen Haltung verwendet.

„Wenn man als Blogger mit halbwegs geöffneten Augen durch die (t)deutsche Welt geht und sich die Szene der so genannten Islamkritiker ansieht…“

– man wüsste doch zu gerne, welches die Szene der wirklichen Islamkritiker und welches die der bloß „so genannten“ ist –

„…kommt man nicht umhin, eine Bewegung auszumachen, die sich im Windschatten der öffentlichen Diskussion eine neue Nische schafft – die neue Rechte, oder besser gesagt, die neuen ‚Stolznationalen‘.“

„Stolznationale“. Noch so ein Neologismus. Soll wohl Menschen bezeichnen, die so etwas wie Nationalstolz empfinden, und die deswegen als moralisch und politisch disqualifiziert zu gelten haben.

Wen immer er damit meinen mag – eines hat er uns schon verraten: dass Nationalstolz in seinen Augen ein Makel ist. Dass es viele Menschen gibt, die so denken, wussten wir. Wenn solch linker Ideologiemüll aber bis in die CSU hinein Akzeptanz fände, wäre dies niederschmetternd.

„Bar jeglicher Vernunft versuchen sie uns einzureden, dass Deutschland und Europa von zig-Millionen Muslimen ‚überrannt‘ oder ‚überschwemmt‘ werden würde…“

Sie stützen sich dabei auf einschlägige Statistiken, die vier Grundrechenarten, die fünf Sinne und den gesunden Menschenverstand, aber ansonsten sind sie bar jeder Vernunft.

„…(bekannte Termini, kennen wir doch, oder?)…“

– die Naziplatte –

„neuerdings sind generell Ausländer gemeint, weil das Islam-Sujet für holzschnittartige Beschreibungen ausgereizt zu sein scheint.“

Eine verblüffende Behauptung. Bisher herrscht nämlich Konsens in der Wahrnehmung, dass die Reihenfolge genau umgekehrt war: dass das Thema „Immigration“ in den siebziger Jahren unter dem Stichwort „Gastarbeiter“, in den neunzigern unter der Überschrift „Ausländer“ und erst in letzter Zeit unter „Islam/Muslime“ behandelt wird. Es handelt sich um einige der wenigen Fragen, in der Islamapologeten und -kritiker (z.B. Seyran Ates) sich einig sind.

Nur passt es Dahlenburg nicht in den Kram. Eine öffentliche Kritik, die sich auf den Islam einschießt, lässt sich auch nicht so richtig plausibel als rassistisch oder rechtsradikal diffamieren. Ergo muss – nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf – eine Bewegung weg von der Islamkritik, hin zur Ausländerfeindlichkeit suggestiv fingiert werden.

„…und sie berufen sich auf Auguren, die uns weismachen wollen, wie Europa doch endlich zu einem „rechten“ Kontinent mutieren soll, statt sich auf demokratische Werte und deren innewohnende Kräfte zu besinnen.Sie…“

Von wem spricht er eigentlich? Wir erfahren es nicht.

„…(und ihre Leser und etliche Blogger im Schlepptau oft hilflos nachplappernd) reden pausenlos von Risiken statt von Chancen. Sie machen alles schlecht, was auch nur im Entferntesten an ein Miteinander zwischen Kulturen denken ließe…“

Vielleicht haben sie mit dem „Miteinander der Kulturen“ eigene Erfahrungen gesammelt?

„… Sie sind borniert, blind und von Hass getrieben.“

Woher weiß er das? Nach meiner Erfahrung ist es nahezu unmöglich, den Charakter und die Gefühle von Menschen aufgrund ihrer Äußerungen im Weltnetz zu beurteilen.  Weswegen ich mich auch hüten werde, darüber zu spekulieren, ob Dahlenburg womöglich selber borniert, blind und von Hass getrieben ist.

„Sie verweigern alle (positiven kulturellen) Erfahrungen, die in den letzten Jahrhunderten zwischen West- und Osteuropa und den Menschen ausgetauscht worden sind.“

Der Konflikt zwischen West- und Osteuropa ist natürlich das aktuelle Hauptproblem.

„Sie machen den Islam zum Türken, …“

Keineswegs; die Araber kann erst recht keiner leiden.

„…den Türkischstämmigen und sonst wen zum Ausländer…“

Die meisten Türkischstämmigen in Deutschland – genauer 68,1 Prozent braucht man nicht zu Ausländern zu „machen“, weil sie es nach wie vor sind und auch zu bleiben gedenken. Sie jubeln Erdogan zu, wenn er sagt, Assimilation sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und trotzen hartnäckig allen Versuchen deutscher Politiker, ihnen einen deutschen Pass in die Tasche zu stopfen.

„… und den Ausländer zu einem „Geziefer“, den es auszurotten gilt. Sie deklarieren linke und liberale Islamkritiker als „Berufsjuden“ (sic!), und so geht’s weiter in der nach unten offenen – bisher noch verbalen – Schwachsinns- und Gewaltspirale.Manche Blogbetreiber formulieren es etwas vornehmer: Sie raunen von ethnischen und genetischen Defiziten der Afrikaner und dem Rest der Welt, um so die (t)eutsche Überlegenheit herauszukehren. Sie fordern in fast unüberbietbarer Scheinheiligkeit die Hassprediger in den Foren zur „Zurückhaltung“ auf, indem sie ihnen versprechen, dass ein gesellschaftlicher Wandel eintritt, der ihre Mordgelüste irgendwann befriedigen wird, wenn alles „treudeutsch“ abgewickelt sein wird.

Wozu diese hysterische Klimax an Beschuldigungen gut sein soll, dazu komme ich noch. In jedem Fall sind das ungeheuerliche Vorwürfe, zumal wenn sie sich gegen die Blogbetreiber richten, nicht etwa gegen die Kommentatoren.

(Dass es in diversen Kommentarsträngen, etwa von PI, von zornigen Bürgern nur so wimmelt, die einmal Dampf ablassen und auf den Tisch hauen wollen, ist bekannt. Dort wird genau das geschrieben, was an dem vielzitierten „Stammtisch“ des Normalbürgers, nicht etwa des Extremisten, gesagt wird – nur dass es eben nachlesbar ist und bei sensibleren Gemütern zu Ohnmachtsanfällen führt, die sie am Tresen jeder Dorfkneipe aber genauso erleiden würden. Politisch ernstnehmen kann man diese Kommentare allenfalls als Stimmungsbild, nicht als Bekundung irgendeiner Handlungsabsicht. )

Gewisse Leute müssten Kommentarstränge wie den von PI allerdings erfinden, wenn es ihn nicht schon gäbe, weil er die einzige greifbare Möglichkeit darstellt, Islamkritiker zu verleumden. Was Dahlenburg aber über die angebliche Politik von Blogbetreibern schreibt, würde, wenn es zutreffen sollte, mindestens den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Da kann es nicht zu viel verlangt sein, wenn man von ihm erwartet, dass er einen Beleg liefert. Er liefert aber keinen, auch nicht auf meine ausdrückliche Nachfrage. Dasselbe gilt für die folgenden Abschnitte, die ich bloß der Vollständigkeit halber zitiere:

„Sie sprechen niederste Instinkte an, wenn sie in den Foren politische Gegner sophisticated zum ‚physischen Abschuss‘ freigeben und sie lehnen sich genüsslich zurück, wenn die Klicks auf ihrer Webseite zunehmen, obwohl sie genau wissen, dass sie ein ‚Mord(s)geschäft‘ betreiben, das sich über kurz oder lang (vielleicht für sie) auszahlen wird. Sie betreiben Blogs, die sich ‚israelfreundlich‘ gerieren (Hahaha!), aber jeder halbwegs schlaue Mensch erkennt, dass hinter diesen Blogs Antisemiten stecken, die nur so lange still halten, bis ihrer ‚rechten Sache‘ zum Durchbruch verholfen ist.Diese ‚Stolzdeutschen‘ wissen was sie tun und sie spielen damit; sie sind auch noch stolz darauf, wenn sie Menschen gegen Menschen hetzen können, wie es die politische Wetterlage eben hergibt. Im Zweifelsfall – wenn die öffentliche Diskussion zu ihrer Agenda passt, oder die Argumente ausgehen – ist ihr Axiom immer genauso faszinierend blöd wie einfach: ‚Ausländer raus‘, und alle Probleme sind beseitigt.Man könnte fast meinen, dass die alle einen an der Waffel haben.“

Und? Haben sie?

„Sieht man sich jedoch die Klientel, Impressi oder Buchtipps etlicher Blogger dieser Gattung an, vergeht einem schnell das Lachen. Hier tummeln sich Ex-NPD-ler, Schwulenhasser, Antisemiten und Ausländerhasser in einem Pool, der sich jetzt „Pro Köln, pro X-Stadt oder sonst was“ nennt. Diese „Pro’s“ sind nichts Positives für unsere Gesellschaft.“

Ach, daher weht der Wind! Nachdem die Unionsparteien zu Verrätern an allem geworden sind, wofür sie einmal standen, muss um jeden Preis verhindert werden, dass sich rechts von ihnen demokratisch legitimierte Parteien bilden. Und da man die Bildung von Parteien als solchen nicht unauffällig genug unterbinden kann, muss man ihnen wenigstens die demokratische Legitimität streitig machen.

Wenn man bedenkt, dass die sogenannte CSU noch nie Probleme damit hatte, falsch Zeugnis wider ihren Nächsten zu reden, wenn es darum ging, kleine Konkurrenzparteien aus dem Geschäft zu drängen – die Bayernpartei kann bis heute ein Lied davon singen -, dann stellt Dahlenburg sich in eine alte, wenn auch nicht gerade ehrwürdige Tradition dieser Partei.

Ich bin alles andere als ein Experte für die Pro-Parteien. Was ich aber unter anderem weiß, ist, dass dem Hamburger Verfassungsschutz gerichtlich untersagt wurde, die Mutterorganisation „Pro Deutschland“ als rechtsextremistisch zu bezeichnen, und zwar nicht zuletzt mit der bemerkenswerten Begründung, dass etliche der als „extremistisch“ eingestuften Forderungen in Wahrheit Forderungen nach der Durchsetzung geltenden Rechts sind; dass ihr Programm keinerlei verfassungsfeindliche Forderungen enthält, auch nicht verklausuliert, dass sich wirkliche Rechtsextremisten, speziell die NPD, von ihr distanzieren; dass sie ihren Anteil an der Verhinderung eines Moscheebauprojekts in Berlin-Charlottenburg hatte; und dass der von ihr organisierte Anti-Islam-Kongress in Köln im September 2008 mit kriminellen Mitteln und unter kollusiver rechtswidriger Mitwirkung des Staates verhindert wurde.

Viel Aufhebens wird um die Tätigkeit von ehemaligen NPD-Mitgliedern gemacht. Trotz verzweifelter Bemühungen konnten freilich selbst eingefleischte Gegner der Pro-Parteien nur sehr wenige frühere NPD-Mitglieder ausmachen und mussten sich daher mit ehemaligen „Republikanern“ begnügen. Was entschieden weniger sexy ist. Bleiben wir aber bei den Ex-NPD_Leuten: Ich kann nicht erkennen, dass die Tätigkeit von Ex-NPD-Mitgliedern in einer Splitterpartei so viel gefährlicher sein soll als die Tätigkeit von Ex-K-Gruppen-Funktionären und Ex-linksradikalen Gewalttätern in den höchsten Ämtern unseres Staates; ich kann nicht erkennen, warum deren demokratische Wandlung so viel glaubhafter sein soll als die von Ex-NPDlern.

Wenn ich meinen Gesamteindruck aus den Publikationen dieser Partei (bzw. der Pro-Parteiengruppe) zusammenfassen soll, so lautet er, dass es sich um eine deutschnationale Partei mit traditionellen Wertorienterungen handelt, die sich schlimmstenfalls im Sinne meines gleichnamigen Artikels in einer Grauzone bewegt. Dass es sich aber um eine Partei mit rechtsextremistischer, verfassungsfeindlicher Agenda handeln soll, dafür sehe ich nicht die geringsten belastbaren Indizien!

Wer aber behauptet, eine legale Partei sei verfassungsfeindlich, muss es beweisen, mindestens aber belegen können! Dahlenburg kommt über die bloße Behauptung nicht hinaus.

„Sie sind etwas pervers Negatives und zerstören jegliche seriöse Bemühung, sich mit dem Islam ernsthaft auseinanderzusetzen.“

Ich persönlich setze mich sehr ernsthaft mit dem Islam auseinander und kann nicht bestätigen, dass die Pro-Parteien mich dabei schon einmal gestört hätten. Wenn man freilich unter „seriösen“ Bemühungen, „sich mit dem Islam auseinanderzusetzen“ bloß solche versteht, bei denen die eigene Kultur und Nation umgotteswillen nicht als positiver Wert erscheinen und der Islam als solcher als Ursache von Integrationsdefiziten nicht benannt werden darf – ja, dann, aber eben nur dann, sind solche Parteien sicherlich ein Hindernis.

„Sie sind primitiv und von gestern.Ignoriert diese Leute endlich und gebt ihnen die rote Karte.“

Es wird Dahlenburgs Geheimnis bleiben, wie man jemanden gleichzeitig ignorieren und ihm die rote Karte zeigen kann, und wie man einer Partei die rote Karte zeigt, die noch gar nicht auf dem Platz (weil in keinem Parlament vertreten) ist.

Ich kommentierte dann Dahlenburgs Artikel wie folgt:

„Ross und Reiter zu nennen und die eigenen Behauptungen mit Argumenten zu belegen hätte der Glaubwürdigkeit dieses Beitrags bestimmt nicht geschadet. Nein, Dahlenburg, Sie sind nicht antideutsch. Sie haben ein Problem mit der Meinungsfreiheit.“

Ich erhielt die denkwürdige Antwort:

„Erstens: Ich habe mich bewusst mit der Nennung Einzelner zurückgehalten, weil ich auf eine weithin verbreitete Tendenz aufmerksam machen wollte. Ist Ihnen das beim Lesen entgangen?“

Keineswegs, im Gegenteil: Gerade eine weit verbreitete Tendenz müsste sich doch spielend mit Beispielen belegen lassen, wenigstens auf Anfrage.

„Außerdem liegt mir nichts dran, ellenlange Listen auszuhängen.“

Eine kurze Liste hätte vollauf genügt. Im übrigen wird es schwierig sein, die quantitative Verbreitung dieser oder jener politischen Richtung in der Blogosphäre zu ermitteln. Eine qualitative Analyse aber, das heißt eine klare Benennung der in seinen Augen rechtsextremen Denkfiguren und Argumentationsstrategien, damit der Leser prüfen kann, ob das, was Dahlenburg für rechtsradikal – pardon: für „rechtsdeutsch“ und „stolznational“ – hält, wirklich verfassungsfeindlich ist –, und die belegt mit konkreten Beispielen, das wäre das Allermindeste gewesen.

„Zweitens brauche ich nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass meine Thesen stimmen, weil ein Blick in diverse Foren und die Analyse von vielen Beiträgen genügt.“

Was ist denn das für eine Logik? Wenn der Blick in „diverse“ (nochmal: welche?) Foren und die Analyse von vielen (welchen?) Beiträgen genügt, dann ist das ein Argument dafür, dass es ganz einfach sein müsste, den Beweis zu erbringen, aber doch nicht dafür, dass es nicht erforderlich wäre.

Ich habe für meine Blogroll sehr viele Blogs und Foren unter die Lupe genommen, und kann nicht bestätigen, dass die Überschneidungszonen zwischen Islamkritik und Rechtsextremismus sehr breit wären. Die sehr wenigen Ausnahmen – etwa das Patriotische Forum Süddeutschland – bestätigen nur die Regel. Die deutlich proisraelische und antisemitismusfeindliche Gesamttendenz der islamkritischen Blogosphäre wirkt offenbar als wirksamer Filter, der Nazis draußenhält.

Womit klar sein dürfte, warum Dahlenburg unter gar keinen Umständen zugeben kann, dass „Blogs, die sich ‚israelfreundlich‘ gerieren (Hahaha!)“ genau das sein könnten: israelfreundlich.

Die Unterstellung, dass „hinter diesen Blogs Antisemiten stecken, die nur so lange still halten, bis ihrer ‚rechten Sache‘ zum Durchbruch verholfen ist“, ist als rhetorisches Mittel umso praktischer, als niemand, am wenigsten die Betroffenen selbst – und wir wissen immer noch nicht, um wen es sich eigentlich handeln soll – sie widerlegen kann. Folgerichtig lautet sein Verständnis eines rationalen Diskurses:

„Die Beweisführung muss aber umgekehrt werden: Zeigen Sie mir mal, dass das von mir beschriebene Phänomen nicht(!) existiert.“

Wenn ich Bernd Dahlenburg einen Kinderschänder nennen würde und von ihm verlangte, mir zu beweisen, dass er das nicht ist, so würde man ein solches Vorgehen zu Recht hochgradig unfair nennen. Genau dieses Vorgehen, nämlich die demagogische, verleumderische, völlig aus der Luft gegriffene Unterstellung, ist Dahlenburgs Methode der politischen Auseinandersetzung.

„Ich meine nicht Ihren Blog, keine Sorge.“

Oh, diese Sorge hatte ich schon deshalb nicht, weil Dahlenburg es generell und mit Methode vermeidet, konkrete Personen zu bezichtigen. Außerdem bereitet es mir keine Sorgen, wenn er sich lächerlich macht.

Er sagt nicht konkret, wen er eigentlich meint, aber er konkretisiert doch hinreichend, wen wir verdächtigen sollen: Nämlich jeden Islamkritiker, der „rechtsdeutsch“ und „stolznational“ ist. Indem er auf diese Weise mithilfe bloßer Spekulationen einen Verdacht streut, für den er genausowenig geradezustehen gedenkt wie ein anonymer Denunziant, zieht er die Verfassungstreue einer ganzen politischen Richtung in Zweifel. Mehr noch: Da er sie geradezu als eine Bewegung von Massenmördern im Wartestand darstellt, muss sich jedem Leser, der dies glaubt, der Gedanke aufdrängen, gegenüber Islamkritikern, sofern sie obendrein Patrioten sind, dürfe es keine Toleranz geben. Ich kann jedenfalls nicht erkennen, dass solche Unterstellungen, noch dazu wenn sie mit einem solchen Maß an demagogischer Tücke unter die Leute gebracht werden, etwas anderes bezwecken können, als das Recht auf freie Meinungsäußerung zur Disposition zu stellen.

Die Wirkungsweise gerade dieser Strategie, einer besonders miesen Variante linken Herrschaftsdiskurses, zielt vor allem auf einen Distanzierungseffekt ab: Unter der Herrschaft des Gerüchts und des Verdachts gilt die Beweislastumkehr, die Dahlenburg uns soeben vorgeführt hat:

Wer der Denunziation als Rechtsextremist entgehen will, muss sich von allem distanzieren, was die Priesterschaft der Political Correctness als „rechtsextrem“ gebrandmarkt hat, und zwar nach Kriterien, die sie willkürlich und nach Maßgabe der politischen Opportunität wechselt. Es handelt sich um linken McCarthyismus.

In „Der kalte Staatsstreich“ habe ich anhand des Verlaufs des Kölner Anti-Islamisierungs-Kongresses dargestellt, wie die politische Linke und ihre Vertreter in Politik, Medien und Verwaltungen systematisch die rechtsstaatlichen Sicherungen bürgerlicher Freiheitsrechte umgehen, um das Grundgesetz nach und nach zu entkernen, bis nicht mehr als eine Potjomkinsche Verfassungsfassade übrigbleibt.

Hier sehen wir nun denselben Vorgang auf der Ebene des politischen Diskurses: Die Regeln und Gesetze, die hier umgangen werden, sind die des rationalen Argumentierens. Es geht nicht um Überzeugung – wozu man sich auf Argumente, Tatsachen, Beweise, Logik stützen müsste. Es geht um Einschüchterung und Erpressung. Es geht um Verleumdung. Es geht darum, den Andersdenkenden zum Schweigen zu bringen. Es geht, mit einem Wort: um Herrschaft.

Mit Freiheit, Demokratie und Toleranz hat all dies selbstredend nichts zu tun, jedenfalls nicht im Sinne unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Diese ist ein System, in dem die bürgerlichen Freiheiten gelten, die vom Staat geschützt werden, in die auch nur er selbst eingreifen kann, und zwar nach Maßgabe von materiellen und Verfahrensnormen, einen Missbrauch dieser Eingriffsbefugnisse durch rechtliche Kontrolle verhindern.

Die politisch korrekte Linke dagegen versteht darunter ein System von Selbstermächtigungen „guter“ Menschen – in Wahrheit natürlich solcher, die sich bloß dafür halten -, „böses“ Gedankengut zu bekämpfen, und die sich dabei höchstens selber kontrollieren. Nochmal Dahlenburg:

„Drittens: Das ‚Argument‘, ich hätte etwas gegen Meinungsfreiheit, ist geradezu haarsträubend,…“

Es darf gelacht werden.

„…wenn Sie ein paar Proben von dem lesen, was ich schreibe. Ich kenne diese ‚Argumente‘, weiß, wie sie motiviert sind und kann sie richtig bewerten. (…)“

Mit anderen Worten: Es kommt nicht darauf an, ob Argumente richtig oder falsch sind, es kommt darauf an, „wie sie motiviert sind“, also von den politischen Werten und Zielen dessen, der sie vorbringt. Aber sonst hat er nichts gegen die Meinungsfreiheit.

Es liegt auf der Hand, dass ein solches linkes „Demokratieverständnis“ mit verfassungmäßigen Normen kollidieren muss. Genau deswegen muss die Verfassung ja auch unterlaufen und umgangen werden. So wie in Köln geschehen:

„Wenn Sie allerdings meine Haltung gegenüber Pro Kön als Angriff auf die Meinungsfreiheit deuten sollten, bräuchten wir nicht weiter miteinander zu reden.“

In der Tat: Ich sehe nicht ein, warum ich mit Leuten reden sollte, die sich an der Zerstörung der freiheitlichen Demokratie beteiligen.

Man sollte sich nicht von Dahlenburgs Behauptung irritieren lassen, er sei CSU-Mitglied. Sollte er das wirklich nominell sein, dürfte er jedenfalls wenig Rückhalt in der Partei haben.

Selbst wenn die CSU längst aufgehört hat, eine glaubwürdige Sachwalterin abendländischer Werte zu sein, so bleiben doch parteitypische Milieus über lange Zeit erhalten. Es gibt in jeder Partei bestimmte Mentalitäten, bestimmte Arten, sich zu geben, eine bestimmten Habitus, eine bestimmte Sprache. Da ich aus Bayern stamme, kenne ich die Mentalität von CSU-Leuten ganz gut. Und da ich außerdem von der politischen Linken stamme, kenne ich auch die dort vorherrschenden Mentalitäten. Lassen wir mal ein paar Dahlenburg-Sprüche Revue passieren:

„Rechtsdeutsch … Stolznationale … (t)deutsche Welt…wie Europa doch endlich zu einem ‚rechten‘ Kontinent mutieren soll… an ein Miteinander zwischen Kulturen denken … wenn alles ‚treudeutsch‘ abgewickelt sein wird … ihr Axiom immer genauso faszinierend blöd wie einfach: ‚Ausländer raus’…“

Das ist doch nie und nimmer die Sprache eines CSU-Mannes! Es ist auch nicht die Sprache eines ex-linken Konvertiten zum Konservatismus, wie ich einer bin. (So einer würde konservatives Gedankengut vielleicht kritisieren, aber nicht verleumden.). Nein, das ist eindeutig linke Sprache und linkes Denken, durch keinerlei selbstkritischen Zweifel gemildert.

Allein die Häufigkeit, mit der das Wort „deutsch“ als abwertende Bezeichnung für alles Mögliche verwendet wird, zeigt, dass der Verfasser solcher Zeilen mit dem CSU-Milieu denkbar wenig zu tun haben kann. Einer christlichen Partei, deren Vorsitzender uneheliche Kinder in die Welt setzt, muss man zwar allerhand zutrauen, aber nicht, dass sie akzeptiert, wenn eine Nationalitätsbezeichnung, noch dazu die des eigenen Volkes, offenbar gewohnheitsmäßig in der Manier von Rassisten als Schimpfwort gebraucht wird.

Nein, wer so redet, ist politisch im antideutschen Milieu zu verorten. Dass Dahlenburg gerade dies vehement abstreitet (und zwar bevor es ihm überhaupt einer unterstellen konnte!), kann man getrost als Lüge abtun.

Viele Arten zu töten

Da ich häufig pro-israelische Artikel schreibe und Antisemitismus vehement kritisiere, bleiben inhaltliche Übereinstimmungen mit jenem Spektrum nicht aus, das sich selbst „antideutsch“ nennt.

In meinen Ohren ist diese Bezeichnung freilich eine Selbstbezichtigung: Ich halte Patriotismus für eine ganz selbstverständliche Tugend und befinde mich damit in Übereinstimmung mit den Wertvorstellungen aller Zeiten, Völker und Kulturen seit Adam und Eva. Ausgenommen natürlich diejenigen Völker und Kulturen, die wegen ihres Selbsthasses untergegangen sind. Ausgenommen auch diejenigen Milieus linker Akademiker, die ihrem eigenen Volk dasselbe Schicksal bereiten wollen.

Daher klingt für mich kaum etwas abwegiger, ja abartiger, als wenn ein Deutscher seinen eigenen politischen Standort mit dem Wort „antideutsch“ umschreibt – das ist für mich so, als würde er sich als begeisterter und ideologisch gefestigter Kinderschänder offenbaren.

Ist aber der Wunsch, das eigene Volk möge nicht existieren, schon als solcher bizarr genug – und eine darauf gerichtete Politik eine solche des Völkermordes -, so möchte man seinen Anhängern doch wenigstens mehr Intelligenz wünschen. Es wäre jedenfalls intelligent, wenn sie diejenigen ihrer Anliegen, die per se nicht verwerflich sind (insbesondere ihre Solidarität mit dem Judentum im Allgemeinen und dem Staat Israel im Besonderen), nicht dadurch kompromittieren würden, dass sie den Eindruck erwecken, es gebe einen notwendigen inneren Zusammenhang zwischen einer projüdischen und einer antideutschen Einstellung, und wer mit dem Judentum sympathisiere, müsse zwangsläufig ein Feind Deutschlands sein.

Diese Denkfigur nämlich war und ist die Grundlage von deutschvölkischem Antisemitismus. Man kann den moralischen Konsequenzen dieser verbrecherischen Völkermordideologie nicht dadurch entgehen, dass man als Deutscher einfach die Seiten wechselt. Wenn Patriotismus überall auf der Welt in Ordnung sein soll, nur in Deutschland nicht, dann läuft dies darauf hinaus, das deutsche Volk für lebensunwert zu erklären, mindestens aber für ein Volk minderen Rechts. Statt an der Vernichtung des jüdischen an der des eigenen Volkes zu arbeiten ist aber keinen Deut moralischer oder weniger menschenverachtend. Der geistige Landesverrat, der darin liegt, Deutschfeindlichkeit als positiven Wert darzustellen, ist nicht einfach eine private Marotte, sondern bedeutet, eine genozidale Ideologie zu propagieren.

Der Begriff Völkermord ist nämlich nicht etwa eine quantitative Steigerung von Massenmord – auch wenn beides oft Hand in Hand geht -, sondern bezieht sich auf die Zerstörung des sozialen und kulturellen Zusammenhangs, der ein Volk konstituiert. Die direkte Tötung von Menschen ist daher nur eine von vielen Arten, ein Volk zu töten. Es gibt aber wirksamere Methoden, und zu diesen Methoden gehört, durch autorassistische Propaganda sein Selbstwertgefühl und seinen Selbstbehauptungswillen zu unterminieren.

„Antideutsch“ sind aber selbstverständlich nicht nur die, die sich ausdrücklich so nennen – das sind höchstens die ehrlicheren. Antideutsch sind auch die politischen und Medieneliten, die die übrigen Formen von ethnischer Kriegführung gegen die eigene Nation propagieren oder praktizieren. Die Liste ist unvollständig: Man kann das Volk ethnisch ausdünnen (lassen), man kann „Antidiskriminierung“ (also Diskriminierung von Einheimischen) betreiben, man kann Kriminelle, Extremisten und religiöse Fanatiker ins Land holen, man kann zusehen, wie der soziale Zusammenhalt in immer neuen Wellen von deren Kriminalität weggespült wird, man kann die Souveränität des Nationalstaats nach außen und des Rechtsstaats nach innen unterminieren, man kann die Institution der Familie erst verunglimpfen und dann zerstören, und man kann diejenigen, die sich gegen all das wehren, als Rechtsradikale verleumden und sie an den Rand der Gesellschaft drängen, und sogar über diesen Rand hinaus.

Nur weniges davon, um es mit Brecht zu sagen, ist in unserem Lande verboten.

Über die segensreichen Wirkungen von Islamunterricht, …

… erteilt von Milli Görüs, klärt uns Necla Kelek in ihrem Bericht an die Islamkonferenz auf. Der Bericht war bereits auf „Achse des Guten“ erschienen, dann aber wieder zurückgezogen worden, da er offenbar noch der Überarbeitung bzw. Ergänzung bedarf.

Es heißt keineswegs, der Achse vorzugreifen, wenn ich einige Kernpassagen aus dem elfseitigen Text schon einmal zitiere – lesenswert sind die ganzen elf Seiten, insbesondere auch die (hier nicht zitierten) Teile, wo Kelek mit der Politik der türkischen bzw. islamischen Verbände ins Gericht geht. Ursprünglich hatte ich vor, noch meinen Senf dazu zu geben, stellte aber fest, dass sich jeder Kommentar meinerseits erübrigt:

 

Am 22. April 2008 in Berlin besuchte die AG 1 Heinrich-Seidel-Schule in Berlin. Es ist eine Ganztagsgrundschule mit sechs Jahrgängen, von der 1. bis zur 6. Klasse. Die Schule liegt im sozialen Brennpunkt Wedding mit einem hohen Anteil türkischer und arabischer Familien. Der Ortsteil Wedding (in der Nähe von „Gesundbrunnen“) ist ein sozialer Brennpunkt von Berlin mit hoher Arbeitslosigkeit und hoher Kriminalitätsrate. 59 % aller Schüler sind finanziell bedürftig d.h. die Eltern beziehen Transferleistungen des Staates.  Die Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache oder „Migrationshintergrund“ machen zurzeit 92 % aller Schüler aus. Nur 8 % sind ethnisch deutscher Herkunft.

(…)

Die Schulleiterin stellte in ihrer einleitenden Stellungnahme fest, dass sich in den letzten zehn Jahren eine rasante Veränderung im Verhalten der muslimischen Kinder und Eltern gegenüber dem Schulsystem zeige. Es gehe nicht mehr darum, die Angebote der Schule wahrzunehmen, sondern „das religiöse Leben“ wie es in den Familien praktiziert wird auch in der Schule weiterzuführen.

Im Schulalltag sieht es dann so aus:
Besonders die muslimischen Kinder, die am Islamunterricht der Islamförderation teilnehmen, werden verhaltensauffällig..  Bereits nach wenigen Wochen Unterricht sollen Mädchen ab dem 6. und 7. Lebensjahr Kopftuch tragen, sie würden sich weigern, in der Klasse neben Jungen zu sitzen, und sollen Körperkontakt vermeiden etc.  Zur Information:  die den Religionsunterricht durchführende Islamförderation Berlin gehört zum Landesverband der IGMG Milli Görüs, die auf Bundesebene im Islamrat organisiert ist
In einer Englischstunde, so berichtet eine Lehrerin aus der vierten Klasse, sagte ein Schüler zu seiner Lehrerin: „Ich weigere mich, eine Christensprache zu lernen“. Er meinte Englisch als Sprache der Christen. Als die Lehrerin das Vokabellernen fordert und für den Verweigerungsfall schlechte Noten ankündigt, wurde ihr von Schülern entgegnet: „Wenn Sie mich hier unter Druck setzen, werde ich rechtliche Maßnahmen ergreifen.“ Als die Lehrerin nachsetzte, bekam sie die Antwort: „Du bist ausländerfeindlich.“

Die Teilnahme an der Schulverpflegung verweigern einige Kinder mit dem Hinweis: „Wir können nicht Essen zu uns nehmen, das in Töpfen hergestellt wurde, die verunreinigt worden sind. Darin ist Schweinefleisch gebraten worden“. Zunehmend beteiligen sich Kinder am Ramadan, am Fasten der Moslems, mit der Folge, dass sie während dieser Zeit unkonzentriert sind, dass sie trockene Lippen bekämen, weil sie nicht trinken und dass sie kaum noch dem Unterricht folgen könnten. Sie müssten aber fasten, mit der Begründung, „…sonst werde ich von Allah bestraft“. Die Schüler, die das Fasten verweigern, würden besonders von religiösen Schülern unter Druck gesetzt.

(…)

Die Kinder würden auffällig im Unterricht Müdigkeit zeigen, sie könnten sich nicht mehr gut konzentrieren, und sich von den nichtmuslimischen Kindern abwenden. Bereits nach zwei, drei Wochen der Teilnahme am Islamunterricht würden Mädchen Kopftücher tragen.  Sie wollen nicht mehr neben den Jungen sitzen und bei bestimmten Spielen, die im Unterricht angeboten werden, weigerten sie sich, Jungen an den Händen anzufassen. Das bedeutet, dass sie sehr früh lernen, sich von den Jungen fern zuhalten. Die Kopftücher würden mit Stecknadeln befestigt, so dass sie wegen der Verletzungsgefahr nicht mehr frei im Schulhof, wie andere Kinder toben könnten.

(…)

Auffällig sei, dass die Kinder kaum etwas über ihre Umgebung außerhalb ihrer Wohnstrassen und nichts über die Stadt selbst wüssten. Der Erfahrungshorizont sei sehr begrenzt, den Kindern würden in den Familien keinerlei Anreize geboten, die über Verwandtenbesuche oder Dauerfernsehen hinausgingen. Die Anfälligkeit für religiöse Indoktrination sei hingegen hoch. Dies äußere sich auch bei sog. religiösen Kettenbriefen, wo apokalyptische Szenarien vorgeführt werden, die Angst auslösten.

Nicht wenige Kinder hätten die Grundvorstellung, „Bei der Geburt sind alle Menschen Muslime und fallen erst später davon ab und ordnen sich anderen Religionen zu und werden so zu Ungläubigen.“

Auch manche Äußerungen gegenüber Lehrern sind rassistisch, wie zum Beispiel: „Ich mag Dich eigentlich und ich werde auch gerne von Dir unterrichtet, obwohl Du ein Deutscher bist!“ Auch berichteten die Lehrer, dass der Ausdruck „Du Christ“ von den muslimischen Kinder als Schimpfwort benutzt würde.

(…)

Seyran Ateş: „Der Multikulti-Irrtum“

(Rezension)

  

Die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ateş ist bekannt als engagierte Kritikerin der Zustände in türkischen und kurdischen Parallelgesellschaften in Deutschland; als Kritikerin von Ehrenmorden, Zwangsverheiratungen, ehelichen Vergewaltigungen, Verschleppungen von Frauen und Kindern und der schier allgegenwärtigen körperlichen Gewalt innerhalb muslimischer Zuwanderungsfamilien. Sie hat vor Gericht unzählige Opfer solcher Praktiken, meist Frauen, vertreten.

Entsprechend oft bekommt sie Morddrohungen aus dem Milieu, hat körperliche Angriffe, darunter einen Mordanschlag, überlebt, sah sich massiven Hetzkampagnen der türkischen Presse (speziell „Hürriyet“) ausgesetzt und wird von sogenannten Migrationsforschern verleumdet, die die Ursachen für migrationsbedingte Probleme überall suchen, nur nicht bei den Migranten selbst.

In ihrem Buch „Der Multikulti-Irrtum“ setzt sie sich mit den genannten Missständen auseinander, wobei die Situation muslimischer Frauen im Mittelpunkt steht. Sie führt die Probleme zurück auf

– patriarchalisch-autoritäre Familienstrukturen die vom Herrschaftsanspruch des Patriarchen ausgehen, den dieser auch mit Gewalt durchsetzen darf, ja beinahe muss,

– den sozialen Druck, der von der Großfamilie, aber auch vom türkischen Milieu insgesamt ausgeht und die Einhaltung traditioneller Normen erzwingt,

– einen ihrer Meinung nach falsch verstandenen, in jedem Falle aber unzeitgemäßen Islam,

– den geringen Bildungsstand der meisten Türken in Deutschland,

– einen mittelalterlich anmutenden Jungfräulichkeitskult, der muslimische Männer geradezu verpflichtet, ihre Frauen, Töchter und Schwestern wegzusperren, zu kontrollieren oder ihnen zumindest das Kopftuch aufzuzwingen und

– eine auf die Spitze getriebene „Mannesehre“, die von der Unterdrückung der Frau abhängt und sich in ihr äußert.

Sie behauptet natürlich nicht, dass es in allen Familien so zugeht; genaue Zahlen sind schwer zu bekommen, nicht zuletzt wegen der segensreichen Tätigkeit besagter „Migrationsforscher“; immerhin lassen die vorhandenen Daten den Schluss zu, dass die obige Beschreibung auf mindestens ein Drittel des Milieus zutrifft, und das ist noch optimistisch geschätzt.

Dabei zeigt sich eine deutliche Tendenz zur Verfestigung dieser Parallelgesellschaften. Ateş kritisiert vehement die Bereitschaft der deutschen Gesellschaft, insbesondere der Behörden und Gerichte, solche Missstände hinzunehmen oder aus falsch verstandener kulturrelativistischer Toleranz zu verharmlosen. (Multikulti-Ideologen sind ihre Lieblingsfeinde, daher der Titel des Buches).

Sie behauptet allerdings auch, der Rückzug in die Parallelgesellschaft sei nicht nur der Gleichgültigkeit der deutschen Gesellschaft anzulasten, sondern auch ihrem Mangel an Bereitschaft, Menschen ausländischer Herkunft, speziell Moslems, überhaupt als Teil der deutschen Gesellschaft zu akzeptieren („Wann kehren Sie in ihre Heimat zurück?“).

Sie plädiert dafür, dass Migranten sich an dem orientieren, was sie die „europäische Leitkultur“ nennt – sprich an Menschenrechten, Demokratie, Toleranz, Gleichberechtigung der Geschlechter, Trennung von Politik und Religion. Und dafür, dass der deutsche Staat alle Register zieht, um sowohl mit gesetzlichem Zwang (einschließlich des Kopftuchverbotes) als auch mit umfassenden Hilfsangeboten von Lehrern, Sozialarbeitern, Beratungsstellen usw. die Respektierung dieser Normen zu erzwingen.

Von muslimischen Migranten sei zu verlangen, ihren Islam zu reformieren, ihn zeitgemäß in einem rein spirituellen Sinne zu leben und speziell diejenigen islamischen Normen über Bord zu werfen, die mit der Demokratie unvereinbar seien. Es komme für sie darauf an, eine „transkulturelle Identität“ zu entwickeln – also gleichermaßen Europäer wie türkische Muslime zu sein, wobei von der islamischen Identität eben die illiberalen und gewalttätigen Züge abzuziehen seien, wohingegen es gelte, die türkische bzw. kurdische Muttersprache zu pflegen.

Der aufmerksame Leser, der meine sonstigen Texte kennt, wird schon an diesem lustlosen Referat gemerkt haben, dass ich von Ateşs Thesen nicht gerade erbaut bin.

Natürlich hat sie mit vielem Recht: mit ihrer Polemik gegen Multikulti-Ideologen, ihrer Kritik an der Unterdrückung muslimischer Frauen, ihrem Plädoyer für die Auflösung der Parallelgesellschaften, ihrem Insistieren darauf, dass ein demokratischer Staat die Menschenrechte zu verteidigen hat, auch die von muslimischen Frauen, und dass er nicht die Einführung der Scharia durch die Hintertür dulden darf. Auch die Vielzahl der von ihr angeführten Beispiele macht das Buch allemal lesenswert, und manch einer fragt sich vielleicht, was ausgerechnet ich gegen eine so profilierte Islamkritikerin einzuwenden habe.

Im Unrecht ist sie nicht mit ihrer Kritik, sondern mit dem, was ihr positiv vorschwebt. Das beginnt mit ihrem Selbstverständnis:

„‚Deutschländer‘, so werden … die in Deutschland lebenden Türken in der Türkei genannt. Der Begriff war in erster Linie negativ gemeint, ich finde ihn allerdings sehr zutreffend für Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben, ohne auf eine lange Familiengeschichte in Deutschland zurückzublicken. Man könnte ja anfangen, ihn positiv zu besetzen. ‚Deutschländer‘ gefällt mit jedenfalls um einiges besser als alle anderen Varianten. Ich persönlich kann mich recht gut mit ihm identifizieren – auch wenn es eine Würstchensorte gibt, die so heißt. In dem Begriff ‚Deutschländer‘ ist Deutschland enthalten, das Land, in dem wir leben, und er betont die Zugehörigkeit zu diesem Land, zu seiner Gesellschaft.“ (S.26 f.)

Zum Land ja. Zur Gesellschaft ja. Zur Nation – nein!

Deutschland, das sagt sie oft genug, ist ihre Heimat, aber die Deutschen, das sagt sie, indem sie es nicht sagt, sind nicht ihre Nation. Sie wird lieber mit einem Würstchen verwechselt als für eine Deutsche gehalten. (Meinetwegen auch für eine türkischstämmige Deutsche – in Zusammenhängen, in denen es darauf ankommt.)

Seyran Ateş leistet rühmenswerte Arbeit, und das seit Jahrzehnten. Sie kämpft für die Menschenrechte und für die Werte „unseres Grundgesetzes“ (Ja, sie sagt „unser Grundgesetz“). Sie riskiert sogar ihr Leben dafür. Ohne Zweifel gereicht sie unserer Gesellschaft zur Zierde. Wenn so eine partout keine Deutsche sein will – wer eigentlich dann?

(Komplementär dazu verwendet sie den Begriff „Urdeutsche“ für

„die Deutschen, die vor der Gastarbeiteranwerbung in den 60er Jahren bereits seit mehreren Generationen in Deutschland lebten“ (Anm. 2, S.277)

Ungeachtet der präzisen Definition finde ich dies sprachlich reichlich verunglückt. Unter einem „Urdeutschen“ stelle ich mir eine pittoreske, knorrig-romantische Figur vor, mit der man Grimms Märchen verfilmen könnte, und fühle mich leicht veralbert, wenn man mich so tituliert.)

Ähnliche Bauchschmerzen bereitet mir der Begriff der „europäischen Leitkultur“. So etwas gibt es zwar, aber die kulturelle Sprache Europas kennt mindestens ebenso viele Dialekte, wie es europäische Nationen gibt, und sie existiert auch nur in Gestalt dieser Dialekte, nicht etwa als Hochsprache. Mehr noch: Zur europäischen Leitkultur gehört unabweisbar der Gedanke der Nation! Unsere Staaten sind Nationalstaaten und nicht bessere Verwaltungseinheiten, deren Grenzen man ebensogut auch anders hätte ziehen können.

Eine Nation aber ist nicht etwa die Summe ihrer Staatsbürger, sondern die zwischen ihnen bestehende Solidarität, die – zumindest als Idee und als Norm – der Demokratie im europäischen Sinne zugrundeliegt. Die Nation ist ein politischer Solidarverband. Sie ist ein Wir.

Da hilft es auch nicht, sich nach „Europa“ zu flüchten: Selbst ein europäischer Bundesstaat, wenn er denn von den Völkern gewollt würde, könnte nur die Solidarität zwischen den europäischen Nationen organisieren und institutionalisieren, nicht aber die innerhalb der Nation ersetzen. (Und die Europäische Union wird keine Zukunft haben, wenn sie die Nationen weiterhin als lästiges Relikt aus der Vergangenheit behandelt; Nationalismuskritik war nach den Exzessen des zwanzigsten Jahrhunderts weiß Gott angebracht, aber sie darf einen nicht dazu verleiten, das Kind mit dem Bade auszuschütten.)

Mit „Kultur“ hat die Zugehörigkeit zu einer Nation zunächst nicht viel zu tun: Die Alemannen dies- und jenseits des Bodensees unterscheiden sich kulturell so gut wie gar nicht, gehören aber verschiedenen Nationen an. Umgekehrt gibt es allein schon aufgrund der Ausdifferenzierung unterschiedlicher Lebensstile große kulturelle Unterschiede innerhalb einer Nation, ohne dass deren Charakter als Wir-Gruppe dadurch in Frage gestellt würde.

So gesehen wäre auch gegen Ateşs Konzept der „transkulturellen Identität“ – also gegen das Zuhausesein in verschiedenen Kulturen – nichts einzuwenden, wenn sie nicht ihren türkischen Identitätsanteil gegen die Zugehörigkeit zur deutschen Nation ins Feld führte, und dies nicht als private Einstellung, sondern als gesellschaftliches Leitbild. Und wenn – ja, wenn die ihrer Meinung nach zu pflegende Herkunftskultur nicht ausgerechnet eine islamische wäre:

Seyran Ateş beschreibt ebenso anschaulich wie eindrucksvoll, dass viele Muslime unter dem Diktat der öffentlichen Meinung ihrer Gesellschaft bzw. Parallelgesellschaft leben; da muss schon mal die Frau weggesperrt werden, weil der Clan oder der Nachbar sonst denken könnte, man sei kein „richtiger Mann“. Und tragikomisch ist, wenn sie schreibt, wie auf Seiten ihrer Mandanten wie auch der Prozessgegner ganze Großfamilien, Freunde, Nachbarn in den jeweiligen Fall hineinreden.

Was sie nicht wahrzunehmen scheint, ist die Verankerung solchen Verhaltens in der islamischen Ethik, die – juristisch formuliert – ein objektivrechtliches Normensystem ist: Verwerflich ist nicht, was einem Anderen schadet – so würden wir das sehen -, sondern was gegen objektive Normen, letztlich gegen den Willen Allahs, verstößt.

Ein solcher Verstoß geht dann in der Tat Jeden etwas an, und Jeder muss sich auch zuvörderst Gedanken darüber machen, „was die Leute sagen“. Ateş argumentiert wortreich, dass man den Koran in vieler Hinsicht – etwa bei der Verschleierung oder beim Alkoholverbot – auch liberaler auslegen könnte, als es traditionell geschieht. Das ist richtig, ist aber nicht der springende Punkt. Kulturell entscheidend ist, dass nicht die ethische Einsicht des Einzelnen, sondern die gesellschaftlich vorherrschende Interpretation des Islam – und sei sie noch so liberal – den Maßstab dafür abgibt, was verwerflich ist und was nicht.

Daran wird m.E. auch ihre Forderung scheitern, den Islam auf seine rein spirituellen Dimensionen zurückzustutzen. Jeder Einzelne für sich kann das natürlich tun – sofern er eine starke Persönlichkeit wie Seyran Ateş ist. Kann man sich aber ernsthaft vorstellen, dass eine solche Interpretation, die den Koran als Richtschnur des Handelns zur Disposition stellt und deshalb von neunzig Prozent aller Muslime weltweit als Kufr abgelehnt werden dürfte, von der Mehrheit der hiesigen Muslime als Leitbild akzeptiert wird?

Wenn es dafür überhaupt eine Chance geben soll, dann ist die Identifikation mit der deutschen Nation und das Ende der Identifikation mit der Herkunftskultur geradezu die Voraussetzung dafür: Wer sich – und sei es nur „unter anderem“ – als Angehöriger der türkischen Kultur fühlt, schaut immer mit einem Auge in den Rückspiegel. Einem muslimischen Deutschen kann es völlig egal sein, ob man ihn in Anatolien für einen „Ungläubigen“ hält, einem „Deutschländer“ aber nicht.

Die meisten Menschen haben ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einem Großkollektiv. Und wer seine Identität nicht in der Zugehörigkeit zur Nation sucht und findet, der sucht und findet sie eben anderswo, notfalls in der Umma.

Dabei ist kaum zu erkennen, was von der türkisch-islamischen Kultur eigentlich übrigbleibt, wenn man alles abzieht, was Ateş gerne abgezogen sehen möchte, nämlich die Dominanz der Familie über den Einzelnen, den türkischen Nationalismus, die Verbindlichkeit islamischer Normen, den Machismo, die Bereitschaft zur privaten Gewaltanwendung.

Was bleibt da übrig?

Orientalische Musik, Lammhaxe statt Schweinshaxe, Interesse an türkischer Literatur und Geschichte, ein wenig Folklore. Nichts, was nicht auch einem aufgeschlossenen Deutschen einfallen könnte. Nichts, was man nicht als Privatsache behandeln könnte. Und vor allem nichts, was die Verrenkungen rechtfertigen würde, die Ateş aufführt, um nur ja keine Deutsche zu sein.

Selbstverständlich erwartet kein Mensch von eingebürgerten Ausländern, vom Moment der Einbürgerung an deutsch zu tümeln, oder rund um die Uhr „dessen eingedenk zu sein, dass sie Deutsche sind“ – das tun wir doch Alle nicht. Dass sie sich aber als Teil der Nation verstehen, sprich als Deutsche, und nicht als Gruppe mit Sonderstatus in der Nation, sprich als „Deutschländer“: Das ist – zumindest als Norm – eine Selbstverständlichkeit. Es ist so selbstverständlich, dass es einem kaum noch bewusst ist. Ateş aber, die sonst den gesamten Katalog westlicher Werte akzeptiert, lässt ausgerechnet das Konzept „Nation“ unter den Tisch fallen.

Das gibt zu denken. Möglicherweise haben die Islamisten wieder einmal auf ihre Art Recht, wenn sie den säkularen Nationalismus als unislamisches Importgut ablehnen. Zwar hat der Nationalismus auch in der islamischen Welt Fuß gefasst – wir kennen ihn etwa als türkischen, persischen, pakistanischen und (pan-)arabischen Nationalismus.

Dies alles sind aber Völker mit überwältigender muslimischer Mehrheit. Dagegen ist mir kein einziger Fall bekannt, wo Muslime als Minderheit sich mit der Nation als primärer politischer Gemeinschaft identifizieren. Ich vermute, dass die Prägung durch islamische Wertvorstellungen, insbesondere durch das Gebot der innermuslimischen Solidarität, so dominant ist, dass es selbst für säkulare und liberale Muslime wie Ateş buchstäblich undenkbar ist, einer nichtmuslimischen politischen Wir-Gruppe anzugehören und diese Zugehörigkeit als Teil der eigenen Identität aufzufassen.

Bezeichnend ist auch, dass sie es nicht für erforderlich hält, uns „Urdeutsche“ mit Argumenten davon zu überzeugen, dass wir ein Interesse haben sollen, den „Deutschländern“ die politische Gleichberechtigung zuzuerkennen, wenn deren Loyalität unserer Nation gegenüber bestenfalls zweifelhaft ist, sie einer Religion angehören, die man nur unter erheblicher Geistesakrobatik halbwegs verfassungskonform zurechtbiegen kann, aus deren Mitte daher immer wieder Extremisten und Verfassungsfeinde hervorgehen werden, und von denen zu erwarten ist, dass sie vor allem untereinander solidarisch sind – gegebenenfalls in Form einer Solidarität der „Transkulturellen“ – gegen die Mehrheitsgesellschaft.

Dies auch dann, wenn der von Ateş favorisierte Euro-Islam tatsächlich die dominierende Option unter hiesigen Muslimen wäre.

Ohne uns „Urdeutsche“ also davon zu überzeugen, dass wir daran ein Interesse haben, fordert sie, Deutschland solle sich nicht nur als „Zuwanderungsgesellschaft“, sondern als „Einwanderungsgesellschaft“ definieren, so wie die USA und Kanada, damit auch Muslime sich willkommen fühlen und nicht die Hürde nehmen müssen, sich als Deutsche zu verstehen.

Wenn sie die nordamerikanischen Länder als Vorbild heranzieht, dann übersieht sie einen wesentlichen Punkt: Deren Selbstverständnis als Einwanderungsgesellschaft ist Teil ihrer nationalen Identität (weil diese Nationen ohne Einwanderung gar nicht existieren würden). Wer aber von den Deutschen (oder irgendeiner anderen europäischen Nation) fordert, ihr nationales Selbstverständnis zu korrigieren und sich als „Einwanderungsgesellschaft“ zu verstehen, sollte sich darüber im Klaren sein (und so ehrlich sein zuzugeben), dass die Änderung einer Kollektividentität kaum anders zu bewerkstelligen ist als durch die ideologisch motivierte und politisch oktroyierte Vergewaltigung der Mehrheitsgesellschaft.

Das Ergebnis dieser Vergewaltigung – das hat gerade Ateşs Argumentation deutlich genug gezeigt – wäre nicht eine neue nationale Identität, sondern eine nichtnationale Identität der Nation, also ein Widerspruch in sich. Die deutsche Nation, darauf läuft es hinaus, soll als solche aufhören zu existieren.

 

Die Kollaborateure des Djihad

Wenn ich meine Spülmaschine reparieren lasse, einen Anwalt konsultiere, ein Taxi nehme, mit einem Anlageberater spreche, kurzum: wenn ich eine Dienstleistung in Anspruch nehme, die ein gewisses Expertenwissen voraussetzt, dann bin ich darauf angewiesen, dem „Experten“ ein gewisses Vertrauen entgegenzubringen, insbesondere mich auf seine Kompetenz und Integrität zu verlassen. Einen Missbrauch dieses Vertrauens nennt man Täuschung, und, sofern strafrechtlich relevant, Betrug.

Auch die Gesellschaft als Ganze ist auf solche Dienstleistungen angewiesen, insbesondere auf solche der Medien und der Wissenschaft. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, nicht getäuscht oder manipuliert zu werden.

Das heißt ja nicht, dass Wissenschaftler oder Journalisten keinen politischen Standort haben oder den nicht zum Ausdruck bringen dürften. Es gibt aber eine rote Linie, jenseits derer Journalismus und Wissenschaft zu Propaganda und Meinungsmache entarten, und die wird spätestens dort überschritten, wo der geltende professionelle Standard nicht eingehalten, seine Einhaltung aber vorgetäuscht wird.

Der „Tagesspiegel“ vom vergangenen Samstag berichtete über eine Studie des amerikanischen Islamwissenschaftlers John Esposito von der Georgetown University, die, gestützt auf eine Gallup-Umfrage unter 50.000 Muslimen in 35 Ländern, unter anderem zu dem Schluss kommt, 93 Prozent aller Muslime seien „politisch moderat“, eine Mehrheit befürworte die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Demokratie, und die Abneigung gegen den Westen sei auf dessen mangelnden Respekt gegenüber dem Islam zurückzuführen. Der Verfasser des Artikels, Martin Gehlen, zieht daraus den Schluss, Vorbehalte gegenüber dem Islam seien „offensichtlich“ wenig begründet.

Es gehört zu den selbstverständlichen Standards sauberen Journalismus, bei der Berichterstattung über gesellschaftwissenschaftliche Studien den Leser darauf hinzuweisen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass außerwissenschaftliche Interessen im Spiel sein könnten. So ist es zum Beispiel üblich, bei wirtschaftswissenschaftlichen Veröffentlichungen die Arbeitgeber- bzw. Gewerkschaftsnähe des betreffenden Instituts zu erwähnen.

Entsprechend wäre es Gehlens Pflicht gewesen, den Leser (der das nicht wissen kann) darauf aufmerksam zu machen, dass Esposito an der Georgetown University das „Prince Alwaleed bin Talal Center for Muslim Christian Understanding“ leitet; und wenn er besonders gründlich recherchiert hätte, wäre er auch darauf gestoßen, dass dieses Institut seinen Namen sowie Finanzmittel in Höhe von 20 Mio. Dollar einem Mitglied der saudischen Königsfamilie verdankt, dass Esposito und sein Institut seit Jahren eine politische Agenda verfolgen, und dass diese Agenda darin besteht, den Islam möglichst gut aussehen zu lassen. Diesen sachlich relevanten Hintergrund nicht einmal anzudeuten ist eine Irreführung, die kaum weniger schwer wiegt als eine direkte Lüge.

Ein vierspaltiger (!) Artikel auf Seite 2 (!) erweckt den Eindruck, der Autor habe die Studie gelesen und sich mit ihrem Inhalt auseinandergesetzt. Auch dies eine Irreführung, die einer Lüge gleichkommt: Tatsächlich ist die Studie erst am vergangenen Dienstag (drei Tage vor Redaktionsschluss 29.02.08) veröffentlicht worden, im Internet nicht verfügbar und wird erst im März im Buchhandel erhältlich sein; Gehlen kann sie gar nicht gelesen haben. Die verfügbaren Informationen beruhen allem Anschein nach auf der Eigenwerbung Espositos und der Georgetown University und den darauf bezogenen Pressemitteilungen. Nichts hätte dagegen gesprochen, das Erscheinen der Studie abzuwarten und sie dann gründlich zu besprechen; die Vorab-Lobhudelei ist das journalistische Äquivalent des vorzeitigen Samenergusses.

Ungefähr die Hälfte des Artikels ist mit – durchweg zustimmenden – Stellungnahmen von Islamwissenschaftlern gefüllt; hier wird – wiederum irreführend – der Eindruck erweckt, es habe eine breite wissenschaftliche Rezeption der Studie gegeben, die es nicht gegeben haben kann, siehe oben, und es bestehe ein zustimmender Konsens der Wissenschaft. Letzterer Eindruck wird dadurch erzeugt, dass kein einziger Gelehrter mit islamkritischem Profil befragt wird. Auch dies eine Täuschung des Lesers.

Dabei weisen schon die wenigen bekannten, teilweise von Gehlen selbst aufgeführten Ergebnisse Espositos Studie als ein wissenschaftlich zweitklassiges Machwerk aus:

So seien 7 Prozent der Muslime „politisch radikalisiert“, während 93 Prozent „politisch moderat“ seien. Unter den „Extremisten“ liege die Zustimmung zur Demokratie aber bei 50 Prozent. Einem Kind muss auffallen, dass ein „demokratischer Extremist“ ein schreiender Widerspruch in sich ist! (Herrn Gehlen fällt es nicht auf.) Hier stellt sich die Frage, ob die Begriffsdefinitionen überhaupt der gängigen politikwissenschaftlichen Begrifflichkeit von „Demokratie“ bzw. „Extremismus“ entsprechen. Aus anderen Quellen erschließt sich, dass als „extremistisch“ eingestuft wird, wer Terrorismus, insbesondere die Terroranschläge des 11. September gutheißt. Nach einer solchen Definition aber wären nicht einmal Kommunisten als extremistisch einzustufen! Die großen marxistischen Parteien nämlich haben Terrorismus als Mittel der Revolution traditionell immer abgelehnt. Es handelt sich offensichtlich um eine Ad-hoc-Definition, die von ideologischen Inhalten völlig absieht. Gerade auf diese Inhalte kommt es aber bei der Definition von „extremistischen“ im Unterschied und Gegensatz zu demokratischen Positionen entscheidend an.

Mehr noch: Es wird der Eindruck erweckt, als sei von „Extremismus“ in unserem westlichen Verständnis des Wortes die Rede, während der Definition in Wahrheit das islamische Verständnis zugrundeliegt. Nach islamischem Verständnis ist selbstverständlich kein Extremist, wer die Steinigung von Ehebrecherinnen, die Diskriminierung von Christen, die Todesstrafe für Apostaten und die Ermordung islamkritischer Schriftsteller – mit einem Wort: die Geltung der Scharia – befürwortet.

Was würde man eigentlich von einem Antisemitismusforscher halten, der die Verbreitung antisemitischer Einstellungen daran messen wollte, ob die Frage „Sind sie Antisemit?“ mit „Ja“ beantwortet wird, und der aus den Ergebnissen schließen würde, 99 Prozent der Deutschen hätten keine antisemitischen Vorbehalte? Man würde ihn für einen einfältigen Narren halten, der das Abfragen von Lippenbekenntnissen mit Wissenschaft verwechselt. Für den Sozialwissenschaftler kommt es aber gerade darauf an, solche Bekenntnisse kritisch zu hinterfragen. Also nicht, wie offenbar Esposito, zu fragen: „Sind Sie für die Demokratie?“, sondern zu fragen: „Soll der Gesetzgeber an Koran und Scharia gebunden sein?“, „Sollen Andersgläubige ihren Glauben frei praktizieren dürfen?“. Nicht zu fragen: „Sind Sie für die Gleichberechtigung von Mann und Frau?“, sondern „Sind Sie für die Gleichberechtigung auch dann, wenn es dem islamischen Recht widerspricht?“ oder „Wären Sie damit einverstanden, dass Ihre eigene Frau berufstätig ist?“. Nur einmal als Beispiele dafür, wie ein kritischer Sozialwissenschaftler fragen würde.

(Und man sollte auch ins Grübeln kommen, wenn Muslime ihre Abneigung gegen den Westen mit dessen „Mangel an Respekt gegenüber dem Islam“ begründen. Wenn dreitausend Moscheen allein in Deutschland gegen null Kirchen in Saudi-Arabien ein Zeichen von mangelndem Respekt sind: Wie haben wir uns den von Muslimen erwarteten „Respekt“ dann eigentlich vorzustellen? Und welches Verständnis von Meinungsfreiheit und individueller Autonomie offenbart ein Sozialwissenschaftler, der „mangelnden Respekt“, also ein Gefühl, als etwas Böses brandmarkt, das es zu bekämpfen gelte? Und schließlich: Was um alles in der Welt soll ich denn am Islam respektieren?)

Und nicht zuletzt zeigt sich die ideologische Disposition der Befragten, aber auch der sie befragenden Wissenschaftler, am Verhältnis zum Existenzrecht Israels (weil dieses Existenzrecht eben unter Berufung auf islamisches Recht bestritten wird). Wenn man schon die Zustimmung zu Terrorismus zum Lackmustest für Extremismus macht, warum dann nur die Anschläge des 11. September? Warum stellt man nicht die Frage, ob der Befragte Terrorismus gegen Israel befürwortet? Offensichtlich deshalb, weil dann Ergebnisse herauskommen würden, die zum Bild des „moderaten Islam“ nicht passen würden. Die Ermordung von Juden zu befürworten ist in den Augen Espositos und seiner Claqueure offenbar kein hinreichendes Indiz für „politischen Extremismus“.

Im übrigen ist es ein allgemein bekanntes Problem der Umfragesoziologie, dass Befragte dazu neigen werden, diejenigen Antworten zu geben, von denen sie glauben, dass der Interviewer sie hören möchte, und es gehört zur wissenschaftlichen Sorgfalt, diesen Störfaktor so weit wie möglich auszuschalten. Methodenlehre, zweites Semester.  Und nun stelle ich mir vor, ein Interviewer stellt sich als Vetreter eines amerikanischen Meinungsforschungsinstituts vor (eben Gallup), und fragt: „Befürworten Sie die Anschläge des 11. September?“ Da erübrigt sich jeder Kommentar.

Auf dieser Linie etwa wird sich die wissenschaftliche Kritik bewegen. Der deutsche Zeitungsleser wird davon aber nichts mehr erfahren. Was ihm im Gedächtnis haften bleiben wird, ist, dass 93 Prozent aller Muslime politisch moderat und Vorbehalte gegen den Islam offensichtlich unbegründet seien.

 

 

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Djihad“

Die Daumenschraube wird weitergedreht

Nun schreibe ich schon einen ellenlangen Artikel über Sport, um mir mal eine Islam- und Türkenpause zu gönnen. Leider ist dieses Thema ungefähr so leicht zu ignorieren wie ein knatternder Presslufthammer nachts unter dem Schlafzimmerfenster. (Ein solcher fiele in der Diktion der Political Correctness vermutlich auch unter das Stichwort „Kulturelle Bereicherung“ – sofern er von einem Muslim gehandhabt würde.) Also schön – das Wort hat die Türkische Gemeinde in Deutschland:

NACH DEN BRANDANSCHLÄGEN MUSS ES EINE NEUAUSRICHTUNG DER POLITIK GEBEN Nach einer Reihe von Brandanschlägen, brachte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Kenan Kolat, die ernsthaften Sorgen der türkeistämmigen Bewohner/innen Deutschlands zum Ausdruck und verlangte eine Neuausrichtung der Integrationspolitik. Kolat stellte folgende Grundsätze für einen neuen Ansatz in der Integrationspolitik vor: 1) Die Sicherheitskräfte müssen intensiver vorbeugend tätig werden. Die Sicherheitskräfte in der Bundesrepublik müssen ihre vorbeugende Tätigkeit intensivieren. Zur Stärkung des Vertrauens der türkeistämmigen Bevölkerung muss die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit Organisationen der türkischstämmigen Community ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang müssen mehr Menschen mit Migrationshintergrund ausgebildet und eine 10-%- Einstellungsquote umgehend eingeführt werden. 2) Es muss gegenseitiges Vertrauen hergestellt werden. Die Führungspersönlichkeiten der deutschen und der türkischstämmigen Gesellschaft müssen ihre Beziehungen intensivieren und Zeichen für ein friedliches Zusammenleben gemeinsam setzen. Der von Menschen mit Migrationshintergrund für diese Gesellschaft geleistete und zu leistende Beitrag muss hervorgehoben werden. Um diesen Beitrag zu steigern müssen öffentliche Institutionen die notwendige Unterstützung leisten. 3) Anstelle einer sog. Integration müssen gleiche Rechte und Partizipation im Vordergrund stehen. Wo es keine Partizipation gibt, fühlen sich die Menschen ausgegrenzt. Wenn das System die Menschen nicht einbezieht, nehmen diese das System nicht an. Deshalb ist die politische Partizipation von herausragender Bedeutung. In diesem Kontext sind den Menschen mit Migrationshintergrund das kommunale Wahlrecht und die Mehrstaatigkeit unbedingt zu gewähren. Kulturelle Partizipation wird die Menschen in die Lage versetzen, ihre kulturellen Werte in eine positive Richtung weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass die türkische Sprache an den Schulen gelehrt und Türkisch als 2. Fremdsprache bis zum Abitur angeboten wird; es muss auf jegliches Sprachverbot an Schulen verzichtet werden. Auch ist Islam-Unterricht an Schulen Teil der kulturellen Partizipation. Bildungspartizipation ist unverzichtbar. Leider lässt der Bildungserfolg türkischstämmiger Kinder und Jugendlicher viel zu wünschen übrig. Das hat verschiedene Ursachen. Das Bildungssystem in seiner heutigen Form verhindert den Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund. Auch die Partizipation am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren rückläufig. Die Türkische Gemeinde in Deutschland fordert eine 10-%-Quote am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. 4) Es muss ein politischer Ehrenkodex verabschiedet werden Es muss Schluss sein mit der Instrumentalisierung von Migrant/innen in Wahlkämpfen. Um dies zu gewährleisten sollten alle Parteien und Organisationen sich auf einen „politischen Ehrenkodex“ einigen und diesen abzeichnen. Verstöße dagegen müssen öffentlich gemacht werden. 5) Programme zur Bekämpfung von Rassismus müssen weiterentwickelt werden. Die öffentlich geförderten Programme zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit müssen ausgeweitet, ihre Resultate öffentlich diskutiert werden. Darüberhinaus müssen die Migrantenorganisationen in die Konzeption aktiv eingebunden werden und an Schulen interkulturelles Leben als Pflichtfach eingeführt sowie internationale Austauschprogramme zum gegenseitigen Kennenlernen entwickelt werden.

Das Ganze beginnt bereits mit einer Lüge, nämlich mit der Behauptung, es habe „eine Reihe von Brandanschlägen“ gegeben. In Wahrheit waren es höchstens zwei, von denen einer – der von Ludwigshafen – erwiesenermaßen keiner war. Und der andere, der von Marburg? Sagen wir es so: Wenn jemand es darauf angelegt hätte, einen fremdenfeindlich motivierten Brandanschlag vorzutäuschen, so wäre er genau so vorgegangen wie die Täter von Marburg. Mit dieser Lüge werden fünf Gruppen von Forderungen legitimiert, von denen vier mit dem Schutz vor rechtsextremer Gewalt nichts zu tun haben, und die fünfte, bei Licht besehen, auch nicht. Der Hinweis auf die „Reihe von Brandanschlägen“ dient also nicht etwa als Argument, sondern dazu, sich als „Opfer“ zu stilisieren, dessen Forderungen abzulehnen mithin unmoralisch wäre. Wenn es um Sprache geht, bin ich ein wenig Etepetete: Ich achte nicht nur darauf, was einer sagt, sondern auch, wie er es sagt. Wie einer redet, so denkt er, und wie er denkt, so ist er: Der Forderungsteil besteht aus 30 Hauptsätzen (zuzüglich einigen Nebensätzen), davon 21 Forderungen, aber nur neun Tatsachenbehauptungen; anscheinend hält man es nicht für nötig, sich lange mit Argumenten aufzuhalten. Von diesen 21 Forderungen werden nicht weniger als sechzehn (!) mit dem Wort „müssen“ erhoben, und nur einmal steht der konziliante Konjunktiv „sollte“. Ich glaube nicht, dass es übertrieben sensibel ist, wenn ich feststelle, dass dies nicht die Sprache von Konsens oder Kompromiss ist. Sondern die Sprache des Ultimatums. „Zur Stärkung des Vertrauens der türkeistämmigen Bevölkerung [in die Sicherheitskräfte]…“ In Deutschland ist es nicht üblich sich auszusuchen, ob man zur Polizei „Vertrauen“ hat. Man befolgt ihre Anweisungen. Wer dies nicht will, weil es ihm am Vertrauen gebricht, muss hier nicht leben. Die türkische Polizei, die für ihre skrupulöse Beachtung der Menschenrechte weltberühmt ist, soll ja auch viel vertrauenswürdiger sein. „…muss die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit Organisationen der türkischstämmigen Community ausgebaut werden.“ Heißt: Die Türkische Gemeinde in Deutschland und vergleichbare Verbände sollen in die Arbeit der Polizei hineinreden dürfen. „In diesem Zusammenhang müssen mehr Menschen mit Migrationshintergrund ausgebildet und eine 10-%- Einstellungsquote umgehend eingeführt werden“ Heißt zweierlei: Einmal, dass gegebenenfalls besser qualifizierte deutsche Bewerber abgelehnt werden sollen, damit die Quote erfüllt wird – also eine Vorzugsbehandlung; die davon Profitierenden dürfen sich dann als Quotentürken fühlen und wissen, wem sie ihren Job zu verdanken haben. Zweitens, und in Zusammenhang mit der oben zitierten Forderung nach „Zusammenarbeit“, dass die türkischen Verbände eine Art Patenschaft für „ihre“ Polizisten bekommen. „Die Führungspersönlichkeiten der deutschen und der türkischstämmigen Gesellschaft müssen ihre Beziehungen intensivieren“ Aha! Wir haben also zwei Gesellschaften, eine deutsche und eine türkische, und beide haben „Führungspersönlichkeiten“. Herr Kolat sieht sich auf Augenhöhe mit der Bundeskanzlerin. „Der von Menschen mit Migrationshintergrund für diese Gesellschaft geleistete … Beitrag muss hervorgehoben werden.“ Das kann ich mir so gar nicht vorstellen, dass die Türken wirklich ein Interesse daran haben sollten, den türkischen Beitrag zum PISA-Ergebnis, zur Kriminalstatistik, zur Länge des Verfassungsschutzberichtes und zur Höhe der Sozialausgaben auch noch „hervorgehoben“ zu sehen. Aber bitte, wenn sie meinen… Beinahe stimmt es hoffnungsfroh, dass auch vom „zu leistenden Beitrag“ die Rede ist. Sie sind also der Meinung, sie hätten einen Beitrag zu leisten. Und wie soll das geschehen? „Um diesen Beitrag zu steigern müssen öffentliche Institutionen die notwendige Unterstützung leisten.“ Ach so. Gebt uns Staatsknete, dann seht ihr vielleicht einen Teil davon in Gestalt unseres „Beitrages“ wieder. „Anstelle einer sog. Integration…“ – Im Klartext: Schlagt Euch Euren Integrationsklimbim aus dem Kopf! – „… müssen gleiche Rechte und Partizipation im Vordergrund stehen Wo es keine Partizipation gibt, fühlen sich die Menschen ausgegrenzt.“ Für deutsche Staatsbürger gibt es gleiche Rechte und Partizipation – und es wird ja niemandem schwer gemacht, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben, eher zu leicht. Dass Nicht-Staatsbürger nicht die gleichen Rechte haben, ist keine „Ausgrenzung“, sondern eine Selbstverständlichkeit. „Wenn das System die Menschen nicht einbezieht, nehmen diese das System nicht an.“ Das muss man sich richtig auf der Zunge zergehen lassen: Sie „nehmen das System nicht an“. Wohlgemerkt: Hier ist von Nicht-Staatsbürgern die Rede, nicht etwa von Deutschen türkischer Herkunft. Wenn die also nicht die gleichen Rechte wie Staatsbürger bekommen, dann… „Deshalb ist die politische Partizipation von herausragender Bedeutung. In diesem Kontext sind den Menschen mit Migrationshintergrund das kommunale Wahlrecht und die Mehrstaatigkeit unbedingt zu gewähren.“ Rechte wie die Deutschen, aber Pflichten gegenüber der Türkei, der türkischen Community, der Umma, dem Djihad. „Kulturelle Partizipation wird die Menschen in die Lage versetzen, ihre kulturellen Werte in eine positive Richtung weiterzuentwickeln.“ Ihre kulturellen Werte. Davon bin ich allerdings überzeugt. Man versucht nicht einmal, uns davon zu überzeugen, dass wir daran ein Interesse haben könnten. „In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass die türkische Sprache an den Schulen gelehrt und Türkisch als 2. Fremdsprache bis zum Abitur angeboten wird“ Notwendig? Wieso? „…es muss auf jegliches Sprachverbot an Schulen verzichtet werden.“ Die deutsche Sprache darf nicht die verbindliche Umgangssprache sein. „Auch ist Islam-Unterricht an Schulen Teil der kulturellen Partizipation.“ Das genau ist er nicht. Partizipation heißt „Teilhabe“ und „kulturelle Partizipation daher „Teilhabe an der deutschen Kultur“. Der Islam gehört dazu nicht. „Leider lässt der Bildungserfolg türkischstämmiger Kinder und Jugendlicher viel zu wünschen übrig. Das hat verschiedene Ursachen.“ Nanu: „Verschiedene Ursachen“ – ein Ansatz zur Selbstkritik? I wo: „Das Bildungssystem in seiner heutigen Form verhindert den Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund.“ Ob das wirklich keine Satire ist? Das deutsche Bildungssystem steht allen offen, und zwar kostenlos. Ich möchte irgendwann einmal ein einziges Argument hören, warum das deutsche Bildungssystem daran schuld sein soll, dass Dummheit, Frechheit, Faulheit und Gewalttätigkeit unter türkischen Schülern so viel verbreiteter sind als unter anderen. „Auch die Partizipation am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist in den letzten Jahren rückläufig. Die Türkische Gemeinde in Deutschland fordert eine 10-%-Quote am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.“ … damit man ohne solche deutschen Kleinkariertheiten wie einen Schulabschluss oder gar gute Noten auskommt und obendrein einen Arbeitgeber verklagen kann, der sich weigert, unqualifiziertes Personal einzustellen. Aber das Filetstück kommt erst jetzt: „Es muss Schluss sein mit der Instrumentalisierung von Migrant/innen in Wahlkämpfen. Um dies zu gewährleisten sollten alle Parteien und Organisationen sich auf einen „politischen Ehrenkodex“ einigen und diesen abzeichnen. Verstöße dagegen müssen öffentlich gemacht werden.“ Migranten, gemeint sind: Muslime, speziell Türken, dürfen nicht kritisiert werden. Wer es doch tut, kommt an den Pranger. Die deutschen Parteien haben auf die Meinungsfreiheit zu verzichten. Sarkastisch könnte man sagen, dass das bereits der Fall ist. Ungewöhnlich nur, selbst für islamische Verhältnisse, die Dreistigkeit und Offenheit, mit der dies gefordert wird. Aber nicht wirklich erstaunlich: Wir haben es mit den ersten Auswirkungen der Hessenwahl zu tun. Eine Gesellschaft, die ihre Bereitschaft zur Unterwerfung so deutlich kundtut wie die deutsche, darf sich nicht wundern, wenn diese Unterwerfung schließlich auch als Recht gefordert wird. „Die öffentlich geförderten Programme zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit müssen ausgeweitet, ihre Resultate öffentlich diskutiert werden. Darüberhinaus müssen die Migrantenorganisationen in die Konzeption aktiv eingebunden werden…“ …damit nicht solche lästigen ungläubigen Dinge wie religiöse Toleranz oder der Kampf gegen Antisemitismus gelehrt werden, „…sowie internationale Austauschprogramme zum gegenseitigen Kennenlernen entwickelt werden.“ Endlich eine gute Idee! Ich schlage vor, umgehend auch türkische und arabische Schüler in den Jugendaustausch mit dem Staat Israel einzubinden und sie in Kibbuzim in Reichweite von Katjuschas und Kassam-Raketen arbeiten zu lassen. Aber das scheitert wahrscheinlich daran, dass „Migrantenorganisationen in die Konzeption aktiv eingebunden“ werden. Was fordert die TGD? Erstens Geld. Zweitens Nicht-Integration. Drittens eine Vorzugsbehandlung von Türken. Viertens die Gleichberechtigung türkischer Organisationen mit dem deutschen Staat. Fünftens Zugriff auf die deutsche Polizei. Was bietet sie? Nichts. Nur die Selbstverständlichkeit, dass ihre Mitglieder „das System annehmen“ – zu deutsch: Sich nicht der Qaida anschließen und nicht unsere Städte anzünden. Im islamischen Recht nennt man das: „Dhimma“ – ein Schutzvertrag, bei dem die „Ungläubigen“ dafür bezahlen, dass die Muslime keinen Djihad gegen sie führen. Wir dürfen Dhimmis werden.

Erdogan und die Integration

Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zu den Lesern der „Korrektheiten“ gehört, aber wenn es ihm darum gegangen wäre, meine Einschätzung der türkischen Politik zu bestätigen, dann hätte er dies kaum eindrucksvoller tun können als mit seinen Auftritten am Freitag im Bundeskanzleramt und am Sonntag in der Köln-Arena.

Wenn wir Deutschen von „Integration“ sprechen, dann meinen wir damit, dass Einwanderer, z.B. aus der Türkei, und ihre Kinder in die deutsche Nation  aufgenommen werden. Das heißt im Klartext: Wenn sie unseren Pass annehmen, wechseln sie ihre Nationalität und werden Deutsche.

Dazu gehört nicht, dass man Schweinshaxen essen oder samstags den Rasen mähen oder vor seinem Haus Gartenzwerge aufstellen muss. Wohl aber gehört dazu, dass man die deutsche Nation als seine eigene annimmt, dass man die deutsche Sprache spricht, dass man die demokratische Rechtsordnung und die ihr zugrundeliegenden Wertentscheidungen akzeptiert, und zwar einschließlich der religiösen Toleranz, der Gleichberechtigung von Mann und Frau, des Verzichts auf private Gewaltanwendung. (Und, da das zum nationalen Grundkonsens gehört: dass man nicht am Existenzrecht Israels herumsägt.)

Wenn dagegen Erdogan von Integration spricht, tut er es mit den Worten:

„Ja zur Integration – nein zur Assimilation!“

Und macht unmissverständlich klar, dass mit „Nein zur Assimilation“ nicht etwa die Ablehnung besagter Schweinshaxen und Gartenzwerge gemeint ist, sondern die Ablehnung der Zugehörigkeit zur deutschen Nation: Wenn er sagt, die Deutsch-Türken sollten ihre türkische Identität bewahren und sich

„mit ihren Werten integrieren“,

(FAZ, 09.02.08, „Unser gemeinsames Land“, online nicht kostenlos verfügbar)

dann sagt er damit zugleich, welche Identität sie nicht annehmen – eine deutsche nämlich – und welche Werte sie nicht akzeptieren sollen – die der deutschen Gesellschaft. Sogar dort, wo er seine Landsleute aufruft, die deutsche Sprache zu erlernen, verknüpft er diesen Appell mit der Forderung nach türkischen Schulen und Universitäten in Deutschland, denn ein Deutsch-Türke müsse

„zuerst die eigene Sprache beherrschen, bevor er die zweite, also Deutsch, erlernen kann.“ (FAZ, a.a.O.)

Deutsch als Zweitsprache! Es geht also mitnichten um Traditionspflege etwa nach Art der Hugenotten, die bis heute ihr französisches Erbe hochhalten, ansonsten aber stets preußische, später deutsche Patrioten waren, sondern es geht um die bewusste, sogar institutionalisierte Ablehnung des Deutschen als Muttersprache, und zwar in alle Zukunft.

Und damit wir Deutschen nicht auf dumme Gedanken kommen, fügt er an seine Forderung nach türkischen Bildungseinrichtungen in Deutschland den denkwürdigen Satz:

„Wenn Sie versuchen, das zu verhindern, dann machen Sie einen Fehler.“

Der Manfreds-politische-Korrektheiten-Sonderpreis für politische Phantasie geht an Denjenigen, der mir plausibel macht, dass dieser Satz nicht als Drohung zu verstehen ist.

Dabei belässt er es nicht einfach dabei, „Assimilation“ abzulehnen, nein, er verteufelt sie als

„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Was denkt er sich eigentlich dabei, die Aufnahme von Türken in die deutsche Nation mit einem Begriff zu belegen, der zur juristischen Kennzeichnung der nationalsozialistischen Massenmorde entwickelt wurde?

Vielleicht denkt er sich gar nichts, das wäre die freundliche Interpretation. Im Zusammenhang mit der Serie unterschwelliger Drohungen, die er während seines Besuchs ausgesprochen hat, halte ich aber für plausibel, dass die unverschlüsselte Botschaft lautet: Versucht nicht, uns zu assimilieren, sonst verpetzen wir Euch vor aller Welt als Nazis, die einen „Völkermord“ begehen!

(Ein primitives Kalkül, das aber seine Wirkung vor allem auf denjenigen Teil der deutschen Öffentlichkeit nicht verfehlen dürfte, dem die Sorge um „das Ansehen Deutschlands in der Welt“ regelmäßig den Schlaf raubt, und der schon vorsorglich auf die Knie fällt, wenn man uns mit der bloßen Drohung konfrontiert, uns mit unserer braunen Vergangenheit in Verbindung zu bringen. Diese Marotte mutiert spätestens in dem Moment zum handfesten politischen Problem, wo wir es mit einem Spieler zu tun bekommen, der wie Erdogan zynisch genug ist, diese Schwäche auszubeuten. Dabei ist sie völlig unnötig: Für uns kann es doch lediglich darauf ankommen, keine Nazis zu sein, nicht aber darauf, ob Andere denken, wir könnten das sein. Im Übrigen kann es der präventiven Abschreckung potenzieller Feinde unseres Landes bloß dienlich sein, wenn sie uns zumindest zutrauen, wir könnten mit ihnen nach Nazimanier verfahren; mit demonstrativem Pazifismus erzielt man diesen Effekt jedenfalls nicht.)

Was Erdogan uns also als „Integration“ verkaufen will, ist die Stabilisierung der deutsch-türkischen Minderheit als Gesellschaft in der Gesellschaft, als Nation in der Nation, als Staat im Staate. (Und die Integration besteht lediglich darin, dass es sich um einen Staat eben im Staate handeln soll.)

Eine Unverschämtheit wäre diese Forderung in jedem Fall. Aus dem Munde speziell eines türkischen Regierungschefs ist sie jedoch weitaus mehr als das:

Stellen wir uns, um Erdogans Verhalten angemessen zu interpretieren, einen Moment lang vor, der armenische Ministerpräsident würde auf Staatsbesuch in die Türkei reisen, in Istanbul eine Massenversammlung mit zwanzigtausend türkischen Armeniern abhalten und diese auffordern, sich auf keinen Fall an die türkische Gesellschaft zu assimilieren, weil das ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei. Der sofortige Abbruch der diplomatischen Beziehungen wäre noch die geringste Folge.

Das türkische Verständnis von Nation und Nationalstaatlichkeit basiert nämlich auf der Vorstellung der vollständigen ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Homogenität der Nation! Von der Toleranz der Türken gegenüber Minderheiten können etwa Kurden und Armenier ein Lied singen. (Die kleinasiatischen Griechen können es nicht mehr, weil ihre dreitausendjährige Kultur nach sechshundert Jahren Türkenherrschaft restlos verschwunden ist – mitsamt den Griechen selbst.) Die Forderung nach Minderheitenrechten stellt nach türkischem Verständnis einen Anschlag auf die Einheit der Nation dar und gilt als staatsfeindlicher Akt. (Dass Erdogans Islamisten mit Rücksicht auf die EU, d.h. aus taktischen Gründen, das Prinzip etwas flexibler handhaben als ihre kemalistischen Vorgänger, bedeutet keineswegs, dass sie es zur Disposition stellen würden.)

Wenn der Regierungschef eines solchen Landes an Deutschland eine Forderung stellt, die er, wäre sie an ihn selbst gerichtet, als Kriegserklärung auffassen würde, so ist dies – zumindest der Absicht nach – ein feindseliger Akt, da sie darauf abzielt, Deutschland politisch zu schwächen, und zwar im Interesse sowohl des Islam im Allgemeinen als auch der Türkei im Besonderen:

Kurzfristig geht es ihm darum, die Deutsch-Türken als Fünfte Kolonne aufzubauen, die als Pressure-Group den EU-Beitritt der Türkei unterstützt:

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands gehört die strukturelle Mehrheit des „bürgerlichen Lagers“ der Vergangenheit an – Links und Rechts sind jetzt ungefähr gleich stark. In einer solchen Situation wächst einer Wählergruppe, die sich jenseits des Links-Rechts-Gegensatzes über ethnische Gruppenidentität definiert, die Rolle eines Züngleins an der Waage zu, sofern sie es schafft, sich als nahezu geschlossener Stimmblock zu etablieren; eine solche Gruppe verfügt kraft ihrer strategischen Position über einen Einfluss, der ihr zahlenmäßiges Gewicht bei weitem übertrifft. Orientiert sie sich an den politischen Vorgaben eines fremden Staates, so ist eine verstärkte Abhängigkeit Deutschlands von dessen Interessen die zwangsläufige Folge.

Dabei können wir uns noch nicht einmal darauf verlassen, dass die demokratischen Spielregeln wenigstens formal eingehalten werden: Mit ihrem Spiel, den Zorn der Deutsch-Türken auf den deutschen Staat und „die“ Deutschen zuerst anzuheizen, um ihn dann mit staatsmännischem Gestus wieder zu dämpfen (siehe meinen Beitrag „Brandstiftung“), hat die türkische Regierung klargemacht, auf welcher Klaviatur sie in Zukunft zu spielen gedenkt.

Normalerweise könnte man es als das dumme Gerede unreifer Hitzköpfe abtun, wenn junge Türken in die Reportermikrofone rufen: „Wenn das so weitergeht, gibt es Bürgerkrieg: Türken gegen Deutsche!“ (Nicht etwa: „Deutsche gegen Türken“ – offenbar ist man sich in diesen Kreisen wohlbewusst, von wem die Aggression ausgeht.) Wenn aber die türkische Regierung offen ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Schau stellt, solche Stimmungen nach Bedarf zu manipulieren, und die Deutsch-Türken sich darauf einlassen, so ist dies die unzweideutige Ansage, dass die türkische Seite bereit ist, zur Durchsetzung ihrer Partikularinteressen Gewalt anzudrohen und – sonst hinge die Drohung ja in der Luft – auch anzuwenden.

Und diese Interessen enden nicht mit dem EU-Beitritt der Türkei – da beginnen sie erst. Haben sich die Türken erst einmal als zweite Nation auf deutschem Boden etabliert, so wird der nächste völlig logische Schritt die Forderung nach „Gleichberechtigung“ sein, gestützt immer auch auf latente Drohungen.

Falls hier einer jener linken Pawlowschen Dackel mitliest, die bei dem Wort „Gleichberechtigung“ reflexartig mit dem Schwanz zu wedeln beginnen: Es ist ein grundlegender Unterschied, ob ich Individuen als gleichberechtigt behandle oder ein Kollektiv! Die Gleichbehandlung eines Kollektivs bedeutet, dass dessen Wertvorstellungen, Sozialnormen, Geschichtsbilder und Vorurteile denselben Anspruch auf gesellschaftliche Legitimität haben wie die der Mehrheitsgesellschaft. Im Falle eines islamischen Kollektivs also Frauenfeindlichkeit, autoritäre Erziehung, Antisemitismus, Christenhass, Intoleranz, Gruppennarzissmus und Gewaltkult. Und nicht zuletzt die Geltung der Scharia. (Wer immer noch nicht glauben will, dass es darauf irgendwann hinauslaufen wird, werfe einen Blick nach Großbritannien und lasse sich vom Erzbischof von Canterbury belehren.) Wohin schließlich die „Gleichberechtigung“ zweier Kollektive führt, von denen das eine zur Gewaltanwendung bereit ist, das andere aber nicht, mag sich Jeder selbst ausmalen.

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Erdogan ist mindestens ebensosehr Islamist, wie er Nationalist ist. Wenn er das Aufgehen der türkischen Gemeinde in der deutschen Nation um jeden Preis verhindern will, dann geht es nicht einfach um die Durchsetzung türkischer Staatsinteressen. Es geht um die Durchsetzung des islamischen Gesellschaftsmodells, um zunächst die Verdrängung, dann Zerstörung der säkularen europäischen Zivilisation.

Eines muss man Erdogan lassen: Taqqiyya – Täuschung der Ungläubigen – ist das nicht. Er ist ehrlich. Er hat seine Karten auf den Tisch gelegt.

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Türkei“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Djihad“

Die Bücher von Hans-Peter Raddatz, von Oriana Fallaci, von Udo Ulfkotte, von Henryk M. Broder

Brandstiftung

Es kommt mehrmals täglich vor, dass irgendwo in unserem Land ein Feuer ausbricht, manchmal auch in Wohnhäusern, und ohne dass ich die einschlägigen Statistiken zur Hand hätte mutmaße ich, dass Altbauten, zumal solche in schlechtem Zustand, stärker brandgefährdet sind als andere Häuser.

Zu den mannigfachen Brandursachen, die es geben kann, gehört auch die Brandstiftung, meist zum Zwecke des Versicherungsbetrugs. Andere Motive sind selten, kommen aber vor. So gab es auch schon Brandanschläge, die sich gezielt gegen Ausländer richteten; die Täter kann man in solchen Fällen plausibel in der Neonazi-Szene suchen.

Es ist also nicht von vornherein wahrscheinlich, aber auch nicht völlig abwegig, dass der Brand von Ludwigshafen, bei dem neun Menschen türkischer Herkunft ums Leben gekommen sind, von Rechtsextremisten gelegt worden sein könnte. Abwegig und völlig aus der Luft gegriffen ist aber die von vielen Türken geäußerte Unterstellung, die deutsche Polizei und Staatsanwaltschaft steckten mit den etwaigen Tätern unter einer Decke.

Dass rechtsextreme Gewalttäter bei den Sicherheitsbehörden Hintermänner, zumindest aber Mitwisser haben – nun, es gibt Länder, wo das üblich ist. Die Türkei zum Beispiel. Dort pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass die Mörder von Hrant Dink oder auch der christlichen Missionare im vergangenen Jahr Verbindungen zur Polizei haben. Vielleicht ist dies der Grund, warum gerade Türken der deutschen Polizei ähnliche Machenschaften zutrauen.

Trotzdem frage ich mich ganz ernsthaft, wie Menschen, die seit dreißig oder vierzig Jahren hier leben, es schaffen zu ignorieren, dass solche Praktiken und Zustände in Deutschland völlig undenkbar sind!

Und sehr wundern muss ich mich über die Rolle der türkischen Regierung in der ganzen Angelegenheit. Das normale Vorgehen unter befreundeten demokratischen Ländern wäre die Nichteinmischung. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass die deutsche Regierung die Ermordung deutscher Christen in der Türkei letztes Jahr zum Anlass genommen hätte, deutsche Polizisten, Minister oder gar die Bundeskanzlerin nach Ankara zu schicken. Die Türkei dagegen hat den Brand von Ludwigshafen von Anfang an als Staatsaffäre behandelt.

Wenn man sich aber schon einmischt, dann wäre es – wiederum unter befreundeten demokratischen Staaten – eine bare Selbstverständlichkeit, den zuständigen Behörden das Vertrauen auszusprechen und die eigenen Landsleute zu loyaler Zusammenarbeit aufzufordern. Was tut die Türkei?

Zuerst erscheint der Botschafter auf der Bildfläche und nennt es „seltsam“, dass deutsche Politiker einen fremdenfeindlichen Hintergrund ausgeschlossen hätten. Das haben sie aber gar nicht; tatsächlich hat der zuständige Ministerpräsident Beck am Montag gesagt, es gebe nach den bisherigen Erkenntnissen keinen Hinweis darauf – was zu diesem Zeitpunkt korrekt war. Die Äußerungen des Botschafters sind ganz sinnlos, es sei denn, er hätte ein politisches Vertuschungsmanöver unterstellen wollen, und genau so ist es denn von seinen Landsleuten auch verstanden worden.

Dann kündigt die türkische Regierung an, eigene Ermittler nach Deutschland zu schicken; man wolle die deutschen Behörden nicht etwa kontrollieren (aber nicht doch!), man wolle nur die stark emotionalisierte türkische Gemeinde in Deutschland „beruhigen“ (deren „Emotionalisierung“ der eigene Botschafter gerade erst angeheizt hatte).

Schließlich erscheint ein türkischer Minister und fordert die hier lebenden Türken zur „Besonnenheit“ auf.

So, und nun fragen wir uns, was das Ganze zu bedeuten hat.

Wir haben zwei Möglichkeiten: Wir können ignorieren, dass das Vorgehen der Türkei hochgradig ungewöhnlich ist, und ihre Äußerungen zum Nennwert nehmen: Der Botschafter hat sich gewundert, die Regierung will die Gemüter beruhigen, der Minister ruft zur Besonnenheit auf. Punkt.

Oder wir ignorieren das nicht und machen uns daran, den Subtext zu dechiffrieren, der in dieser dreifachen Botschaft steckt:

Erstens, die türkische Regierung spricht den deutschen Behörden ihr Misstrauen aus und signalisiert das auch der hiesigen türkischen Gemeinde.

Zweitens: Was immer die deutsche Polizei ermittelt, aussage- und beweisfähig ist es nur, soweit es von türkischen Ermittlern bestätigt wird; womit uns die Türkei hochoffiziell zu verstehen gibt, dass die hier lebenden Türken, und sogar die Deutschen türkischer Herkunft, nicht etwa dem deutschen Staat Loyalität schulden, sondern dem türkischen.

Drittens: Nur die Türkei ist fähig, die Gemüter zu „beruhigen“, sprich zu verhindern, dass es zu Krawallen (wie in Frankreich) kommt; das ist die Botschaft, die hinter dem Aufruf zur „Besonnenheit“ steckt (der ja voraussetzt, dass er überhaupt nötig ist, und dass er von einem türkischen Minister ausgesprochen werden muss, um wirksam zu sein).

Der Subtext lautet also: Wir können bei Euch in Deutschland jederzeit einen Bürgerkrieg entfesseln, und es hängt allein von uns ab, ob es so weit kommt oder nicht.

Das ist eine Machtdemonstration. Und noch deutlicher für die, die es noch nicht kapiert haben: Es ist eine Drohung.

Wozu aber soll die gut sein? Erinnern wir uns, dass die türkische Regierung von Islamisten geführt wird. Zu Hause benutzt sie die Auflagen der Europäischen Union, um unter der Flagge der „Religionsfreiheit“ den türkischen Laizismus zu untergraben. Zugleich versucht sie, ihr Land in der Union unterzubringen – wohl wissend, dass die meisten Europäer das nicht wollen, und damit rechnend, dass die Regierungen diesem Druck der Völker nachgeben könnten. Um dem vorzubeugen, zeigt sie uns schon einmal die Instrumente.

Der erwünschte Nebeneffekt ist, die türkische Gemeinde in ihrer Gegnerschaft und Abgrenzung gegen die deutsche Gesellschaft und den deutschen Staat zu bestärken und sie dadurch als geschlossene Einheit zu stabilisieren, in jedem Fall aber zu verhindern, dass sie in der deutschen Gesellschaft aufgeht.

Warum? Weil sie dann nicht mehr djihad-tauglich wäre.

 

 

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

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Gelesen: Gunnar Heinsohn, Söhne und Weltmacht

Gunnar Heinsohn ist der Meistignorierte unter den bedeutenden Köpfen unseres Landes, und wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass er gesellschaftswissenschaftliche Fragen aus allen Disziplinen (Geschichte, Soziologie, Politische Wissenschaft, Volkswirtschaft) aus einer ganz ungewohnten Perspektive – der des Demographen – analysiert und dabei obendrein zu wichtigen Erkenntnissen gelangt.

Leuten wie mir, denen eine Idee gar nicht originell genug sein kann, ist er damit sympathisch, den Wissenschaftlern, in deren Fachgebieten er wildert, eher weniger.

Vor über zwanzig Jahren etwa veröffentlichte er seine These (Heinsohn/Steiger, Die Vernichtung der Weisen Frauen, München 1985), die europäische Bevölkerungsexplosion seit Ende des 15.Jahrhunderts sei die geplante und beabsichtigte Folge der zur gleichen Zeit massiv und europaweit einsetzenden Hexenverfolgung gewesen. Mit deren Hilfe habe man das Wissen um die traditionellen Methoden der Geburtenkontrolle ausrotten wollen, um Europa nach den Bevölkerungsverlusten speziell des 14. Jahrhunderts im Sinne des Frühmerkantilismus zu „repeuplieren“.

Der besondere Charme dieser These lag darin, dass sie gleich zweibis dahin ungelöste Fragen der europäischen Geschichte beantwortete: die nach den Ursachen der Bevölkerungsexplosion und die nach den Ursachen der Hexenverfolgung. Als ich das Buch damals las, dachte ich: „Was für eine interessante These; mal sehen, was die Historiker dazu sagen“.

Nun, die Historiker sagten – nichts. Heinsohns Theorie gilt bis heute als Außenseiterhypothese, die weder aufgegriffen noch überzeugend widerlegt, sondern ignoriert wird.

Einfachheit und Originalität sind die Stärken von Heinsohns Denken. Leider sind sie nicht die Stärken des deutschen Wissenschaftsbetriebes. Und so hat auch „Söhne und Weltmacht. Terror im Aufstieg und Fall der Nationen“ (Zürich 2003) nicht die gebotenen Aufmerksamkeit erfahren. Was ein Unglück ist, weil es darin um nicht weniger geht als um die weltpolitischen Gefahren mindestens der nächsten zwnzig Jahre und darum, wie man mit ihnen fertig wird.

Wieder vertritt er eine einfache These, nämlich dass Gesellschaften umso gewalttätiger werden, je größer der Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung ist. Die Faustregel lautet, dass mit erheblichen Konflikten zu rechnen ist, sobald der Anteil der 15-24jährigen über 20 Prozent bzw. der 0-15jährigen über 30 Prozent liegt. Bei einem solchen „youth bulge“, wie er im Fachjargon heißt, wächst nämlich die Bevölkerung schneller als die Anzahl der Positionen, die mit Macht und Prestige verbunden sind. Ist aber die Anzahl junger Männer deutlich größer als die Anzahl der Väter, deren Positionen übernommen werden können, dann ist der Kampf um solche Positionen die natürliche Folge.

Dieser Kampf kann in verschiedenen Formen stattfinden, die einander keineswegs ausschließen, sondern oft gleichzeitig und in Verbindung miteinander auftreten: Auswanderung, Eroberungskrieg, Völkermord, politischer Extremismus (Terrorismus, Bürgerkrieg, Revolution), massenhafte Gewaltkriminalität.

Der Autor führt dafür zahlreiche historische Beispiele an. Am Eindrucksvollsten dabei die oben schon erwähnte europäische Bevölkerungsexplosion, in deren Folge Europa die Welt eroberte und sich zugleich unzählige Kriege, Bürgerkriege, Revolutionen und Massenmorde auf dem eigenen Kontinent leistete. Er untermauert seine These, indem er aufzeigt, dass von den aktuell (2003) siebenundsechzig Nationen, die einen „youth bulge“ aufweisen, nicht weniger als sechzig (!) von Massengewalt in wenigstens einer der genannten Formen betroffen sind. Heinsohn geht davon aus, dass dieses Problem bis etwa 2025 die Weltpolitik prägen und auch den Westen mit erheblichen Gefahren konfrontieren wird. Der Höhepunkt des Jugendanteils weltweit ist, so Heinsohn, zur Zeit erreicht. Aufgrund sinkender Geburtenraten ist ab etwa 2025 mit einer zunehmenden Entspannung zu rechnen, und spätestens ab 2050 dürften „youth-bulge“-induzierte Konflikte der Vergangenheit angehören.

Heinsohn wendet sich explizit gegen klassische Überbevölkerungstheorien, die Hunger und Not als Hauptursache von Konflikten benennen, und betont, dass in keinem anderen Punkt Friedens- und Kriegsforscher weiter auseinanderliegen: Hungernde Menschen geben schlechte Krieger ab. Um Brot wird gebettelt, gekämpft wird um Macht und Reichtum!

Die brutale Konsequenz aus dieser Diagnose – die allein schon zur Ablehnung seiner Theorie führen dürfte -, lautet, dass der Kampf gegen Hunger und Armut, wenn er denn erfolgrich sein sollte, in Ländern mit einem Jugendüberschuss nicht zu einem besseren Leben führen wird, sondern dazu, dass Hunger gegen Instabilität getauscht wird. Drastisch ausgedrückt: Dass die Menschen nicht mehr verhungern, sondern gefoltert, vergewaltigt, vertrieben und ermordet werden. (Über den jüngsten Gewaltausbruch in Kenia jedenfalls wäre man im Westen weniger überrascht, wenn Heinsohns Thesen allgemein bekannt gewesen wären und man deshalb der Tatsache Beachtung geschenkt hätte, dass Kenia einen Anteil allein von Kindern (0-15 J.) an der Gesamtbevölkerung von 42% aufweist.)

Dabei können wir im Westen, zynisch aber realistisch gesprochen, noch von Glück reden, wenn die überschüssigen jungen Männer sich gegenseitig umbringen, statt den Westen ins Visier zu nehmen. Heinsohn weist zwar zu Recht darauf hin, dass deren Gewalttätigkeit, sofern sie sich ein spezifisch politisches Ventil sucht, von jeder beliebigen Ideologie oder Religion befeuert werden kann. Er unterliegt aber einer fatalen Fehleinschätzung, wenn er glaubt, deswegen die konkreten ideologischen Inhalte ausblenden, speziell den Faktor „Islam“ ignorieren zu können. Im Hinblick auf die Konsequenzen für uns ist es nämlich ein erheblicher Unterschied, ob Hutu über Tutsi herfallen, oder ob frustrierte junge Ägypter glauben, gegen die „Ungläubigen“ zu Felde ziehen und in westlichen Metropolen Bomben legen zu müssen. Hier gerät Heinsohns rein demographischer Ansatz, der stets Gefahr läuft, Sozialwissenschaft auf Bevölkerungsarithmetik zu reduzieren, an die Grenzen seiner Erklärungs- und Prognosekraft.

Westliche Staaten, die in Ländern mit einem Jugendüberschuss militärisch intervenieren, tun gut daran, sich über ihre Chancen keine Illusionen zu machen:

„Youth-bulge“-befeuerte Völker sind ungemein konfliktbereit und -fähig, weil sie über ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Kriegern verfügen, die als zweite, dritte und vierte Söhne ihrer Familien entbehrlich sind, während stagnierende oder schrumpfende Nationen (also nahezu alle westlichen) mit dem Leben ihrer Soldaten so schonend wie möglich umgehen müssen. Im direkten Konflikt drohen kriegführende westliche Staaten die Unterstützung der eigenen Bevölkerung zu verlieren, weil sie vor dem Dilemma stehen, entweder zu viele eigene Soldaten opfern oder, um dem zu entgehen, zu viele Zivilisten der Gegenseite töten zu müssen.

Die Israelis zum Beispiel haben 2006 den Libanonkrieg verloren, weil sie nicht bereit waren, gegen die in Ortschaften gut verschanzten, fanatisch entschlossenen Kämpfer der Hisbollah die einzige Strategie anzuwenden, die in solchen Fällen dem Angreifer einen Erfolg ohne untragbare Eigenverluste verspricht, nämlich diese Ortschaften mit überwältigender Feuerkraft dem Erdboden gleichzumachen und dabei den Tod von möglicherweise einigen Zehntausend Zivilisten in Kauf zu nehmen.

Aus ähnlichen Gründen kann der Westen die Taliban nicht besiegen: Auch die Paschtunenstämme beiderseits der afghanisch-pakistanischen Grenze haben einen der größten Youth-bulges der Welt. Zieht man die jungen Männer ab, die bei Polizei und Armee beider Staaten unterkommen oder sich sonst eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können, so bleibt immer noch ein Reservoir von rund dreihunderttausend Mann jährlich(!!!), die den Taliban als potenzielle Rekruten zur Verfügung stehen, und die gegen die bloß 38.000 Mann starken westlichen Truppen ins Feld gestellt werden können. Der Westen hat keine Chance, diesen Krieg zu gewinnen, weil er nicht bereit ist, seine überlegene Technologie in die Waagschale zu werfen; denn das hieße: die Taliban aus der Luft in ihrem pakistanischen Hinterland anzugreifen. Sie und die Zivilisten, zwischen denen sie sich bewegen. Welcher westliche Staatsmann wollte wohl dafür die Verantwortung übernehmen – und würde es politisch überleben, wenn er es täte?

Eine realistische westliche Strategie besteht nach Heinsohn unter diesen Umständen darin, sich erstens auf Konflikte mit „Youth-bulge“-Nationen dann – aber nur dann! dann aber unbedingt! – einzulassen, wenn es zwingend (!) erforderlich ist; zweitens darauf zu setzen, gegebenenfalls auch dafür zu sorgen, dass die überzähligen Krieger dieser Länder sich in internen Konflikten gegenseitig töten, statt die westliche Welt zu bedrohen. Das klassische Instrument sind dabei diktatorische Regime, in deren Sicherheitskräften ein kleinerer Teil des Jugendüberschusses unterkommt, während der große Rest bei der mehr oder minder revolutionären Opposition landet, die von ersterer Fraktion unterdrückt wird, notfalls blutig.

Solche Konflikte durch Errichtung demokratischer Strukturen zu entschärfen, ist eine Möglichkeit, die Heinsohn nicht erörtert. Er verweist darauf, dass etwa in Lateinamerika die meisten Dktaturen just zu der Zeit errichtet wurden, als der dortige Youth-bulge seinen Höhepunkt erreichte, und vermutet wahrscheinlich, dass eine Demokratie unter den Bedingungen eines Jugendüberschusses Kräfte entfesselt, die nur siegreich sein oder unterdrückt werden können, in beiden Fällen aber in eine Diktatur münden. So richtig es ist, dass Demokratie ein Regelwerk für die Austragung von Konflikten bereitstellt (und daher zu deren Entschärfung beitragen kann), so zahlreich sind doch die Beispiele von Demokratien, die bloß die Bühne für die Machtkämpfe waren, nach deren Entscheidung die Bühne selbst abgebaut wurde. Demokratie in Ländern wie Saudi-Arabien oder Ägypten würde nach dem dann unvermeidlichen Wahlsieg von Islamisten wahrscheinlich flugs wieder abgeschafft. Für ein solches Demokratie-Experiment die Sicherheit der bereits bestehenden (westlichen) Demokratien aufs Spiel zu setzen, schiene mir abenteuerlich; da ist mir das Hemd doch näher als der Rock. Ich respektiere jeden, der es aus demokratischem Idealismus trotzdem befürwortet, gebe aber zu bedenken, dass es vom Idealismus zu Illusionismus oft nur ein Schritt ist. (Zumal man in diesem Zusammenhang bedenken muss, dass gerade islamistische Politik darauf abzielt, den Jugendüberschuss durch Versklavung von Frauen auf Dauer zu stellen. In diesem Fall könnte man sich nicht einmal mit Heinsohns optimistischer Prognose für die Zeit nach 2025 trösten; die stimmt dann nämlich nicht mehr.)

Am Beispiel Israels, also desjenigen westlichen Staates, der überhaupt keine Chance hat, dem Konflikt zu entgehen, lassen sich die Probleme und Dilemmata besonders deutlich aufzeigen, in die westliche Politik in solchen Konflikten zu geraten droht. (Überhaupt scheint der Nahostkonflikt wie kein zweiter dazu zu taugen, die Brauchbarkeit von Heinsohns Ansatz zu illustrieren.)

Israel steht bekanntlich einem Feind gegenüber, dessen Jugendüberschuss gewaltig ist (im Gazastreifen ist er sogar der höchste weltweit), und das von Heinsohn zitierte Wort Arafats, wonach die Gebärmütter der Frauen den Krieg entscheiden würden, ist nur eines von unzähligen Zeugnissen dafür, dass die palästinensischen Führer sich vollkommen darüber im Klaren sind, dass die Kampfbereitschaft eines Volkes von der Anzahl an überschüssigen Söhnen abhängt – und vermutlich wissen sie umgekehrt auch, dass solche überschüssigen Söhne, wenn sie einmal da sind, zu kaum etwas anderem taugen als dazu, sich zu prügeln. Die Prognose, zu der man gelangt, wenn man Heinsohns Theorie anwendet, ist umso überzeugender, als sie sich in nichts von der unterscheidet, zu der man auch aufgrund einer im engeren Sinne politischen Analyse gelangen würde (sofern diese nicht auf Illusionen aufbaut), nämlich, dass es einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern in absehbarer Zeit nicht geben wird – wohl kann es ein Abkommen geben, das wird aber dann nicht eingehalten werden -, und zwar weil der Youth-bulge fortbesteht, die bisher sein Zustandekommen letztlich verhindert hat. Es gibt grundsätzlich vier mögliche Szenarien, wie dieser Konflikt enden kann:

1. Er schleppt sich mit der gegenwärtigen geringen Intensität noch Jahrzehnte hin, bis die palästinensischen Geburtenraten – wodurch auch immer – so weit zurückgehen, dass der Jugendüberschuss verschwindet.

2. Wie 1, nur verschwindet der Jugendüberschuss durch innerpalästinensischen Bürgerkrieg, wirtschaftlichen Zusammenbruch, Hungersnot und Flucht großer Bevölkerungsteile ins Ausland.

3. Israel massakriert bzw. vertreibt eine sechs- oder siebenstellige Anzahl palästinensischer Zivilisten. (Diese Lösung entspräche in etwa Heinsohns Analyse des Konflikts zwischen Serben und Kosovaren; ihr zufolge hätten die Serben aufgrund der Befürchtung, den Kosovaren in absehbarer Zeit aufgrund von deren Jugendüberschuss nicht mehr gewachsen zu sein, gleichsam präventiv den Völkermord versucht. Es spricht offensichtlich für die Israelis, dass sie eine solche Lösung nicht einmal in Erwägung ziehen, obwohl sie stärker bedroht sind, als die Serben es jemals waren.)

4. Der Staat Israel verliert den Konflikt und hört auf zu existieren.

In meinem Beitrag „Christlicher Fundamentalismus“ hatte ich noch argumentiert, größter Hemmschuh für die militärische Konfliktfähigkeit des Westens sei die Tatsache, dass sein Gesellschaftsmodell religiös zu wenig aufgeladen sei, als dass allzu viele Menschen bereit wären, ihr Leben dafür zu riskieren. Ich halte das weiterhin für richtig, aber zwei von Heinsohn beleuchtete Aspekte dürften mindestens ebenso wichtig sein:

Erstens, dass wir schlicht zu wenig junge Männer haben, als dass wir uns verlustreiche Kriege leisten könnten.

Zweitens, dass wir diesen Mangel nicht einfach durch Technologie ausgleichen können, weil dabei zu viele Zivilisten der Gegenseite getötet würden. Anders ausgedrückt: Was dem Westen das Genick brechen könnte, ist womöglich weniger unsere mangelnde Bereitschaft zu sterben als unsere mangelnde Bereitschaft zu töten!

Militärgeschichtlich ist dies ein Novum: Noch im Zweiten Weltkrieg wäre es allen Kriegführenden, einschließlich der Westmächte, absurd erschienen, eine Niederlage bloß deshalb in Kauf zu nehmen, weil man für einen Sieg zu viele feindliche Zivilisten hätte töten müssen. Heute dagegen gehört es zum guten Ton, beispielsweise den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki für ein Kriegsverbrechen zu halten.

Macht sich eigentlich jemand klar, dass der Westen in seiner heutigen moralischen Verfassung nicht mehr in der Lage wäre, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen? Dass ein US-Präsident, der (wie Truman im August 1945) vor der Wahl stünde, mehrere hunderttausend eigene Soldaten zu opfern oder per Atombombe mehrere hunderttausend feindliche Zivilisten zu töten, heute weder das eine noch das andere tun, sondern nur noch den Krieg abbrechen könnte? (Was 1945 bedeutet hätte, die riesigen japanisch besetzten Gebiete Asiens unter der Peitsche Japans zu belassen.)

Dies ist kein Plädoyer für brutalstmögliche Kriegführung. Selbstverständlich kann im Einzelfall die Option gegeben sein, den Krieg überhaupt zu vermeiden – bei den meisten politischen Konflikten ist dies gottlob so, weil sie nicht existenzieller Natur sind -; oder ihn, wenn man ihn schon nicht vermeiden kann, als Stellvetrteterkrieg zu führen, sprich eine dritte Partei gegen den Feind in Stellung zu bringen; oder, wenn auch das nicht geht, den dann unvermeidlichen Konflikt bei niedriger Hitze vor sich hin köcheln zu lassen (wie es die Israelis in ihrem Konflikt mit den Palästinensern tun und wie wie es wohl auch der westlichen Afghanistanstrategie entsprechen wird).

Wofür ich aber plädiere, ist Illusionslosigkeit: Es gibt Fälle, in denen eine Politik der Konfliktvermeidung, – ablenkung oder -begrenzung nicht möglich ist, wo aber zugleich die Akzeptanz einer Niederlage der Selbstaufgabe, ja dem Selbstmord gleichkäme. Was wäre denn, um nur dieses Beispiel zu nennen, wenn tatsächlich Terroristen in den Besitz von Atomwaffen gelangen würden? Hätte irgendein westlicher Staatsmann in einer solchen Situation das Recht zu spekulieren, es werde schon alles nicht so heiß gegessen wie gekocht? Würden wir akzeptieren, dass er in einer solchen Situation unser Leben seinen moralischen Skrupeln opfern würde? Zumal gegenüber einem Gegner, der solche Skrupel gar nicht kennt?

Eigentlich ist das eine Binsenweisheit, dass in existenziellen Konflikten im Zweifel Sieg vor Humanität geht. Eine Binsenweisheit, die aber in unserer Gesellschaft nicht mehr akzeptiert wird. Für deren Dekadenz ist vielmehr kennzeichnend, dass zwar ein kleiner Blogger wie ich dergleichen noch schreiben kann, ein Politiker aber, der es ausspräche, noch am selben Tag seinen Hut nehmen müsste.

Heinsohn ist ein Aufklärer; ein Mann, der Illusionen zerstört und sich wie Anderen jegliches Wunschdenken verbietet. Damit hat er wenig Aussicht auf Gehör in einer Gesellschaft, die zwar ironischerweise jede Form von individueller Sucht bekämpft (Nikotinsucht, Alkoholsucht, Tabletten-, Rauschgift-, Mager-, Fress-, Sex-, Spielsucht) aber kollektiv von ihrem eigenen Wunschdenken abhängig ist wie nur irgendein Heroinsüchtiger von seiner Spritze, und die dadurch an der kollektiven Selbstzerstörung kaum weniger konsequent arbeitet als der Fixer an der individuellen.

Wenn ich sage, Heinsohn sei ein Aufklärer, dann ist damit natürlich nicht gesagt, dass seine Thesen die Wahrheit schlechthin seien. Er entwickelt eine These von weitreichender Erklärungskraft auf erfrischenderweise weniger als 160 Textseiten und verschafft seinem Leser eine Fülle von Aha-Erlebnissen gerade dadurch, dass er sich konsequent auf eine einzige Erklärungsvariable – die Altersstruktur von Bevölkerungen – konzentriert.

Zu warnen ist aber vor der Verführungskraft solch monokausaler Theorien: Wer durch die Brille des Demographen blickt, erkennt zweifellos vieles, was ihm sonst entgangen wäre; er sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, alles andere sei deswegen irrelevant. Wo alles Demographie ist – und das ist bei Heinsohn der Fall, ungefähr so, wie bei Marx alles Klassenkampf war – schrumpft Soziologie schnell zur bloßen Rechenaufgabe. Welche geistigen Stolperdrähte hier gespannt sind, merkt man spätestens dort, wo der Autor empfiehlt, der Westen solle einen Teil des Jugendüberschusses afrikanischer und arabischer (!) Länder aufnehmen, also die Einwanderung von dort noch forcieren. Das Rezept für den kulturellen Selbstmord.

Wenn man seine Theorie aber nicht monokausal als „Erlärung für Alles“ und auch nicht deterministisch-fatalistisch missversteht, als seien Gewalt und Chaos immer, überall und zwangsläufig die Folge eines Jugendüberschusses, dann kommt man an seiner Theorie nicht vorbei. Heinsohn benennt ein Risikopotenzial, das von den gängigen politikwissenschaftlichen und soziologischen Theorien vernachlässigt wird, das man aber unbedingt berücksichtigen muss, wenn man aktuelle und historische Konflikte verstehen und erklären will, und erst recht, wenn es künftige Krisen zu meistern gilt.

So viel zum Thema „Islamophobie“:

Salzburger Nachrichten, 5. Dezember 2007:

Der „Rat der Religionsgelehrten“ der Kairoer Al-Azhar-Universität, einer der wichtigsten Bildungsinstitutionen der islamischen Gesellschaft, hat jenen Moslems, die als Wirtschaftsflüchtlinge bei der illegalen Einreise nach Europa ums Leben kommen, den Status von „Märtyrern“ für die Ausbreitung des islamischen Weltreichs verliehen. Da dieses Gremium eine kollegiale Lehrautorität für alle Moslems ist, wiegt diese Lehrmeinung schwer als grundsätzliche und über Ägypten hinaus verbindliche Anerkennung der Unterwanderung des „christlichen Abendlandes“ durch Moslem-Immigranten zum Zweck der Islamisierung Europas. …“

[Zum Rest dieses Artikels der „Salzburger Nachrichten“]

 

 

Aktuelle Literatur zum Thema „Islam“

Aktuelle Literatur zum Stichwort „Djihad“